(Unruhe - Glocke des Präsidenten - Frau Hansen [CDU]: Wehret den An- fängen! Wir wollen jetzt keine Steu- erdebatte!)
Nun zu der Antwort auf die Große Anfrage. Es ist dringend nötig, uns viel mehr bewusst zu machen, welche komplexen Folgewirkungen diese demografische Entwicklung in der Bundesrepublik und natürlich auch in Niedersachsen haben wird. Bislang haben wir im Wesentlichen über die Frage gestritten, was dies für die sozialen Sicherungssysteme bedeutet. Sie haben eigentlich keine wirklich guten Konzepte dafür, was das z. B. für die Anforderungen an den öffentlichen Personennahverkehr, für die städtebauliche Entwicklung und für die soziale Infrastruktur bedeutet. In der Antwort auf die Große Anfrage haben Sie das nicht dargelegt, Frau Ministerin. Das werfe ich Ihnen auch gar nicht en detail vor. Es ist einfach so, dass die Politik die Auseinandersetzung mit diesem Thema zu stark oder bisher ausschließlich auf die Frage fokussiert hat, was das für die sozialen Sicherungssysteme bedeutet.
Ich habe aus Ihrer Antwort auf die Große Anfrage zu meiner großen Überraschung herausgelesen, dass Sie allerdings glauben, dass die demografische Entwicklung zu einer Kommunikations- und Beziehungslosigkeit zwischen den Generationen geführt hat.
Das ist mein Eindruck nicht. Ich finde es sehr ermutigend, aus unterschiedlichen Landesteilen Informationen zu bekommen bzw. in den Zeitungen zu lesen, dass es eine ganze Reihe von sehr guten und sehr sinnvollen Projekten gibt: in Schulen, in Kindergärten, bei der Schularbeitenbetreuung, beim gemeinsamen Theaterspiel usw.
- Christa, warum lassen die dich eigentlich nicht länger reden, wenn du so gerne redest? So musst du immer dazwischenreden. Gebt ihr doch einfach mehr Redezeit!
Es gibt also eine ganze Reihe von Ansätzen, die darauf hinwirken, dass sich sozusagen unterhalb der unmittelbaren politischen Ebene sehr viel tut. Aber klar ist doch eines: Wir werden die Anforderungen an ein akzeptables und sinnvolles Leben nicht erfüllen können, wenn wir nicht noch weitaus stärker als bisher in das bürgerschaftliche Engagement investieren. Ich habe das schon einmal ge
sagt: Das bürgerschaftliche Engagement muss sich von unten entwickeln. Aber es muss auch von oben gefördert werden. Ich meine, dass sich da auch auf der Landesebene weitaus mehr tun lässt, als derzeit getan wird. Dabei will ich nicht unterschlagen, dass ich es für einen guten Ansatz halte, dass Sie bei der Landesvereinigung für Gesundheit diese Stelle mit finanzieren, also dass genau das bürgerschaftliche Engagement weiter gefördert wird. Ich glaube aber, das reicht bei Weitem nicht aus.
Wir werden meiner Ansicht nach z. B. bei den Pflegekonzepten, in der ambulanten Pflege, aber auch in der stationären Pflege dringend von der Idee, die derzeit noch vorherrscht, wegkommen müssen, dass auch die Kommunikation, die Bekämpfung von Einsamkeit, das Händchenhalten über die Solidargemeinschaft finanziert werden muss. Wir werden Konzepte brauchen, wie auf der einen Seite die professionelle Arbeit finanziert werden kann, aber auf der anderen Seite auf der freiwilligen Ebene genau diese menschlichen Bedürfnisse befriedigt werden können. Das muss noch sehr viel stärker politisch angestoßen werden.
Insgesamt unbefriedigend finde ich die Situation in Niedersachsen im Bereich des Wohnens. Ich greife diesen Komplex deswegen heraus, weil ich glaube, dass sich bei der Frage der Wohnangebote sehr viel mit entscheidet, wie viel Hilfestellung und Unterstützung professioneller Art die Menschen brauchen. In dieser Frage ist Niedersachsen leider ein Land, das eine Infrastruktur im Bereich von großen, traditionellen Altenwohnheimen hat. Bei allem, was unterhalb dessen liegt, ist in Niedersachsen in der Vergangenheit viel zu wenig getan worden. Wenn wir aber an dem Ziel festhalten wollen, dass alte Menschen und alt werdende Menschen in ihrer gewohnten Umgebung leben bleiben sollen, dann brauchen wir auch andere Wohnangebote, und dann müssen wir das, was ich hier einmal „tätige Nachbarschaft“ nennen möchte, stärker fördern und fordern.
Ich möchte Ihnen in diesem Zusammenhang zwei Beispiele nennen, die mich sehr beeindruckt und mir vor Augen geführt haben, wie so etwas zukünftig funktionieren muss und dass man dabei einen anderen Blick braucht. In Nürnberg hat es eine Hausgemeinschaft erreicht, für die älteste Mieterin in dem Haus, die auch zunehmend dement war - alle waren der Meinung, dass sie dringend in ein Heim müsste -, die Betreuung zu übernehmen und von dem Gericht einen gemeinschaftlichen Betreuungsauftrag zu bekommen. Das zeigt,
in welche Richtung es gehen müsste. In anderen Fällen konnte eine Heimeinweisung vermieden werden, weil Nachbarn die nötige Versorgung und Verpflegung alter Menschen übernommen haben. Ich meine, das, was durch die Wohnungsanpassungsmaßnahmen, die jetzt auch von der Pflegekasse mitfinanziert werden, richtigerweise angestoßen worden ist, sollte mit dem Aufbau von Netzwerken nachbarschaftlicher Hilfe verbunden werden.
Meine Redezeit ist leider schon zu Ende. Es gibt noch eine ganze Reihe von Projekten, wie z. B. das Modellprojekt gerontopsychiatrischer Zentren hier in Hannover, die eindrücklich nachgewiesen haben, dass andere Konzepte der Würde der älteren Menschen sehr viel näher kommen, und zwar auch in Lebenssituationen, in denen sie dringend Hilfe brauchen, und dass sie zugleich auch kostengünstiger sind. Es ist wirklich ein Drama, dass wir zum Teil Systeme aufgebaut haben, die so wenig Bewegungsspielraum lassen.
Abschließend will ich sagen: Die Tatsache, dass in Niedersachsen nur 0,01 % der älteren Menschen in wohngemeinschaftsähnlichen Zusammenschlüssen leben, zeigt eindrücklich, dass wir hierbei noch einen ganz erheblichen Nachhol- und Veränderungsbedarf haben. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Jahns, ich meine, die Älteren im Lande Niedersachsen haben einen Anspruch darauf, dass wir so mit ihrer Lebenspassage umgehen, wie Frau Pothmer mit der Anfrage und den Antworten umgegangen ist, nämlich kritisch und konstruktiv. Sie haben entweder die Fragen oder aber die Antworten nicht gelesen oder vielleicht auch beides nicht. Eigentlich haben Sie über völlig andere Themen geredet,
Was erzählen Sie denn über die Familienpolitik in der Bundesrepublik? - Die Familienpolitik in der Bundesrepublik ist doch erst mit der Regierung Schröder in ein modernes Fahrwasser geraten.
- Meine Damen und Herren, es war das Bundesverfassungsgericht, das der Regierung Kohl gerade in der Familienpolitik erhebliche Versäumnisse bescheinigt hat.
Was hat hier alles stattgefunden! - Die Transfereinkünfte in den Familien wurden verbessert, Kindergeld, BAföG. Die Familien wurden steuerlich entlastet. Sie bekamen Ganztagsangebote. In Niedersachsen haben wir Kita-Plätze aufgebaut. Wir haben die Verlässlichkeit in den Bildungsangeboten ausgebaut.
- Immer in Kooperation mit den Kommunen. Denn die öffentliche Hände sind immer mehrere, es ist also nicht nur das Land. Das ist völlig richtig. - In dieser Bundesrepublik hat aber nie mehr für Familien stattgefunden als in den letzten vier oder fünf Jahren.
Ich wende mich auch ganz massiv dagegen, Frau Jahns, dass Sie hier einen Popanz von Angst in der älteren Bevölkerung in Niedersachsen entwickeln.
Zumindest die Bevölkerung in Niedersachsen, die ich kenne - ich glaube, ich besuche relativ intensiv Gruppen älterer Bürger im Lande -, hat ein großes Zutrauen, dass Kommunen, Länder und die Sicherungssysteme in dieser Republik ordentlich für sie sorgen,
dass sie nicht vernachlässigt sind, dass sie eine wichtige Rolle im politischen Handeln des Landtages und des Bundestages, aber auch der Kommu
nen spielen. Es ist völlig abwegig, hier den Eindruck zu erwecken, in der älteren Bevölkerung grassiere Angst. Das ist daneben. Sie haben versucht, die Große Anfrage zu missbrauchen.
Meine Damen und Herren, ich möchte mich für die Antworten auf die Große Anfrage der SPDFraktion bedanken.
- Das hat auch Frau Elsner-Solar schon gemacht. Danke für den Hinweis. Sie sollten bei mir ruhig häufiger dazwischenreden. Dann müssen Sie andere nicht maßregeln.
Ich finde, es ist wichtig, dass wir einen aktuellen Sachstandsbericht über die demografische Entwicklung bekommen haben. Für meine Arbeit ist er sehr hilfreich. Ich finde es auch wichtig - ich habe es so verdichtet noch nirgendwo publiziert gesehen -, dass die demografischen Daten, die etwas mit der Arbeitswelt in diesem Lande zu tun haben, einmal in so guter und so gut lesbarer Form zusammengetragen wurden.
Die Regierung hat meines Erachtens drei wichtige Rollen, wenn es um die Älteren in diesem Lande geht: Sie sorgt dort, wo es um Hilfe geht, wo es also um kompensatorische Maßnahmen geht, für die notwendigen Strukturen, und zwar immer mit anderen zusammen. Dabei geht es um das Thema der Pflege, es geht um das sicherlich ausbaubare Thema des Wohnens und des betreuten Wohnens, es geht auch um die Frage der Mobilität. Dort, wo es um die Selbständigkeit der Älteren geht, wo Teilhabe und Bildungsangebote für Senioren gewünscht und geboten sind, zeigt sie Respekt vor der Lebensleistung, hat sie ein gutes Rollenverständnis für die Älteren, sorgt für die notwendige Unterstützung und schafft Netzwerke. Ich halte das für einen guten methodischen Ansatz. Wenn Themen wieder in das gesellschaftliche Bewusstsein gehoben werden müssen, dann sorgt sie für die notwendige Kommunikation unter den gesellschaftlich relevanten Gruppen. Sie wissen, wie wichtig so etwas ist. Zuletzt haben wir das alle bei der Einführung der Pflegeversicherung Mitte der 90er-Jahre sehr intensiv erlebt und auch gutgeheißen. Auch diese Praxis in Niedersachsen wird hier aktiv betrieben. Man setzt sich also mit den gesell
schaftlich wichtigen Gruppen im Lande für die Herausbildung von Konsens, für Reformbedarfe, die man gemeinsam sieht, zusammen. Der Dialog „Soziales Niedersachsen“ ist dafür ein hervorragendes Beispiel.
Frau Ministerin Trauernicht hat in der schriftlichen Antwort und in ihrem Vortrag die Ziele noch einmal deutlich gemacht: Teilhabe und Gestaltung, Solidarität der Generationen, Qualität in der Pflege, Selbstbestimmung, wenn man älter wird, und darüber hinaus ein integratives Leben für unsere Migranten.
Wir stimmen mit diesen dargestellten Zielen voll überein und meinen, dass die Landesregierung hier eine zukunftsfähige, aktivierende und integrative Politik für Senioren in diesem Lande betreibt und unter Beweis gestellt hat.
Meine Damen und Herren, ich will aus den vielen Antworten nur wenige Aspekte noch einmal vertiefen. Ich habe es einleitend schon gesagt: Das Älterwerden in der Arbeitswelt ist in hervorragender Weise geschildert worden. Nebenbei ist hier auch zum Ausdruck gekommen, dass die Erwerbsquote von Frauen in diesem Lande in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen hat. Das muss auch etwas mit Familienpolitik zu tun haben, natürlich auch damit, dass die Frauen eine veränderte Rolle im Erwerbsleben beanspruchen, dass sie heute Beruf und Familie besser vereinbaren können und dass sie eventuell auch in der Qualifikation ihre Weiterentwicklung erfahren haben. Aber wichtig ist doch im Ergebnis, dass sich in den letzten zehn Jahren die Erwerbsquote der Frauen um 5,5 % gesteigert hat, und zwar trotz der Lage am Arbeitsmarkt.
Ich finde, das ist für die Politik für Frauen und auch im Hinblick auf die Gleichstellung der Frauen im Arbeitsleben eine wichtige Erfahrung.