In Einigkeit mit dem Europäischen Parlament sollten wir unsere Bemühungen darauf richten, dass dieses zu einem Parlament mit allen Rechten und Pflichten eines Parlaments in einem demokratischen System wird.
Die Erweiterung der Europäischen Union sollten wir auch deshalb unterstützen, weil es aus meiner Sicht dazu keine Alternative gibt. Wenn wir uns angesichts aller Schwierigkeiten, die es gibt, darum nicht bemühen, dann werden wir keine Stabilisierung in Europa erreichen. Die Situation auf dem Balkan spricht eine eigene Sprache. Die Konfliktfähigkeit der einzelnen Staaten ist nicht ausgeräumt. Das Beispiel der Europäischen Union hat in den vergangenen 50 Jahren aber gezeigt, dass auf einem solchen Territorium kriegerische Auseinandersetzungen nachhaltig verhindert werden können. Aus diesem Grunde hat die Europäische Union auch eine wichtige Rolle für die Erhaltung und Schaffung von Frieden und natürlich auch für die Einführung der Demokratie in den Staaten, in denen dieses bislang nicht der Fall war, nämlich in den ehemaligen Ostblockstaaten.
Für uns Deutschen insgesamt bzw. für uns Niedersachsen ist es eine wichtige Forderung, dass Deutsch als Arbeitssprache in der Europäischen Union den gleichen Rang bekommt wie die franzö
sische und die englische Sprache. Die Sprachen werden im nächsten Jahr in der Europäischen Union ohnehin eine größere Rolle spielen; denn das ist das Europäische Jahr der Sprachen. An der Diskussion werden sich dann sicherlich auch einige Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause beteiligen, wenn es um die Frage geht, wie auch die niedersächsischen Minderheitensprachen in Europa die entsprechende Berücksichtigung finden.
Ich meine, wir haben einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass das Thema der Europapolitik auch im Landtag den ihm gebührenden Stellenwert findet, wenn wir auch heute wieder zu einer so späten Tageszeit hier beraten. Dies sollte von allen hier unterstützt werden. Ich bin immer froh und glücklich, wenn es uns nach längeren Diskussionen gelingt, einen gemeinsamen Weg zu finden; denn das zeigt nach außen, dass wir in dieser Sache eine gemeinsame Sprache sprechen, dass uns Europa wichtig ist. In diesem Zusammenhang freue ich mich, dass wir bei einem Vergleich mit den anderen Länderparlamenten in der Bundesrepublik hinsichtlich der Behandlung europäischer Themen gut dastehen.
Des Weiteren freue ich mich darüber, dass wir jetzt ein eigenes Ministerium haben und mit Herrn Senff als Minister wohl gut aufgehoben sind.
Das hat auch die letzte Berichterstattung im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten gezeigt. Herr Gabriel hat in seiner Regierungserklärung wohl nicht zu viel versprochen, als er erklärt hat, dass Europa in den Mittelpunkt gerückt werden soll.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Erweiterung der Europäischen Union ist eine historische Chance für ganz Europa, d. h. selbstverständlich auch für die Bundesrepublik und für Niedersachsen. Dies eröffnet die Chance, dass wir den Frieden, der in unserer Region, auf unserem Kontinent seit 50 Jahren herrscht, auch für die Zukunft erhalten können. Gleichzeitig ist die Erweiterung der Europäischen Union eine ganz gewaltige Aufgabe, und zwar sowohl für die Beitrittskandidatenländer - wenn wir daran denken, was für Prozesse der Umstrukturierung ihrer Wirtschaft diese Länder vorantreiben müssen bzw. zum Teil schon vorangetrieben haben - als auch für die Verwaltung, wenn wir daran denken, welche Veränderungen hier im Bereich der Justiz, beim Aufbau der Demokratie insgesamt geleistet werden müssen.
Diese gewaltige Aufgabe, diese historische Chance kann nur dann erfolgreich wahrgenommen werden, wenn die Erweiterung der Europäischen Union gut vorbereitet wird. Bei meinem Kenntnisstand habe ich keinen Zweifel, dass die Europäische Kommission auf der einen Seite und die Beitrittskandidatenländer auf der anderen Seite dabei sind, diese hervorragende und große Aufgabe zu lösen.
Ein erster wichtiger Schritt zur Lösung dieser Aufgabe war die Agenda 2000. Darin haben wir den Finanzrahmen abgesteckt. Der weitere wichtige Schritt, um den es jetzt geht und über den wir heute reden, ist die Reform der institutionellen Strukturen in der Europäischen Union.
Nach der Reform muss Europa handlungsfähig sein. Herr Mientus hat eben darauf hingewiesen, dass diese Reformen auch heute schon notwendig wären, um zu vernünftigen Abläufen in der Verwaltung und in der Politik zu kommen oder sie aufrechtzuerhalten. Um wie viel mehr sind sie notwendig, wenn wir zehn bis zwölf weitere Länder als Mitgliedsländer in der Europäischen Union haben. Das ist kurz gefasst die Aufgabe der Regierungskonferenz 2000.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht um ein Paket von sieben wichtigen Entscheidungen. Das ist erstens eine Erklärung zur verstärkten Zusammenarbeit - das ist alles dass, was sich unter „Avantgarde“, „zentrischen Kreisen“ und anderen Stichworten verbirgt. Es muss möglich sein, dass
in Europa ein Teil der Mitgliedstaaten, die dazu in der Lage sind und die es wollen, gemeinsam Druck machen, spricht vorangehen auf dem Weg zur europäischen Einigung.
Der zweite Punkt, der zur Debatte steht, betrifft ein gemeinsames Krisenmanagement im Bereich der Sicherheitspolitik. Wie notwenig das ist, hat der Einsatz im Kosovo gezeigt.
Der dritte Punkt betrifft eine Proklamation der Grundrechtecharta, über die wir in der Debatte zum nächsten Tagesordnungspunkt noch sprechen werden.
Der vierte Punkt betrifft die Einigung über weitere Bereiche, die notwendig sind, um die Reform der Union voranzutreiben. Ich nenne drei Bereiche: Das ist erstens die Vereinfachung der Verträge, das ist zweitens die vertragliche Verankerung der Grundrechtecharta, nach meiner Überzeugung im Sinne eines Grundgesetzes für Europa,
und das ist drittens die Kompetenzabgrenzung zwischen der Europäischen Union auf der einen Seite und den Nationalstaaten auf der anderen Seite, um auch zwischen den Nationalstaaten und den Regionen - in unserem Fall den Ländern - die notwendigen Regelungen herbeizuführen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Punkte fünf, sechs und sieben betreffen die Leftovers. Von den Left-overs lassen Sie mich nur einen Punkt nennen, weil er für die Arbeit des Landes, für die Arbeit des Parlamentes und der Landesregierung dieses Landes wichtig ist. Es ist die Frage der Mehrheitsentscheidung, die auch von zentraler Bedeutung für die weitere Dynamik der Europäischen Union ist. Wenn es weiterhin möglich bleibt, dass ein einzelner Nationalstaat - aus seinem Interesse durchaus verständlich - durch sein Veto alle anderen 14 oder gar 26 erpressen kann, um das zu bekommen, was er für sich braucht, was aber für die gesamte Union möglicherweise schädlich ist, dann ist die Dynamik aus dem europäischen Einigungsprozess heraus.
Wir müssen vom Basar, der sich dann auftäte, hin zu vernünftigen demokratischen Mehrheitsstrukturen gelangen. Deshalb ist die Niedersächsische
Landesregierung fest davon überzeugt, dass das der zentrale, der wichtige Punkt der Konferenz in Nizza sein wird.
Der zweite Punkt, der uns brennend interessiert, ist die Frage der Kompetenzabgrenzung. Wir müssen sicherstellen, dass in Europa das, was am besten in den Kommunen, den Ländern und den Nationalstaaten politisch entschieden und administrativ erledigt wird, dort auch erledigt werden kann. Das, was auf europäischer Ebene entschieden werden kann, was auf europäischer Ebene besser zusammengefasst werden kann, das soll bitte schön die Europäische Union machen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden zu einem späteren Zeitpunkt, in einer anderen Sitzung, über Daseinsvorsorge reden. Aber genau dieser Punkt gehört in diesen Komplex hinein.
Ich darf Sie zum Schluss vorbehaltlich - das muss man dann, wenn es um europäische Einigungsfragen geht, immer dazu sagen - der Erkenntnis, dass es auch ganz anders kommen kann, über unsere Einschätzung der Ergebnisse von Nizza informieren. Wir gehen davon aus, dass die Left-overs einer Einigung zugeführt werden. Wir gehen davon aus, dass wir sie im Wesentlichen mit einem guten Kompromiss über die Hürde kriegen werden. Wir gehen davon aus, dass die Verfassungsdebatte über ein Europäisches Grundgesetz nach Nizza beginnt und in etwa im Jahr 2004 im Rahmen einer weiteren Regierungskonferenz abgeschlossen sein wird. Wir gehen davon aus, dass eine verstärkte Zusammenarbeit eines Teiles der Mitgliedsländer in Zukunft möglich sein wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Europa wird durch die Regierungskonferenz und die Erweiterung nach meiner festen Überzeugung an Dynamik gewinnen. Wir brauchen diese Dynamik. Das liegt in unserem eigenen niedersächsischen und bundesdeutschen Interesse. Wir fördern deshalb die Regierungskonferenz unter Wahrung unserer Landesinteressen. Das haben wir in den Ausschüssen des Bundesrates und in der BundLänder-Kommission - überall dort, wo wir Einfluss haben und mitarbeiten - getan.
Der Antrag, der heute zur Debatte steht und den wir sehr begrüßen - wir begrüßen insbesondere, dass er in großer Einmütigkeit gefasst wird -,
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will zunächst meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass wir heute einvernehmlich die Erwartungen und die Forderungen an die Regierungskonferenz 2000 zusammentragen können, und will zugleich den anderen Fraktionen meinen Dank dafür aussprechen, dass unsere Änderungswünsche in diese Beschlussempfehlung aufgenommen worden sind. Ich bin überzeugt, dass wir diesem Forderungskatalog an die Zukunft der Europäischen Union und an die Zukunft der Strukturen innerhalb der Europäischen Union dann mehr Gehör verschaffen und mehr Gewicht verleihen, wenn wir ihn heute einvernehmlich verabschieden und auf dieser Ebene nicht durch Uneinigkeit glänzen.
Meine Damen und Herren, ich will aber auch einen weiteren Grund dafür nennen, warum es wichtig ist, dass wir uns mit dem Thema „Zukunft der Europäischen Union“, beschäftigen. Ich nehme an, dass wir uns alle einig darüber sind, dass es zur europäischen Einigung und zur Erweiterung der Europäischen Union um die mittel- und osteuropäischen Staaten keine Alternative gibt. Aber wir stellen bei den Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union zunehmend - nicht nur bei Wahlen - einen Akzeptanzverlust fest.
Die Shell-Studie - ich habe das bei der Einbringung des Antrages hier schon einmal vorgetragen stellt fest, dass Jugendliche auf Europa pfeifen. Ich finde, dass es uns schon nachdenklich stimmen sollte, wenn dies in einer solchen Studie festgestellt wird. Jugendliche in Deutschland zeigen wenig Interesse an der europäischen Einigung und zeigen auch wenig Interesse an der Einführung des Euro.
Meine Damen und Herren, Europa kann aber nur gelingen, wenn wir die Jugendlichen, wenn wir die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen.
Wir können sie meines Erachtens aber nur mitnehmen, wenn wir sie von Europa und von der Vision Europas überzeugen. Das erreichen wir nur, meine Damen und Herren, wenn wir klare, subsidiäre Abgrenzungen der Zuständigkeiten zwischen den Ebenen der Europäischen Union, dem Bund, den Ländern und den Kommunen herstellen,
wenn die Entscheidungswege transparent sind und offen gelegt werden und wenn die Handlungsfähigkeit der Organe der Europäischen Union - Minister Senff hat das eben angesprochen - auch in Zukunft gegeben ist und keine gegenseitige Blockade stattfindet.
Darüber hinaus muss der Bürger aber nicht nur den Eindruck gewinnen, sondern er muss auch feststellen können, dass bei den politischen Entscheidungen auf der Ebene der Europäischen Union das Gleichheitsprinzip, die Gerechtigkeit gewahrt bleibt. Wir haben gerade heute Morgen in der Diskussion um die Bekämpfung von BSE darüber gesprochen, dass hier und da sehr stark der Eindruck entsteht, dass nicht nach dem Gleichheitsprinzip verfahren wird.
Ich möchte abschließend noch einen Punkt nennen. Es ist erforderlich, dass die deutsche Sprache als Amtssprache neben Französisch und Englisch anerkannt wird.