Protokoll der Sitzung vom 12.10.2000

Das, meine Damen und Herren, nur zu sachlichen Aufklärung und zum Hintergrund Ihres Antrags. Da gibt es keine Willkür. Das Land hat hier auch nichts verschlafen, sondern wir haben ganz konkret das umgesetzt, was wir mit dem Bund gemeinsam beschlossen haben und was uns die EU als Rahmen vorgeben hat. Ich bin aber dennoch gern bereit, mit Ihnen über diesen Punkt im Rahmen unserer Handlungsmöglichkeiten im Ausschuss ganz offen zu diskutieren. Ich bin auch bereit, in Brüssel einen Vorstoß zu unterstützen, wenn er sinnvoll ist, wenn er gerechtfertigt ist und uns möglicherweise zu anderen Ergebnissen bringt, die von uns auch von der Umweltseite her gewünscht werden. Da bin ich sehr offen. Lassen Sie uns miteinander über diese Anträge reden. - Herzlichen Dank.

(Oestmann [CDU]: Sie sind auffällig moderat heute Morgen!)

Vielen Dank, Herr Minister. - Bitte schön, Herr Kollege Wojahn!

(Klein [GRÜNE]: Jetzt aber nicht die Stimmung zerstören!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was Sie zuletzt gesagt haben, nehmen wir - ich sage das ruhig einmal so - dankbar auf. Wir werden darüber im Ausschuss wirklich exakt diskutieren. Es gibt dazu noch mehrere Fragestellungen. Ich denke hier z. B. an die Aufhebung der Regionalisierung im Zusammenhang mit den EU-Zahlungen. Eines aber ist klar, und das soll auch die Stoßrichtung unseres Antrags sein. Auf unsere Behörden soll ein gewisser Druck erzeugt werden, diesen repräsentativen Ertrag noch früher bekannt zu geben. Der Kollege von der SPD-Fraktion hat ja gesagt, dass dies bis zum 31. Juli geschehen muss. Niedersachsen hat dies, wie Sie eben ausgeführt haben, am 11.7. getan. Wir halten das trotzdem für zu spät; denn wir wissen, dass die Veröffentlichungen aus den Erntevorausschätzungen früher erfolgen. Um nun Ungerechtigkeiten zu vermeiden, muss dies unserer Meinung nach früher geschehen.

Ich sage Ihnen dies auch noch vor einem anderen Hintergrund. Ich wohne ja in einem Landesteil, in dessen Nachbarschaft noch andere Bundesländer liegen. Wir haben bei uns Betriebe, die unter mehreren Bundesländerbedingungen produzieren. Ich möchte das jetzt nicht weiter ausführen. Wir wollten einen Anstoß geben, damit dies im Ausschuss noch einmal ganz genau durchdacht wird. Wir sind der Meinung, dass es Verbesserungsmöglichkeiten gibt, um die nachwachsenden Rohstoffe weiter voranzubringen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, meine Damen und Herren. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit schließe ich die Beratungen. - Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Der Ältestenrat empfiehlt, diesen Antrag zur federführenden Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und zur Mitberatung an den Ausschuss für Umweltfragen sowie an die Ausschüsse für Haushalt und Finanzen und für Wirtschaft und Verkehr zu überweisen. Gibt es darüber hinaus noch andere Wünsche? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zu

Tagesordnungspunkt 32: Erste Beratung: Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/1902

Zur Einbringung dieses Antrages hat Frau Kollegin Litfin das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Anliegen, mit dem ich mich heute an Sie wende, ist eigentlich ein Selbstverständliches; denn ich möchte, dass Sie eine positive gesellschaftliche Entwicklung fördern und stützen. Angefangen hat es mit einem Kuss zwischen zwei Männern in der „Lindenstraße“, der ersten Soap des deutschen Fernsehens. Heute in der Zeit der Daily Soaps kommt mittlerweile keine Serie mehr ohne ihre Schwulen und Lesben aus, die immer wieder zu den beliebtesten Figuren zählen. Von „Verbotene Liebe“ über „Marienhof“ und „Gute Zeiten Schlechte Zeiten“ - überall wird die Liebe zwischen zwei Männern oder zwei Frauen als das dargestellt, was sie wirklich ist, nämlich eine Beziehungsform wie jede andere auch.

(Zuruf von Frau Körtner [CDU])

- Ich freue mich über Ihre Unterstützung, Frau Körtner. Sie hat die gleichen Probleme, die gleichen Höhen und Tiefen wie jede heterosexuelle Beziehung auch. Eine offene oder zerknautschte Zahnpastatube kann auch hier das Ende der Beziehung bedeuten. Eine Rose, die ein Mann einem anderen überreicht, kann genau so romantisch sein wie die Rose, die eine Frau von einem Mann bekommt.

Sicherlich gab und gibt es auch kontroverse Gespräche in der Bevölkerung über diese Vorfälle im Fernsehen. Aber irgendwann haben fast alle Menschen erkannt, wie normal diese Beziehungsform ist. Es gibt keine Argumente, warum die homosexuellen Beziehungen gegenüber den heterosexuellen benachteiligt werden sollen. Warum sollte ein Mann keine Auskunft über den Zustand seines Liebsten nach einem schweren Unfall bekommen? Warum sollte eine Lesbe gezwungen werden, vor Gericht gegen ihre Partnerin auszusagen? Warum sollten die Eltern eines homosexuellen Sohnes alles erben und der Lebensgefährte leer ausgehen, selbst wenn die beiden jahrzehntelang zusammen lebten und für einander sorgten? - Nur weil diese

Beziehungen nicht heterosexuell sind? Für diese Benachteiligungen, meine Damen und Herren, gibt es keine Begründung. Sie sind schlicht und einfach ungerecht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie sind auch weder mit den Worten noch mit dem Geist des Grundgesetzes vereinbar. Es ist mir ein Rätsel, wie so mancher kirchliche Würdenträger, aber auch so mancher Christdemokrat es schafft, dies mit seinem christlichen Glauben zu vereinbaren. Was soll denn an Diskriminierung christlich sein? Beide Gruppen riskieren, sich ins gesellschaftliche Abseits zu schießen; denn die Bevölkerung ist viel weiter. 93 % unserer Bürgerinnen und Bürger sind der Meinung, dass der Partner/die Partnerin medizinische Auskunft erhalten soll, wenn der Gefährte oder die Gefährtin erkrankt ist. 86 % sind der Meinung, dass die Paare im Mietrecht den Ehepaaren gleichgestellt werden sollten. 72 % sind der Meinung, dass sie im Erbrecht gleichgestellt werden sollten. 65 % meinen, dass sie steuerlich wie Ehepaare behandelt werden sollten. 56 % sind der Meinung, dass der ausländische Partner/die ausländische Partnerin nach Deutschland nachziehen dürfen sollte. Schließlich sind 55 % der Meinung, dass gleichgeschlechtliche Paare standesamtlich heiraten dürfen sollten. Bei den unter Dreißigjährigen - die sind ja immer moderner als wir in unserem Alter - sind es sogar 75 %, die befürworten, dass gleichgeschlechtliche Paare die Möglichkeit haben sollten, ihre Beziehung vor dem Standesbeamten rechtlich absichern zu lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber auch die Gerichte haben mittlerweile die Situation erkannt. 1993 hat das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung darauf hingewiesen, dass vielfältige Behinderungen der privaten Lebensgestaltung bei homosexuellen Paaren entgegen stehen. Durch diese Diskriminierung würden Fragen nach der Vereinbarung mit den Grundrechten auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, Schutz der Menschenwürde und vor allem der Gleichheit vor dem Gesetz aufgeworfen. Das Europäische Parlament hat sich bereits mehrfach mit der Forderung an die rückständige deutsche Politik gerichtet, endlich mehr für die Rechte der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zu tun. Geschehen ist auf diesem Feld bisher aber fast nichts.

Nach der Bundestagswahl 1998 ist jedoch nun mit der neuen Mehrheit im Bundestag der Weg frei für eine neue zeitgemäße Politik, die die gesellschaftliche Entwicklung aufgreift und den Homosexuellen für gleiche Liebe auch annähernd gleiche Rechte zugesteht. Das ist alles andere als ein Angriff auf Ehe, Familie und Artikel 6 Grundgesetz. Ganz im Gegenteil. Der frühere Verfassungsgerichtspräsident Wolfgang Zeidler sprach von der „Relativität des Rechts in der Zeit“. Eine Verfassungsbestimmung kann durch gesellschaftliche Veränderungen einen Bedeutungswandel erfahren. Der Berliner Rechtsprofessor Uwe Wesel meint dazu:

„Je weiter wir uns zeitlich vom Akt der Verfassungsgebung entfernen, desto weiter dürfen wir uns auch von den Wertungen des Verfassungsgebers entfernen.“

Die Begriffe „Ehe“ und „Familie“ müssen heute getrennt gesehen werden. Je weniger Ehe und Kinder kriegen miteinander zu tun haben, desto eher muss man den Zweck des Eheschutzes anderswo suchen. Es gibt keinen Grund, eine kinderlose heterosexuelle gegenüber einer homosexuellen kinderlosen Partnerschaft zu bevorzugen.

(Biallas [CDU]: Einen biologischen Grund gibt es!)

- Ich sehe diesen biologischen Grund nicht, Herr Biallas. Es ist doch völlig gleichgültig, ob sich ein Mann und eine Frau, die keine Kinder haben wollen, zusammen tun, oder zwei Männer, die keine Kinder haben wollen.

(Biallas [CDU]: Haben können!)

Diese Gemeinschaft ist schutzwürdig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Schutzgrund kann heute nur in der Bereitschaft des Paares, füreinander als Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft einzustehen, gesehen werden. Gerade die eingetragene Partnerschaft aber stützt Menschen, die füreinander Verantwortung übernehmen wollen oder dies jetzt schon tun. Auch in homosexuellen Lebensgemeinschaften werden Werte gelebt, die für unsere Gesellschaft wichtig sind. Sie sind kein Angriff auf Ehe und Familie, sondern sie tragen den heutigen Realitäten und der Vielfalt der Lebensformen als Verantwortungsgemeinschaften Rechnung. Es ist für eine

demokratische Gesellschaft nicht zuträglich, wenn einem Teil der Bürgerinnen und Bürger wichtige Rechte vorenthalten werden.

Eine moderne Gesellschafts- und Familienpolitik muss auch gleichgeschlechtlichen Paaren Rechtssicherheit bieten. Mit der Eingetragenen Lebenspartnerschaft findet unser Land endlich Anschluss an die Entwicklung in Europa. Die skandinavischen Länder, die Niederlande und Frankreich haben gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften längst rechtlich anerkannt, und in Frankreich können wir beobachten, dass das für gleichgeschlechtliche Paare geschaffene Rechtsinstitut von immer mehr heterosexuellen Paaren für sich genutzt wird, weil sie eben nicht mehr diese alte Absicherung „Ehe“ haben wollen, sondern ein modernes und zeitgemäßeres Instrument.

(Ontijd [CDU]: Vorteile wollen die haben, sonst nichts!)

Weltoffenheit und Toleranz gelten im Zeitalter der Globalisierung als positiver Standortfaktor. In den 16 Jahren Kohl-Regierung ist Deutschland hier gesellschaftspolitisch arg ins Hintertreffen geraten. Rot-Grün macht Schluss mit dem Hinterwäldlertum.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die eingetragene Lebenspartnerschaft steht, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, für Toleranz, für Achtung der Bürgerrechte und für Pluralität der Lebensformen.

(Vizepräsidentin Goede übernimmt den Vorsitz)

In Nachbarländern, die die Eingetragene Lebenspartnerschaft eingeführt haben, ist die gesellschaftliche Akzeptanz von Lesben und Schwulen spürbar gewachsen. Genau das wollen wir in Deutschland auch erreichen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir fordern daher die Landesregierung auf, den Gesetzentwurf der Bundestagsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften im Bundesrat vorbehaltlos zu unterstützen. Ich wäre sehr froh, wenn auch die CDU endlich zu Toleranz übergehen und sagen würde: Es geht um Liebe, und Liebe genießt unseren Schutz.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Kollege Stratmann, Sie sind der nächste Redner.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, dass ich gleich mit einem Zitat beginne und damit auch das Stichwort der Kollegin Litfin aufgreife, nämlich was wir unter Toleranz verstehen.

„Wir respektieren die Entscheidung von Menschen, die in anderen Formen der Partnerschaft ihren Lebensentwurf zu verwirklichen suchen. Wir anerkennen, dass auch in solchen Beziehungen Werte gelebt werden, die grundlegend sind für unsere Gesellschaft. Wir werben für Toleranz und wenden uns gegen jede Form der Diskriminierung. Wir wollen prüfen, welche rechtlichen Hindernisse, die dem gemeinsamen Leben und der gegenseitigen Fürsorge entgegenstehen, beseitigt werden können.“

Dies hat der Kleine Parteitag der CDU im Dezember 1999 beschlossen.

Frau Litfin, es entspricht unserem Verständnis des christlichen Menschenbildes, jede Partnerschaft zu fördern, in der zwei Menschen Verantwortung füreinander übernehmen. Es geht also nicht um das Ob, sondern es geht um das Wie. Die Diskussion darüber sollte nach meiner Auffassung in der gebotenen Sachlichkeit geführt werden.

Auch wir wissen, dass sich gesellschaftliche Veränderungen vollzogen haben, von denen insbesondere auch unser Bild von Ehe und Familie massiv betroffen ist. Ich brauche niemandem hier in diesem Hohen Hause zu erzählen, wie sich die Zahl der allein erziehenden Mütter und Väter in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Nur noch 38 % der Frauen und 30 % der Männer sehen die Ehe als Voraussetzung für ein auf Dauer funktionierendes Zusammenleben an. Ich räume auch ein, eine knappe Mehrheit der Deutschen befürwortet die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare; bei den unter 30-Jährigen sind es sogar über 80 %. So das Max-Planck-Institut.

Die Frage ist allerdings, ob wir uns immer von demoskopischen Zahlen leiten lassen müssen. Es bleibt also die entscheidende Frage, ob dies alles das Schaffen einer neuen Rechtsform, die Abkehr vom verfassungsrechtlich gebotenen Leitbild von Ehe und Familie im Sinne unserer christlichabendländischen Tradition rechtfertigt.

Ich kann es Ihnen an dieser Stelle nicht ersparen, Frau Litfin, mich jetzt wiederholt auf das Bundesverfassungsgericht zu stützen. Das hat nämlich erklärt - und das nicht erst vor 40 Jahren, sondern jeweils in den letzten Jahren -:

„Die Entscheidung von Menschen, in anderen Formen von Partnerschaften ihren Lebensentwurf zu verwirklichen, ist zu respektieren. Es muss aber geprüft werden, welche rechtlichen Hindernisse der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft entgegenstehen. Dies bedeutet nicht, dass eine eigene Rechtsform geschaffen werden muss.“

So das Bundesverfassungsgericht.

Es hat ferner in ständiger Rechtsprechung bestätigt, dass die Ehe ohne Wenn und Aber als Gemeinschaft von Mann und Frau zu verstehen ist. Mit der Ehe und Familie werden bewusst Gemeinschaften geschützt, die das Fortbestehen der Gesellschaft sichern. - So das Bundesverfassungsgericht.