Protokoll der Sitzung vom 28.01.2000

(Hoppenbrock [CDU]: Vorziehen!)

- Das ist nicht das Vorziehen. Es sind 500 zusätzliche Stellen.

(Busemann [CDU]: Das hat er doch gesagt!)

- Ich erkläre Ihnen das gleich. Der Finanzminister hat von einer anderen Frage gesprochen. - 500 zusätzliche Stellen wird es im Jahre 2000 geben. Diese werden über ein technisches Verfahren dotiert, von dem Brigitte Litfin gesagt hat, sie könne das nachvollziehen. Wir werden Ihnen das im Ausschuss noch einmal darlegen. In den Haushaltsverhandlungen des nächsten Jahres werden wir dann - so haben wir das abgesprochen - über die Dotierung dieser Stellen plus 500 weiterer Stellen zu reden haben. Das heißt, es sind erst einmal 1.000 zusätzliche Stellen zum Auffangen des Schülerberges und zur Dotierung der Verlässlichen Grundschulen, die in diesem Jahr nicht zulasten anderer gehen. Vielmehr dotieren wir dieses Jahr - weil wir annehmen, es werden rund 500 165 Stellen zusätzlich. Dann bekommen wir Mittel - wir können ja immer nur eine Annahme treffen für Vertretung und Betreuung zusätzlich. Das sind einmal 6 Millionen und noch einmal 6 Millionen, also insgesamt rund 12 Millionen DM zusätzlich.

Dann haben wir noch etwas bekommen, worüber ich mich natürlich sehr freue. Wir brauchen in diesem Jahr nicht Stellen zu verschieben, um den 1. Februar zu finanzieren, sondern wir können noch einmal 550 Stellen, mit Geld dotiert, besetzen, um zum 1. August noch mehr einstellen zu können. Das sind die Stellen, über die der Finanzminister geredet hat.

Die Bildungsoffensive startet also nicht erst mit dem neuen Haushalt 2001, sondern sie startet bereits in diesem Jahr, und wir werden Ihnen das auf Punkt und Komma vorrechnen.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Litfin?

Bitte.

Frau Ministerin, wie beabsichtigen Sie denn die Bildungsoffensive, die Sie gerade angesprochen haben, inhaltlich auszugestalten? Der Ministerpräsident hat ja in seiner Regierungserklärung gesagt, dass er diese zusätzlichen Stellen hauptsächlich an Schulen geben wolle, die neue Verfahren oder Projekte erproben, die andere Wege gehen wollen.

Wir werden diese Stellen natürlich zum Auffangen der Schülerzahlen benötigen. Aber wir müssen auch inhaltliche Fragen besprechen. Wenn ich in diesem Zusammenhang über die Verlässliche Grundschule rede, dann ist natürlich darin sehr viel inhaltliche Gestaltung enthalten. Das gilt gerade für die Einführung des Englischunterrichtes. Dafür brauchen wir zusätzliche Lehrerstunden. Wenn Sie das nicht als inhaltliche Frage deklarieren, dann weiß ich nicht, was gemeint ist. Aber ich nehme an, es war Ihnen im Augenblick nicht klar. Wir werden darüber hinaus - das habe ich angekündigt - noch über ein Hauptschulkonzept zu reden haben, das noch einmal gesondert dotiert werden wird. Da wird es dann auch um Fragen regionaler Konzepte und ähnliche Dinge gehen.

Ich will aber noch einmal auf die Verlässliche Grundschule zurückkommen, weil es einfach zu schön ist, was wir hier vonseiten der CDUFraktion erleben. Gestern hören wir Herrn Koch zur Verlässlichen Grundschule reden. Ich dachte, ich konnte meinen Ohren nicht trauen, welche Kurven da genommen wurden. Das hat schon etwas Besonderes an sich, wenn man weiß, mit welcher Vehemenz Sie dagegen angekämpft haben.

(Frau Körtner [CDU]: Wir haben um Verbesserungen gekämpft und Sie da- zu gebracht!)

Jetzt haben Sie noch zwei Punkte. Die zusätzliche Finanzierung ist auch schon weg. Das haben Sie heute gemerkt. Heute haben wir gesagt: zusätzlich dotiert, und wir können Ihnen das auch zeigen. Jetzt beginnen Sie, über Vertretungsmöglichkeiten zu reden. Wissen Sie was? Lesen Sie doch einfach einmal die Zeitungsartikel durch. Ich glaube, das hat auch Herrn Koch zu denken gegeben, sodass er sich hier geöffnet und gesagt hat: So schlecht ist das Ganze ja doch nicht.

(Frau Vockert [CDU]: Da haben Sie Herrn Koch aber völlig falsch ver- standen!)

Die Zeitungsmeldungen lauten nämlich so - Sie können das in jeder Regionalzeitung nachlesen -: 100 % Stundentafelerteilung.

(Lindhorst [CDU]: Auf niedrigem Ni- veau!)

- Unsinn! - 100 % Stundentafelerteilung, sogar mit der Ansage, dass die Kinder nun fast zu viel Unterricht hätten. Ich finde es richtig, dass sie den ganzen Vormittag Unterricht haben. Sie können Zeitungsmeldungen lesen, in denen die Eltern sagen: Das, was jetzt auf sie zukommt, ist ja reichlich.

(Frau Körtner [CDU]: Frau Ministe- rin, sie sagen: Schlechter kann es nicht werden! Das ist der Tenor!)

Betreuungsstunden finanziert. Englischunterricht finanziert. Sie regen sich doch nur so auf, weil Sie merken, dass das ein Erfolgsmodell wird und Sie den Zug verpasst haben.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Damit komme ich zu der Multimedia-Initiative. Frau Litfin, ich finde es sehr gut, was Sie gesagt haben. Das ist identisch mit dem, was die Landesregierung machen möchte, nämlich eine Art Poolbildung. Wir wollen die Firmen ansprechen, wir wollen die Unternehmen, die Wirtschaft dafür gewinnen, das mit auszustatten. Wir legen etwas hinein und erwarten auch von den anderen etwas. Auch die Schulträger sollen bei dieser MultimediaInitiative nicht außenvor bleiben. Es muss allerdings miteinander beredet werden, wie das laufen soll.

Selbstverständlich geht es dabei nicht nur um Ausstattung, sondern auch um Fortbildung. In der Fortbildung gibt es allerdings ein Problem. Kurse bieten wir seit Jahren an, aber es gibt bei einem Teil der Kollegien ein Akzeptanzproblem. Dem muss durch verstärktes Hineintragen in die Schulen entgegengewirkt werden. Darin sind wir uns wohl alle einig.

Zur Lernmittelfreiheit möchte ich lediglich einer Fehleinschätzung begegnen. Sie wissen vielleicht alle, dass es für die Lernmittelfreiheit inzwischen eine Budgetierung gibt - oder Sie haben es vielleicht vergessen -, d. h. den Schulen stehen die Mittel inzwischen zur Verfügung.

(Zurufe von der CDU)

- Ja, Sie haben es wohl gesagt, aber von der anderen Seite klang es anders. - Den Schulen stehen die Mittel also zur Verfügung. Wie das bei der Budgetierung aber häufig der Fall ist, sind die 45 Millionen DM, von denen auch Sie, Frau Litfin, hier gesprochen haben, nicht verbraucht worden. Wir haben dem Finanzminister beim letzten Mal

erklären müssen, dass von den 45 Millionen DM 12 Millionen DM übrig geblieben sind. Das heißt: Wenn Sie hierbei von einem Mangelproblem sprechen, dann stimmt da etwas nicht. Wegen der Budgetierung wird offenbar so sorgfältig gearbeitet, dass wir jetzt eigentlich nur dazu ermuntern können, dass ab und zu auch ein neues Buch angeschafft wird.

Herzlichen Dank für die Debatte, aber ich meine, wir sollten wirklich zur Sachpolitik und zur Diskussion über inhaltliche Fragen zurückkommen. Wir werden eine Bildungsoffensive betreiben. Dafür gibt es auch die entsprechende Dotierung. Ich meine, Frau Litfin hat das richtig eingeschätzt. Dafür steht der Ministerpräsident.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich schließe die Debatte über diesen Tagesordnungspunkt, und wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen, den Antrag zur federführenden Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen und zur Mitberatung an den Kultusausschuss zu überweisen. - Andere Vorstellungen sehe ich nicht. Dann ist das so beschlossen.

Wir kommen jetzt zu

Tagesordnungspunkt 29: Erste Beratung: Digitalfernsehen für alle - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/1324

Zur Einbringung dieses Antrags hat der Kollege Reckmann das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hat diesen Antrag eingebracht, weil sie immer noch befürchtet, dass es bei der Digitalisierung des Rundfunks in Deutschland zu einer Monopolstellung von Kirch kommen kann, dass die Voraussetzungen, die jetzt im Rundfunkstaatsvertrag festgeschrieben sind, nicht ausreichend sind, um eine solche Monopolisierung des KirchSystems zu verhindern.

Wo liegt das Problem? - Wenn der Rundfunk digitalisiert wird, brauchen wir eine so genannte set-top-box oder einen Decoder, damit die digitalen Signale in analoge Signale umgewandelt werden können und wir das mit unseren jetzigen Rundfunkgeräten weiterhin empfangen können. Dazu ist es notwendig, dass Geräte entwickelt werden und eine Technik angewendet wird, bei der ein offener Zugang besteht, d. h. dass ein System installiert wird, das allen Anbietern bzw. allen Firmen die Möglichkeit gibt, sich im Rahmen eines fairen Wettbewerbs hier einzubringen mit dem Ziel, dass ihr jeweiliges System genutzt und ihr jeweiliges Gerät gekauft werden kann.

Zurzeit sieht es allerdings so aus, dass die Telekom plant, mit Kirch das BetaCrypt-Verfahren einzuführen. Dies würde bedeuten, dass es keinen offenen Zugang gäbe, sondern dass dort eine ganz bestimmte Technik eingesetzt wird, dass alle anderen Anbieter oder Gerätehersteller dann gezwungen wären, sich bei Kirch eine Lizenz zu kaufen, und dass die Gerätehersteller von Kirch die Genehmigung einholen müssten, das Entschlüsselungssystem nachzubauen. Bei diesen Decodern geht es nämlich nicht nur um die Umwandlung, sondern auch um den Modus der Entschlüsselung für Pay-TV, sodass auch damit Pay-TV empfangen werden kann.

Sollten die genannten Voraussetzungen nicht erfüllt werden, so wäre der Konsument gezwungen, sich gegebenenfalls mehrere Decoder zu kaufen, um auch andere Programme empfangen zu können. Man muss sich das einmal vorstellen, dass man für sich zu Hause drei oder vier Decoder kaufen müsste, um die Möglichkeit zu haben, alle angebotenen Programme zu empfangen. Für mich ist das eine schreckliche Vorstellung. Wir sollten gemeinsam dafür sorgen, dass es dazu nicht kommt.

In der Schweiz hat vor wenigen Monaten der dortige Teleklub beantragt, bei der Umwandlung von analogem auf digitalen Rundfunk die d-box von Kirch einzuführen. Das zuständige Departement hat dies untersagt, weil festgestellt worden ist, dass bei dem System Kirch eine Offenheit der Plattform nicht sichergestellt ist, weil in dem System keine gemeinsame Schnittstelle vorgesehen ist. „Gemeinsame Schnittstelle“ bedeutet, dass alle Sendungen mit diesem Decoder entschlüsselt werden können, d. h. dass eine Technik zur Verfügung steht, die es allen Anbietern ermöglicht, dafür zu senden, und die auch allen Kunden, Privatpersonen

die Möglichkeit gibt, das Programm zu empfangen, das sie jeweils sehen wollen.

Ich habe mir das auf der Funkausstellung in Berlin einmal zeigen lassen. Zurzeit kann man das KirchProgramm nur auf der d-box von Kirch empfangen, d. h. man muss nicht nur das Programm, sondern auch noch die Technik von Kirch kaufen. Mittels eines so genannten universellen Decoders, bei dem eine gemeinsame Schnittstelle vorgesehen ist, würde technisch die Möglichkeit bestehen, das Kirch-Programm mit zu empfangen. Das heißt: Man brauchte sich von Kirch nur die smart-card zu kaufen, diese in den universellen Decoder einzugeben und könnte dann das Kirch-Programm empfangen. Es gibt also keinen logischen Zwang, die d-box gleich von Kirch mitzukaufen. Somit handelt es sich hierbei lediglich um den Versuch, ein Monopol einzuführen, von dem Kirch profitieren würde. Das muss man sich einmal vorstellen: Wir leben in einer Zeit, in der wir die Telekommunikation, die Strommärkte usw. liberalisieren, und hier besteht jetzt die Gefahr, dass ein Monopol geschaffen wird, dass Wettbewerb verhindert wird, dass die Entstehung eines Marktes, auf dem faire Bedingungen ausgehandelt werden könnten, verhindert wird. Wenn sich Kirch durchsetzte, dann könnte er die Höhe der Lizenzgebühren bestimmen, er könnte sich seine Lizenznehmer aussuchen, und es gäbe keine offene Plattform, sondern es wären Lizenzen bzw. für Privatpersonen mehrere Decoder notwendig, wobei es noch ein technisches Problem wäre, diese Decoder bzw. Boxen zusammenzuschalten.

Wir brauchen also ein offenes System - das ist technisch möglich, das gibt es -, über das alle Programme empfangen werden können.

Die ARD weist mit Recht darauf hin, dass dann, wenn das Kirch-System käme, das digitale ARDProgramm nur zu einem Teil mit diesem System empfangen werden könnte und dass bestimmte Dinge überhaupt nicht dargestellt werden könnten. Das heißt: Auch insoweit bedeutete es eine erhebliche Benachteiligung für die ÖffentlichRechtlichen, wenn der digitale Empfang nur über eine Kirch-set-top-box möglich wäre.

Mit Recht weist die ARD auf ein weiteres Problem hin. Es ist ja vorgesehen, dass die Telekom ihre Kabelaktivitäten in neun Regionalgesellschaften aufgliedern will und dass diese an unterschiedliche Bieter verkauft werden sollen. Es wird also in Kürze in Deutschland neun regionale Kabelgesell

schaften mit unterschiedlichen Besitzern geben, die möglicherweise unterschiedliche Systeme einführen. Es könnte also sein, dass jemand, der mit seinem Decoder in eine andere Gegend Deutschlands umzieht, sich einen neuen Decoder kaufen muss, um weiterhin am digitalen Fernsehen teilnehmen zu können. Das ist für mich eine abenteuerliche Vorstellung, zu der es meines Erachtens nicht kommen darf.

Die Ministerpräsidenten und Staatskanzleien haben dieses Problem natürlich auch gesehen. § 53 des Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrages stellt sicher, dass es nicht zu einer Monopolstellung von Kirch bzw. überhaupt eines Anbieters kommen kann. Diese Vorschrift verlangt genau das, was ich eben dargestellt habe, nämlich diese gemeinsame Schnittstelle. Auf viele andere Dinge konnten sich die Ministerpräsidenten aber wohl nicht konkret einigen, sodass sie es bei allgemeinen Aussagen belassen haben. In dem letzten Absatz heißt es, die Einzelheiten müssen die Landesmedienanstalten in Satzungen, die dann in ganz Deutschland gültig sind, regeln. Nur, da gibt es die gleichen Probleme: 15 Landesmedienanstalten müssen sich auf eine einheitliche Satzung einigen.

Die vorliegenden ersten Entwürfe zeigen, dass immer noch nicht sichergestellt ist, dass es nicht zu diesem Monopol von Kirch kommt. Es darf meines Erachtens auch nicht sein, dass man ihm eine Monopolstellung in den ersten Jahren des digitalen Rundfunks zubilligt, und im Übrigen vorschreibt, dass die Öffnung zum Markt dann peu à peu stattfinden muss.

Deswegen unser Antrag. Wir bitten die Staatskanzlei, bei der Erstellung der Satzung der Niedersächsischen Landesmedienanstalt darauf zu achten, dass die allgemeinen Grundsätze des Staatsvertrages realisiert werden, dass es eine offene Plattform, einen Zugang für alle, geben wird und eben kein Monopol von Kirch, wie es die Telekom zurzeit noch anstrebt.

Dieses Problem könnte unserer Meinung nach dadurch gelöst werden, dass man in den Satzungen festschreibt, dass Leo Kirch bei der Verschlüsselungstechnik nicht monopolartig begünstigt werden darf, dass sichergestellt wird, dass ein freier Wettbewerb möglich ist und nicht Kirch bestimmen kann, wen er sich als Lizenznehmer nimmt, und dass Kirch auch bei der Preisgestaltung nicht die Möglichkeit hat, bestimmte Dinge zu diktieren.

Zweitens müsste festgeschrieben werden, dass schnellstens alle Anbieter dazu verpflichtet werden, mindestens eine Entschlüsselung der verbreiteten Angebote über DVB-Common-InterfaceModule zu ermöglichen, d. h. dass jeder Sender, jeder Veranstalter verpflichtet wird, so zu senden, dass eine Entschlüsselung mit Universaldecodern möglich ist. Das ist genau das, was ich vorhin angedeutet habe: Ich kaufe mir eine smart-card, schiebe die in meinen Decoder und kann dann auch jedes Pay-TV-Programm sehen, das auf dem Markt angeboten wird.

Drittens muss sichergestellt sein, dass alle Endgeräte über eine Technik verfügen, die dies dem Kunden auch möglich machen. Unserer Meinung nach darf es keine Decoder geben, mit denen ich als Kunde nicht alles empfangen kann und mit denen ich nicht selbst bestimmen kann, was ich sehen will. Das heißt, es müssen nicht nur die Sender verpflichtet werden, sondern auch die Geräte müssen entsprechend ausgestattet sein.

Viertens. Es geht im digitalen Rundfunk nicht nur um das Sehen oder Hören von Programmen, sondern auch um Zusatzdienste wie den elektronischen Programmführer oder Onlinedienste. Es muss sichergestellt sein, dass die Decoder einen Zugriff auf diese Angebote erlauben. Zum Beispiel muss ein Rückkanal von allen genutzt werden können.