Protokoll der Sitzung vom 15.11.2000

Für die wenigen Extremfälle gibt es in der Bundesrepublik Deutschland genügend Plätze, und es gibt genügend erfolgreiche Konzepte, um diesem Phänomen zu begegnen.

Zweitens zur Frage der Zuständigkeit und des Bedarfs. Meine Damen und Herren - ich wiederhole mich -, nach dem KJHG ist ohne Wenn und Aber der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe zuständig, also die Landkreise bzw. die kreisfreien Städte. Das Land kann die Maßnahmen der Kommunen höchstens flankierend begleiten und kann beratend helfen. Die Entscheidungen treffen aber allein die Jugendrichter: für die Jugendlichen ab 14 Jahre hinsichtlich dessen, was mit ihnen geschieht, und für Kinder unter 14 Jahren, in welche Maßnahme sie eingegliedert werden, in welcher Maßnahme sie betreut werden, ob im Heim, in anderen Einrichtungen oder bei Pflegeeltern.

(Vizepräsidentin Litfin übernimmt den Vorsitz)

Ich will Ihnen etwas zum Bedarf sagen, meine Damen und Herren. Vor drei Jahren haben wir hier im Landtag diesen Beschluss gefasst. In Niedersachsen gab es nur wenige Fälle, die in diese Kategorie passten. Den Jugendämtern ist es gelungen, diese Kinder geräuschlos - ohne öffentlichen Lärm, ohne Schlagzeilen, ohne Boulevardpresse, ohne Fernsehkameras - in die entsprechenden Einrichtungen zu bringen. Also, der Bedarf ist gering, die Katastrophe, die beschworen wurde, ist nicht eingetreten. Es gibt in Niedersachsen und in den Anrainerstaaten genügend Einrichtungen, die qualifizierte Arbeit leisten können.

Drittens zur Erledigung des Landtagsbeschlusses von 1997. Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat korrekt und sofort gehandelt. Zunächst einmal hat sie in den Jahren 1998/1999 die Mittel für das Interventionsprogramm in den Haushalt eingestellt.

Nun wird kritisiert, das war zu langsam, man hatte zu wenig Geld, es gab zu wenig Plätze. - Über die Kosten wurde schon genug gesagt. Ich finde, das, was Frau Jürgens-Pieper, ihr Staatssekretär und das Landesjugendamt in schwierigen Verhandlungen gegen die Fachmeinung, gegen Trägerorganisationen, die das alle nicht wollten, ausgehandelt haben, ist ein gutes Ergebnis.

(McAllister [CDU]: Zwei Plätze!)

Das reicht im Übrigen auch absolut aus. Ich sage noch einmal: Wenn es erforderlich ist, ein Kind für eine befristete Zeit in Obhut zu nehmen, dann ist es alle Mal besser, dies mit einer gewissen räumlichen Distanz zu tun, von mir aus also in SachsenAnhalt, in Bayern oder in Baden-Württemberg. Aber eben nicht 50 km vor der eigenen Haustür.

(Beifall bei der SPD - Frau Vockert [CDU]: Jetzt wird er ehrlich!)

Meine Damen und Herren, in der Überschrift Ihres Antrags heißt es: Maßnahmen gegen die wachsende Jugendkriminalität. Und dann sagen Sie, geschlossene Heimerziehung sei eine Maßnahme gegen die wachsende Jugendkriminalität. Sie suggerieren der Öffentlichkeit, mit diesen Maßnahmen sei Jugendkriminalität abzuwenden. Meine Damen und Herren, das ist blanker Populismus und fachlich betrachtet eine Katastrophe. Das ist nicht mangelhaft, das ist ungenügend.

(Beifall bei der SPD)

Verschlossene Türen, Heime mit Sicherheitsmaßnahmen, Gitter und vieles andere gegen Kinder ersetzen nicht Erziehung und Prävention.

Dazu will ich gerne noch etwas sagen. Die Landesregierung ist hier auf dem richtigen Weg. Sie hat alle Präventions- und Integrationsmaßnahmen zu einem Maßnahmebündel mit einem Volumen von 10 Millionen DM zusammengefasst. Die Kultusministerin hat ein Maßnahmebündel „Sozialarbeiter an Hauptschulen“ mit einem Volumen von 30 Millionen DM geschnürt. Dies zeigt auf, wie wir durch praktische Politik und durch praktische Arbeit in Schule und Gesellschaft Hilfe bei der Erziehung leisten können. Wir müssen den Eltern bei der Lösung ihrer Erziehungsprobleme helfen. Ich glaube, auch unser neuer Justizminister, der sich die Prävention ja auf seine Fahnen geschrieben hat, geht in die richtige Richtung.

Es bleibt dabei, meine Damen und Herren: Alles, was getan werden musste, ist getan worden. Mit geschlossener Heimerziehung werden wir dem Phänomen nicht gerecht. Wir müssen Prävention und Erziehung leisten. Ihr Antrag führt in die falsche Richtung. Deswegen lehnen wir ihn ab.

(Beifall bei der SPD)

Die Kollegin Vockert hat sich noch einmal zu Wort gemeldet, um ihre Restredezeit auszunutzen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um gleich der Legendenbildung vorzugreifen: Herr Mühe, Sie wissen ganz genau, dass wir, bevor wir 1998 den Antrag eingebracht haben, einen Antrag vorgelegt hatten, mit dem wir ein Maßnahmenbündel zur Bekämpfung der Kinder- und Jugendkriminalität eingefordert haben. In diesem Zusammenhang wollten wir über Schulbildung, über die Vernetzung von Schule und von Jugendarbeit usw. reden.

Aber was macht die Landesregierung? - Sie betreibt überhaupt keine Präventionsarbeit. Sehen Sie etwa die Kürzungen bei den Schulpsychologen als Mittel zur Bekämpfung der Jugendkriminalität an? Hier nehmen Sie den Jugendlichen Chancen.

Sie konterkarieren im Übrigen auch Äußerungen des Ministerpräsidenten, der sich schon 1997 sehr deutlich für Maßnahmen wie geschlossene Heimunterbringung im Zuge therapeutischer und erzieherischer Konzepte ausgesprochen hat. Ich finde es schon erschreckend, dass sich der Ministerpräsident zwar populistisch äußert, aber seine Glaubwürdigkeit letztlich nicht beweisen muss. Ich glaube, das wird die Öffentlichkeit auch zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der CDU)

Der Kollege Mühe hat sich noch einmal zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss es noch einmal richtig stellen, weil erneut die Kriminalität von Kindern und von Jugendlichen vermischt wird. Es ist eindeutig Gesetzeslage: Für Jugendliche ab 14 Jahre gilt in Niedersachsen wie in der gesamten Bundesrepublik Deutschland das Strafgesetzbuch.

(McAllister [CDU]: Jugendstraf- recht!)

Dafür sind der Jugendrichter und das Jugendstrafrecht zuständig. Für Jugendliche kommt also

Heimerziehung überhaupt nicht in Betracht, jedenfalls nicht in der Form, dass die Jugendhilfe darüber entscheidet. Für Kinder kommt Heimerziehung sehr wohl in Betracht. - Der Herr Ministerpräsident hat sich zu jugendlichen Straftätern geäußert. Insofern geht Ihr Vorwurf ins Leere.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Mühe.

(Heiterkeit)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Jugend und Sport in der Drucksache 1966 zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 1587 ablehnen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke schön. Die Gegenstimmen! - Danke. Gibt es Stimmenthaltungen? - Keine Stimmenthaltungen. Das Erste war die Mehrheit. Damit haben Sie den Antrag der Fraktion der CDU abgelehnt.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 12: Einzige (abschließende) Beratung: Zustimmung des Niedersächsischen Landtages zur Veräußerung von Landesvermögen gem. Artikel 63 Abs. 1 Niedersächsische Verfassung und § 64 Abs. 2 LHO; landeseigenes Grundstück in Hannover, Nienburger Straße 14 A/15 (ehemaliges Sozialgericht Hannover) - Antrag der Landesregierung Drs. 14/1938 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen - Drs. 14/1967

Der Antrag der Landesregierung wurde am 17. Oktober 2000 an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. Im Ältestenrat waren sich die Fraktionen darüber einig, dass wir über diesen Punkt ohne Besprechung abstimmen wollen. - Widerspruch zu diesem Verfahren höre ich nicht. Daher lasse ich jetzt gleich abstimmen.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen in der Drucksache 1967 und damit dem Antrag der Landesregierung in der Drucksache 1988 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Das ist nicht der Fall. Stimmenthaltungen? - Auch nicht. Dann haben Sie einstimmig so beschlossen.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 13: Zweite Beratung: Verbesserung der wohnungspolitischen Rahmenbedingungen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/1320 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Städtebau und Wohnungswesen - Drs. 14/1969

Der Antrag wurde in der 42. Sitzung am 27. Januar 2000 an den Ausschuss für Städtebau und Wohnungswesen zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Auch hierzu ist eine Berichterstattung nicht vorgesehen, sodass wir jetzt zu der Aussprache in der zweiten Beratung kommen können. Zu Wort gemeldet hat sich für die Fraktion der CDU die Kollegin Frau Philipps.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlahmt das politische Interesse am Wohnungsbau? Mir scheint das wirklich so. Schon bei unserer Antragstellung mussten wir befürchten, dass der Wohnungsbau in Niedersachsen keine Lobby mehr hat.

(Plaue [SPD]: Was? - Wulff (Osna- brück) [CDU]: Stimmt!)

Wir konnten aber noch nicht ahnen, wie dramatisch die Mittel für den Wohnungsbau zusammengestrichen wurden. Die Mittel berücksichtigen bei weitem nicht den sich verändernden Zyklus auf dem Wohnungsmarkt. Sie haben in der jetzigen Form keine positiven Auswirkungen auf die schwierige Lage der Bauwirtschaft,

(Beifall bei der CDU)

die vor immer größeren Problemen steht, was Beschäftigung und Auftragslage angeht.

(Plaue [SPD]: Wie viel Leerstände wollen Sie denn noch bauen?)

Zwischenzeitlich ist der Wohnungsbau nahezu zum Erliegen gekommen. Dramatische Einbrüche bei den Genehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäuser verstärken den Trend. In dieser Zeit wäre eine Verstetigung der Mittel auch unter antizyklischen Gesichtspunkten von besonderer Bedeutung.

Allein schon die Tatsache, dass Niedersachsen bei der öffentlichen Förderung des Wohnungsbaus am Ende der Skala liegt, gibt doch wohl zu denken. Meine Damen und Herren, nur 3 bis 4 % am Gesamtbestand ist der Anteil preisgebundener Wohnungen in Niedersachsen - mit sich verringernder Tendenz. So werden in Niedersachsen nur 0,5 Wohnungen je 1.000 Einwohner gefördert,

(Decker [CDU]: Hört, hört!)

während die Zahl im Bundesgebiet doppelt so hoch ist.

(Beifall bei der CDU)

Das Programm „Soziale Stadt“ enthält keine zusätzlichen Mittel für den Wohnungsbau. Natürlich ist anzustreben, den Eigentumsanteil zu erhöhen. Sehen wir in andere Länder, so liegen Spanien, Italien und Irland mit 80 % an der Spitze. Großbritannien, Portugal und Belgien haben ca. 65 % Eigenheime. Da liegt Deutschland mit ca. 48 % abgeschlagen zurück.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Es wäre ein positives Signal für die Bauwirtschaft, denn die Förderung von eigentumsbildenden Maßnahmen ist ein wesentlicher Beitrag, um diese Unterschiede zu verringern. Der Bauwirtschaft und dem Arbeitsmarkt käme dies wirklich zugute.