Protokoll der Sitzung vom 15.11.2000

Das Wort hat der Kollege Brauns.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten Wochen sind vermehrt Fälle von BSE-Erkrankungen bei Rindern in Frankreich aufgetreten. Die Gefahr, dass Rindfleisch oder Rindfleischprodukte unkontrolliert bzw. ohne Kennzeichnung in die Bundesrepublik eingeführt werden, ist wieder akut geworden. Das können und wollen wir im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher in Niedersachsen nicht hinnehmen. Verbraucherschutz hat in Niedersachsen Priorität.

(Möllring [CDU]: Das habe ich eben gehört beim Minister!)

Deshalb ist es völlig richtig, dass unser Landwirtschaftsminister Uwe Bartels in Anbetracht der Diskussion um die BSE-Problematik ein striktes Exportverbot für Rindfleisch und Rindfleischprodukte aus Frankreich gefordert hat. Wir sind froh darüber, dass sich der Minister so schnell und so eindeutig positioniert hat.

Nach einem aktuellen Bericht der EU werden in Frankreich bereits Schutzmaßnahmen, die über das Gemeinschaftsrecht hinausgehen, durchgeführt. So werden z. B. bei Feststellung eines BSE-Falles die Tötung der Herde und die Entsorgung durch Verbrennen sowie die Tötung noch lebender Nachzucht von an BSE-erkrankten Tieren angeordnet. Außerdem soll es eine umfangreiche Untersuchung in einem Schnelltestverfahren geben. Der Bericht spricht sich gegen ein Exportverbot aus. Gleichwohl können bei den nicht untersuchten Herden kranke und infizierte Tiere vorhanden sein. Ein Restrisiko, meine Damen und Herren, ist also nicht ausgeschlossen. Frankreich gehört, wie Sie wissen, zu den drei Ländern in der EU, die eine Etikettierung von Rindfleisch nicht vornehmen. Folglich kann keine Unterscheidung z. B. von deutschem Rindfleisch vorgenommen werden.

Meine Damen und Herren, nun noch einige Sätze zu Großbritannien. Hier hat die EU Erleichterungen des Ausfuhrverbotes vorgenommen. Die Kennzeichnung von britischem Rindfleisch ist festgelegt. Die aus Fleisch hergestellten Produkte sind mit einem zusätzlichen Kennzeichen zu versehen. Die Rückrufbarkeit ist gewährleistet. Dennoch besteht weiterhin das Problem, dass, sofern britisches Rindfleisch über Mitgliedstaaten nach Deutschland verbracht oder aus Drittländern eingeführt wird, die Kennzeichnung - aus welchen Gründen auch immer - entfernt werden kann und zum Teil auch entfernt wurde. Auch in diesem Fall muss geprüft werden, inwieweit die Sicherheit gewährleistet ist.

Meine Damen und Herren, der Bundesrat hat sich in seiner Sitzung am 10. November dieses Jahres mit der Gesamtproblematik befasst und die Bundesregierung gebeten, sich bei der EUKommission dafür einzusetzen, dass die festgelegten Kennzeichnungen unverzüglich eingeführt werden und damit ein lückenloser Aufschluss über die Herkunft des Rindfleisches sichergestellt wird; anderenfalls ist die Einfuhr der Produkte zu verbieten. - Wir hoffen, dass sich der Bundeslandwirtschaftsminister in der EU für die Lösung der aufgezeigten Probleme einsetzt. Unsere Unterstützung hat er dazu.

Meine Damen und Herren, die SPDLandtagsfraktion hat das Niedersächsische Landwirtschaftsministerium gebeten, das BSEÜberwachungsprogramm zu verbessern und noch in diesem Jahr mit dem BSE-Schnelltest zu beginnen. Dies soll in den Folgejahren fortgeführt werden. Die dafür notwendigen finanziellen Mittel werden bereitgestellt. Mit diesen Untersuchungen erhöhen wir die Sicherheit und gewährleisten mehr Verbraucherschutz; denn Verbraucherschutz ist das oberste Gebot. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Für die Grünen hat sich der Abgeordnete Klein gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Würde man an die Antragsteller der heutigen Aktuellen Stunde, aber auch an die Öffentlichkeitsarbeit unseres Ministers die Kriterien anlegen, die bei der

letzten BSE-Debatte, die wir hier geführt haben, ausgesprochen worden sind - Sie erinnern sich, wir hatten den Antrag gestellt, das Importverbot für britisches Rindfleisch um weitere zwei Jahre zu verlängern -, dann müssten sich diese Personen schon einiges anhören: „Fehlbewertung der Situation“, „Inkompetenz“, „Verbraucherverunsicherung“, „Intoleranz gegenüber dem EURechtssystem“ und „Aufruf zu offenem Rechtsbruch gegenüber der EU“, „populistisches Gehabe“, „leichtfertiger Umgang mit einem sensiblen Thema“ und „leichfertiges Hinwegsetzen über Ergebnisse des Wissenschaftlichen Ausschusses“ so hieß es damals, vor einem Jahr.

Ich bin dafür, dass wir uns darauf einigen, dass wir das alles vergessen. Das ist heute so falsch, wie es damals falsch gewesen ist, als wir diesen Antrag gestellt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Willkommen im Club, schön, dass Sie auch schon da sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte auch daran erinnern, dass unser Landwirtschaftsminister in dieser Debatte wiederholt Frau Höhn in Nordrhein-Westfalen vorgeworfen hat, dass es Wahnwitz sei - ich wiederhole: Wahnwitz -, deutsche Rinder auf BSE zu testen. Herr Bartels, ich bedanke mich ausdrücklich bei Ihnen, dass Sie diesen Wahnwitz in dem letzten halben Jahr, wenn auch ausschließlich bei auffälligen Rindern, so doch ebenfalls praktiziert haben.

Ich frage mich natürlich auch: Wo ist denn heute die viel beschworene und hoch gelobte Garantie des Systems der Herkunftssicherung und der Rückverfolgbarkeit, die Sie uns vorgehalten haben? Wo ist die Wissenschaftsgläubigkeit bezüglich des Wissenschaftlichen Ausschusses und der 16 Wissenschaftler, die doch ach so unfehlbar sein sollten? Ich habe den Eindruck: Der britische Untersuchungsbericht, der jetzt die Skandale in England ans Tageslicht gebracht hat, hat dem einen oder anderen hinsichtlich seines vergangenen Verhaltens einen Spiegel vorgehalten.

Ich begrüße es ausdrücklich, dass die Bundesregierung jetzt handelt und dass sie deutlich gemacht hat, dass sie gewillt ist, ein Importverbot zu verhängen, wenn es nicht gelingt, kurzfristige Lösungen zu finden. Ich will aber auch ganz deutlich

sagen, dass ich heute wie vor einem Jahr große Zweifel habe, ob es tatsächlich möglich ist, ein solches System sicher zu installieren. Deswegen glaube ich, dass es letzten Endes nur eine Alternative geben wird, nämlich die Verhängung eines Importstopps gegenüber allen Ländern, die diese Kennzeichnung nicht durchführen, möglicherweise auch gegenüber allen Ländern, in denen nach wie vor BSE nachgewiesen ist.

Diese Maßnahme muss durch ein konsequentes Verbot der Tiermehlverfütterung ergänzt werden. Frankreich hat das jetzt durchgeführt. In der Schweiz wird es so gemacht, in Großbritannien schon länger. Wir dürfen auch in dieser Hinsicht nicht länger warten.

Wir brauchen - da schließen wir uns den Forderungen der Verbraucherverbände an - auch BSESchnelltests, und zwar nicht nur bei auffälligen Tieren, sondern bei allen geschlachteten Rindern und bei jeder Schlachtung. Anders werden wir dieses Problem nicht in den Griff bekommen. Ich bin mir darüber im Klaren, dass das Ganze durchaus als zeitlich befristete Maßnahme gestalten werden kann, die zum Ziel haben sollte, den Nachweis der BSE-Freiheit in Deutschland zu führen, damit der ganze Rattenschwanz, den wir jetzt mit der Beseitigung der SRM, also der spezifischen Risikomaterialien, und Ähnlichem haben, wirklich ein Ende haben kann.

Es muss doch möglich sein, diese zusätzlichen BSE-Tests durchzuführen. Die Kosten, die dann auf das Kilo Rindfleisch entfallen, sind minimal. Ich würde jedem Händler empfehlen, wie folgt auszuweisen: 1 kg Rindfleisch 14 DM plus 20 Pf BSE-Schnelltest-Zuschlag. Ich glaube, das Rindfleisch würde ihm aus den Händen gerissen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bis es so weit ist, appelliere ich an den Landwirtschaftsminister, sicherzustellen, dass Landwirte, die ihr Fleisch freiwillig testen lassen wollen - auch die gibt es -, die Möglichkeit haben, dies bei den staatlichen Untersuchungsbehörden zum Selbstkostenpreis zu tun. Langfristig bzw. in Umsetzung dieses Verfahrens sollten wir die Tierseuchenkassen als Abrechnungsstellen für dieses Verfahren einsetzen.

Meine Damen und Herren, ich erinnere Sie noch einmal daran: Das BSE-Wissen ist begrenzt. Wir mussten z. B. feststellen, dass Infizierungen trotz Fütterungsverbot aufgetreten sind, und wir sind

z. B. unsicher, ob die Übertragung auf die Kälber über die Milch erfolgt. Deshalb: Gehen wir auf Nummer Sicher, und machen wir ein kraftvolles und konsequentes System!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Landwirtschaftsminister hat noch einmal ums Wort gebeten.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich würde dem Abgeordneten Klein ja gerne den Erfolg gönnen, wenn er nach langer Beratungszeit auf einmal feststellt, dass die Regierung genau das macht, was er seinerzeit vorgeschlagen hatte. Aber, Herr Klein, es tut mir Leid: Auch wenn Sie noch so blumig reden, diesen Erfolg kann ich Ihnen hier heute nicht verschaffen.

Ich frage Sie einmal schlicht und ergreifend: Wenn Sie von Ihrer Position vor einem Jahr so überzeugt waren, weshalb haben Sie denn dann Ihren Antrag zurückgezogen?

(Klein [GRÜNE]: Weil die Entschei- dung gefallen war! Das wissen Sie ganz genau!)

- Sie haben Ihren Antrag damals zurückgezogen, weil Ihnen Ihre Bundesgesundheitsministerin deutlich gemacht hat, dass das, was Sie gefordert haben, nichts als blanker Populismus ist - dies hat sie im Übrigen auch Frau Höhn bestätigt -, der keinerlei zusätzlichen Verbraucherschutz gewährleistet.

Meine Damen und Herren, ich darf in Erinnerung rufen: 13 Länder der Europäischen Union hatten die Lockerung beschlossen. Deutschland hatte dann auf Importverbot geschaltet. Aber was war die Situation? Die Situation war so, wie ich sie eben beschrieben habe: Britisches Rindfleisch konnte überallhin in die Welt transportiert werden, und wir hatten überhaupt keine Handhabe, festzustellen, ob es nicht auf Umwegen, sozusagen durch Verarbeitungsprodukte, wieder bei uns in der Ladentheke liegt. Das ist die Situation gewesen, und deshalb brauchten wir dieses besondere Kennzeichnungssystem.

Dass die Kommission das nicht erfüllt hat, ist - das sage ich ganz klar und deutlich - ein riesiger Skandal und auch ein riesiger Vertrauensbruch gegenüber Frau Bundesgesundheitsministerin Fischer und auch mir, die wir uns in dieser Frage ständig miteinander besprochen haben und die wir auch gemeinsam die Vorstöße bei Herrn Kommissar Byrne und Herrn Kommissar Fischler unternommen haben.

Meine Damen und Herren, Sie machen genau den gleichen Fehler wie die Kolleginnen und Kollegen aus dem Saarland, aus Hessen und aus Bayern. Herr Klein, Sie müssten sich wirklich einmal um diesen Sachverhalt kümmern. Sie können doch nicht das, was in dem Bericht, der sich mit der Vergangenheit befasst, steht, sozusagen auf heute übertragen und sagen, so ist es heute in Großbritannien. Fakt ist, dass es keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse hinsichtlich der Situation in Großbritannien gibt, die die Kommission heute veranlassen müsste, zu einem Exportverbot zurückkehren. Solche Erkenntnisse gibt es nicht. Ich kann Ihnen glasklar wiederlegen, dass die beiden Fälle, die jetzt immer wieder herangezogen werden - die Zeit reicht nicht, um das hier auszuführen -, irgendeinen Zusammenhang zur Aktualität haben. Nehmen Sie das einfach zur Kenntnis!

Sie führen noch einmal die Schnelltests an, zu denen ich mich damals kritisch geäußert habe. Ich habe diese Tests damals aber nicht in Bausch und Bogen verworfen nach dem Motto, die bringen keine Erkenntnis. Ich habe nur zwei Dinge gesagt.

Erstens. Wir wenden sie bei Tieren an, die zentralnervöse Erscheinungen haben, kurz bevor sie sterben. Dort haben wir sie angewendet und haben immer ein Negativergebnis gehabt.

Zweitens. Ich habe gesagt, ich warne vor einer Euphorie - der Euphorie, die auch heute überall herrscht, als sei dieses Instrument in der Lage festzustellen, dass das Tier nicht - überhaupt nicht - BSE-infiziert ist.

Meine Damen und Herren, wir müssen einfach feststellen, dass der zum Einsatz kommende Schnelltest ausschließlich das Gehirnmaterial klinisch an BSE erkrankter Rinder von dem gesunder Rinder unterscheiden kann. Nichts anderes kann er. Das heißt, wenn das Tier nicht klinisch im Gehirn erkrankt ist, kann der Test keine Aussage darüber machen, ob das Tier nicht doch schon im Laufe der Inkubationszeit erkrankt ist. Meine

Damen und Herren, nehmen wir das zur Kenntnis. Machen wir der Öffentlichkeit nicht vor, als sei das eine 100-prozentige Garantie für die BSE-Freiheit der Tiere.

Gleichwohl habe ich gesagt: Da die Öffentlichkeit weiterhin ein Stück mehr Sicherheit haben will, werden wir das Untersuchungsprogramm auch auf ältere Rinder ausdehnen. Aber es macht weiß Gott keinen Sinn zu sagen, jedes Rind müsse untersucht werden. Auch in Großbritannien hat es über die ganze Zeit der BSE-Thematik kein Rind gegeben, das unter 24 Monate alt war und an BSE erkrankt war. Deshalb sollten wir nicht jedem Blödsinn nachlaufen, der da in der Öffentlichkeit erklärt wird, meine Damen und Herren. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der SPD - Frau Harms [GRÜNE]: Dürftiger Beifall! Das finde ich auch in Ordnung!)

Zum selben Punkt hat der Abgeordnete Kethorn ums Wort gebeten.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich meine, im Ziel sind wir uns nach diesen Beiträgen alle einig, dass der Verbraucherschutz für Landtag und Landesregierung einen sehr hohen Stellenwert hat und dass wir auch durchaus bestrebt sind, dass qualitativ hochwertiges Rindfleisch angeboten wird.

Aber wie sieht die politische Situation tatsächlich aus? Welches politische Handeln steckt dahinter? Dazu möchte ich noch zwei Bemerkungen machen.

Es gibt verschiedene Pressemitteilungen des Ministers Bartels, der die Isolation Frankreichs fordert, der ebenso die Kommission auffordert, die Notbremse zu ziehen, damit das Gleichheitsprinzip gewahrt bleibt und auch für Frankreich ein Importstopp verhängt wird. Herr Minister, Sie fordern auch die EU-weite Kennzeichnungsregelung.

Dennoch müssen wir hier heute feststellen, Ihr Einfluss auf bundesdeutscher Ebene oder auf europäischer Ebene ist gleich null. Ihr Einfluss auf den Bundeslandwirtschaftsminister ist ebenso gleich null. Mit Ihren Forderungen sind Sie absolut nicht durchgedrungen. Nun wissen wir selber nicht: Sollen wir Sie in dieser Situation bedauern oder

auch nicht? Aber wir müssen feststellen, dass Sie sich nicht durchgesetzt haben.

Weil Sie sich nicht durchgesetzt haben, gibt es ein fatales Ergebnis für die Landwirte im Lande Niedersachsen ebenso wie für die Verbraucher. Uns nun vorzuwerfen, wir würden mit unserem Antrag für die Aktuelle Stunde Schaumschlägerei machen, weise ich zurück. Wir wollen mit unserer Initiative Sie letztendlich unterstützen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Möhrmann?