Protokoll der Sitzung vom 13.09.2000

Frau Ministerin, Sie haben jetzt das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich Besuche abstatte, erlebe ich im Gegensatz zu Frau Vockert und Frau Litfin immer völlig andere berufsbildende Schulen. Ich würde Sie gerne zu einem solchen Besuch einladen. Ich habe Ihnen dieses Angebot ja schon einmal unterbreitet. Ich erlebe motivierte Lehrkräfte, gut ausgestattete, mit der Wirtschaft zusammenarbeitende Schulen und Verbünde, die gebildet werden. Ich war gerade in Ostfriesland, in Leer und in Emden, und einige Ihrer Abgeordneten waren auch dabei. Dort gibt es glänzende Wirtschaft-life-Projekte.

(Frau Vockert [CDU]: Friede, Freude, Eierkuchen!)

Die Schulen nehmen so viel Geld ein, dass wir uns aus steuerlichen Gründen schon fast Sorgen über Fördervereine machen müssen.

(Busemann [CDU]: Wie heißt das Bundesland, von dem Sie sprechen?)

- Das ist Niedersachsen. Sie werden es nicht glauben. Ich rate Ihnen dringend, in die berufsbildenden Schulen zu gehen. Dann werden Sie erleben, wie die sich dem technologischen Wandel, wie Sie es vorhin so schön zitiert haben, anpassen und wie motiviert diese Schulen sind. Wir können auf diese Kollegien wirklich stolz sein.

(Beifall bei der SPD - Unruhe - Glo- cke des Präsidenten)

Frau Ministerin, eine Sekunde! - Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir können es ja einmal wie in der Berufsschulklasse versuchen

(Mühe [SPD]: Lieber nicht!)

und demjenigen, der hier vorne redet, zuhören. Diejenigen, die das nicht möchten, können den Saal verlassen und sich draußen unterhalten. - Bitte schön!

Frau Litfin, bei Ihrem dänischen Modell, dem wir uns in der Diskussion gerne stellen werden, besteht die Freiheit der Schule vor allem darin, dass die Ausbildung dort zu 80 % finanziert wird und die Schulen dort 20 % hinzuverdienen. Wir können uns damit gerne auseinander setzen. Aber auch dies muss bitte in aller Offenheit einmal gesagt werden.

Ich habe Ihnen im Oktober des letzten Jahres mein Modell vorgestellt. Ich bin froh darüber, dass sich auch die Fraktion dieser Diskussion gestellt hat. Es waren vor Ort viele Diskussionen unter der Zielvorgabe „Ressourcen sichern - Qualität sichern und steigern - regionale Kompetenzzentren schaffen“ zu führen. Ich finde, dass wir ein recht ordentliches Maßnahmenbündel geschnürt haben, sodass wir jetzt, zum Schuljahresanfang, ein ganzes Stück weiter sind.

Die verbesserte Altersstruktur an den berufsbildenden Schulen ist schon genannt worden. 322 junge Lehrkräfte sind zum 1. Februar und zum Anfang des Schuljahres hinzugekommen. Niedersachsen ist attraktiv für junge Lehrkräfte. Sie erzählen da etwas völlig Falsches.

(Busemann [CDU]: Was?)

Die Einstellung auf volle Stellen übt eine hohe Anziehungskraft aus. Die steigende Zahl der Bewerberinnen aus anderen Bundesländern lässt sich nachweisen.

Darüber hinaus ist bereits erwähnt worden, dass wir durch die Anhebung der Dreiviertel-Beschäftigungsverhältnisse 5.000 Lehrerstunden dazugewonnen haben. Sie diskutieren das Stunden-Soll, ich diskutiere das Stunden-Ist, und das hat sich in diesem Schuljahr deutlich verbessert.

(Frau Vockert [CDU]: Dadurch, dass Sie zunächst wieder reduziert haben!)

Die Änderung von Standards, die in der Debatte war, ist so sogar von der Wirtschaft gefordert worden, um nämlich von dem staatlichen Angebot der Vollzeitschulen wegzukommen und das duale

System zu stärken. Das ist ein wichtiges Element unseres Konzeptes.

Der zum 1. August in Kraft getretene Klassenbildungserlass stellt sich als ein verbessertes Controllinginstrument dar, und die eingehenden Erörterungen haben zur Versachlichung dieses Themas ja auch sehr deutlich beigetragen.

Frau Vockert, wir haben schon in diesem Schuljahr nur wenige Budgetüberschreitungen, da durch intensive Beschäftigungen Lösungen gefunden worden sind. Die Klassenbildungsentscheidungen, die im Frühjahr getroffen worden sind, ließen sich allerdings nicht mehr rückgängig machen, wie ich an dieser Stelle schon einmal erwähnt habe. Diese Entscheidungen haben an einigen Stellen zu Budgetüberschreitungen geführt. Es betrifft allerdings nur sehr wenige Schulen. Die meisten Schulen kommen mit diesem Instrument zurecht. Wir werden im kommenden Jahr noch eine Feinsteuerung ausüben. Man merkt es Ihnen ja schon an, dass das für Sie gar kein Thema mehr ist, weil Sie gemerkt haben, dass hierfür an den Schulen längst Lösungen gefunden worden sind.

(Frau Vockert [CDU]: Nein, das ist falsch!)

Die berufsbildenden Schulen wiesen im letzten Schuljahr eine durchschnittliche Klassenfrequenz von 19,5 Stunden auf. Sie werden jetzt im Durchschnitt bei 20,5 Schülern liegen. Das ist auch im Ländervergleich keine schlechte Qualität.

(Klare [CDU]: Was sagt die Zahl der Berufsschüler aus?)

Sie vernachlässigen Dinge, die dieses Maßnahmenbündel enthält, die wir sicherlich gemeinsam vertreten. Ich denke, dass wir einig darin sind, dass wir künftig an der Berufsoberschule die Erlangung der Hochschulreife ermöglichen, dass wir eine leistungsgerechte Differenzierung ermöglichen und dass wir - das ist ein wichtiges Ziel - leistungsschwachen Schülern im Berufsvorbereitungsjahr den Hauptschulabschluss ermöglichen.

Wir werden die berufsbildenden Schulen weiterentwickeln. Wir sind dabei noch nicht am Ende unseres Weges angelangt.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Die Personalkostenbudgetierung und die Schulen, die sie annehmen werden, werde ich Ihnen in Kürze vorstellen. Die berufsbildenden Schulen

werden außerdem ein Fortbildungsbudget erhalten, um ihren Fortbildungsbedarf selbst finanzieren zu können. Insofern kann man sagen, dass wir mit dem Modernisierungskonzept einen guten Weg beschritten haben.

Wir sind im Wettbewerb an der Spitze der Bundesländer, was sich schon heute feststellen lässt. Wir werden im nächsten Jahr die ersten Kompetenzzentren vorstellen können. Ich bedanke mich noch einmal bei der SPD-Fraktion dafür, dass sie diesen Weg mit ihrem Antrag unterstützt. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, nach unserer Geschäftsordnung - § 75 Abs. 2 - erhält Frau Kollegin Litfin eine Redezeit von bis zu zwei Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich empfinde es als beschämend, dass die zuständige Kultusministerin, die hier eben versucht hat, Kompetenz zu demonstrieren,

(Buß [SPD]: Das hat sie!)

es als grundlegend für die Freiheit des berufsbildenden Systems in Dänemark ansieht, dass die Schule 20 % des benötigen Geldes dazuverdienen dürfen. Das ist es nicht. Das ist nur ein Gesichtspunkt, der aus meiner Sicht das dänische Schulmodell unserem überlegen macht. Es ist noch eine ganze Menge anderer Gesichtspunkte, die tatsächlich die Freiheit der Arbeit bedeuten.

Herr Kollege Domröse, was ist denn dagegen zu sagen, wenn berufsbildende Schulen die Möglichkeit haben, auf dem Weiterbildungsmarkt Geld dazuzuverdienen? Wenn man das in Niedersachsen ausprobieren will, muss man damit nicht gleich anfangen. Aber es ist doch nichts dagegen zu sagen - man muss es ja nicht gleich vorschreiben -, dass sie die Möglichkeit haben. Das ist doch eine gute Geschichte.

Wirklich empört hat mich aber der Satz der Ministerin: Wir werden die berufsbildenden Schulen weiterentwickeln. - Das will überhaupt niemand.

(Frau Rühl [CDU]: Lächerlich!)

Sie soll die Schulen sich entwickeln lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Die können das viel besser eigenständig als irgendeine Bürokratie, die sie von oben weiterentwickeln will. Das funktioniert nicht.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Nach der gleichen Bestimmung der Geschäftsordnung erhält Frau Kollegin Vockert bis zu drei Minuten Redezeit - in Worten: drei.

(Heiterkeit)

Danke schön. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist wirklich ein Hohn, wenn Sie, Frau Ministerin, sich hier hinstellen und sagen, dass die Besuche der Schulen, die Sie abgestattet haben, Friede, Freude, Eierkuchen gewesen sind, dass es keine Probleme gibt, dass es läuft und alles in Ordnung ist.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Nehmen Sie denn überhaupt nicht zur Kenntnis, Frau Ministerin, a) was in der Presse läuft, b) welche Watschen Ihre SPD-Kollegen in den Berufsschulen erhalten haben und c) wie viele Petitionen es zum Thema BbS-VO und zum Thema Klassenbildungserlass gibt?

Wir haben einige davon morgen strittig gestellt. Ich weiß nicht, mit welch einer Blindheit, Ignoranz, Arroganz Sie geschlagen sind. Es ist eine Unverschämtheit.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Wenn das Arroganz und Ignoranz ist, dann ist Ihre Rede Firlefanz!)

Wir haben Ihnen, Frau Ministerin, als Sie das Modernisierungskonzept vorgelegt haben, im Zusammenhang mit BbS-VO, im Zusammenhang mit dem Klassenbildungserlass genau gesagt, wo die Knackpunkte sind, wo die Probleme auftauchen. Genau das ignorieren Sie weiterhin, genau das ist eingetroffen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)