Protokoll der Sitzung vom 20.06.2000

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch unser zweites Thema hat ein außerordentlich großes öffentliches Medienecho,

(Beckmann [SPD]: Deshalb macht ihr es doch nur!)

leider ein sehr negatives. Der „Focus“ titelt: „Klassischer Fehlstart“. Das „Hamburger Abendblatt“ sagt: „So schlecht wirbt die EXPO“. Die „Frankfurter Rundschau“ titelt: „EXPO-Konzessionäre fürchten um ihre Existenz“. Und „Die Zeit“ sagt zynisch: „Sie haben sich so viel Mühe gegeben.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so einfach wollen wir es uns und werden wir es Ihnen nicht machen. Das Thema ist für Niedersachsen viel zu ernst, insbesondere finanzpolitisch viel zu ernst.

(Beckmann [SPD]: Zehn Jahre habt ihr das Thema heruntergeredet! Jetzt wollt ihr ernsthaft darangehen! Das nimmt euch doch niemand ab!)

Deswegen ist es wichtig, dass wir heute über die Folgen dieses Fehlstarts sprechen. Alles wird durch die große Leere übertönt, die „Die Woche“ uns vor Augen führt.

Es gibt aber auch Positives zu berichten.

(Eveslage [CDU]: Wie oft waren Sie denn schon da?)

- Viermal war ich schon da - ganze Tage -, und ich habe mir sehr viel angeschaut. - Ich muss Ihnen sagen, dass viele Probleme wegen der Besucherflaute gar nicht erst existent geworden sind. Das Verkehrsgeschehen ist sehr ruhig. Die Kriminalität ist verschwindend gering.

(Beckmann [SPD]: Das ärgert euch am meisten, nicht wahr?)

- Diese Tatsache erwähne ich positiv. - Die befürchtete Gewalt, für die durch erheblichen Polizeieinsatz Vorsorge getroffen worden ist, ist in dem Maße überhaupt nicht eingetreten. Bei 100.000 Leuten auf dem Gelände - bei 150.000 Leuten war es schon eng - ist es aber recht angenehm im Vergleich zu den prognostizierten durchschnittlichen Besucherzahlen, die die EXPO im Vorfeld verlautbart hatte. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was dann passieren würde.

(Möllring [CDU]: Nun bekennen Sie sich doch einmal zur EXPO!)

Es ist aber vorher auch angekündigt worden, dass diese Zahlen in der Dimension gar nicht existieren.

Herr Bilges ist deshalb erst in der vergangenen Woche gefeuert worden. Er hatte erklärt, dass viel zu ehrgeizige und spekulative Besucherzahlen und Finanzierungserwartungen aufgestellt worden seien, um die Zustimmung der Parlamente zu erhalten.

(Zuruf: Wer ist denn das?)

- Meine Damen und Herren, das ist der PR-Chef von Frau Breuel, der es nun wirklich wissen muss. Das ist meines Erachtens ein ungeheuerlicher Fakt, bedeutet er doch, dass wir, das Parlament, und die Bevölkerung vom EXPO-Management bewusst belogen worden sind.

Ministerpräsident Gabriel, der Frau Breuel im vorangegangenen Tagungsabschnitt noch verbal umarmte

(Möllring [CDU]: Der sitzt doch im Aufsichtsrat!)

und ihr seine Solidarität in guten wie in schlechten Tagen versichert hatte, hat deswegen schon zunehmend Distanz zu ihr aufgebaut und will trotz der 10 Millionen DM, die seit Eröffnung der EXPO täglich an Defizit entstehen, nicht mehr eingreifen. Auch Ihr Fraktionsvorsitzender wird den Sechser im Lotto jetzt jeden Tag mehrfach benötigen, um das Defizit für das Land Niedersachsen finanzieren zu können.

(Plaue [SPD]: Ich spiele gar nicht! Meine Frau spielt!)

- Das war ja auch die CDU.

(Möllring [CDU]: Wenn einer vom Fraktionsvorsitzenden spricht, denkt niemand an Plaue!)

Wir müssen gemeinsam das wirtschaftliche Risiko begrenzen. Denn, Herr Plaue, ein Verhalten nach dem Motto „Wasch mir den Pelz und mach mich nicht nass“ wird im Hinblick auf die EXPO nicht gelingen. Wenn die Finanzen ausgeglichen werden müssen, sitzen wir alle im gleichen Boot.

Lassen Sie mich Ihnen noch einmal Folgendes in Erinnerung rufen: 400 Millionen DM Defizit sind von diesem Hause bereits akzeptiert. Als die entsprechende Vorlage im Herbst 1998 vom Finanzminister Aller in das Parlament eingebracht wurde, hieß es, dass das die entscheidende Finanzspritze wäre, um die EXPO fit zu machen und um zukünftige Defizite abzusichern. Seit der Eröffnung der

EXPO wissen wir es besser. Da trat Herr Ludolf von Wartenberg, seines Zeichens Chef der EXPO-Beteiligungsgesellschaft der deutschen Wirtschaft, vor die Presse und erklärte, dass nun bedauerlicherweise doch nicht mehr Sponsoring-Gelder eingenommen würden, dass nach wie vor 200 Millionen DM an Sponsoren-Gelder fehlten und dass die Wirtschaft mit Sicherheit keinen weiteren Beitrag leisten würde. Das heißt doch nichts anderes, als dass auch Herr von Wartenberg erwartet, dass das Land und der Bund dieses zusätzliche Defizit in Höhe von 200 Millionen DM tragen.

Lassen Sie mich noch etwas zu den Besucherzahlen sagen. Im Durchschnitt sind es 60.000 pro Tag. 260.000 Besucher am Tag müssten kommen, um die Besucherzahl von 40 Millionen zu erreichen und um die Betriebskosten der EXPO aus den Einnahmen aus Eintrittsgeldern und Umsätzen zu decken. Gleichwohl entstünde noch ein Defizit in Höhe von 400 Millionen DM. Seit zwanzig Tagen entsteht pro Tag ein zusätzliches Defizit in Höhe von 10 Millionen DM. Das heißt, dass wir im Moment bei 800 Millionen DM Miesen sind, die auf dem Ausstellungsgelände auf uns warten, und jeden Tag werden es mehr. Jetzt müssen wir uns einmischen.

(Ontijd [CDU]: Darüber freut ihr euch doch!)

- Darüber freue ich mich überhaupt nicht, denn wir werden diese Folge gemeinsam tragen müssen. Ich fordere dazu auf, dass wir gemeinsam in diesem Hause darüber nachdenken, was wir dagegen tun können. Denn wir müssen etwas tun und dürfen diese Frage nicht aussitzen.

(Ontijd [CDU]: Hingehen!)

- Ich habe Sie da selten gesehen. Ich weiß nicht, wo Sie sich aufhalten. Allerdings im Wesentlichen dann, wenn es Veranstaltungen waren, für die es Freikarten gab. Ich habe meine bezahlt.

(Fischer [CDU]: Das ist ja eine Un- verschämtheit!)

Einige andere haben schon reagiert. Das Essen auf der EXPO ist günstiger geworden. Es gibt preiswertere Abendtickets. Die Üstra hat den Aufwand gesenkt, fährt weniger. Aber auch wir als Land können etwas tun. Wir müssen das Polizeikontingent senken.

(Eveslage [CDU]: Es ist ja interessant, dass Sie die Attraktivität der EXPO an billigeren Bratwurstpreisen festma- chen!)

Wir müssen mit der Bahn über den ICE-Zuschlag neu reden, weil völlig klar ist, dass dieser Zuschlag nicht mehr lenkt. Das ist ein reiner Abzockerzuschlag. Die Züge sind halb leer. Die Informationspolitik muss auf Offenheit und Ehrlichkeit setzen.

Entscheidend ist aber, dass wir mit der Wirtschaft nachverhandeln. Es ist nicht einzusehen, dass es private Profite und öffentliche Defizite gibt. Die 200 Millionen DM müssen auch von der Wirtschaft mitgetragen werden, die an der EXPO eindeutig verdient hat und noch immer verdient.

(Eveslage [CDU]: Dann verhandelt das einmal!)

Und wir müssen mit dem Bund darüber reden, Herr Gabriel.

Kommen Sie bitte zum Schluss!

Wir als Land Niedersachsen müssen gegenüber dem Bund darauf dringen, dass wir nicht für die Hälfte des Defizits in die Pflicht genommen werden, sondern allenfalls anteilig in dem Verhältnis, in dem sich Bund und Land den steuerlichen Vorteil teilen, der durch die EXPO-Aktivitäten entsteht. Dieser Anteil ist beim Land Niedersachsen wesentlich niedriger als bei der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat Frau Kollegin Pawelski das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Herr Hagenah, ich kann nur sagen: Lassen Sie es doch endlich sein! Ihre Attacken auf die EXPO sind nicht mehr zu ertragen. - Die EXPO ist heute 20 Tage jung. Wenn ein Unternehmer über sein Unternehmen so reden würde, wie Sie hier heute als hoffentlich verantwortungsbewusster Landtags

abgeordneter über die EXPO reden, dann würde jedes Unternehmen Pleite gehen. Aber Ihre Sorge um die EXPO ist an Scheinheiligkeit nicht mehr zu überbieten.

(Beifall bei der CDU)

Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, haben doch jahrelang nichts unterlassen, um der EXPO Steine in den Weg zu legen. Das von Ihnen doch so ungeliebte Projekt durfte und - wenn ich Sie heute höre - darf kein Erfolg werden. Ihr Verhalten, Herr Hagenah, lässt sich doch nur noch mit einer ideologisch motivierten Kraftmeierei vergleichen. Mit sachgerechter Kritik hat das Ganze nichts mehr zu tun.

Was haben Sie als Grüne den Menschen hier in der Region alles vorhergesagt. Sie haben nichts unversucht gelassen, um Ängste zu schüren, um Katastrophen heraufzubeschwören. Sie haben den Menschen prophezeit, dass die Mieten steigen würden, wenn die EXPO käme. Was ist geschehen? - Die Werte im Mietspiegel für Hannover sinken.

(Hagenah [GRÜNE]: Es sind ja auch zahlreiche Containersiedlungen ent- standen!)

Wir haben in Hannover mehr Wohnungen als je zuvor. Sie haben den Leuten Angst gemacht vor den Autos, die hierher kämen, vor den Blechlawinen, die die Straßen voll stopften. Wir haben heute in Hannover und in der Region dank der EXPO das beste Straßennetz in Niedersachsen, und darum beneidet man uns.

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Sechsspuriger Ausbau und niemand fährt darauf!)

Eines, verehrte Frau Stokar von Neuforn, müsste doch eigentlich auch Sie mit der EXPO versöhnen: Dank EXPO verfügen wir hier über ein ÖPNV-Netz, um das man uns ebenfalls bundesweit beneidet. Fragen Sie doch einmal die Kolleginnen und Kollegen aus den Regionen außerhalb Hannovers! Die wären dankbar, wenn sie so etwas bekommen würden.

(Zustimmung von Eveslage [CDU])