Protokoll der Sitzung vom 25.10.2002

- Sie können lachen und machen, was Sie wollen, aber jeder Mensch muss arbeiten, auch in der Tourismuswirtschaft. Wenn Sie das nicht sehen, wenn Sie für diese Menschen kein Verständnis haben, dann tun Sie mir sehr Leid!

(Lebhafter Beifall bei der CDU - Frau Seeler [SPD]: Die Winterferien sind Matschferien!)

Die Gesamtdauer der Ferien pro Jahr darf dadurch natürlich nicht ausgeweitet werden. Eventuell könnte man, unabhängig von der Aussage Herrn Professor Dreyers, auch durch die Verkürzung der Herbst- und der Weihnachtsferien zu einer einvernehmlichen Regelung finden, die in der Bevölkerung sicherlich auf Zustimmung stieße.

(Anhaltende Zurufe von der SPD)

- Sie können noch so schreien, das interessiert mich überhaupt nicht. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU)

Nächster Redner ist Herr Kollege Robbert.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann Frau Ortgies‘ Engagement für den Tourismus durchaus verstehen. Auf der anderen Seite kann ich die sachlichen Argumente auch nicht außen vor lassen. Abgesehen von den Daten gibt es auch ganz andere sachliche Begründungen.

Die CDU-Fraktion zielt mit ihrem Antrag auf die Wiedereinführung der früher vereinbarten größeren Spreizung der Ferientermine. Allerdings ist festzustellen, dass nicht das Niedersächsische Kultusministerium die neuen Verhältnisse herbeigeführt hat.

Vielmehr haben die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg von jeher für sich den August als Hauptferienmonat in Anspruch genommen,

(Zurufe von der SPD: Aha!)

während die anderen Bundesländer ihre Termine über die Hauptferienmonate Juli und August wandern ließen. Im Zuge der jetzt geltenden Vereinbarung hat auch Nordrhein-Westfalen den August auf Dauer als Hauptferienmonat für sich festgelegt.

(Wulf (Oldenburg) [SPD]: Das geht überhaupt nicht!)

Diese drei Bundesländer stellen etwa die Hälfte der Bevölkerung Deutschlands, sodass damit die alte Struktur nicht mehr einzuhalten ist, es sei denn, Niedersachsen würde für die Zukunft generell auf den Ferienmonat August verzichten.

(Wulf (Oldenburg) [SPD]: Kommt gar nicht in Frage!)

In der geltenden Vereinbarung sind die Termine der Sommerferien bis zum Jahre 2008 festgelegt, außer für Bayern. Dort hat man lediglich den Sommerferientermin für das kommende Jahr genannt. Aus meiner Sicht ist eine Veränderung für die Periode bis 2008 kaum denkbar, weil die Termine schon in die langfristigen Planungen von Unternehmen, Betrieben und Einrichtungen übernommen worden sind. An dieser Tatsache kommen wir nicht vorbei. Der Antrag zielt schließlich nicht auf eine Veränderung von wenigen Tagen, sondern auf eine Veränderung bei der Verteilung von mehreren Ferienwochen, wie Frau Ortgies es ausgeführt hat.

Was die wirtschaftlichen Auswirkungen in den Tourismusregionen des Landes angeht, so sind aus meiner Sicht differenziertere Überlegungen notwendig, als sie im Antrag wiedergegeben und von Frau Ortgies dargestellt worden sind.

In den Küstenregionen stellen die Gäste aus Nordrhein-Westfalen und aus Niedersachsen den größten Anteil. Mit großem Abstand folgen die Bundesländer Hessen, Baden-Württemberg und Bayern.

Bei den Camping-Urlaubern sind nach den Gästen aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen noch die Gäste aus Bremen von größerer Bedeutung. Dabei liegen die Sommerferien in Bremen stets zeitgleich mit den Terminen in Niedersachsen.

(Möllring [CDU]: Logisch, das ist ein Teil von Niedersachsen!)

- Ich wollte das auch nicht weiter ausführen, Herr Möllring.

Bei den Gästen mit schulpflichtigen Kindern wird die Konzentration der Termine unter Umständen zu Terminschwierigkeiten führen; das ist wohl wahr. Allerdings ist zu beachten, dass Familien mit Kindern unter 18 Jahren in Deutschland eine Minderheit darstellen - ein Zustand, den wir an anderer Stelle häufig beklagen. Die Zahlenverhältnisse spiegeln sich zum Teil auch in den Gästedaten wider, die erhoben werden.

(Möllring [CDU]: Die müssen auch die höchsten Preise zahlen, weil sie immer in den Ferien fahren müssen!)

- Ich danke Ihnen. Dazu komme ich jetzt.

Man wird darüber hinaus kaum von Familienfreundlichkeit sprechen können, wenn diese Personengruppe darauf angewiesen ist, stets dann zu buchen, wenn die Vermieter die höchsten Preise fordern.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Die Hauptsaison umfasst die Monate Juni bis September, sodass die Situation auch bei der früher vorhanden gewesenen größeren Spreizung für Familien nicht besser war. Staus auf den Straßen und an den Kassen, volle Strände, Warteschlangen, das treffen wir heute schon an. Da ich mir nicht vorstellen kann, dass es möglich ist, zu mehr als 100 % zu belegen, kann ich auch nicht erkennen, dass sich diese Situation weiter zuspitzen sollte.

In der genannten Sommersaison wird etwa die Hälfte der Übernachtungszahlen eines Jahres erreicht. Die zweite Hälfte verteilt sich über das Jahr mit Höhepunkten in den Osterferien, den Herbstund den Weihnachtsferien. Es ist eine allgemeine Erfahrung, dass auch zu diesen Zeiten Preise gefordert werden, die über den Preisen in den anderen Zeiten des Jahres liegen. Familienfreundlich sind Urlaube auch zu dieser Zeit nicht.

Die CDU-Fraktion schlägt vor, einwöchige Winterferien einzuführen. Bei etwas Nachdenken ist leicht zu erkennen, dass eine solche Regelung auch eine entsprechende Preisgestaltung nach sich ziehen würde. Bei Betrachtung der wirtschaftlichen Auswirkungen ist zu berücksichtigen, dass einige

Ferienregionen bereits heute eine steigende Tendenz von Winterurlaubern feststellen, und zwar nicht nur aus dem Grund, den Frau Ortgies genannt hat. Das setzt aber andererseits entsprechende Einrichtungen am Ort voraus. Winterferien würden also nur an wenigen Plätzen wirtschaftliche Alternativen sein können. Ich kann bei den Zielvorstellungen des Antrages eine Familienfreundlichkeit nicht entdecken.

Bevor ich noch etwas zu den weiteren wirtschaftlichen Aspekten sage, möchte ich Sie auf eine Beobachtung aufmerksam machen, die auch auf eine Veränderung von Gästestrukturen hinweisen könnte. Wenn wir - wie z. B. ich - bemerken, dass Großeltern offensichtlich häufiger mit ihren Enkelkindern Urlaub machen, dann kann das natürlich durch die subjektive Sichtweise bedingt sein. Auf Nachfrage ist mir aber bestätigt worden, dass dies aufgrund der Auswertung der Gästedaten auch objektiv eine zunehmende Tendenz ist. Über die Gründe für diese Entwicklung will ich hier nicht diskutieren. Aber festzustellen ist, dass der Begriff der urlaubenden Familie für die Zukunft differenzierter zu betrachten sein wird.

Neben dem Tourismus in den Urlaubsregionen des Landes sind jedoch auch andere Tourismusbereiche in die Überlegungen über mögliche wirtschaftliche Auswirkungen der Ferienregelung aufzunehmen. Der wachsende Städtetourismus wünscht sich nämlich gerade möglichst viele Wochen ohne Ferien. In diesem Bereich der Tourismuswirtschaft in Niedersachsen werden aus einer Konzentrierung der Ferien eher Vorteile erwartet. Der DEHOGA Niedersachsen sieht die Tourismuswirtschaft im Land als Ganzes und hat daher auch Ihre Forderungen, soweit mir das bekannt ist, nicht unterstützt.

(Frau Ortgies [CDU]: Das stimmt nicht!)

- Ich kann mich auch irren, Frau Ortgies. Ich habe einschränkend gesagt: soweit mir bekannt ist.

Dabei profitiert der Städtetourismus offenbar auch davon, dass die Urlaubsdauer in unseren Ferienregionen seit Jahren sinkt. Sie lag im vergangenen Jahr in Cuxhaven mit mehr als 3 Millionen Übernachtungen z. B. bei 9,5 Tagen. Die Gäste wählen kürzere Urlaube, möglicherweise auch mehr als einmal im Jahr. Für Familien mit Kindern ergibt sich daraus die Möglichkeit, bei so genannten Brückentagen auch einen Kurzurlaub außerhalb der

heutigen Saison zu machen. Diese Kurzurlaube fallen leider nicht selten in eine Jahreszeit, die wettermäßig keine guten Voraussetzungen bietet. Auch davon profitieren Städte mit ihren vielfältigen Möglichkeiten und Angeboten.

Wir werden Ihren Antrag im Kultusministerium diskutieren.

(Möllring [CDU]: Nicht im Kultusmi- nisterium, im Ausschuss!)

Eine Chance, Ihre Zielvorstellungen zu verwirklichen, sehe ich nur dann, wenn Bayern, BadenWürttemberg und Nordrhein-Westfalen ihre Positionen aufgeben. Das wird auch Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, klar sein. Daher muss ich annehmen, dass Sie erfolgreiche Gespräche mit Ihren Kolleginnen und Kollegen in Bayern und Baden-Württemberg geführt haben; dann sollten wir unseren Kontakt zu Nordrhein-Westfalen intensivieren. Wenn das nicht geschehen ist, dann haben Sie einen Antrag gestellt, der Schaumschlägerei ist.

(Beifall bei der SPD)

Frau Janssen-Kucz hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, mit Schaumschlägerei hat dieser Antrag nur wenig zu tun.

(Beifall bei der CDU)

Das, was hier auf dem Tisch liegt, ist die Realität. Bei dem Antrag der CDU-Fraktion geht es um Familienfreundlichkeit und Wirtschaftsförderung; so ist er überschrieben. Meistens sind das Komplexe, die überhaupt nicht zusammen gehen. Da beißt sich die Katze in den Schwanz. In diesem Fall hätte die Möglichkeit bestanden, einmal beides unter einen Hut zu bringen. Diese Chance ist vonseiten der Kultusministerkonferenz mit der Ferienregelung bis 2008 eindeutig vertan worden.

Vertan worden ist die Chance auch deshalb, weil die Kultusministerkonferenz nie etwas gegen die Extrawürste für Bayern, Baden-Württemberg und jetzt auch noch Nordrhein-Westfalen tut. Das hat sich eingebürgert. Wir schauen seit Jahren - das habe ich schon als Kind getan - nach Bayern: Im

mer dürfen sie im August Ferien haben, und wir sind entweder ganz weit hinten oder weit vorn. Das ist richtig ärgerlich. Ich hätte mir eigentlich gewünscht, dass diese Kultusministerkonferenz sagt: Leute, ihr könnt diese Extrawürste so nicht weiter bekommen. - Aber da wird überhaupt nicht aufgemuckt. Da sitzt man schön in seinem geschlossenen Kämmerlein und beschließt das so.

Die beschlossene Ferienregelung ist aber für viele Familien ein Schlag ins Gesicht, und zwar unabhängig davon, ob die Übernachtungszahlen rückläufig sind, wie es uns der Kollege Robbert weiszumachen versucht. Ich glaube das in dieser Form auch nicht. Es ist auch ein Schlag gegen die Tourismusbranche in Niedersachsen. Die Kultusministerin hat einfach keine niedersächsischen Interessen vertreten. Diese Ferienregelung wird - egal, wie Sie es hier vertreten - dazu führen, dass viele Familien aus dem Ferienland Niedersachsen vertrieben werden, weil sie keine freien Betten finden werden. Anhand der Vorbuchungen merkt man bereits, dass es eng wird. Wenn wir viel Glück haben, dann bleiben die Familien zumindest in Norddeutschland oder in Deutschland. Aber ich vermute, dass die meisten ihren Urlaub im Ausland verbringen werden.

(Frau Goede [SPD]: Das glaube ich nicht!)

Die verkürzte Spannbreite der Ferien führt dazu, dass es Zeiten gibt, in denen zu wenig Betten zur Verfügung stehen, während Betten zu anderen Zeiten nicht belegt sind.

Ich will in diesem Kontext nicht auf das PreisLeistungs-Verhältnis im Gastgewerbe in Niedersachsen, insbesondere an der Küste und im Harz, eingehen. Ich meine, das ist ein Thema für sich, das wir diskutieren müssen. So kann man sich nämlich auch die Kundschaft vertreiben.

Letztendlich gehen die Übernachtungszahlen zurück, und wir werden Einbußen haben. Wie bereits ausgeführt, werden die Interessen von Familien mit Kindern und auch die der Tourismusbranche mit Füßen getreten. Für mich ist das immer wieder ein Beispiel für das abgeschottete Agieren dieser Kultusministerkonferenz, die jenseits von Gut und Böse ist. Vielleicht sollte man verstärkt darüber nachdenken, ob wir diese Kultusministerkonferenz nicht abschaffen sollten. Wenn da wirklich nichts Brauchbares kommt, kann man darüber nachdenken.