Protokoll der Sitzung vom 10.10.2000

§ 134 Abs. 2 des Gesetzentwurfs soll gestrichen werden, weil bereits in Absatz 1 Satz 2 des Gesetzentwurfs geregelt ist, dass Zuwendungen in das Körperschaftsvermögen fallen und es einer Bestimmung darüber, dass „Erträge des Körper

schaftsvermögens“ der Körperschaft zufließen, nicht bedarf, da es sich um eine Selbstverständlichkeit handelt.

Die Änderungen in Absatz 3 sollen der Klarstellung dienen. Absatz 3 Satz 1 des Gesetzentwurfs soll wegen seines deklaratorischen Inhalts entfallen. In Satz 2 wird das Wort „selbstverantwortlich“ gestrichen, weil es sich um eine für eine Körperschaft selbstverständliche Ergänzung handelt. Die Verweisung auf den Teil VI der Landeshaushaltsordnung soll deutlicher hervortreten lassen, dass die Regelungen der LHO über „juristische Personen des öffentlichen Rechts unter der Aufsicht des Landes“ in ihrer Gesamtheit anzuwenden sind.

Absatz 4 Satz 2 des Gesetzentwurfs soll gestrichen werden, weil der Regelungsinhalt nicht hinreichend deutlich wird und zudem über die Genehmigung des Haushalts- und Wirtschaftsplans durch das MWK letztlich sichergestellt werden kann, dass die Annahme solcher Zuwendungen unterbleibt, die zu unangemessenen Folgelasten für die Hochschule führen. Der neu eingefügte Satz 2/1 soll der Klarstellung im Rechtsverkehr dienen.

Die Änderungen in Absatz 5 Satz 1 dienen der Klarstellung. Nach Satz 1/1 soll die in § 65 LHO vorgesehene Mitwirkung des Finanzministeriums durch eine Mitwirkung des MWK ersetzt werden.

Absatz 6 des Gesetzentwurfs soll gestrichen werden, da eine entsprechende Regelung gem. § 125 a NHG durch Verordnung erlassen werden kann.

Der federführende Ausschuss bittet, der Ihnen in der Drucksache 1890 vorliegenden Beschlussempfehlung zuzustimmen.

Bitte, Herr Minister!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin dankbar dafür, dass der Landtag die Novelle zum Niedersächsischen Hochschulgesetz in so kurzer Zeit beraten hat. Das ist auch legislatorisch eine Innovation. Wir sind das erste Bundesland in Deutschland, das in aller Klarheit die Rechtsgrundlage dafür schafft, dass Hochschulen aus dem Körperschaftshaushalt, aus dem Körperschaftsvermögen heraus Unternehmensbe

teiligungen erwerben bzw. selbst Unternehmen gründen können. Hochschulen waren bisher in keiner Weise unternehmerisch verfasst, sondern rein staatlich, weshalb sie große Probleme hatten, ihr Wissen auch ökonomisch zu verwerten.

Wir alle wissen, dass es in Deutschland zu lange dauert, bis aus Erfindungen marktreife Produkte und Verfahren werden. Es dauert zu lange, bis aus wissenschaftlicher Erkenntnis auch ökonomischer Erfolg wird. Das liegt u. a. daran, dass die Hochschulen dies in der Vergangenheit nicht als ihre Aufgabe angesehen haben.

Auf der anderen Seite lässt sich mit der zügigen Verwertung von Wissen aber enorm viel Geld verdienen. Beispielhaft erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang nur einmal die University of California. Diese Universität nimmt jährlich fast 90 Millionen US-$ aus Patenten und Lizenzgebühren ein. Man muss nicht unbedingt nach Amerika gehen; auch die Max-Planck-Gesellschaft in Deutschland hat es inzwischen geschafft, aus etwa 1.600 Erfindungen, die über die Garching Innovation GmbH geschützt worden sind, 905 zu verwerten und aus Lizenzeinnahmen und Patentverkäufen einen Gesamterlös in Höhe von 154 Millionen DM zu erzielen.

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass mehr als die Hälfte dieser Einnahmen aus dem Ausland nach Deutschland fließt und dass ein weiterer erheblicher Teil dieser Einnahmen aus einem erfolgreichen Patent des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie in Göttingen im Zusammenhang mit der Erfindung eines neuen Verfahrens beim Kernspintomographen resultiert.

Wir wollen den Hochschulen ermöglichen, eigene Innovationsgesellschaften zu gründen, die den Zweck haben sollen, das Wissen der Hochschulen direkt und gezielt nicht durch verbeamtete Beauftragte für Technologietransfer zu vermarkten, sondern über erwerbswirtschaftliche Strukturen. Diese Innovationsgesellschaften sollen die Kosten, die sie verursachen, selbst einspielen. Sie sollen Geld verdienen. Sie sollen erwerbswirtschaftlich ausgerichtet werden. Die Hochschulen sollen an dieser Stelle auch nicht nur unternehmerisches Handeln, sondern auch eine gewisse Risikobereitschaft vorleben.

Durch dieses Gesetz wird das Risiko nun allerdings sehr begrenzt. Die Hochschulen dürfen sich nur an juristischen Personen des Privatrechts

beteiligen. Die Haftung wird also auf das eingesetzte Haftungskapital begrenzt. Im Übrigen: Auch wenn wir Genehmigungen im neuen niedersächsischen Hochschulrecht weitgehend abschaffen wollen, so soll die Gründung eines Unternehmens bzw. die Beteiligung an einem Unternehmen künftig der Genehmigung durch das Wissenschaftsministerium unterliegen. Es gibt darüber hinaus auch die Möglichkeit der Kontrolle durch den Landesrechnungshof.

Wir haben neben den geplanten Innovationsgesellschaften z. B. in Lüneburg, in Osnabrück und in Braunschweig als Pilotprojekt eine weitere Innovationsgesellschaft in Hannover. Diese Innovationsgesellschaft in Hannover wird derzeit noch vom Land Niedersachsen gehalten und kann auf dieser neuen Rechtsgrundlage in die Trägerschaft der Hochschule überführt werden. Daneben gibt es eine Reihe von Unternehmen - z. B. Pharmaunternehmen -, die an den Universitätskliniken in Göttingen und an der Medizinischen Hochschule in Hannover mit unseren wissenschaftlichen Einrichtungen Forschungsfirmen gründen wollen, die das Ziel haben, anwendungsorientierte wissenschaftliche Erkenntnisse zu produzieren oder diese Erkenntnisse direkt zu verwerten. Das sind für die Hochschulen langfristig Einnahmequellen. Außerdem hilft dies, unser wissenschaftliches Potential schneller zu verwerten. Schließlich werden dadurch in Niedersachsen auch Innovationen beschleunigt und die Möglichkeiten für Innovationen verbessert.

Deshalb möchte ich mich bei Ihnen ganz herzlich dafür bedanken, dass wir dieses Gesetz heute verabschieden können. In Niedersachsen wird es sicherlich eine Reihe von erfolgreichen Unternehmungsgründungen geben, und die Hochschulen werden aus dieser Novelle gestärkt hervorgehen. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion der CDU nimmt die Abgeordnete Frau Mundlos Stellung.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben diesem Gesetzentwurf in all den Punkten zugestimmt, die den Hochschulen mehr Freiheit einräumen sollen, um Wissens- und

Technologietransfer umfassender und schneller zu ermöglichen.

(Beifall bei der CDU)

Dissens besteht allerdings bezüglich eines Prüfrechts des Landesrechnungshofs. Unsere Ablehnung macht sich damit an einem einzigen, aber für uns sehr entscheidenden Punkt fest. Ich sage das ausdrücklich so deutlich, um keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass wir von unserem Entschließungsantrag vom Dezember 1999 für mehr Eigenverantwortung der Hochschulen und von den von uns vorgestellten Eckdaten für ein neues Hochschulgesetz nicht abrücken.

(Beifall bei der CDU)

Allerdings wollen wir nicht auf ein begrenztes Prüfrecht des Landesrechnungshofs verzichten. Der Landesrechnungshof soll hinsichtlich zweier Fragen das Prüfrecht erhalten: Erstens. Wie gestalten sich die Leistungsbeziehungen zwischen Hochschule und Unternehmen? Zweitens. Drohen dem Körperschaftshaushalt der Hochschule Gefahren aus dem Geschäftsgebaren des Unternehmens?

Um diesen Prüfauftrag zu ermöglichen, sollen die Hochschulen sicherstellen, dass eine entsprechende Prüfungsvereinbarung mit dem Landesrechnungshof geschlossen wird. Es kann nicht sein, dass der Landesrechnungshof für große Teile der finanzrelevanten Vorgänge an einer Hochschule keine Prüfkompetenz besitzt.

Eigenartig erscheint es uns auch, dass unsere Bedenken von Ihrer Seite weggewischt werden mit Sätzen wie „Wenn es schief geht, machen wir eben einfach ein neues Gesetz.“ Diese Haltung sollten Sie einmal den Bürgern draußen erklären! So leichtfertig sollte niemand mit Millionen von Steuergeldern umgehen, und auch das Gesetzgebungsverfahren verdient mehr Respekt.

(Beifall bei der CDU und von Go- librzuch [GRÜNE])

Deshalb haben wir auch hier und heute einen Änderungsvorschlag vorgelegt, der dem Landesrechnungshof genau dieses eingeschränkte Prüfrecht einräumen soll. Sie haben damit Gelegenheit, in letzter Minute noch die Kurve zu kriegen.

Wer Gesetze verantwortungsvoll verabschieden will, sollte nicht nur fragen „Ist es möglichst vielen recht?“, sondern vor allem: „Was kommt danach?“ Die Landesregierung sollte auch nicht so tun, als

seien die Missstände in unseren Hochschulen Folgen etwa eines übertriebenen Prüfrechts des Landesrechnungshofs oder ineffizienter Entscheidungsstrukturen. Die meisten Missstände in unseren Hochschulen resultieren aus der seit zehn Jahren von der SPD geführten Landesregierung zu verantwortenden ständig wachsenden Überlast und einer allseits anerkannten Unterfinanzierung, die beständig größer geworden ist.

(Beifall bei der CDU)

Von 1995 bis einschließlich 2001 haben die Hochschulen Jahr für Jahr im Durchschnitt über 100 Millionen DM eingebüßt und damit jede fünfte Mark verloren. 1.100 Personalstellen sind verschwunden, und auch im kommenden Haushalt werden noch einmal über 110 Millionen DM gestrichen.

Diesen Missstand können weder das heute zu verabschiedende Gesetz noch die mit viel Euphorie vorgestellten geplanten strukturellen Veränderungen beseitigen.

(Dr. Domröse [SPD]: Da warten wir auf Ihre Haushaltsanträge!)

Mit Ihrem Stiftungsmodell planen Sie zunächst einmal vorrangig die Verlagerung von Entscheidungskompetenzen. Statt einer Verfassten Studentenschaft, die aus Wahlen hervorgeht, wollen Sie mit 50 % Studenten besetzte Ständige Kommissionen für Lehre und Studium einsetzen, in jedem Fachbereich eine. Sie haben richtig gehört, meine Damen und Herren: „einsetzen“, nicht „wählen“. Mir scheint, hier will jemand zurück zu neofeudalen Strukturen.

(Beifall bei der CDU)

Dieser Eindruck verstärkt sich noch, denn statt eines demokratisch legitimierten Konzils wollen Sie einen Hochschulrat mit ausschließlich externen Mitgliedern mit weitgehender Entscheidungsbefugnis einsetzen. Derartige Räte müssen ihre Entscheidung weder umsetzen noch ertragen noch verantworten, noch müssen sie Rechenschaft abgeben. Sind wir auf dem Weg in eine RäteUniversität, weg von demokratisch gewählten Gremien,

(Beifall bei der CDU - Lachen bei der SPD)

hin zu eingesetzten Räten, die, wenn sie nicht machen, was die Landesregierung will, leichter

wieder nach Hause geschickt werden können? Im Übrigen: Wer Überbürokratisierung beklagt und Entstaatlichung wünscht, muss sich fragen lassen, ob die Einrichtung neuer Gremien damit im Einklang steht.

(Beifall bei der CDU)

Die Frage der staatlichen Verantwortung stellt sich auch bei dem Ziel, so schnell wie möglich so viel wie möglich an Stiftungshochschulen zu installieren. Ich frage mich schon, wie das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit mit einem ich weiß nicht wie legitimierten Stiftungsrat dann noch sichergestellt sein soll. Im Übrigen: Die Gesamtverantwortung des Staates und auch die Möglichkeit einer moderaten Kontrolle durch den Landesrechnungshof, wie im vorliegenden Fall, muss erhalten bleiben.

(Dr. Domröse [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

- Nein, Herr Dr. Domröse, ich möchte meine zwei Minuten Redezeit gerne noch nutzen.

Zu der hier erträumten Amerikanisierung kann ich nur sagen: Wer über den großen Teich schielt und auf die Erfolge großer Universitätsstiftungen verweist, sollte ehrlicherweise auch erwähnen, dass dort Studiengebühren von einigen 10.000 US-$ pro Semester erhoben werden. Herr Minister Oppermann sollte schon einmal klar sagen, ob er das auch in Niedersachsen wünscht. Hierüber hüllt sich der Minister in Schweigen - verständlich, nach einigen erfolglosen Versuchen, Studiengebühren salonfähig zu machen.

Noch ein letzter Aspekt. So genannte Junior- oder Assistenzprofessuren gab es schon einmal. Sie wurden mangels Qualität und Effizienz wieder abgeschafft. Auch dies ist keine visionäre Leistung Ihres Ministers, Herr Dr. Domröse. Um dieser nachspüren zu können, wäre es sicherlich hilfreich, wenn das MWK den Referentenentwurf umgehend auch uns zuleiten würde.

(Frau Dr. Andretta [SPD]: Sie kennen ihn doch!)

Wir werden also wohl noch einigen Gesprächsstoff haben, wenn die Beratungen zur NHG-Novelle erst richtig einsetzen. Fakt ist jedoch, dass die Landesregierung in die Strümpfe kommen sollte, damit uns die Besten nicht stiften gehen, bevor die Unis zu Stiftungen werden.