Protokoll der Sitzung vom 23.01.2003

(Biallas [CDU]: Jawohl, das ist genau richtig!)

bedarf es wahrlich nicht, denn selbstverständlich geschieht das längst.

(Biallas [CDU]: Das geschieht eben nicht!)

Die niedersächsischen Ausländerbehörden verfahren hier strikt nach den Vorgaben des Ausländergesetzes, und diese Vorgaben sind klar und weitestgehend bereits zwingend ausgestaltet.

(Biallas [CDU]: Und die, die nicht ausgeliefert werden, liefern sich eine Schießerei vor der Uni!)

Nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 des Ausländergesetzes ist ein Ausländer wegen besonderer Gefährlichkeit auszuweisen, wenn er wegen einer vorsätzlichen Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren oder zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Hierbei handelt es sich um eine zwingend durchzuführende so genannte Ist-Ausweisung, von der die Ausländerbehörde nicht abweichen darf.

Nach Nr. 2 derselben Vorschrift wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er unter Verstoß gegen die Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes Betäubungsmittel anbaut, herstellt, einführt oder ausführt, sie veräußert, an einen anderen abgibt oder in sonstiger Weise in Verkehr bringt oder mit ihnen handelt oder wenn er zu einer solchen Handlung anstiftet oder Beihilfe leistet. In

diesem Fall ist nicht einmal eine rechtskräftige Verurteilung erforderlich. Die Ausländerbehörde hat nur zu überprüfen, ob ein Regelfall vorliegt. Ist das der Fall, besteht kein Ermessensspielraum.

In Fällen, in denen der betroffene Ausländer besonderen Ausweisungsschutz genießt - das ist u. a. bei asylberechtigten Personen der Fall, die ein verfestigtes Aufenthaltsrecht besitzen, als Minderjährige eingereist oder hier geboren sind oder mit deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft leben -, ist eine gesetzlich vorgesehene Ist-Ausweisung zur Regelausweisung, eine Regelausweisung zur Ermessensausweisung herabgestuft.

(Biallas [CDU]: Das versteht kein Bürger!)

Bekanntlich setzen sich die Verantwortlichen sowohl der Bundes- als auch der Landesregierung entschieden für eine konsequente Abschiebung aller ausgewiesenen Ausländer ein. Allerdings stößt die Beendigung des Aufenthalts nach erfolgter Ausweisung nicht selten auf Schwierigkeiten. Abschiebungen sind vielfach aus tatsächlichen Gründen entweder gar nicht oder nur mit zeitlichen Verzögerungen möglich, etwa bei irakischen Staatsangehörigen, bei Angehörigen ethnischer Minderheiten aus dem Kosovo oder bei Personen, die ihre Identität verschleiern und an der Passersatzbeschaffung nicht mitwirken.

Des Weiteren ist die Abschiebung von Asylberechtigten und Konventionsflüchtlingen nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 51 des Ausländergesetzes möglich, nämlich dann, wenn sie aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen sind oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeuten, weil sie wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden sind.

Ferner darf kein Ausländer in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm die konkrete Gefahr der Todesstrafe oder der unmenschlichen Behandlung, insbesondere der Folter, droht.

(Frau Elsner-Solar [SPD] - zur CDU -: Die interessieren sich doch gar nicht für Inhalte!)

Dieses Abschiebungsverbot ist absolut und geht über den Schutz der Genfer Konvention vor politischer Verfolgung hinaus.

Selbstverständlich ist auch Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, diese Rechtslage, die jeder Innenminister in Deutschland beachtet, sehr wohl bekannt. Aber in heißen Wahlkampfzeiten sind Sie sich offenkundig nicht zu schade, diese „trübe Brühe“ wieder aufzuwärmen.

(Biallas [CDU]: Sehen Sie denn kei- nen Handlungsbedarf, Herr Minister? Sie haben eben vorgetragen, aus wel- chen Gründen es nicht möglich ist!)

Meine Damen und Herren, ich bin über eines eigentlich noch sehr froh, und zwar darüber, dass sich die CDU-Fraktion nicht zu dem versteigt, was Herr Schill in Hamburg will, nämlich in dieser Zeit Leute nach Afghanistan abzuschieben. Also unterscheiden Sie sich von dem tatsächlich noch ein bisschen.

(Beifall bei der SPD - Biallas [CDU]: Habe ich gesagt, Sie sollen nach Af- ghanistan abschieben? Unglaublich!)

Kollege Schröder!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Biallas, Sie haben wieder einmal den Eindruck erweckt, man brauche nur härter durchzugreifen, um gegen Drogenkriminalität wirksam vorzugehen.

(Biallas [CDU]: Jawohl!)

Mit diesem Ansatz sind schon ganz andere vor Ihnen gescheitert, in einer anderen Gewichtsklasse.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Biallas [CDU]: In München sind sie sehr erfolgreich gewesen, in Frankfurt übrigens auch!)

Sie haben in Ihrem Redebeitrag erneut bewiesen, dass Sie weder von dem Drogenproblem noch von der Polizeiarbeit irgendetwas verstehen. Ich kann nur hoffen, dass Sie diese Unkenntnis in den nächsten Monaten nicht auch noch praktisch unter Beweis stellen müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sie haben selbst die höheren Deliktzahlen in diesem Bereich benannt. Sie wissen, das ist Kontrollkriminalität. Es gibt keine Opfer, die Anzeigen erstatten. Diese höheren Zahlen sind ein Beleg für gute und erfolgreiche Arbeit der Polizei.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sie wissen, Herr Biallas, dass das Gesamtproblem nicht mit Strafverfolgung zu lösen ist. Selbst nach großen Fahndungserfolgen ist eine reibungslose Versorgung der Konsumenten gewährleistet.

(Ontijd [CDU]: Dann stellt doch alle Strafverfahren ein!)

Bestenfalls treiben Sie, weil ja auch hier die Gesetze von Adam Smith, die Sie immer hoch halten, gelten, durch Angebot und Nachfrage den Preis so in die Höhe, dass wir alle einen politischen Preis durch erhöhte Beschaffungskriminalität und damit durch mehr Straßenkriminalität zu bezahlen haben. Ich will Ihnen das an einem Rechenbeispiel deutlich machen. Ein Süchtiger braucht am Tag 100 Euro. Für diese 100 Euro, die er am Tag braucht, muss er einen Kriminalitätsschaden von 500 bis 1 000 Euro täglich verursachen, denn beim Hehler kriegt er nur 10 bis 20 %. Wenn Sie den Preis auf 150 Euro hochtreiben, haben Sie einen Schaden von 750 Euro und mehr. Wird Konkurrenz durch Strafverfolgungsdruck ausgeschaltet, dann wird die frei gewordene Nische sofort wieder besetzt, denn die erzielbaren Gewinne in diesem Bereich der Organisierten Kriminalität sind irrsinnig hoch. Und wenn Sie ganz großes Pech haben, werden die Marktanteile auf den Straßen von Hannover ausgeschossen, so wie wir das 1997 und 1998 auch schon hatten.

(Ontijd [CDU]: Und das alles lassen Sie geschehen?)

Wir brauchen, Herr Kollege, sowohl eine konsequente Verfolgung der schweren Drogenkriminalität als auch Hilfen für Abhängige und Gefährdete.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ihnen traue ich das notwendige Augenmaß nicht zu; das machen viele einzelne Äußerungen von Ihnen deutlich.

Zum Schluss will ich Ihnen, Herr Biallas, einen kleinen Rechenkurs mit auf den Weg geben: Im Jahr 2000 hatten wir in Deutschland 2 023 Drogentote. Das sind viel zu viele. Im selben Jahr hatten wir 42 000 Tote durch Alkohol und 111 000 Tote durch Nikotin. Sie erwecken hier den Eindruck, als wäre der Konsum illegaler Drogen eines der drängendsten Sicherheits- und Gesundheitsprobleme unserer Zeit.

(Biallas [CDU]: Das kann man doch nicht vergleichen!)

Sie verschweigen aber die um den Faktor 10 oder den Faktor 100 größeren Zahlen von Opfern, von Toten und Schwerstkranken durch andere Formen von Drogenkonsum.

(Biallas [CDU]: Dann sagen Sie, dass Sie für die Freigabe der Drogen sind!)

Deshalb ist es richtig, Herr Biallas: Sie wollen mit den Ängsten der Menschen Politik machen. Ich hoffe, das merken die Menschen vor dem 2. Februar. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Ontijd [CDU]: Sie beklatschen ihre eigene Dummheit!)

Frau Kollegin Elsner-Solar!

Frau Präsidentin! Verehrte Herren und Damen! Als erfahrene Drogenpolitikerin dieses Hauses

(Biallas [CDU]: Donnerwetter! Sie ist befördert!)

habe ich mich schon gewundert, dass ein Baustein in der Gruselhütte, die Sie von unserem schönen Land Niedersachsen zeichnen, noch fehlte. Nun ist er nachgeliefert. Die Drogenpolitik muss wieder herhalten. Der Wahlkampf ist ausgerufen.

(Möllring [CDU]: Großer Quatsch!)

Wir haben in Hannover wahrhaft genug reale Probleme; wir brauchen Ihre Phantomprobleme nicht.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage: Der Wahlkampf ist ausgerufen. Ich könnte es auf sich beruhen lassen, wenn Sie nicht

einen Wahlkampf mit fatalen Auswirkungen führen würden. Die Kollateralschäden sind jetzt schon absehbar. Dabei meine ich nicht die Ansiedlungspolitik, die unter solchen Horrorszenarien, wie Sie sie hier einbringen, leidet, sondern ich denke ganz allein an meinen alten Vater im südniedersächsischen Einbeck, der mir nicht mehr abnimmt, dass ich jederzeit, auch nachts, an jeden Ort in dieser Stadt Hannover ohne Bodyguards gehen kann.

(Beifall bei der SPD)