Protokoll der Sitzung vom 11.12.2002

Fordert nicht unsere Verantwortung, dass wir Vorsorge so früh wie möglich ansetzen müssen? Ich meine, ja, meine Damen und Herren.

(Frau Hansen [CDU]: Sie waren doch gar nicht dabei!)

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 19. Januar 2000 gemeindliche Hundesteuerregelungen für rechtmäßig erklärt, die für bestimmte Hunderassen einen gegenüber dem normalen Steuersatz achtfach höheren Steuersatz festgelegt haben.

(Oestmann [CDU]: Daran kann man den Schwachsinn doch erkennen!)

Das Gericht hat unter Berufung auf wissenschaftliche Gutachten - ich unterstreiche das noch einmal festgehalten, dass bestimmten Hunderassen ein Gefährlichkeitspotenzial innewohne und sie wegen gesteigerter Aggressivität auffielen. Dabei zitiert das Verwaltungsgericht u. a. Professor Unshelm,

früher Leiter des Instituts für Tierhygiene, Verhaltenskunde und Tierschutz der Universität München. Dessen Gutachten zur Frage der wissenschaftlichen Basis für Rasselisten differenziert und macht keine Schwarz-Weiß-Malerei. Darin steht: „... die relativ häufig wegen ihrer gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen und Tieren aufgefallen sind.“ Weiter schreibt Professor Unshelm: „Eine a priori aufgrund rassespezifischer Merkmale gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit ist bei den Hunden der Kategorie 1 sicherlich überproportional häufig.“ Unter Kategorie 1 finden sich die Hunde, die wir im Gesetz aufgelistet haben. Professor Unshelm belegt seine Bewertung mit Untersuchungen u. a. in Frankfurt und in München.

Meine Damen und Herren, nun weiß ich, die Gerichte und die Wissenschaft können uns die Entscheidung nicht abnehmen. Sie können uns Hilfestellung leisten, aber die Entscheidung haben wir hier miteinander zu treffen. Aus der Vielfalt der Meinungen kann jedenfalls nicht gefolgert werden: Rasseliste zulässig oder Rasseliste unzulässig. Wir Parlamentarier müssen entscheiden. Wo setzen wir - das ist die Frage - mit unserer Verantwortung an? Ich appelliere an die CDU-Fraktion und auch an die Bündnis 90/Die Grünen: Folgen auch Sie dem Vorsorgegrundsatz „Erst der Mensch und dann der Hund“. Lassen wir den ersten Biss, der tödlich sein kann, wie wir wissen, nicht zu.

(Oestmann [CDU]: Das ist aber un- zulässig! - Kethorn [CDU]. Und wenn es ein Rottweiler ist, der nicht in der Liste steht? - Zuruf von der CDU: Sie emotionalisieren!)

Fragen wir uns, was das bedeutet. Die Aufnahme von Rassen in unsere Liste bedeutet, dass diese Hunde einem Wesenstest unterzogen werden sollen.

(Frau Hansen [CDU]: Das ist auch nur eine Momentaufnahme!)

Das ist ein wesentlicher Beitrag zur Vorsorge vor den Gefahren, die von den genannten Rassen ausgehen können.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend eines feststellen: Ich habe eben von 13 Bundesländern gesprochen. Es fällt auf, dass die Entscheidungen in diesen 13 Ländern immer allein von den Regierungsfraktionen getroffen worden sind und getragen wurden oder werden. Das war in

Hessen so, wo die Opposition auch Nein sagte, das scheint heute auch hier in diesem Landtag so zu sein. Aber lassen Sie mich abschließend sagen: Es gibt auch ein anderes Verhalten einer Oppositionspartei, und da, Frau Hansen, appelliere ich in der Tat an Sie und bitte alle, einmal aufmerksam zu sein. Ich sagte, der nordrhein-westfälische Landtag berät übermorgen über das Hundegesetz. Frau Höhn von den Grünen hat dort gemeinsam mit der SPD einen sehr umfangreichen Gesetzentwurf vorgelegt, der viele Hunderassen enthält.

(Oestmann [CDU]: Weil sie es nicht abgrenzen können!)

Die CDU-Fraktion, Herr Oestmann, hat auch einen Antrag im nordrhein-westfälischen Landtag vorgelegt. Hier liegt er. Ich nehme an, die CDUFraktion im nordrhein-westfälischen Landtag ist nicht unvernünftig, leidet nicht unter mangelndem Sachverstand. Davon gehe ich einmal aus.

(Kethorn [CDU]: Sie hat vielleicht noch nicht die Erkenntnisse, die wir haben!)

Meine Damen und Herren, der Antrag, den die CDU-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag eingebracht wird, ist genau unser Gesetz.

(Beifall bei der SPD)

Ich kann es Ihnen vorlesen, es ist Wort für Wort abgeschrieben worden.

(Plaue [SPD]: Hört, hört!)

Nun frage ich Sie ernsthaft, Frau Hansen, ob Ihre Argumente, die Sie hier vorgetragen haben, wirklich so noch gelten können und ob Sie die auch gegenüber Ihren Parteifreunden in NordrheinWestfalen aufrechterhalten wollen. Nein, stimmen Sie diesem Gesetzentwurf zu, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Kollege Kethorn!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der zentrale Punkt der kontroversen Diskussion ist das Thema Rasseliste.

(Plaue [SPD]: Nordrhein-Westfalen!)

Wenn Sie uns jetzt vorhalten, die CDU-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag hätte den Antrag der Landesregierung bzw. der SPDLandtagsfraktion hier in Niedersachsen abgeschrieben, sage ich:

(Plaue [SPD]: Das haben die ge- macht!)

Vielleicht sind die Erkenntnisse in NordrheinWestfalen noch nicht so weit gereift

(Lachen bei der SPD - Mühe [SPD]: Normalerweise sind die ganz helle!)

wie bei uns nach der Anhörung hier im Niedersächsischen Landtag.

Möhrmann [SPD]: Das sage ich Herrn Rüttgers!)

Fraktionsübergreifend besteht wohl Einigkeit darin: Wir wollen die Gefahren minimieren, die von Hunden ausgehen, und wir wollen mehr Schutz für die Bevölkerung, indem wir uns diesem Thema hier widmen. Aus diesem Anlass, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat der Agrarausschuss eine Anhörung durchgeführt. Das war sehr umfangreich, umfassend und kompetent. Fast alle Verbände habe in dieser Anhörung deutlich gesagt, dass die Aufnahme einer Rasseliste in das Gesetz nicht mehr Sicherheit für die Bevölkerung hier in Niedersachsen bringt. Aus diesem Grunde lehnen wir die Aufnahme einer solchen Rasseliste ab.

Meine Damen und Herren, Herr Gabriel hat jüngst Folgendes formuliert:

„Politiker versuchen, selber Fachleute zu sein. Das ist ein Fehler. Politiker sind Generalisten. Spöttisch gesagt: Wir sind alle Universaldilettanten. Wir müssen Fachleuten zuhören.“

(Plaue [SPD]: Und dann logisch den- ken!)

Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, genau dies haben wir gemacht. Wir haben den Fachleuten zugehört und kommen zu der Erkenntnis, dass eine Rasseliste überhaupt nichts bringt, geschweige denn mehr Sicherheit für die Bevölkerung bringt. Insofern lehnen wir die Aufnahme der Rasseliste in dieses Gesetz ab.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Anhörung ist deutlich geworden, dass die Gefahr von dem ausgeht, was oben an der Leine ist, also was zwischen den Ohren geschieht. Das ist der entscheidende Ansatzpunkt: Von denen, die Hunde halten, muss mehr Sachkunde verlangt werden. Dies fordern wir hier an dieser Stelle noch einmal eindringlich ein.

Mit Ihrem Gesetzentwurf, der jetzt vorliegt und in den Sie die Rasseliste aufgenommen haben, erweisen Sie dem Schutz der Bevölkerung einen Bärendienst, um nicht zu sagen: einen Hundedienst.

(Plaue [SPD]: Nordrhein-Westfalen!)

Insofern bitte ich Sie noch einmal, auf das zurückzukommen, was Herr Gabriel gesagt hat. Wenn Sie den Fachleuten zugehört hätten, dann dürften Sie heute bei der Verabschiedung dieses Gesetzes nicht aufstehen.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Sie sollten logisch denken!)

Der Kollege Klein erhält nach § 71 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung zwei Minuten zusätzliche Redezeit.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, ich glaube, dieses Abschreiben ist unser Problem in dieser Sache. Hier hat einer vom anderen abgeschrieben. Alle haben abgeschrieben, keiner hat nachgedacht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Wir hatten Zeit genug, uns wirklich fachkundig zu machen. Wenn wir diese Fachkunde zugrunde legen, dann müssen wir zu dem Schluss kommen: Es macht keinen Sinn, einzelne Hunde herauszupicken und damit einen besonderen Verwaltungsaufwand herbeizuführen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Sie müssten jetzt eigentlich konsequent sein und nahezu jeden Hund in diese Rasseliste aufnehmen. Dann würde Ihre Argumentation auch tragen. Die von Ihnen behaupteten wissenschaftlichen Grundlagen sind jedenfalls nicht gegeben.

Ich bin gerne bereit, Ihrem Ansatz zu folgen und zu sagen: Erst der Mensch und dann der Hund. Aber ich frage Sie: Was haben Sie getan, um beim Menschen anzusetzen? Was haben Sie getan, um den Verwaltungsvollzug in diesem Bereich zu verbessern, zu beschleunigen, dafür zu sorgen, dass sich die Behörden kümmern, wenn ein Vorfall eingetreten ist? - Ich weiß aus verschiedenen Schilderungen, dass dort nichts passiert ist. Wenn Sie sich erst um den Menschen, nämlich um die verantwortungslosen Halter, gekümmert hätten, wenn Sie sich darum gekümmert hätten, dass die verantwortungslosen Züchter und Händler aus dem Verkehr gezogen werden, dann bräuchten wir uns über dieses Thema heute nicht mehr zu unterhalten. - Danke sehr.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Zunächst zur Einzelberatung zu Tagesordnungspunkt 6. Ich rufe auf: