Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon kurz auf die Vorgeschichte hingewiesen worden, darauf, warum das Gesetz über den Nationalpark Wattenmeer innerhalb eines so kurzen Zeitraums erneut novelliert werden soll.
Ich glaube, es war richtig, die vielfältigen Anregungen und Bedenken, die in der letzten Anhörung geäußert worden sind, aufzunehmen. Darin liegt die Chance, einerseits bei den Inselgemeinden die Akzeptanz des Nationalparks und der Naturschutzpolitik zu verbessern, andererseits aber auch die touristische Weiterentwicklung der Region festzuschreiben. Ich hoffe, dass sich damit die Situation vor Ort befrieden lässt und dass sich alle an diesem Prozess konstruktiv beteiligen.
Ich möchte ausdrücklich betonen, dass wir als SPD-Fraktion insofern offen sind. Was wir vorgelegt haben, ist ausdrücklich ein Entwurf, und wir sind durchaus bereit, ihn auch noch einmal zu ändern. Aber eines muss dabei klar sein: Wir dürfen nicht das konstruktive Ziel aus den Augen verlieren, nämlich einerseits die einzigartige Natur zu erhalten, das aber andererseits mit den unterschiedlichen Nutzerinteressen, mit der touristischen Perspektive der Inselgemeinden sowie den Interessen der dort lebenden Menschen in Einklang zu bringen. Ich möchte die CDU-Fraktion dafür gewinnen, dass wir dieses Ziel gemeinsam erreichen. - So weit zu den Leitlinien.
Ich möchte noch ein Wort dazu sagen, warum es dort überhaupt Probleme gibt. Die alte Verordnung stammt noch aus der Zeit der Regierung Albrecht, und in der Zwischenzeit, in den letzten 15 Jahren,
hat sich natürlich Veränderungsbedarf ergeben. Im Alltag hat sich nämlich herausgestellt, dass bestimmte Nutzungen, die man eigentlich gar nicht einschränken wollte, faktisch doch eingeschränkt worden sind. Außerdem hat es immer wieder unsäglichen Streit um Details gegeben, und all dies hat letztlich die Akzeptanz des Nationalparks verringert. Wir sind der Auffassung, dass das nun mit einem großen Wurf vernünftig korrigiert werden sollte, damit es diesen Alltagsstreit um Kleinigkeiten zukünftig nicht mehr gibt. Ob das Parkplätze in intensiv genutzten Bereichen waren - wo die Naturschutzwürdigkeit gar nicht die Frage war -, ob das eine Eisbude am Strand war - all das soll jetzt im Sinne der Inselgemeinden korrigiert werden.
Ich glaube nicht, dass Sie mir darin widersprechen, dass dieser Ansatz sinnvoll ist. Man mag sich darüber unterhalten, ob dieser Ansatz ausreichend ist. Da sind wir in der Tat offen, und ich erkläre hier unsere Dialogbereitschaft.
Meine Damen und Herren, ich komme jetzt von den Rahmenbedingungen ins Konkrete. Was ändert sich? Einmal ändert sich die Flächenbilanz. Der Nationalpark wird um etwa 38.000 ha auf dann 280.000 ha erweitert. Es geht im Wesentlichen um folgende Flächen - die Insider vor Ort wissen, was gemeint ist -: um Borkum Riff, um eine Fläche seewärts vor Baltrum, um eine Fläche Leyhörn/Greetsiel, um den Rysumer Nacken, um den deutschen Teil des Dollart, der heute schon Naturschutzgebiet ist und der von den Grenzen her unstreitig ist, und es geht um eine Fläche vor Hooksiel, wo vor allen Dingen das Vorkommen der Sandkoralle festzustellen ist. Der größte Teil der Flächen, die neu in den Nationalpark aufgenommen werden, ist heute bereits Naturschutzgebiet; aber das nur am Rande.
Gleichzeitig wird mit der Novellierung dieses Gesetzes der EU-Vogelschutzrichtlinie Genüge getan und das europäische Recht in Niedersachsen umgesetzt. Es gibt zwar eine Menge Probleme bei der Umsetzung, und das ist auch ganz natürlich, aber wenn man sich einmal vor Augen führt, dass sich allein 20 % der Weltpopulation der Nonnengänse - jedenfalls zeitweise - in Krummhörn befinden, dann macht das deutlich, wie wichtig diese Flächen für den Vogelschutz sind.
- Frau Pruin, ich kann nichts dafür - und Sie auch nicht -, dass die dorthin fliegen und sich dort sehr wohl fühlen. Aber wir müssen feststellen, dass die da sind. Deswegen haben wir den Auftrag der Europäischen Union, sie zu schützen. Hinsichtlich der Umsetzung werden wir hoffentlich zu einem konstruktiven Dialog kommen.
Neu in das Gesetz aufgenommen werden soll die Unterschutzstellung der Seegraswiesen. Hier haben wir dramatische Rückgänge festzustellen. Ausweislich einer allgemein zugänglichen Karte sind 80 % der Seegrasflächen mittlerweile verschwunden. Dass das Ausmaß so dramatisch ist, hat mich überrascht und erschüttert. Für diesen Rückgang der Bestände gibt es verschiedene Gründe. Ob der Nährstoffeintrag ein Grund ist, steht noch infrage; das wird erforscht. Zwei weitere Gründe sind aus wissenschaftlicher Sicht jedoch unstrittig. Der eine ist die Miesmuschelfischerei mit dem Schleifen auf dem Grund.
- Sie sagen „Nein“. Das ist aber so. - Entschuldigen Sie, Sie haben vielleicht nicht die Ahnung davon. Ich habe mir das angelesen und habe auch die Fachleute befragt. Es ist so.
Der zweite Grund für den Rückgang der Seegrasbestände ist die Baggergutablagerung. - Zum Schutz dieser Flächen ist beides dort zukünftig nicht mehr erlaubt.
Ich habe schon gesagt, dass wir die Flächen, auf denen die Sandkoralle noch vorkommt, schützen werden. Dies wird von den Naturschutzverbänden begrüßt. - So weit zum naturschutzfachlichen Teil.
Gleichzeitig haben wir eine Menge an Befreiungen für die Inselgemeinden erreicht. Wir haben die Siedlungsgebiete, die Gehöfte, die Klärwerke und die Strandbereiche für die Badenden - also die intensiv genutzten Flächen - aus dem Nationalpark herausgenommen. Wir haben auch die Landebahnen herausgenommen - ich komme gleich noch dazu - und sind insofern weitestgehend den Wünschen der Inselgemeinden gefolgt. Ich habe gesagt, wir können darüber gerne noch im Detail miteinander reden, und auch vor Ort werden wir noch Gespräche darüber führen, was im Detail noch nachgearbeitet werden muss. Ich glaube aber, dass wir hier schon wichtige Schritte gegangen sind und gezeigt haben, dass wir dialogbereit sind.
Meine Damen und Herren, erstmals aufgenommen wird ein § 5, der die ökonomischen Interessen der Inselgemeinden berücksichtigt und den Schwerpunkt touristische Entwicklung festschreibt. Eine vergleichbare Bestimmung enthält auch das Gesetz über den Nationalpark Harz. Eine solche Bestimmung gab es in der alten Verordnung nicht. Ich finde, das ist eine sinnvolle Ergänzung, denn der Tourismus ist der wirtschaftliche Schwerpunkt der Inselgemeinden.
Ich möchte einen weiteren Punkt erwähnen: die Zukunft der Salzwiesennutzung. Hier haben wir die Situation - davon sind auch die Kritiker überrascht worden -, dass bereits 30 % bis 40 % der Landesflächen wieder genutzt werden, und zwar extensiv. Die meisten Kolleginnen und Kollegen im Umweltausschuss sind davon ausgegangen, dass dort überhaupt keine Nutzung stattfindet. Hier haben wir nach dem Vortrag des Ministeriums dazugelernt. - Wir wollen insofern eine Öffnungsklausel. Es sollen Modellversuche möglich sein, um festzustellen, ob das Gerücht, das vor Ort immer wieder aufkommt, dass sich durch die Nullnutzung der Salzwiesen die Vogelpopulationen landeinwärts verlagern, zutrifft oder nicht. - Ich sehe, insofern sind wir uns einig.
Wir haben mit den Inselgemeinden auch Kompromisse erzielt, was die Hellerflächen angeht. Das ist auch wichtig. Außerdem haben wir einen Kompromiss erzielt, was die Deichlinien angeht. Das war in der Vergangenheit ein großes Problem bei der Deichunterhaltung. In Zukunft wird es so sein, dass die Nationalparkgrenze der jeweils sanierte Deich sein wird. Da gibt es Flexibilität, damit dieser Streit vor Ort nicht mehr stattfindet. In der Frage, wie der Deich zu unterhalten ist, sind wir den Deichverbänden erheblich entgegengekommen. In Gesprächen haben wir gehört, dass die gefundene Lösung als praktikabel angesehen wird.
Meine Damen und Herren, wir haben auf den Inseln und in den Flächen auch die Nationalparkhäuser gesichert. Es sind elf an der Zahl, davon drei größere. Wir haben die Landesregierung beauftragt, insofern einen Zehnjahresvertrag abzuschließen. Man sieht ja nun auch den einen oder anderen prominenten CDU-Abgeordneten vor Ort, wie er sich darüber freut, dass die Regierung diese Verträge jetzt abgeschlossen hat. Frau Ortgies war beispielsweise in Wangerooge und hat sich mit darüber gefreut, dass das passiert ist, nicht wahr? Wir haben dem Minister Dank zu sagen, dass das
Noch zwei Sätze zu den Landebahnen und den Golfplätzen. Zunächst zu den Landebahnen. Der Gesetzentwurf enthält eine Verordnungsermächtigung, die die Regierung in die Lage versetzen soll, dieses Problem zu lösen. Wir wissen, dass die Europäische Union hier eine Gesetzesänderung plant. Wir wollen mit dem Nationalparkgesetz die Landebahnen bzw. das Fliegen über den Inseln unter Bestandsschutz stellen, damit durch eine europäische Gesetzgebung keine Verschlechterungen für die Inselgemeinden entstehen.
Zweitens zu den Golfplätzen. Also, wir haben nichts dagegen, wenn sich die Inselgemeinden in diese Richtung zukünftig touristisch weiterentwickeln wollen. Wir werden als Land nicht festschreiben, dass man das nicht darf. Aber eines muss auch klar sein, dass wir es nämlich nicht im Kreuz haben, FFH-Flächen herauszunehmen oder eine Verschlechterung für FFH-Flächen zu tolerieren. In dieser Beziehung können wir den Inseln nicht entgegenkommen. Das sind Verfahren, die vorgegeben sind und auch auf den Inseln durchgeführt werden müssen. Wir wollen das aber sehr wohl konstruktiv begleiten.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch darauf hinweisen, dass Inseln, die Golfplätze bauen wollen, beim Land bitte schön nicht um eine Unterstützung in Fragen der Wasserversorgung nachsuchen sollen, die auf den Inseln problematisch ist. Die Süßwasserlinsen schrumpfen, wenn die Nutzung stärker ist als die Neubildung des Grundwassers. Wer Golfplätze will, die einen hohen Wasserverbrauch nach sich ziehen, muss die Probleme der Wasserressourcen schon auf der Insel selbst lösen, kann aber nicht mit der Bitte kommen: Land, hilf uns. Wir können unseren Golfplatz nicht mehr bewässern. Du musst für uns die Trinkwasserversorgung sicherstellen.
Heute Morgen hat es ein Happening des WWF zum Thema Jagd gegeben. Uns wird unterstellt, wir würden die Situation zulasten des Naturschutzes verschlechtern. Ich muss vehement dem Vorwurf widersprechen, meine Damen und Herren, wir würden dem Naturschutz nicht Genüge tun! Ich glaube, wir haben einen vernünftigen Kompromiss zwischen den Nutzergruppen bzw. Nut
Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass in Schleswig-Holstein unter Rot-Grün – jetzt sollten die Grünen einmal gut zuhören – die Inseln nicht in den Nationalpark aufgenommen wurden und auch bei der aktuellen Novellierung die Inseln nicht mit in die Nationalparkflächen aufgenommen worden sind.
Ich darf des Weiteren darauf hinweisen, dass es Herr Albrecht, der von Ihnen so sehr geschätzte Ministerpräsident a. D., Frau Pruin, gewesen ist, der die Inseln in den Nationalpark einbezogen hat. Tun Sie doch bitte nicht immer so, als sei das unser Erbe. Das ist ein gemeinsames Erbe, das wir allerdings angenommen haben. An diesem Status quo kann nicht gerüttelt werden, und daran wird auch nicht gerüttelt werden. Allerdings muss man schon einmal darauf hinweisen, dass andere Landesregierungen, die auch von Grünen getragen werden, dies anders gelöst haben. Deshalb sage ich auch den Naturschutzverbänden immer wieder: Liebe Leute, lasst die Kirche im Dorf. Wir sind in Niedersachsen viel weiter. Wir haben eine Menge vorzuweisen. Die Inseln sind mit in den Nationalparkflächen. Die Inseln werben intensiv damit und nutzen die damit verbundenen Chancen. Hört bitte auf, permanent so hohe Anforderungen zu stellen, dass die Akzeptanz für Naturschutzpolitik auf den Inseln schwindet. - Denn das ist keine Lösung, meine Damen und Herren.
Eine letzte Bemerkung zu der Frage, was wir mit dem Gesetzentwurf bezwecken. Ich habe schon gesagt, dass die Inseln eine Trumpfkarte haben. Dabei handelt es sich um die intakte Natur, und das ist die Chance, diese intakte Natur sanft für touristische Zwecke zu nutzen.
Was die Akzeptanz angeht, so ist eine Befragung durchgeführt worden, wie die Menschen den Nationalpark bewerten. Interessant ist, dass es eine hohe Akzeptanz gibt. Frau Pruin, das werden auch Sie gelesen haben. Generell hat sich eine Zustimmung von über 90 % zu den Nationalparken ergeben. Bei den Urlaubern stellen wir fest, dass der Nationalpark ein Kriterium für die Wahl des Ur
laubsortes gewesen ist. Zweitens stellen wir fest, dass dies für die Urlauber nicht nur Beweggrund für die Urlaubswahl ist, sondern sie auch den Schutz garantiert haben wollen. Nur 4 % der Urlauber übrigens wollen Golfplätze nutzen. Das ist eine ernüchternde Bilanz.
91 % wollen auf die Inseln wiederkommen, weil die Inseln im Nationalpark liegen. Das ist durchaus interessant und sollte sehr wohl einmal positiv festgestellt werden.
Ich gebe ja zu, Frau Pruin, dass es wohl richtig ist, dass die Akzeptanz für einen Nationalpark mit der Entfernung des Wohnortes steigt. Dass das so ist, ist unstrittig, meine Damen und Herren. Andererseits können wir aber auch feststellen, dass die Inselbevölkerung, wie wir auf Baltrum sehen, zunehmend selbst erkennt, welche Chance darin liegt. Deshalb gibt es auch eine Initiative Pro Nationalpark. Auch auf Baltrum hat es eine Befragung gegeben. Eine große Mehrheit der Befragten hat sich für den Nationalpark ausgesprochen. Wenn sich diese Akzeptanz auf den Inseln weiter entwickelt, sind wir einen Schritt weiter.
Ich habe in diesem Zusammenhang kein Wort zu den Küstengemeinden gesagt. Aber das, was für die Inseln hinsichtlich der Akzeptanzbildung gilt, gilt auch für die Küstengemeinden. Wir haben hier vielfältige Gespräche geführt. Ich möchte an dieser Stelle dem Umweltministerium ausdrücklich Dank sagen, das dies vorbereitet hat. Ich glaube, dass wir in der Akzeptanz bei den Küstengemeinden, bei den Inselgemeinden, aber auch bei den Nutzergruppen und den Naturschutzverbänden einen Schritt weiter gekommen sind.
Ich hoffe, dass es nach den sicherlich nicht einfachen Gesetzesberatungen gelingen wird, den Gesetzentwurf in großer Geschlossenheit zu verabschieden und zu einer Befriedung auf den Inseln beizutragen, und dass dann auch die Klagen zurückgenommen werden. Das jedenfalls soll das Ziel sein. Ich weiß, dass wir uns damit etwas Großes vornehmen. Ich hoffe aber auf eine konstruktive Debatte. Das sage ich auch in Richtung CDU. Ich hoffe vor allem auf konstruktive Beiträge und Unterstützung Ihrerseits, damit wir auf den Inseln diese Akzeptanz erreichen können. Wir jedenfalls haben das vor. Wir wollen fair und verantwortungsbewusst mit dem umgehen, was die Inseln
ausmacht. Wir wollen auch fair in den Verhandlungen auftreten. Wir haben deshalb noch einmal eine Dialogrunde – auch nach der Anhörung – angekündigt. Wir werden das auch einhalten. Wir werden dann versuchen, weitergehende Kompromisse gemeinsam mit allen Fraktionen und den Inselgemeinden und Küstengemeinden zu entwickeln. Ich hoffe, Sie machen dabei mit. Ich lade Sie herzlich dazu ein. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Inselmann, die Gesetzesnovelle ist nicht etwa deshalb notwendig geworden, weil die Verordnung aus der Zeit von Albrecht mittlerweile 15 Jahre alt ist, sondern aus einem ganz anderen Grund. Sie haben vor einem Jahr vorschnell ein Gesetz verabschiedet, weil Sie nämlich nach dem Urteil zur Elbtalaue ein traumatisches Erlebnis hatten.
Meine Damen und Herren, die Gesetzesnovellen, die heute von der SPD-Fraktion vorgelegt worden sind, sind der Versuch, in beiden Nationalparks die unterschiedlichen Interessen auszugleichen.
Herr Inselmann, Sie haben mehrfach an uns appelliert, dass wir das doch konstruktiv begleiten mögen. Das werden wir gerne tun. Eines will ich ganz deutlich sagen: Es ist immer unser Anliegen gewesen, Naturschutz gemeinsam mit den Menschen, aber nicht gegen sie zu betreiben.
Natürlich wird es in einem Nationalpark genau wie in jedem Naturschutzgebiet immer wieder einmal zu Zielkonflikten kommen. Diese zu minimieren halten wir für einen entscheidenden Ansatz, der aber auch Kompromisse erfordert. Im Wesen eines Kompromisses liegt es, dass beide Seiten von Maximalforderungen abrücken.