Protokoll der Sitzung vom 11.12.2002

(Beifall bei der CDU - Kethorn [CDU]: Unsere auch!)

Sicherlich wird der Herr Minister wieder aus unserem Antrag von Mai 2000 zitieren. In der Tat haben auch wir damals in der hektischen Diskussion in den Medien andere Forderungen formuliert. Aber wir haben uns seitdem bei Fachleuten sachkundig gemacht, die es besser wissen. Wir haben durch die Anhörung viel dazugelernt.

(Kethorn [CDU]: Das ist der Unter- schied zur SPD-Fraktion!)

Meine Kollegen und ich sowie die Hundehalter in Niedersachsen wären sehr erfreut darüber, wenn Sie, meine sehr geehrten Herren und Damen von

der SPD-Fraktion, heute den Mut aufbrächten und diese Beschlussvorlage zurückzögen. Wir könnten in Ruhe das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes abwarten und dann, wenn überhaupt notwendig - man denke an die Worte von Herrn Kaufhold -, ein Gesetz auf den Weg bringen, das den Hund als Weggefährten des Menschen vor Missbrauch schützt und auf die Eigenverantwortung der Hundehalter setzt.

Werte Kolleginnen und Kollegen, schade, dass Sie nicht auf mehr Vernunft, Sachlichkeit und wissenschaftlichen Sachverstand hören. Eine Chance wird heute vertan, den Verwaltungsaufwand der Kommunen und die Emotionen im Lande abzubauen. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Der Kollege Klein spricht für die Fraktion der Grünen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gefährliche Hunde sind für uns Hunde aller Rassen, die über eine gesteigerte Aggressivität verfügen, die Menschen oder Tiere gebissen haben oder die sonst über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft, Angriffslust oder Schärfe zeigen. So ist es wunderbar auch in diesem Gesetz formuliert. Gefährliche Hunde werden nicht geboren, gefährliche Hunde werden gemacht. Das ist die Wahrheit, die die Mehrheitsfraktion nicht zur Kenntnis nehmen will. Das ist die Wahrheit, die der Mehrheitsfraktion so peinlich ist, dass sie ihre Rasseliste - die damit natürlich nicht vereinbar ist versteckt, und zwar hinter einer Verweisung auf das Bundesrecht.

Wir wollen die Menschen vor diesen gefährlichen Hunden und vor ihren Haltern schützen, insbesondere natürlich die Kinder. Wir wollen, dass der öffentliche Raum in dieser Beziehung angstfrei genutzt werden kann. Das ist wohl das Ziel aller, und wir sind uns darüber auch mit dem Kinderschutzbund einig. Darüber gibt es keinen Streit. Wir sind uns auch darüber einig, dass diese gefährlichen Hunde nur unter bestimmten Auflagen gehalten werden dürfen. Die Halter müssen zuverlässig, persönlich geeignet und sachkundig sein. Der auffällig gewordene Hund muss per Wesenstest eine „günstige Sozialprognose“ nachweisen. Er

muss unveränderlich gekennzeichnet und haftpflichtversichert sein. Wir wissen aber auch, dass all diese Auflagen und eine ganze Reihe mehr schon heute im Rahmen des kommunalen Gefahrenabwehrrechts verhängt und kontrolliert werden können und immer schon konnten.

Das Problem liegt im Vollzug. Es müssen heute schon gravierende Vorfälle passieren, bevor die Behörde tätig wird. Wenn Auflagen erlassen werden, dann ist niemand da, der sie überwacht und kontrolliert. Denken wir doch daran: Für die Hunde, die Volkan getötet haben, waren Maulkorbund Leinenzwang angeordnet. Für ihren Halter war aufgrund der Vorgeschichte längst ein Haltungsverbot berechtigt. Was berechtigt uns eigentlich zu glauben, dass das Vollzugsdefizit durch dieses Gesetz beseitigt wird und damit nicht nur die Sicherheit auf dem Papier erhöht wird? - Im Gegenteil, meine Damen und Herren: Durch das unsinnige Abarbeiten einer Rasseliste wird weitere Verwaltungskraft gebunden, die sinnvoller im Vollzug eingesetzt wäre.

(Zustimmung von Ehlen [CDU])

Sie kennen sicherlich die Diskussion in den Besuchergruppen, wenn es darum geht, sich gegen die Gesetzesflut und immer weitere Bürokratie zu verwahren. Das ist ein wunderbares Beispiel, an dem wir deutlich machen können, wie unsere Wählerinnen und Wähler über die Medien an dieser Thematik mitwirken. Dieser Druck ist über die Medien aufgebaut worden, und wir haben uns ihm gebeugt. Wir sind - wenn wir es positiv sagen wollen - dem Auftrag unserer Wählerinnen und Wähler nachgekommen. Der Bund, alle Landesregierungen, Landesparlamente und unzählige Gerichte haben sich mit diesem Problem beschäftigt, und zwar vor dem Hintergrund, dass es jedes Jahr 7000 Verkehrstote und 2000 Drogentote gibt, dass aber, statistisch gesehen, nur 1,5 Menschen pro Jahr durch Hunde zu Tode kommen. Ich weiß, dass man Menschenleben nicht quantitativ gegeneinander aufrechnen kann. Aber diese Zahlen sollten uns nicht ganz unbeeindruckt lassen. Die Zeit ist lang genug gewesen, um von durchaus verständlichen populistischen Positionen zu fachkundigen Entscheidungen zu kommen. Ich erwarte von Ihnen den Mut, hier den falschen Weg zu korrigieren.

Ich möchte mit Ihnen keinen juristischen Streit darüber führen, ob Rasselisten gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Ich möchte auch nicht über die Bedeutung des Letztentscheidungsrechts

des Gesetzgebers streiten. Wenn es rechtens ist, dass der Gesetzgeber beschließen kann, dass Schwarz ab morgen Weiß ist, dann ist das seine Sache. Aber wir müssen hier doch auch die Fakten sehen. Die Fakten sind, dass es keinen wissenschaftlichen, statistischen oder empirischen Anhaltspunkt dafür gibt, dass die im Gesetz genannten Rassen gefährlicher sind als Dobermann, Rottweiler, Boxer oder Schäferhund usw. Im Gegenteil: Das statistische Material aus den durchgeführten Wesenstests belegt eine geradezu besondere Sozialverträglichkeit der hier genannten Rassen. Die Rasseliste ist unpraktikabel, da es überhaupt keine sichere Möglichkeit gibt - auch das haben wir in der Anhörung gehört -, Kreuzungen zu bestimmen. Sie verhindert auch nicht den Missbrauch von Hunden, da jeder Hund - auch das haben wir gehört - von Menschen zu einem gefährlichen Hund gemacht werden kann. Um nicht nur Scheinsicherheit, sondern mehr echte Sicherheit und vor allen Dingen mehr Tierschutz zu erreichen, sind viele andere angesprochene Maßnahmen notwendig, die aber zum Teil in die Bundeszuständigkeit fallen. Zuverlässigkeit, Sachkunde und persönliche Eignung müssen für alle Hundehalter sichergestellt werden. Kennzeichnung und Haftpflicht für alle Hunde und ein straffes Reglement für Zucht und Handel mit Hunden sind erforderlich. Es darf eigentlich keine Zucht mehr ohne vorangegangenen Wesenstest geben.

(Zustimmung von Frau Hansen [CDU])

Das Entscheidende, meine Damen und Herren, ist doch, dass der Verwaltungsvollzug sichergestellt wird. Dieses Gesetz wird uns unserem Ziel nicht wesentlich näher bringen. Meine Damen und Herren, insbesondere von der SPD-Fraktion, denken Sie noch einmal darüber nach, bevor Sie für dieses Gesetz aufstehen, und machen Sie sich klar, dass fast drei Viertel - auch wenn wir vollzählig wären der hier sitzenden MdLs dieses Gesetz nicht wollen: die gesamte Opposition nicht und die Hälfte der SPD-Fraktion nicht. Das wissen wir. Wieso sollen wir also dieses Gesetz verabschieden?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Der Kollege Schwarzenholz erhält die Gelegenheit, für bis zu zwei Minuten zu uns zu sprechen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bekenne ganz unverblümt - ich hoffe, dass die anderen das für sich auch so sehen -, dass ich nicht zu den Experten in der Hundehaltung gehöre. Deswegen bin ich trotzdem als Abgeordneter verpflichtet, diesen Gesetzentwurf zu behandeln und darüber zu entscheiden, ob ich ihn beschließe oder nicht. Auch die heutige Debatte hat mir nicht klarer gemacht, warum eine Situation ohne dieses Gesetz besser ist als eine Situation mit diesem Gesetz. Das Gesetz hat ganz eindeutig Mängel. Aber die Gegenvorschläge haben ebenfalls Mängel. Wenn diese Problematik jedoch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich gesehen und von den politischen Lagern unterschiedlich bewertet wird, dann weiß man, dass es kein perfektes Gesetz geben wird. Aber dieses Gesetz gibt zumindest die Chance, bei einzelnen Problemen mehr Sicherheit herbeizuführen. Eine gesteigerte Sicherheit ist nicht nur deshalb notwendig, weil die Medien durch ihre Berichterstattung die Sensibilität für dieses Thema erhöht haben, sondern weil es diese Probleme objektiv, aus dem Alltag heraus gesehen, gibt. Von daher ist dieses Gesetz besser als kein Gesetz. Deshalb werde ich diesem Gesetz zustimmen. Ich kann diese Argumentation - gerade wie sie der Kollege von den Grünen geführt hat schlicht und ergreifend nicht nachvollziehen. Sie führt zu nichts.

(Zustimmung von Plaue [SPD])

Herr Minister Bartels!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie werden verstehen, dass ich mich außerordentlich freue, dass der von der Mehrheitsfraktion eingebrachte Gesetzentwurf nach Abschluss der Ausschussberatungen den Maßgaben entspricht, die durch eine gesetzliche Regelung erreicht werden sollen.

(Kethorn [CDU]: Ganz überzeugend war die Meinung ja nicht!)

Wir wollen den Schutz der Bürgerinnen und Bürger auf hohem Niveau. Das war von Anfang an - seit 1999 - unsere Ansage. An dieser haben wir durchgehend festgehalten, und darüber bin ich

froh. Bereits die damals von uns vorgetragene Gefahrtierverordnung zum Schutz von Mensch und Tier vor von Hunden ausgehenden Gefahren knüpfte an Listen an, in denen Hunderassen genannt worden sind, bei denen u. a. aufgrund der Zuchtauslese, der Größe, der Beißkraft oder eines gesteigerten Aggressionsverhaltens Gefährlichkeitsmerkmale vermutet wurden.

Herr Abgeordneter und Kollege Oestmann, ich entsinne mich an ein Zitat Ihrerseits im Landwirtschaftsausschuss bei der Beratung dieses Sachverhaltes. Die Erfahrungen, die wir mit der Umsetzung dieser Gefahrtierverordnung gemacht haben, sind, dass sich im Bewusstsein der Menschen ein Wandel dahin gehend vollzogen hat, dass Hunde erhebliche Gefahren für den Menschen bedeuten können und dass zur Gefahrenvorsorge ein verantwortungsbewusster Umgang des Menschen mit einem Hund unerlässlich ist.

Wenn wir uns die aktuellen Statistiken in den großen Städten anschauen, stellen wir gerade auch in der Stadt Hannover, wo darüber Buch geführt worden ist, heutzutage im Vergleich zu der Zeit vor dem In-Kraft-Treten der Gefahrtierverordnung weniger schlimme Beißzwischenfälle fest.

Fakten sind: Erstens. Aggressivität ist auch ein züchterisches Selektionsmerkmal. Zweitens. Die Rassezugehörigkeit spielt allein dadurch eine Rolle, dass große und kräftige Hunde - das wissen wir -, wenn sie beißen, schwererwiegende Verletzungen hervorrufen als kleinere Hunde und dass manche Rassen ihr Opfer auch nicht so leicht loslassen, wie das eben andere Hunderassen tun. Die Statistiken und Untersuchungsbefunde belegen, dass bei Angriffen auf Menschen, aber auch bei Beißereien zwischen Hunden bestimmte Rassen, gemessen an der Verbreitung, eindeutig überrepräsentiert sind. Das sind Fakten, über die es keinen Streit gibt. Dies bestärkt mich, den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts folgend, eine gesetzliche Regelung anzustreben, die dem Niveau unserer bisherigen Gefahrtierverordnung entspricht.

Meine Damen und Herren, ich halte es auch für richtig, wenn wir uns an der Bundesregelung, an der Einschätzung des Bundesgesetzgebers, orientieren, der für vier Hunderassen sowie deren Kreuzungen ein Zucht-, Einfuhr- und Handelsverbot bundesgesetzlich vorgeschrieben hat. Was der Bund für richtig hält, was dort als richtig und notwendig angesehen wird, kann doch von uns nicht

einfach beiseite gewischt und nicht zur Kenntnis genommen werden.

(Zuruf von Klein [GRÜNE])

Von dieser Bundesregelung sind die vier Rassen betroffen, die wir in dem Gesetzentwurf aufgeführt haben. Die heute zur Abstimmung stehende Frage, ob diese Rasseliste des Bundes auch für Niedersachsen gelten soll, haben andere Länder auch zu beantworten gehabt, und sie haben sie beantwortet. 13 Bundesländer haben die Frage so beantwortet, wir sie heute beantworten wollen, einige sogar noch schärfer.

(Zuruf von Klein [GRÜNE])

Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein, alle diese Länder haben die Notwendigkeit einer entsprechenden Regelung eingesehen und haben das gemacht. Im November, nicht vor zwei Jahren, Frau Hansen, sondern im November 2002 hat das Bundesland Hessen eine gesetzliche Regelung für die bestehende hessische Rasseliste verabschiedet. Bayern - Herr Schumacher hat es eben gesagt - hat seine Rasseliste noch um den Rottweiler ergänzt. Heute, zeitgleich zu unseren Beratungen hier im Landtag, wird das Bundesland NordrheinWestfalen eine viel umfangreichere, viel differenziertere Hunderasseliste verabschieden.

(Oestmann [CDU]: Mit welchen Kon- sequenzen? - Zuruf von Klein [GRÜ- NE])

Dort, Herr Klein, regieren die Grünen mit den Sozis zusammen und haben ganz andere Argumente vorgetragen und werden andere Argumente vortragen, als Sie es hier heute tun.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von der CDU: Sterben die Rottweiler aus?)

Wenn ich mir die Entscheidungen von 13 Bundesländern vor Augen führe, frage ich mich in der Tat: Ist dort mehr Unvernunft zu Hause, meine Damen und Herren? Das frage ich, weil Frau Hansen, eben gesagt hat: Lassen Sie Vernunft walten. Die machen es anders. Ist das, was diese 13 Länder gemacht haben, Unvernunft?

(Kethorn [CDU]: Ja, eindeutig ja!)

Ist das weniger Sachlichkeit? Oder haben die weniger auf die Wissenschaft gehört, Frau Hansen? Ich glaube, nein.

(Zuruf von der CDU: Da brauchen Sie doch nicht immer hinterherzuda- ckeln!)

- Sonst nehmen Sie sich doch immer Bayern als Vorbild.

(Kethorn [CDU]: Die müssen ja nicht überall Vorbild sein!)

Nun wundert es mich aber, dass Sie sagen: Wir müssen nicht hinterherdackeln.

Wir sind gut beraten, aus Verantwortung für unsere Bevölkerung - und darum geht es, meine Damen und Herren - die bestmögliche Vorsorge zu treffen. Der Schutz des Menschen ist uns als Gesetzgeber ein zentrales Anliegen und muss es auch sein.

(Oestmann [CDU]: Aber das Instru- ment ist falsch!)

Aus der Anhörung zum Gesetzentwurf, die der Landwirtschaftsausschuss durchgeführt hat, wird von CDU und Grünen zu Unrecht gefolgert, eine Basis für eine Rasseliste gäbe es nicht.

(Frau Hansen [CDU]: Das stimmt doch gar nicht! Zu Recht folgern wir das!)

Fordert nicht unsere Verantwortung, dass wir Vorsorge so früh wie möglich ansetzen müssen? Ich meine, ja, meine Damen und Herren.