Protokoll der Sitzung vom 20.06.2000

Dabei wird sich die neu zu schaffende Gebietskörperschaft allerdings in das bisherige Verwaltungsgefüge des Landes Niedersachsen einpassen. Dazu sollten zwei Befürchtungen widerlegt werden, die in der Vergangenheit geäußert wurden.

Erstens handelt es sich bei der Bildung der Region Hannover nicht um eine Art Kreisgebietsreform.

(Plaue [SPD]: Genau!)

Zweitens ist die Bildung der Region Hannover kein Modell für den Raum Hannover, mit dem beabsichtigt wird, größere Beträge aus dem kommunalen Finanzausgleich zu erhalten.

(Eveslage [CDU]: Das werden sie dir gar nicht erzählt haben, was sie da vorhaben!)

- Wir beide haben doch noch gemütlich Mittag gegessen und waren uns einig. – Beides war von Anfang an – das wissen Sie – nicht vorgesehen. Das Gebiet der Landeshauptstadt wird nicht durch Eingemeindungen vergrößert. Vielmehr wird die Selbständigkeit der kreisangehörigen Städte und Gemeinden gesichert und ihre Kompetenz gestärkt.

Für die SPD-Fraktion ist klar, dass durch die Bildung der Region Hannover die Verteilungssymmetrie der Zuweisungen zwischen den kommunalen Gebietskörperschaften der Region und anderen Regionen des Landes nicht verändert wird.

Die SPD-Fraktion steht auch zu der Zusage, dass nach der EXPO 2000 vorhandene Fördermittel wieder verstärkt in die Städte und Landkreise außerhalb des Großraumes Hannover fließen müssen.

Zudem möchte ich betonen, meine Damen und Herren, dass meine Fraktion im gesamten Diskussionsvorgang über die Region Hannover darauf geachtet hat und auch weiterhin darauf achten wird, dass die Kompetenzen dort bleiben, wo sie allein schon aus verfassungsrechtlichen Gründen hingehören: in den betroffenen Regionen.

Ich möchte an dieser Stelle an etwas erinnern, was auch in der Diskussion nach meiner Meinung etwas in den Hintergrund gerückt ist. Das Land Niedersachsen schafft mit dem Gesamtprozess der Bildung der Region Hannover die Rahmenbedingungen für etwas, was aus der Region selbst vorgeschlagen wurde, dort seinen Ursprung hatte und dort gewünscht wurde. Es ist ein wesentliches Element aller Regionalisierungsbemühungen, dass diese auf freiwilliger Basis und aufgrund der Notwendigkeiten entstehen, die in den Landkreisen, Städten und Gemeinden gesehen werden.

Natürlich geht es bei einem so umfassenden Reformprojekt nicht ohne tief greifende organisatorische und strukturelle Änderungen ab. Solche Elemente sind ein wichtiger Bestandteil regionaler Kooperation. Hierbei muss allerdings deutlich sein, dass auch diese Fortentwicklungen maßgeschneiderte Lösungen für aktuelle Entwicklungen in den Regionen und im Lande Niedersachsen sind. Es ist daher völlig verkürzt und der Sache unangemessen, wenn man die Bildung der Region Hannover mit einer Debatte über eine damit angeblich verbundene zwingende Abschaffung der Bezirksregierungen verknüpft.

(Hagenah [GRÜNE]: Eine reicht uns erst mal!)

Natürlich kann die Region Hannover nicht gebildet werden, ohne dass es zu einer Neuorganisation in der Aufgabenwahrnehmung im öffentlichen Bereich kommen wird. Kompetenzen werden aus der Bezirksregierung an die Region abgegeben. Die Bezirksregierungen werden aber immer stärker die Aufgaben eines regionalen Managements übernehmen. Dieses regionale Management wird deswegen aber nicht unwichtiger, als es die Aufgabenwahrnehmung der Bezirksregierung in ihrer heutigen Form sein wird.

Bereits heute gibt es mit der Wahrnehmung von Aufgaben zur regionalen Verkehrsentwicklung, Tourismusentwicklung oder mit Ausbildungs- und Arbeitsmarktprojekten viele Beispiele zukünftiger Regionalmanagementaufgaben der Bezirksregierungen.

Abschließend möchte ich feststellen, dass wir in den vergangenen vier Jahren ein großes Stück inhaltlicher Diskussion und Arbeit hinter uns gebracht haben. Der sicherlich nicht immer leichte Prozess der politischen Meinungsbildung – wo auch immer -, der in dieser Zeit nicht nur in einer

sehr disziplinierten Form, sondern auch unter Einbeziehung aller wichtigen politischen Kräfte in Stadt und Kreis stattgefunden hat, ist wohl in dieser Form einmalig in Deutschland.

Es liegt letztlich in der Natur der Sache selbst begründet, dass bei einem so großen Projekt zu Detailfragen unterschiedliche Einschätzungen vorliegen. Solche Detailfragen dürfen jedoch nicht als Kritik oder Streit über das Vorhaben an sich missverstanden oder gar missbraucht werden. Ich möchte deshalb ausdrücklich davor warnen, dass nach dem erfolgreichen und intensiven Diskussionsprozess der vergangenen Jahre kurz vor der Verwirklichung der entscheidenden Gesetzgebungsvorhaben Detailkritik und Organisationsfragen herangezogen werden, um das so weit gediehene Projekt nun doch noch infrage zu stellen.

Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion ist der Überzeugung, dass zukünftig im Großraum Hannover die Kommunalpolitik aus einer Hand und die neu zu schaffenden Verwaltungsstrukturen es ermöglichen werden, die Region Hannover als wichtigsten Ballungsraum Niedersachsens gegenüber der nationalen und internationalen Konkurrenz wettbewerbsfähig zu machen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Hagenah hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Region Hannover muss kommen. Sie ist eine große Chance für ganz Niedersachsen. Die Voraussetzungen dafür sind aufgrund der erfolgreichen Arbeit des Kommunalverbandes in den vergangenen Jahrzehnten hervorragend. Der Vorlauf aus dem Innenministerium und die einmütige Unterstützung der betroffenen Gremien in der Region machen uns Mut.

Der Zeitplan ist plausibel. Jede Zwischenlösung hat wesentliche Nachteile gegenüber einer Regionswahl zusammen mit der nächsten Kommunalwahl. Wer eine ganze Wahlperiode warten will, gefährdet letztlich diese Entwicklungschance.

Die Region Hannover nutzt nicht nur das erhöhte Interesse am Standort Hannover nach der deutschen Einheit aus, sondern sie ist auch die einzige

Chance, das überdimensionierte EXPO-Erbe in einer gemeinsamen Anstrengung von Region und Land zusammen mit Harz, Heide und Weserbergland auf solide Füße zu stellen.

Die Reform muss aber auch von den beteiligten Städten und Gemeinden als Herausforderung begriffen werden, mehr Bürgernähe und mehr Servicequalität mit minimiertem Kostenaufwand an die Menschen und die Betriebe vor Ort zu bringen.

Die Region ist auch eine Chance für Pilotprojekte zur überfälligen Reform der Mittelbehörde Bezirksregierung. Wer bei dieser Gelegenheit nicht bereit ist, an eine neue Körperschaft mit 1,1 Millionen Einwohnern möglichst viele Kompetenten – auch die regionale Managementkompetenz – abzugeben, der tut das nimmermehr.

Die Regionsbildung beinhaltet die Chance der Neujustierung der Schnittpunkte zwischen kommunal verantwortetem Handeln und Landesverwaltung am Modellprojekt.

Geben Sie also, Herr Minister Bartling, auch die überörtliche Trägerschaft der Sozialhilfe, der Jugendhilfe und im Gesundheitswesen an die Region ab. Bündeln Sie die gesamte kommunale Wohnungspolitik in der Region und nicht nur die zukünftige. Setzen Sie als Pilotprojekt in der Region ein Gleichstellungskonzept mit einer starken Frauenbeauftragten um, die eine Stellvertretung und dezentrale Frauenbeauftragte in den Ämtern hat.

Bei all diesen Chancen ist eine verlässliche und offensive Steuerung des Reformprozesses unerlässlich, Herr Minister. Wer hier das Steuer verreißt, setzt die Karre gleich für viele Jahre in den Sand.

(Eveslage [CDU]: Hoffentlich werden Sie nicht Steuermann!)

- Das ist ja Herr Minister Bartling; wir sind nur Leichtmatrosen; allerdings beide Oppositionsparteien. – Deshalb fordern wir Sie dazu auf, konstruktiv auf die aufgebrachten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zuzugehen, die sich zu Recht von der jetzigen Gesetzesvorlage brüskiert fühlen. Wenn die Zusage des Ministerpräsidenten gilt, dass auch er zu einer Vereinbarung zum Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen bereit ist, dann würde sich allein aufgrund dieses Faustpfandes die Zusammenführung der Abfallwirtschaftsbetriebe und Krankenhäuser innerhalb der Region in Kör

perschaften des öffentlichen Rechtes mit angemessenen Übergangsfristen erzwingen lassen.

Lassen Sie uns das deshalb besser gleich in das Gesetz schreiben, anstatt den Start der Region mit Querelen zu überschatten! Nehmen Sie diesem unnötigen Konflikt die Schärfe und gehen Sie auf die Arbeitnehmerinteressen und auf die Forderungen der Opposition zu! Das Vorschaltgesetz wird von uns in der Erwartung mitgetragen, dass Sie bei der Beratung dieser Punkte Entgegenkommen zeigen. Es ist also ein Vorschuss.

(Endlein [SPD]: Ich will etwas zum Vorschaltgesetz hören!)

- Das habe ich zu Anfang gesagt und habe ich jetzt wieder gesagt, und das hat auch Ihr Kollege gesagt: Das kann man nur im Zusammenhang sehen. Man kann dem Vorschaltgesetz heute nur dann zustimmen, wenn man heute schon erklärt, dass man daran bestimmte Erwartungen an die Zukunft knüpft. Diese Erwartungen habe ich soeben dargelegt. Ich hoffe, dass wir das eigentliche Gesetz hier im Landtag schlussendlich in einem breiten Konsens verabschieden werden, denn diese Reform hat eine breite Unterstützung verdient.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber wir sind uns sicherlich einig darin, dass wir vorher weiter beraten und heute noch nicht die Abstimmung durchführen. - Das Wort hat der Kollege Eveslage.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei diesem Vorschaltgesetz geht es um Durchführungsbestimmungen zur erstmaligen Wahl der Regionspräsidentin oder des Regionspräsidenten und zur Regionsversammlung der künftigen Region Hannover. Wenn denn diese Region tatsächlich kommt

(Meinhold [SPD]: Die kommt!)

und wenn sie zum 1. November des Jahres 2001 starten soll, erscheint die frühzeitige Festlegung der Wahlbereiche durchaus als notwendig. Es ist richtig, diese Fragen durch ein Gesetz zu regeln und dies nicht der Versammlung des Großraumverbandes zu überlassen, wie es die ursprünglichen

Pläne der Landesregierung einmal vorgesehen hatten.

Die CDU hat sich immer dafür ausgesprochen, die Verwaltungsstrukturen im Bereich des bestehenden Großraumverbandes Hannover deutlich zu verbessern. Wir wissen, dass hier im Verhältnis zum übrigen Teil unseres Landes Niedersachsen eine besondere Situation vorliegt. Rund 1,1 Millionen Einwohner - im Juni, vor einem Jahr, waren es genau 1.103.068 - in einer Region mit einer hohen Bevölkerungsdichte, der wirtschaftliche und finanzielle Schwerpunkt unseres Landes Niedersachsen, ein besonderer, wenn auch nicht der soziale Brennpunkt unseres Landes - vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus notwendig, dass auch die Verwaltungsstrukturen modernen Gesichtspunkten angepasst werden. Wer für eine verwaltungsmäßig starke Region Hannover ist, muss deswegen - das sage ich ausdrücklich - nicht gegen das übrige Land sein. Es kommt darauf an, die Region so zu gestalten, dass daraus für das ganze Land Niedersachsen fruchtbare Erfolge erzielt werden können.

(Beifall bei der CDU)

Was für Hannover, unsere Landeshauptstadt, gut ist, kann auch für das übrige Land gut sein, wenn es richtig gemacht wird.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen als CDU Niedersachsen eine Vereinfachung der Verwaltungsstrukturen. Wir wollen mehr Effizienz, eine größere Bürgernähe und Überschaubarkeit durch Wegfall von Verwaltungsebenen. Die bestehende Organisation - Gemeinde oder Stadt, darüber der Landkreis, im Bereich des Landkreises darüber der Großraumverband, darüber die Bezirksregierung, darüber wiederum andere Landesbehörden und Ministerien - ist zu kompliziert und undurchschaubar. Das muss geändert werden.

Wir wollen ferner, dass unbedingt darauf geachtet wird, dass die Ebene der Bezirksregierung von Anfang an in die Reform einbezogen wird und erheblich mehr Aufgaben, als bislang im Gesetzentwurf, der bisher als Referentenentwurf vorliegt, vorgesehen ist, von der staatlichen Mittelinstanz nach unten verlagert werden.

Die Reform im Bereich der Region Hannover darf des Weiteren nicht zulasten des übrigen Landes gehen. Ich habe sehr wohl das gehört, was der

Vertreter der SPD-Fraktion hierzu gesagt hat. Das gilt für den kommunalen Finanzausgleich, das gilt für das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und für andere staatliche Leistungen, die in der Fläche des Landes für die Landesentwicklung, die wir insgesamt nach vorne bringen wollen, genauso wichtig sind wie für die Landeshauptstadt Hannover. Wir haben gerade zur Kenntnis genommen, dass in den Bereich Hannover wegen der EXPO mehr als 4 Milliarden DM investiert worden sind. Wir wollen mit der Region Hannover keine Nachfolge der EXPO-Investitionen und EXPO-Finanzierung für diesen Teil des Landes, sondern sind der Meinung, dass sich diese Region Hannover dann selbst tragen muss und nicht mehr Geld beanspruchen darf, als sie derzeit aus dem kommunalen Finanzausgleich bezieht.

Die künftige Region Hannover ist ein Gebilde eigener Art. Ich sage das ganz bewusst. Sie darf auf keinen Fall ein Modell für das übrige Land Niedersachsen sein. Denn dann könnte man von der Größenordnung her davon ausgehen, dass wir in Niedersachsen mit acht Regionen anstelle der 38 Landkreise und einiger kreisfreier Städte auskommen könnten. Mit der CDU wird es mit der Bildung der Region Hannover keinen Einstieg in eine neue kommunale Gebietsreform geben.

(Beifall bei der CDU - Meinhold [SPD]: Ist doch auch nicht vorgese- hen!)