Protokoll der Sitzung vom 22.01.2003

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Es bringt die niedersächsische Wirtschaft nicht voran und verbessert nicht die Bedingungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wenn Sie die soziale Marktwirtschaft auf Landesverfassungsrang heben. Das ist ein Placebo. Setzen Sie das lieber in der Praxis um, anstatt Forderungen nach Verfassungsrang zu erheben. So wie Sie sich mit Ihren konkreten und unkonkreten Strategien und nebulösen Forderungen im Wirtschaftsbereich dargestellt haben, möchten wir dem Land Niedersachen eine CDU-gestaltete Wirtschaftspolitik ersparen. Das würde den Mittelstand nicht nach vorne bringen. Es zeichnet sich schon jetzt, wo Sie die Chance hätten, konkrete Konzepte zu entwickeln und zu belegen, ab, dass Sie nicht über Luftnummern und Ankündigungen hinauskommen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das Wort hat jetzt Frau Wirtschaftsministerin Dr. Knorre.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Dinkla, ich schätze immer Ihre ausgesprochen konstruktive Mitarbeit in der Sache, auch in den Ausschüssen. Aber was Sie eben gerade gebracht haben, war wirklich nichts.

(Beifall bei der SPD - Busemann [CDU]: Was?)

Herr Dinkla, wenn Sie uns schon wie üblich die Zahlen um die Ohren hauen, dann nennen Sie wenigstens die richtigen Zahlen. Der Korrektheit halber möchte ich wiederholen: Die Selbständigenquote in Niedersachsen beträgt nicht 8,6 %, sondern 9,5 %. Die Insolvenzquote liegt mit 1,3 % auf Platz 2 in Deutschland. Wir sind also das Land, das mit am stabilsten ist. Deswegen haben wir keinen Grund, uns in der Diskussion auf dieses Niveau herabzulassen.

(Beifall bei der SPD - Busemann [CDU]: Jetzt sind Sie aber stolz!)

Im Übrigen musste ich bei Ihrem Beitrag feststellen, dass die CDU in Niedersachsen offensichtlich zu den letzten Mohikanern in der CDU gehört, die einfach den Schuss noch nicht gehört hat.

(Widerspruch bei der CDU - Busemann [CDU]: Die Mohikaner schießen mit Pfeil und Bogen! - Un- ruhe - Glocke des Präsidenten)

In Berlin sind Ihre Parteikollegen schon längst wieder in die konstruktive Diskussion übergegangen. Die großen Wirtschaftsverbände sind wieder im Bündnis für Arbeit. Aber Sie machen hier verbiesterte Frontalopposition, weil Ihnen das einfach in den Wahlkampf passt, aber nicht weil es sachorientiert ist.

(Beifall bei der SPD)

Sie werfen der Bundesregierung eine Steuererhöhungspolitik vor, meine sehr verehrten Damen und Herren. Aber was soll ich denn davon halten, dass sich Ihr Spitzenkandidat als wirtschaftspolitisches Vorbild Herrn Stoltenberg nimmt,

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

einen Finanzminister, der mit einem Spitzensteuersatz von 56 % in diesem Land regiert hat?

(Beifall bei der SPD - Adam [CDU]: Hört, hört!)

Das heißt, die Botschaft, die Sie aussenden, ist: Sie wollen zurück zur Hochsteuerpolitik der 80erJahre. Diese wirtschaftspolitische Botschaft von Ihnen ist wirklich sehr toll.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe gehofft, dass sich die CDU-Fraktion in dieser letzten Landtagssitzung noch einmal aufrafft und ein paar eigene Vorschläge zur Wirtschaftspolitik in Niedersachsen macht. Leider ist wieder nichts gekommen. Aber wo keine Ideen sind, da kann eben auch nichts kommen. Insofern ist das auch nicht überraschend.

(Beifall bei der SPD)

Wenn ich dieses tolle Sofortprogramm lese, muss ich sagen: Das war auch nicht anders zu erwarten. Ganze acht Sätze widmen Sie dem Thema Wirtschaftspolitik, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Möllring [CDU]: Zwei Seiten!)

Die sind dann auch noch so bedeutungsschwanger wie: Wir wollen die Wirtschaftsförderung straffen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD - Zuruf von der SPD: Oh, toll! - Möll- ring [CDU]: Das wollen wir auch!)

Das ist wirklich inhaltsschwer und kreativ. Herzlichen Glückwunsch, Herr Dinkla.

Der erste konkrete Punkt, den Sie nennen - es ist fast der Einzige -, ist, dass Sie sagen, dass Sie die Investitionsbank des Landes, die wir gründen, gut finden, und dann sagen Sie: Eigentlich war das ja unsere Idee. - Die CDU betätigt sich hier als Trittbrettfahrer unseres Erfolges, und das ist billig.

(Beifall bei der SPD - Busemann [CDU]: Helau!)

Über den Vorschlag zum NiedersachsenKombilohn haben Sie selbst das Mäntelchen der Barmherzigkeit gehängt und ihn aus Ihrem Sofortprogramm herausgenommen. Das war auch gut so. Ich glaube, damit hätten Sie ganze 300 Förderfälle abwickeln können. Das wäre wirklich lächerlich.

Die Landesregierung dagegen hat klare Punkte aufzuweisen. Wir brauchen uns nicht zu verstecken. Wir haben die IN-Bank angeschoben, wir haben die Dienstleistungsoffensive gemacht, wir haben Luft- und Raumfahrtprogramme angeschoben, wir haben gerade gestern hier in Hannover mit Boeing Flight Service einen großen Ansiedlungserfolg erzielen können,

(Zustimmung bei der SPD)

wir haben die Biotechnologie-Gesellschaft gegründet, wir haben den Niedersachsen-Fonds mit 100 Millionen aufgelegt, wir haben das Niedersachsen-Projekt als große Regionalinitiative angeschoben, wir haben eine aktive, erfolgreiche Bürgschaftspolitik betrieben, und ich nenne noch: den Tiefwasserhafen, die Y-Trasse, das Projekt „Niedersachsen ist am Zug“. Und ich könnte immer so weiter machen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Das ist Wirtschafts- und Verkehrspolitik hier für das Land. Wir haben die Ideen und die Tatkraft, sie umzusetzen. Das werden wir auch weiter tun. Vielen Dank.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Dr. Schultze.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage mich, was an dieser Aktuellen Stunde eigentlich aktuell war. Ich frage jetzt zum wiederholten Male, ob wir ein so wichtiges Thema wirklich in Fünfminutenbeiträgen behandeln können. Ich kann es mir nur so erklären: Mehr Stoff hat die CDU nicht zu bieten. Deswegen kommt sie auch mit solchen Redezeiten aus.

(Beifall bei der SPD)

Lieber Hermann Dinkla, zu Ihrem Geburtstag auch von mir herzliche Glückwünsche. Aber die Rede, die Sie gehalten haben, war kein Geschenk für Ihre Fraktion und auch nicht für die Wirtschaftspolitik im Lande. Sie haben einen Rundumschlag gemacht: von Bürokratie über Antimitbestimmung bis zu Antibetriebsräten. Das funktioniert aber nur dann, wenn man glaubt, dass es dort Zusammenhänge gebe. Sie leugnen jedoch im selben Augenblick die weltwirtschaftlichen Einflüsse nicht nur auf Deutschland, sondern auf alle Industrieländer. Die erklären Sie einfach für obsolet. Die Rahmenbedingungen werden aber doch nicht vom Niedersächsischen Landtag gesetzt.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Das habt ihr aber mal ganz anders erzählt!)

Ich will nur einmal aufzählen: Wir haben die Europäische Zentralbank, die für die Zinspolitik verantwortlich ist. Wir haben in den letzten Jahren eine Steigerung des Exportanteils um 35 % erreicht. Das spricht doch für die Leistungsfähigkeit unseres Landes.

(Beifall bei der SPD)

Vor einem Jahr haben Sie noch von der Schwäche des Euro geredet. Jetzt ist der Euro wertvoller als ein Dollar. Das spricht doch auch dafür, dass sich die Eurozone nicht in einer Situation der Schwäche befindet.

Wir haben doch, als wir in Japan waren, gesehen, Hermann Dinkla, dass sie dort seit zehn Jahren an ihrer Stagflation herumbasteln.

(Zuruf von der CDU: Das kann bei uns auch noch passieren!)

Alle diese Faktoren, die Schwäche Asiens, die Schwäche Amerikas - siehe 11. September -, haben doch ihre Wirkung. Zum ersten Mal müssen wir eine Wirtschaftskrise bestehen, in der die staatliche Kreditaufnahme nach den Maastricht-Kriterien bestimmt wird, die Ihr damaliger Bundeskanzler Kohl festgeschrieben hat. Er hat damals in wirtschaftlicher Unkenntnis eine solche Zahl für alle Zeit festgeschrieben,

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Das kann ja nicht wahr sein!)

nicht wissend, dass es auch einmal Krisen geben kann, in denen der Staat wirklich ins Obligo gehen muss.

(Beifall bei der SPD)

Sie sind doch in all Ihren Positionen widersprüchlich. Beispielsweise den Handwerksmeistern versprechen Sie das Blaue vom Himmel, und hier schlagen Sie vor, dass keine weiteren Schulden gemacht werden dürfen, und meinen, dass das alles viel zu hoch wäre. Von daher können Sie doch gar kein Vertrauen aufbauen. Die Hälfte des wirtschaftlichen Erfolges ist doch Psychologie.

(Zustimmung bei der CDU)

Diesen Aspekt haben Sie aber mit Ihrer ewigen Nörgelei über Niedersachsen systematisch zerstört.