- Ihre Erregung, meine Damen und Herren von der SPD, macht deutlich, dass ich den Nagel auf den Kopf getroffen habe.
Wenn dann noch Sprachschwierigkeiten hinzukommen, dann können unsere Schulen in den Jahrgängen 5 und 6, d. h. in der Orientierungsstufe, den Anforderungen weiß Gott nicht gerecht werden.
Da der vorliegende Antrag eindeutig zum Ziel hat, die Hauptschule zu stärken, müssen wir auch über die Vorgängerschule, d. h. über die Orientierungsstufe, sprechen. Die Aussagen von Herrn Pieper dazu möchte ich Ihnen heute ersparen, weil diese schon beim letzten Mal hier vorgetragen worden sind.
Sie wissen genauso gut wie ich, dass die überwiegende Zahl von Grundschullehrerinnen und -lehrern sehr wohl eine menschliche, aber auch leistungsmäßige Einschätzung von Schülerinnen und Schülern geben kann.
Das hat in keiner Weise mit zu frühem Druck oder gar mit Stress zu tun. Wenn Sie, Herr Meinhold, sich beim letzten Mal hier hingestellt und von vier Jahren Lernruhe in der Grundschule gesprochen haben,
dann kann ich das nicht fassen, vertritt die Kultusministerin doch offensichtlich die Ansicht, dass Kinder bis zum Ende der Grundschulzeit besonders leicht lernen.
Wenn Sie, lieber Herr Meinhold, dann auch noch die Herausnahme einer frühen Entscheidung für das gegliederte Schulwesen als besonderes Entgegenkommen allein erziehenden Frauen gegenüber werten,
- Entschuldigung, dass das Beispiel nicht ganz passt! -, als wenn wir bei Vorschriften zur Klärschlammbeseitigung nach der frauenpolitischen Relevanz des betreffenden Gesetzes fragten.
Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass wir großen Wert auf einen eigenständigen Hauptschulabschluss legen, d. h. auf einen Schulabschluss besonderer Form als Gütesiegel. Die Vergabe von Hauptschulabschlüssen an Realschulen und Gymnasien verfälscht das Bild total und sorgt im Übrigen für eine große Verunsicherung der Handwerksmeister, die ja erwarten, dass Jugendliche mit einem Hauptschulabschluss z. B. für das Handwerk besonders notwendige Fähigkeiten mitbringen. Da ist es meiner Ansicht nach einfach besser und ehrlicher, abgehenden Realschülern und Gymnasiasten ein Abschlusszeugnis der jeweiligen Schule zu geben.
Gleichwohl ist es für uns selbstverständlich zu sagen - auch das wurde immer falsch interpretiert -: Es darf in unserem Bildungssystem keine Sackgasse geben, d. h. es darf keinen Abschluss ohne einen Anschluss geben. Mit dem gesonderten Hauptschulabschluss wird es dazu auch nicht kommen.
Sie wissen ferner, dass wir auch die zwischenzeitlich eingeführte Ausbildung zum Einheitslehrer ablehnen. Hauptschullehrer haben es mit einem besonders schwierigen Klientel zu tun. Sie müssen in ganz besonderer Weise unter den Schülern
Vertrauen schaffen, wichtige Sekundärtugenden vermitteln, die Schüler fördern und fordern und zu viel Toleranz und zu ausgeprägtem Sozialverhalten anhalten. Da diese Arbeit so schwierig ist, benötigen die Hauptschullehrer eine ganz besondere Ausbildung, die auch den sozialpädagogischen Gedanken mit einbringt.
Der Ministerpräsident dieses Landes ist auf dem richtigen Weg - er ist ja auch vom Fach -, wenn er sagt, dass an den Hauptschulen Ganztagsangebote geschaffen und Sozialarbeiter eingesetzt werden müssen.
Hierbei ist aber auch darauf zu achten, dass die Grundfertigkeiten und die elementaren Kulturtechniken vermittelt werden.
Eines ist auf jeden Fall noch zu erwähnen - lassen Sie mich das bitte noch sagen -: Die Arbeit in den Hauptschulen muss in kleinen Klassen und in auf Dauer angelegten Lerngruppen erfolgen. Zu nennen sind des Weiteren die Stärkung des Klassenlehrerprinzips und die Vermeidung eines häufigen Lehrerwechsels.
Ich meine, wir sollten unsere Hauptschüler und unsere Hauptschulen auszeichnen, und zwar beispielsweise durch einen Förderpreis Niedersachsen. Ich könnte mir auch zentrale Hauptschultage vorstellen.
Unser Vermittlungsversuch ist, wie Herr Koch bei der Berichterstattung eben schon erwähnt hat, gescheitert. Wir wollten der Hauptschule Rückenwind vermitteln. Daraus ist aber ein erbärmlicher Luftstillstand geworden. Das bedauern wir im Interesse der Sache sehr.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag, Frau Vogelsang, ist von der CDU am 15. Juli 1999 eingebracht worden. Heute, sechs Monate später, legt die CDU diesen Antrag ohne jede Änderung vor. Sie tut so, als ob der Antrag in der Zwischenzeit in der Fachöffentlichkeit unkommentiert hingenommen worden ist. Das aber war nicht der Fall.
Der VBE erteilt Ihrem Modell in seiner Verbandszeitschrift zeitnah - Ausgabe August/September 1999 - mit der Aussage, Hauptschüler dürften nicht isoliert werden, eine klare Absage. Frau Vogelsang, Ihre Aussage, dass Sie die Schüler nicht isolieren wollten, scheint dort nicht angekommen zu sein. Man versteht Ihren Antrag ganz anders.
Nein, ich gestatte keine. Ich bitte darum, dass ich jetzt genau so wie vorhin Frau Vogelsang die Erwiderung gebe. - Am 12. Oktober 1999 titelt der VBE-Pressedienst: „VBE begrüßt Maßnahmen der Kultusministerin.“ Dolle Sache.
Wenn ich den VBE zitiere, dann deshalb, weil ich als jemand, der 30 Jahre in der GEW ist, schlecht meinen eigenen Verein zitieren kann. - Aus dem Hochschulbereich gibt es zu Ihrem Antrag keine Stellungnahme.
Auch aus den Hauptschulen gibt es keine Stellungnahmen. Wer mit seinen bildungspolitischen Vorstellungen zur Hauptschule so daneben liegt, täte gut daran, Herr Klare, einen solchen Antrag zurückzuziehen.
Dies wäre, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Zeichen dafür, dass Sie lernfähig sind.
Warum hält die CDU nun aber an ihrem Antrag fest? - Die Antwort steht in der Mitte ihres Antrages: Verzicht auf die Orientierungsstufe. Unter dem Vorwand, die Hauptschule stärken zu wollen, geht es der CDU in Wahrheit um eine gravierende strukturelle Veränderung der niedersächsischen Schullandschaft. Die Entscheidungen über die Schullaufbahn der Kinder sollen wieder in der Grundschule getroffen werden. Sie stellen die Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer an der Orientierungsstufe mit Ihrem Vorschlag komplett infrage.
Was Sie uns eben erzählt haben, wie die Lehrerinnen und Lehrer im fünften Jahrgang mit den so genannten schwächeren Schülern umgehen, ist schlimm, Frau Vogelsang. Ich weiß, dass die Kolleginnen und Kollegen dort die Kinder nicht entmutigen, ihnen nicht ständig ihr Versagen vorhalten, sondern dabei sind, ihnen auf alle erdenkliche gute pädagogische Art und Weise zu helfen. Dies hätte ich gerne gewünscht. Ich hätte mir gewünscht, dass dies gehört wird. Nachgewiesen ist ganz eindeutig, liebe Kollegin, unter anderem die hohe Prognosesicherheit der Orientierungsstufen. Mit der SPD - ich möchte Sie nun bitten zuzuhören, weil dies eine Antwort auf Ihre Äußerung ist ist ein Verzicht auf die Orientierungsstufe aus entwicklungspsychologischen, familien- und bildungspolitischen Gründen nicht zu machen.
Dann wird eine verbesserte Unterrichtsversorgung gefordert. Das ist immer gut und hört sich auch gut an.