Protokoll der Sitzung vom 26.01.2000

In der Begründung heißt es dazu: Notwendig sind kleine Klassen. In Niedersachsen beträgt die durchschnittliche Klassenfrequenz in den Hauptschulen - das können Sie übrigens mit Ihrem eigenen Antrag nachrechnen - 20,2 Schüler. Damit steht Niedersachsen bundesweit an der Spitze. Was wollen Sie noch mehr? - Sagen Sie das einmal.

Sie fordern ferner das Klassenlehrerprinzip. Das gibt es aber seit eh und je. Sie müssen einmal in die Schulen gehen. Dies ist im Erlass verankert, ist

sozusagen ein konstitutives Moment der Hauptschule. Nicht anders sieht es bei der Zuweisung von Förderstunden aus. 13,3 % aller Förderstunden gehen bei einem Schüleranteil von 9,2 % an die Hauptschulen.

(Zuruf von der CDU: Aber doch nur auf dem Papier!)

Diese Zahlen ließen sich beliebig fortsetzen. Ihnen sind diese Zahlen in Wirklichkeit jedoch egal. Schlechtreden ist im Übrigen das Gegenteil von stärken, wie Sie in Ihrem Antrag behaupten. Das hat ja auch Methode, Herr Klare. Da lassen Sie sich detaillierte Zahlen über die Unterrichtsversorgung in den Landkreisen und in den Städten geben. Mit genauesten Ausführungen des Ministeriums. Was machen Sie dann aber mit den Zahlen? Anstatt diese Zahlen realistisch widerzugeben, suchen Sie sich die ungünstigsten Werte heraus und reden alles schlecht.

Ihre Forderung nach der so genannten Eigenständigkeit der Abschlüsse und der Lehrerausbildung ist überhaupt nicht zeitgemäß. Kooperation und Durchlässigkeit zwischen den Schulformen wird der Lernfähigkeit der Schülerinnen und Schüler am ehesten gerecht. Durchlässigkeit und Kooperation sind übrigens auch Prinzipien, die in jedem Unternehmen gepflegt werden, das Erfolg haben will.

Beide Teile Ihres Antrags sind so angelegt, dass die Ablehnung der SPD auf der Hand liegt. Das heißt aber nicht, dass wir nicht weiter über die Stärkung der Hauptschule - ich spreche eher von „Weiterentwicklung“ - diskutieren wollen. Nichts, was gut ist, kann nicht noch besser werden. Lassen Sie die Hände weg von der Orientierungsstufe, und hören Sie auf mit dem Miesmachen der Leistungen unserer Schulen. Lassen Sie uns genau überlegen, welche strukturellen Maßnahmen der Hauptschule tatsächlich helfen können, um sie in ihrer Gleichwertigkeit im gegliederten Schulwesen zu stärken.

Was kann also getan werden, die Hauptschulen bei der berufspraktischen Ausrichtung weiterhin nachhaltig zu stärken? Oder was können wir tun, um Hauptschulen mit besonderen Herausforderungen verstärkt zu fördern? Was können wir tun, um das Negativimage der Hauptschule in der Gesellschaft zum Positiven hin zu wenden? - Das ist leider auch schon unter den Schülerinnen und Schülern zu spüren, bestärkt die Eltern in der Sorge um die Zukunft ihrer Kinder und zeigt sich in den gerin

gern Bewerbungschancen der Hauptschulabgängerinnen und -abgänger.

Unter dieser Perspektive erarbeitet die SPDLandtagsfraktion Vorschläge und Konzepte und wird dem Parlament dazu einen entsprechenden Antrag zur Beratung und Beschlussfassung vorlegen.

So wichtig es auch ist, dass die Politik die Rahmenbedingungen einzelner Politikfelder regelmäßig überprüft und den Erfordernissen entsprechend weiter entwickelt, so kann dies aber nicht heißen, dass gesellschaftliche Gruppen nicht auch ihren Teil dazu beitragen müssen. Konkret heißt dies, die Schülerinnen und Schüler haben es schon heute verdient, einen Ausbildungsplatz oder zumindest einen Arbeitsplatz angeboten zu bekommen. Dafür aber trägt maßgeblich die Wirtschaft die zentrale Verantwortung. Damit sollen übrigens nicht die bisher erbrachten Leistungen insbesondere des Handwerks geschmälert werden, sondern es muss klar sein, dass die Verantwortung für das Ansehen der Hauptschule sowohl beim Staat und damit bei uns als auch bei der Gesellschaft liegt.

(Frau Vockert [CDU]: Dann tun Sie etwas zur Stärkung der Hauptschule, und reden Sie nicht nur dumm her- um!)

Fazit: Die SPD-Landtagsfraktion kann den Antrag der CDU nicht unterstützen,

(Frau Vockert [CDU]: Weil sie keine Vorschläge hat!)

weil darin keine Stärkung zu sehen ist. Wir sind darauf gespannt, wie Sie in der weiteren Diskussion mit uns umgehen werden. Vielleicht werden Sie versuchen, mit uns in einigen Punkten noch einmal ins Gespräch zu kommen. Dies ist kein Antrag zur Stärkung, sondern zur Isolierung. Wir lehnen ihn deshalb - wie gesagt - ab.

(Beifall bei der SPD - Frau Vogelsang [CDU]: Das haben Sie vor einigen Monaten noch anders gesagt!)

Meine Damen und Herren, jetzt hat Frau Kollegin Litfin ums Wort gebeten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der einzige Punkt im Forderungskatalog der CDU, der der Überschrift des Antrages, nämlich „Hauptschule stärken“ gerecht wird, ist der letzte Punkt: öffentliche Würdigung und Unterstützung der Hauptschularbeit. Das ist meiner Meinung nach dringend und bitter nötig. Wir sollten gemeinsam versuchen, dies zu leisten. Aber gerade zu diesem Punkt ist Ihr Antrag kein Beitrag; denn derjenige, der den Antrag liest, muss den Eindruck gewinnen, dass sich die Hauptschulen nicht bemühen, zum Wohle der in ihnen zu unterrichtenden Schülerinnen und Schüler zu arbeiten, dass sie sich nicht darum bemühen, Nähe zu Ausbildungsplatzbetrieben zu erreichen, dass sie sich nicht darum bemühen - -

(Unruhe)

Frau Kollegin Litfin, ich muss Sie kurz unterbrechen.

Meine Damen und Herren, es ist wirklich sehr schwierig, gegen diesen Lärmpegel anreden zu müssen. Ich bitte Sie um so viel Höflichkeit, dass Frau Litfin hier ihren Redebeitrag darbringen kann. - Einen Moment bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Herr Kollege Horrmann, seien Sie doch auch so freundlich! Es ist unglaublich laut hier. Ich bitte Sie sehr herzlich, jetzt diesem Redebeitrag zu folgen.

Bitte schön, Frau Litfin!

Ihr Antrag ist nicht geeignet, die öffentliche Würdigung und Unterstützung der Hauptschularbeit zu leisten. Ich denke, dass Sie es versäumt haben,

einfach mal mehrere Hauptschulen in diesem Land aufzusuchen und zu gucken, wie gut die Arbeit der Lehrer und Lehrerinnen an dieser Schulform ist.

Wenn Sie, Frau Kollegin Vogelsang, meinen, dass durch eine andere Arbeit in den Hauptschulen Absolventen dieser Schulform besser einen Ausbildungsplatz bekämen, dann muss ich sagen: Diese Vorstellung gehört ins Reich der Utopie. Solange wir ein so knappes Angebot auf dem Ausbildungsstellenmarkt haben, wird es so sein, dass Hauptschüler und -schülerinnen geringere Chancen als Realschulabsolventen und -absolventinnen und als Gymnasiasten und Gymnasiastinnen haben. Solange es das Phänomen gibt, dass immer mehr junge Menschen mit Abitur zunächst eine Ausbildung absolvieren, wird es so sein, dass Hauptschüler und -schülerinnen diejenigen sind, die bei den Ausbildungsbetrieben hinten runterfallen. Daran ändert eine Änderung der Arbeit in den Hauptschulen überhaupt nichts.

(Frau Vockert [CDU]: Aber trotzdem muss die Hauptschule gestärkt wer- den!)

Ich denke auch nicht, dass Sie das Schulwahlverhalten der Eltern mit den Maßnahmen beeinflussen können, die Sie vorschlagen und die letztlich bedeuten, dass Sie eine Schulform isolieren. Ich glaube nicht, dass es gelingen wird, die Eltern davon abzuhalten, zu versuchen, ihre Kinder auch gegen die Empfehlung der Orientierungsstufe in eine andere Schulform zu schicken. Wir werden den Hauptschulen nur dann helfen, ihr Image zu verbessern, wenn wir zu erreichen versuchen , dass sie an möglichst vielen Standorten mit anderen Schulformen kooperieren können. Deshalb wünschte ich mir, dass es im Lande mehr Sekundarschulen, mehr kooperative Gesamtschulen, ja, auch mehr integrierte Gesamtschulen gäbe.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich spreche mich entschieden dagegen aus, den letztgenannten Schulformen zu verbieten, den Hauptschulabschluss zu erteilen. Damit helfen wir den betroffenen Schülern und Schülerinnen überhaupt nicht weiter.

Ihr Anliegen, die Hauptschule zu stärken, wird, glaube ich, von allen Fraktionen in diesem Hause geteilt;

(Wernstedt [SPD]: Vor 25 Jahren wollte Remmers schon die Haupt- schule zur Hauptsache machen!)

nur: Es wäre schön gewesen, wenn Sie realistische Vorschläge gemacht hätten, die tatsächlich dazu beitragen würden, den Hauptschulen ein Stück weiterzuhelfen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, zu diesem Antrag hat sich Frau Ministerin Jürgens-Pieper zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann nahtlos an das anknüpfen, was Frau Litfin gesagt hat. Es handelt sich bei diesem Antrag leider um einen Schwächungs- und nicht um einen Stärkungsantrag. Das ist auch der Grund dafür, glaube ich, dass die anderen Fraktionen nicht zu einer Gemeinsamkeit finden können, was gut gewesen wäre, weil das Anliegen - das Anliegen an sich! - gut ist.

Sie haben im Kultusausschuss beraten, und die wesentlichen Kritikpunkte sind benannt worden. Ich will noch einmal zusammenfassen:

Erstens. Der Antrag ist nur vermeintlich ein Stärkungsantrag. Er will sich eigentlich mit der Orientierungsstufe befassen, sagt aber nicht in aller Klarheit, was Sie da eigentlich genau wollen. Was ist mit dem Elternwillen? Wohin wollen Sie den verlagern? Wie wollen Sie die Orientierungsstufe oder die fünfte und sechste Klasse positionieren? Wo soll die Prognose stattfinden? - Da haben Sie sich gedrückt. Sie wollen mit diesem Antrag sozusagen eine Orientierungsstufendebatte führen, die bei den Eltern ja immer auch vorhanden ist, weil man in einer solchen Stufe, in der eine Prognose gestellt wird, bei den Kindern natürlich Probleme erzeugt. Das ist nun einmal so. Wenn man für ein gegliedertes Schulwesen ist, dann muss man diese Prognose stellen. Sie wird in unserer Orientierungsstufe bisher so sicher wie an keiner anderen Stelle gestellt.

Zweitens. Mit dem Ansinnen „Hauptschulabschluss ausschließlich an der Schulform Hauptschule“ wollen Sie nun wirklich eine Isolierung vornehmen, die wir nicht akzeptieren können. Sie

wissen vielleicht selbst, dass an den anderen Schulformen nur 10 % Hauptschulabschlüsse vergeben werden. Das heißt: Es ist eine Marginalie, an die Sie sich da gewagt haben und die das eigentliche Problem der Hauptschule überhaupt nicht erfasst.

Drittens. Sie sind mal wieder bei der Lehrerausbildung.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Sie wissen vielleicht davon, dass wir Schwierigkeiten haben, die jetzt ausgebildeten Lehrer noch an die Hauptschule zu bringen. Die meisten wollen an die Grundschule, und das hat Gründe. Mit der Lehrerausbildung, die wir jetzt machen und aus der nun die ersten Absolventen kommen, werden wir, mit den verschiedenen Schwerpunkten, mehr Lehrer an der Hauptschule einsetzen können. Das heißt: Diese Lehrerausbildung wird gerade dazu führen, dass wir auch künftig Lehrer haben, die an die Hauptschule gehen, manchmal auch gehen müssen.

Es erstaunt mich nicht, dass Sie auch an dem Punkt Ihres Antrags, in dem es um die Sicherung von Grundwissen in der Hauptschule geht, festgehalten haben. Da wundere ich mich nur darüber, dass Sie die Konzepte und selbst den Erlass, über den wir hier im Plenum schon mehrmals geredet haben, den Kooperationserlass, gar nicht wahrgenommen haben. Sie fordern hier etwas, was die Schulen bereits tun. Da halte ich es doch für ratsam, dass ich Ihnen eine Liste gebe und Sie sich dann einige richtig gut entwickelte Hauptschulen, die kooperieren, angucken. Sie können das in Vechta, in Sandhorst oder auch im Landkreis Gifhorn tun. Wir können Ihnen dazu eine Liste geben.

Ich habe solche Schulen auch bereits ausgezeichnet, in der Öffentlichkeit gewürdigt und gesagt: Da wird eine tolle Arbeit in Kooperation mit der Wirtschaft gemacht. - Das setze ich gerade fort. Da ist Ihr Anliegen zwar völlig richtig, aber es ist bereits in Gang. Ich fände es schön, wenn Sie es vor Ort durch Besuche an den Schulen mit würdigten.

(Frau Vockert [CDU]: Es wäre schön, wenn wir es flächendeckend hinbe- kommen würden!)

- Ja, das wäre sehr schön. Deshalb wollen wir ja auch etwas tun.

Das gesamte Maßnahmenpaket zur Qualitätssicherung, das ich gemacht habe, kennen Sie. Wir ma