Protokoll der Sitzung vom 12.05.2000

Herr Kollege Klein, Sie sind der nächste Redner.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch mir war am Anfang nicht ganz klar, was mit diesem Antrag bezweckt werden soll. Wollen Sie der Stadt helfen, oder wollen Sie sie disziplinieren? Ist es ein kommunalfreundlicher Antrag, oder geht es Ihnen ausschließlich um die Kritik an einem SPDBürgermeister? - Ich bin der Meinung, die heutige Debatte hat dies ein wenig geklärt.

Ich möchte darauf hinweisen, dass mich die Formulierungen in diesem Antrag doch ein wenig erschreckt haben. Sie sehen das Land in der Verantwortung für die Einleitung und Fortsetzung der Umstrukturierungen. Das Land soll sich um den

Erhalt und die Fortentwicklung der touristischen Infrastruktur kümmern. Es soll sich um die Ergänzung des Gutachtens kümmern. Es soll die Arbeit des Arbeitskreises Bad Grund antreiben. Es soll die ordnungsgemäße Verwendungskontrolle organisieren. Es soll die Privatisierung voranbringen. Schließlich verlangen Sie eine Fremdenverkehrsförderung, die die Tourismuseinnahmen im Harz quasi garantiert.

Meine Damen und Herren, das ist meines Erachtens nicht die normale Fürsorge des Landes für seine Kommunen. Das ist vielmehr die Entmündigung der Stadt. Das ist quasi der Staatskommissar, den Sie da empfehlen. Sie weisen der Landesregierung damit eine Zuständigkeit zu, die ich jedenfalls nicht möchte - eine Zuständigkeit, die mit dem Recht der kommunalen Selbstverwaltung, das auch die CDU sehr häufig im Munde führt, nicht zu vereinbaren ist.

Ich möchte gleich hinzufügen, dass dieses Recht natürlich mit der Pflicht verbunden ist, Verantwortung für die eigene Situation zu übernehmen und nicht immer darauf zu warten, bis die Aufsichtsbehörde die unpopulären, aber notwendigen Maßnahmen verordnet, um dann zu sagen: Seht her, wir sind unschuldig. Die anderen waren es.

Stichwort „Aufsichtsbehörde“: Natürlich kann man heute beklagen, dass die Aufsichtsbehörden zu spät gegen die Bedarfszuweisungsmentalität vieler Kommunen angegangen sind. Ich frage Sie aber: Wer von den Kommunalpolitikern unter uns hat das nicht schon gelegentlich oder vielleicht sogar schon immer stillschweigend in Kauf genommen, wenn es seine eigene Kommune betraf? Dauerbedarfszuweisungen jedenfalls können keine Lösung sein. Ich glaube, wir brauchen ein generelles Konzept für Tourismuskommunen gegen das strukturelle Defizit. Das heißt, auch öffentliche Infrastruktur muss letztlich rentierlich sein. Auch in öffentlichen Kassen muss es sich positiv auswirken, muss es positiv spürbar werden, wenn der Kurort ausgebucht ist. Heute erleben wir oft das Gegenteil, dass viele Gäste hohe Kosten für die öffentliche Hand bedeuten. Hier kann das Land sicherlich Einiges tun.

(Oestmann [CDU]: Es ist eher umge- kehrt!)

Wir brauchen darüber hinaus ein spezielles Sanierungskonzept für jede betroffene Kommune. Aber da ist vor allem die Kommune selbst gefragt, in

einem offenen Diskurs mit ihren Bürgern zu entwickeln, wo es eigentlich langgehen soll. Ich würde mir darüber hinaus ein Sanierungsprogramm des Landes wünschen, das dann ein solches Konzept, wenn es denn überzeugend und abgesichert ist, belohnt, indem das Land Hilfe bei der Bewältigung der Altlasten gewährt und damit einen Neustart erleichtert.

Ich hoffe, dass es der Landesregierung gelingt, in dieser Hinsicht etwas auf die Beine zu stellen, und dass sich das letzten Endes dann auch für die Stadt Bad Grund positiv auswirkt. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Klein. - Herr Möllring, Sie haben um das Wort gebeten.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind doch gar nicht weit auseinander. 80 % dessen, was der Herr Innenminister gesagt hat, können wir mit unterschreiben. Es geht doch nicht darum, hier irgendwelche Verantwortlichkeiten zuzuschreiben.

(Beckmann [SPD]: Das haben Sie doch gemacht!)

Man muss nur, wenn man helfen will, genauso, wie es der Innenminister gesagt hat - er hat nur keinen Namen genannt -, sagen: Das Geld allein rettet die Sache nicht, sondern man muss sehen, dass die handelnden Personen das langsam in den Griff kriegen. Wenn die handelnden Personen zehn Jahre lang gezeigt haben, dass sie es nicht in den Griff kriegen, sollte man nicht immer die Opfer austauschen, sondern dann muss man auch mal über die handelnden Personen reden. Das ist ein ganz normaler Vorgang.

Frau Ortgies hat es gesagt: Bei den beiden Gesellschaften, die es dort gibt - man hat das ja in GmbH-Form privatisiert -, sind in kürzester Frist dreimal hintereinander die Geschäftsführer entlassen und mit sechsstelligen Beträgen abgefunden worden. Der letzte Arbeitsgerichtsprozess läuft noch, aber Sie können sich vorstellen, wie der ausgehen wird, nämlich genauso wie die ersten beiden Arbeitsgerichtsprozesse, wo Abfindungen in sechsstelliger Höhe gezahlt werden mussten.

(Dr. Domröse [SPD]: Sie sollten sich besser informieren!)

Das kann doch auf Dauer nicht richtig sein. Dann kann das Land nicht jedes Jahr 1,5 Millionen DM oder 1,2 Millionen DM Bedarfszuweisungen geben, womit dann diese Praxis vor Ort auch noch finanziert wird. Dann muss man auch mal den Leuten vor Ort sagen - der Aufsichtsratsvorsitzende beider Gesellschaften und Bürgermeister sitzt doch hier -: Vielleicht überprüfst du auch mal deine eigene Handlungsweise.

Man muss sich auch mal die Bilanzen dieser beiden Gesellschaften vorgelegen lassen. Da wird man feststellen, dass es für die letzten Jahre keine korrekten Bilanzen gibt. Dann muss eine Aufsicht doch handeln. Man kann dann nicht sagen: Das wird der Landkreis schon machen.

Das wollen wir doch nur. Hier geht es gar nicht darum, Bad Grund etwas ans Zeug zu flicken. Es geht gar nicht darum, den Staatskommissar zu schicken, sondern es geht nur darum, dass in Bad Grund ordentliche Haushaltspolitik gemacht wird und dass dieser Gemeinde und diesen beiden Gesellschaften geholfen wird, damit die Touristik und der Kurbetrieb wieder halbwegs vernünftig auf die Beine kommen. Nichts anderes haben wir gefordert.

Ich habe zwischen den Reden von Frau Ortgies und des Innenministers im Prinzip kaum Unterschiede entdecken können. Deshalb sollten wir das im Ausschuss sehr sorgfältig beraten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Darum schließe ich die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Wenn Sie den Ausschuss für innere Verwaltung mit der federführenden Beratung dieses Antrages beauftragen und den Ausschuss für Freizeit, Tourismus und Heilbäderwesen mit der Mitberatung befassen wollen, bitte ich um Ihr Handzeichen. - Stimmt jemand dagegen? - Das ist nicht der Fall. Stimmenthaltungen? - Auch nicht. Dann haben Sie so beschlossen.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 29: Erste Beratung: Ausreichende Versorgung mit Kinderärzten in Niedersachsen sicherstellen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/1591

Zur Einbringung hat sich Herr Kollege Dr. Winn zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Dr. Winn!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zurzeit haben wir keinen ernsthaften Engpass im Bereich der Versorgung mit Kinderärzten. Lediglich in vier Landkreisen, nämlich Lüneburg, Rotenburg, Wesermarsch und Wolfenbüttel, sowie in der Stadt Salzgitter ist eine deutliche Unterversorgung zu verzeichnen. Das ist weiter nicht schlimm, außer für diejenigen, die dort wohnen. Je nachdem, in welchem Bereich man sich befindet - ländlicher Bereich, städtischer Bereich oder verdichteter Bereich -, liegt die Verhältniszahl zwischen rund 15.000 und 25.000 Einwohner je Kinderarzt. Wenn man das aufteilt, kann es auch jetzt schon, zumindest in den genannten Bereichen, zu Engpässen und zu einer gewissen Unterversorgung kommen.

Es gibt hierzu durchaus widersprüchliche Angaben. Wenn man die Zeitungen verfolgt hat, weiß man, dass die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen dem widersprochen und gesagt hat, so schlimm sei das in den kommenden Jahren gar nicht. Dem muss ich entgegenhalten, dass der Berufsverband der Kinderärzte im November letzten Jahres eine Umfrage bei der Ärztekammer und bei der Kassenärztlichen Vereinigung gemacht hat. Die Ergebnisse dieser Umfrage bestätigen durchaus, dass in der nächsten Jahren ca. 150 Kinderärzte ihre Praxis aufgegeben werden. Der Widerspruch der Kassenärztlichen Vereinigung ist deshalb nicht haltbar, weil sie einfach vergisst, dass wir auch Kinderärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst haben, die dazuzuzählen sind.

Die Alterspyramide - ich habe noch gestern lange mit dem Vorsitzenden telefoniert; der Berufsverband verfügt über einen hohen Organisationsgrad ist tatsächlich so, dass zu befürchten ist, dass in den nächsten Jahren 150 Kinderärzte ihre Tätigkeit aufgeben werden. Dadurch entsteht natürlich eine Unterversorgung, denn der Nachwuchs ist nicht da. Wir haben nicht so viele junge Ärzte, die Kinderarzt werden wollen. Das liegt einmal daran, dass die Kinderärzte an der unteren Stelle der Einkom

mensskala stehen, und zum anderen ist die Arbeit als Kinderarzt auch nicht gerade einfach. Kinder können oftmals ihre Beschwerden nicht so exakt äußern wie ein Erwachsener. Der Umgang mit Kindern und das dafür erforderliche Fingerspitzengefühl sind nicht jedem gegeben. Deshalb wählen nicht übermäßig viele den Beruf des Kinderarztes.

Hinzu kommt, dass nach dem Sozialgesetzbuch V, § 73 Abs. 1 a, bei der hausärztlichen Versorgung damit sind die Allgemeinmediziner, die Kinderärzte und die hausärztlich tätigen Internisten gemeint - ein sektorales Budget gilt. Die jetzige Gesundheitsministerin hat ja nun gesagt: Das wird für die Hausärzte alles besser. Bisher, muss ich Ihnen sagen, ist aber nichts besser geworden. Es ist zu befürchten, dass die ausgehandelten Budgets eher nach unten als nach oben korrigiert werden. Man hat zwar darüber spekuliert, dass es eventuell 10 % mehr sein könnten, aber bisher sind auf diese Ankündigung keine Taten gefolgt.

Ich habe mir die Tabelle von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung geben lassen. Die Zahlen bestätigen die Befürchtung des Berufsverbandes der Kinderärzte. Die Alterspyramide ist tatsächlich so, dass in den nächsten Jahren wahrscheinlich diese Zahl herauskommen wird.

Bei den Krankenhäusern gibt es folgendes Problem: Die Krankenhäuser - das kann ich aus deren Sicht durchaus gut verstehen - behalten gern die fertigen Fachärzte in den Abteilungen, und zwar deshalb, damit der nächtliche Notdienst gesichert ist. Ein Assistenzarzt kann nämlich nicht selbständig den ärztlichen Notdienst versehen, sondern es muss immer ein Facharzt im Hintergrund da sein. Das muss nicht der Oberarzt sein, aber es muss ein Facharzt sein, der zur Verfügung steht. Kinderarztabteilungen sind kleine Abteilungen, keine riesigen Abteilungen. Da ist meistens ein Chefarzt und ein Oberarzt. Wenn das nicht funktioniert, gibt es eine doppelte Chefarztspitze ohne Oberarzt. Dann gibt es vielleicht noch zwei bis vier Assistenten, dann ist aber auch Schluss. Das heißt, für die Krankenhausträger macht die Beschäftigung von Fachärzten in den Krankenhäusern deshalb Sinn, weil sie von vornherein eine hohe Kompetenz haben und nicht nur das schwächste Glied, nämlich den lernenden, den in Weiterbildung befindlichen Arzt, der nicht in allen Bereichen einsetzbar ist.

Hinzu kommt noch eine weitere Verschärfung: Im Zuge der Neufassung der Weiterbildungsordnung Allgemeinmedizin ist festgelegt werden, dass zu

der fünfjährigen Weiterbildung ein halbes Jahr Kinderheilkunde gehört. Wir können es natürlich so machen wie die Bayern, die das einfach herausgestrichen haben. Aber ich halte es im Rahmen der Weiterbildung Allgemeinmedizin - das muss ich Ihnen ehrlich sagen - für eine ganz wichtige Komponente, dass dieser Weiterbildungsgang erhalten bleibt.

(Schwarz [SPD]: Wer organisiert das denn?)

- Das ist Aufgabe der Ärztekammer; das ist richtig.

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Aha!)

- Moment, die legt die Weiterbildungsordnung fest. Ich habe ja gar nicht gesagt, dass der Niedersächsische Landtag dafür da ist, Weiterbildungsstellen einzurichten. Das ist gar nicht der Punkt.

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Aber was soll denn der Niedersächsische Land- tag tun?)

- Darauf komme ich gleich. Frau Pothmer, warten Sie es doch einfach ab. Ich habe ja noch ein bisschen Zeit.

Es ist einfach so, dass es da einen zusätzlichen Flaschenhals gibt, weil die Weiterbildungsstellen nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Hinzu kommt, wie gesagt, dass nur wenige junge Ärzte Kinderärzte werden wollen, und die Demografie der Kinderärzte ist tatsächlich so, dass in den nächsten Jahren ältere Kollegen aufhören werden. Die hören nämlich übrigens nicht mit dem 68. Lebensjahr auf, sondern mit Anfang 60. So ist zumindest der Gipfel zu verzeichnen, sodass die kinderärztliche Versorgung tatsächlich in einen echten Engpass gerät. Von daher gesehen kann man dieses Anliegen eigentlich nur unterstützen.

Der Niedersächsische Landtag kann selbstverständlich über seinen Krankenhausplan über die kommunalen Träger darauf einwirken, dass diese Weiterbildungsstellen nicht ausschließlich mit Fachärzten besetzt werden, sondern dass bestimmte Weiterbildungsstellen als solche erhalten bleiben und nicht umgewandelt werden. Das kann sehr wohl geschehen. Von daher besteht eine Einwirkungsmöglichkeit, dass der Landtag bzw. das aufsichtsführende Ministerium dort tätig wird.

Direkte Zuständigkeiten - das habe ich bereits gesagt - bestehen nicht. Das ist mir auch völlig klar. Aber ich meine schon, dass der Niedersächsi

sche Landtag bzw. das Ministerium in diesem Rahmen tatsächlich etwas tun sollte, dass diese Weiterbildungsstellen im Rahmen des Krankenhausplanes auch als Weiterbildungsstellen ausgewiesen und eventuell auch die umgewandelten Stellen in Weiterbildungsstellen zurückverwandelt, also die Facharztstellen aufgelöst werden.

Es ist, wie gesagt, zu befürchten, dass es in den nächsten Jahren zu diesem Engpass kommen wird. Selbst wenn die Kassenärztliche Vereinigung einen Widerspruch hierin sieht, kann der Berufsverband das überhaupt nicht so sehen.

(Frau Lau [SPD]: Das glaube ich! Der Berufsverband wird Ihnen das sicher- lich immer gern quittieren!)

Ich habe mir die Zahlen noch einmal geben lassen. Sie bestätigen eigentlich rundherum das, was wir gesagt haben. Ich meine, wir sollten das auch in dieser Weise beschließen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)