Es geht nicht nur um Rechtsbewusstsein bei unserer kommunalen Selbstverwaltung, sondern es geht auch um Demokratieverlust. Wo Menschen über ihre ureigenen Angelegenheiten vor Ort entscheiden könnten, dort nehmen Sie die Luft zum Atmen, dort nehmen Sie das Geld, mit dem die Haushalte vernünftig aufgestellt werden könnten.
Es ist eine lange Kette von Handlungen der Landes- und der Bundesregierung, die in den letzten Monaten zulasten der Kommunen getroffen wurden: ob die Änderungen beim 630-DM-Gesetz, ob die Familienförderung, bei der Eigenheimzulage, ob bei der originären Arbeitslosenhilfe. Alles zusammen genommen ergibt eine zusätzliche Belastung der Kommunen in Niedersachsen durch Steuermindereinnahmen im Jahre 2001 von netto bis zu 900 Millionen DM. Die Regelungen, die jetzt in Berlin zur Entfernungspauschale, zu Heizkostenzuschüssen diskutiert werden, ergeben eine Belastung der Kommunen durch Steuermindereinnahmen von 56 Millionen DM.
durch andere bezahlen. Nicht der, der die Musik bestellt, muss sie bei der SPD bezahlen, sondern derjenige, der gar nicht an den Entscheidungsprozessen beteiligt ist. Das ist in der deutschen Politik im Verhältnis zu Kommunen, zu Städten und Landkreisen nicht mehr akzeptabel.
Man kann, wenn man so die Wochen über die kommunalen Verbandsblätter liest, quasi auf jeder zweiten Seite finden, dass wieder einmal mit kleinen oder großen Schritten kleine oder große Beträge vorenthalten werden. Der Finanzminister ändert jetzt die Auszahlungstermine bei der Beteiligung der Kommunen an bestimmten Steuereinnahmen wie der Einkommen- oder Umsatzsteuer. Das sind wieder Liquiditätsvorteile, die sich alleine das Land zulasten der Kommunen sichert. So kommt eine Million zur nächsten, und am Ende ist die kommunale Selbstverwaltung ausgehöhlt und nicht mehr leistungsfähig.
Die Landesregierung wäre verpflichtet, im Bundesrat die Interessen der Kommunen mit wahrzunehmen, die ja dort keine eigene Stimme haben. Aber stattdessen wird Niedersachsen im Bundesrat wie ein Ochs am Nasenring durch den Saal geführt, weil man bis heute nicht weiß, wie das EXPODefizit durch den Bund mit abgedeckt wird. Auch das ist eine ungewöhnliche Form des Umgangs, dass während der EXPO in die Öffentlichkeit in alle herumstehenden Mikrofone gesagt wurde: „Am 1. November, wenn die EXPO vorbei ist, teile ich als Ministerpräsident mit, wie wir das Defizit aufteilen.“ Jetzt ist nach unserem Kalender der 1. November fast zwei Wochen vorbei. Bis heute ist keine Mitteilung erfolgt, ob der Bund die Hälfte trägt, zwei Drittel trägt, drei Viertel trägt oder - wie die Grünen sagen, jedenfalls in Niedersachsen - 90 % trägt.
(Adam [SPD]: Herr Wulff, Herr Wulff, da gehen Sie auf ein Niveau tiefster Art herunter! - Widerspruch bei der CDU)
- Jetzt müssen wir Ihnen einen Moment Redezeit einräumen, damit Sie eben mal sagen, wie es wirklich ist.
- Wenn ich Ihnen jetzt von unserer Fraktion noch fünf Minuten Redezeit gebe, wird das schon möglich sein.
Wir reden hier häufig über so viel Unwichtiges, das muss ich einmal sagen. Dann ist die Frage, wie sich die 2.400 Millionen DM Defizit auf Niedersachsen und Berlin verteilen, keine Frage von minderer Bedeutung.
Sie werden verstehen, auch wenn Sie hier die Mehrheit haben, habe ich durchaus die Berechtigung, hier als Minderheit die Frage zu stellen, wie das denn wohl aufgeteilt wird, wer wie viel trägt.
Solange das nicht geregelt ist, ist Niedersachsen möglicherweise gar nicht in der Lage, bei kostenwirksamen Gesetzen die Interessen des Landes Niedersachsen und seiner Kommunen wirksam zu vertreten.
Fakt ist heute, dass die dritte Klage der Kommunen gegen den Finanzausgleich anhängig ist und dass die FAG-Kommission, die mit großem Theaterdonner eingesetzt wurde, zu keinerlei Ergebnis zwischen Land und Kommunen gekommen ist. Man könnte es auch anders machen. Man kann es auch besser machen.
Es gibt jetzt eine mühsam erstellte Vergleichsrechnung, in der der von uns zuletzt zu verantwortende kommunale Finanzausgleich mit den Berechnungsgrundlagen von 1990 den von Ihnen vorgenommenen Änderungen der Berechnung für das Jahr 2001 gegenübergestellt worden sind. Ich bin froh, dass Sie alle sitzen, sodass keiner umfallen kann. Da stellt man nun fest, dass die Differenz zwischen den Berechnungsgrundlagen der letzten CDU-geführten Landesregierung und der heute amtierenden Landesregierung im kommenden Jahr sage und schreibe 1,169 Milliarden DM - das sind 1.169 Millionen DM - umfasst, die Sie dem kommunalen Finanzausgleich vorenthalten. Die Folgen davon kann man bei der Finanzausstattung der Kommunen sehen, kann sie mit Händen greifen.
Es sind die vielen kleinen Nickeligkeiten, mit denen Sie unsere Kommunen im Stich lassen. Die Personalkostenzuschüsse des Landes für Kindergärten haben Sie mit einem festen Betrag in den kommunalen Finanzausgleich überführt. Die Personalausgaben steigen aber alljährlich. Ihr Festbetrag bleibt allerdings unverändert.
Die Landesregierung legt Programme auf und verteilt Wohltaten, aber immer nur für gewisse Jahre. Danach bleiben die Kommunen auf den Folgekosten und Gesamtkosten hängen, wenn die Anschubfinanzierung nicht mehr greift.
Die ureigene Landesaufgabe Radwegebau haben Sie mal mit einem Modellversuch angefangen, wobei derjenige mehr Radwege dazu bekommt, der etwas dazu bezahlt. Heute ist es so, dass die Kommunen auf 50 % der Kosten hängen bleiben. Während früher bei fünf Mal höheren Ansätzen immer kritisiert wurde, dass wir nicht genug für den Radwegebau täten, tun Sie weniger und lassen es auch noch durch 50 % kommunalen Anteil gegenfinanzieren.
Sie versprechen Internetanschlüsse für jede Schule. Aber die Kosten für Geräte, für Software und für Einweisung überlassen Sie den kommunalen Schulträgern, insbesondere die Netzkosten, sodass der Internetanschluss allein die Situation im Bereich unserer Schulen und der kommunalen Schulträger nicht löst.
1987 hatte die damalige CDU-Regierung ein Programm „Computer an Schulen“ aufgelegt und mit erheblichen finanziellen Zuschüssen des Landes eine originäre kommunale Aufgabe bezuschusst und unterstützt. Sie machen genau das Gegenteil. Sie lassen inzwischen selbst Landes- und Bundesaufgaben zum Teil von den Kommunen bezahlen, obwohl Sie da wirklich verpflichtet wären, das ganz allein zu finanzieren.
Es gibt eine sehr beeindruckende Aufgliederung des Landkreises Wittmund, in der er zu dem Ergebnis kommt, dass er als Landkreis mit gut 55.000 Einwohnern alljährlich 6,5 Millionen DM aufwenden muss, um originäre Landes- und Bundesaufgaben zu finanzieren, für die er eigentlich gar nicht zuständig wäre. Die Kostenträgerschaft bei Programmen des Landes zu übernehmen, ist eine Zumutung. Das ist Ihre Aufgabe, wenn Sie kommunalisieren. Auch daran werden wir Sie erinnern.
Wer die Kommunen weiter ständig finanziell ausbluten lässt, dem muss dann - das ist wohl hier im Landtag nicht möglich, aber an anderer Stelle notwendig - die rote Karte gezeigt werden.
Es ist für unsere Fraktion außerordentlich empörend, wenn jetzt seitens des Innenministers ein Bericht des Statistischen Landesamtes mit Datum vom 10. November zur Verfügung gestellt wird, in dem es heißt, der Bericht zeige, dass der kommunale Finanzausgleich in Niedersachsen optimale Wirkungen zugunsten finanzschwacher Kommunen erreiche. Die Stellungnahmen der Vertreter der kommunalen Spitzenverbände sagen genau das Gegenteil. Hier ist ein Konfliktfeld. Hier läuft eine Linie zwischen dem, was Sie tun, und dem, was die kommunale Ebene will, sodass wir uns in den nächsten Monaten bei diesem Thema weiter kräftig streiten werden. Wir werden Sie gemeinsam mit den Kommunen von Ihrem kommunalfeindlichen Weg der Landespolitik abbringen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über die summarische Beurteilung der Kommission dürfte es eigentlich keinen großen Streit geben. Es ist relativ klar: Ein Konsens, ein Einvernehmen zwischen Land und Kommunen oder auch nur eine mit Bauchgrimmen erfolgte Akzeptanz ist sicherlich nicht erreicht worden. Demgegenüber ist aber durchaus eine ganze Reihe von Daten erhoben worden. Die Diskussionsgrundlage ist verbreitert, vertieft worden, sodass wir inzwischen eine ganze Reihe von Einzelfragen sehr viel sicherer beurteilen können. Von daher kann man sicherlich sagen, dass diese Kommission durchaus nützlich gewesen ist.
Wir lehnen den Entschließungsantrag der SPDFraktion ab, weil er nach außen zu erkennen gibt oder deutlich machen will: Es ist alles in Ordnung, und wir können so weitermachen wie bisher. Das ist aber zweifellos nicht der Fall.
Ich sage aber auch deutlich: Wir lehnen auch den Entschließungsantrag der CDU-Fraktion ab, weil er sich eigentlich zu 100 % auf die Linie der kommunalen Spitzenverbände stellt. Herr Wulff, wir haben uns in unserer Fraktion schon vor langer
Zeit entschieden, Oppositionspolitik auch immer unter dem Gesichtspunkt der finanziellen Rahmenbedingungen zu betreiben und keine Luftschlösser zu bauen. Von daher kann es einfach nicht sein, dass wir da Ihrer Auffassung folgen. Wenn ich höre, welche Forderungen Sie entwickelt haben, und wenn ich auch an den Katalog denke, den Sie im Zusammenhang mit der Förderung des ländlichen Raums zusammengetragen haben, dann sind das alles sehr viele schöne und sinnvolle Geschichten, aber mir fällt dazu nur Franz Beckenbauer ein, der ganz naiv fragt: „Haben wir denn schon Weihnachten?“ Das ist nämlich nicht mehr als ein Wunschzettel.
Ich möchte unsere Position und unsere Bewertung der Arbeit der Kommission in vier Thesen zusammenfassen.
Zunächst die These zum vertikalen Finanzausgleich. Da sagen wir: Der kommunale Finanzbedarf wird nicht, wie theoretisch vorgesehen, aufgabenbezogen ermittelt, sondern er orientiert sich vorrangig an der vom Land für entbehrlich gehaltenen Summe - ein Restbeitrag oder Restposten. Das wird an verschiedenen Einzelpunkten, die wir diskutiert haben, deutlich. So kann man sicherlich nicht den Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung, der eindeutig ist, dadurch aushebeln, dass man einfach die Verteilungssymmetrie auf den Bereich der kommunalen Pflichtausgaben ausdehnt. Auch die diskutierte U-Rohr-These, die ja nichts anderes bedeutet als „Das, was ich dir in die rechte Tasche hineinstecke, nehme ich dir aus der linken Tasche heraus“, kann nicht Basis einer Verhandlung sein.
Die Erstattung der EDV-Kosten oder der Streit um die Herausnahme der Asylbewerberkosten, all das ist letzen Endes dieser These geschuldet, den Betrag insgesamt nicht aufzustocken, sondern auf der Höhe der für entbehrlich gehaltenen Summe zu halten. Das kann es meines Erachtens auch nicht sein.
Die Unterdeckung von knapp 1,3 Milliarden DM durchschnittlich kann nicht Normalität bleiben. Selbst bei einem Verzicht auf alle freiwilligen Aufgaben in den Gemeinden bliebe ein Defizit von 700 Millionen DM, ganz abgesehen davon, dass die Erfüllungsdefizite, die sich daraus ergeben,
dass ausgabenbezogen und nicht aufgabenbezogen ermittelt worden ist, noch gar nicht berücksichtigt sind.
Ich glaube, wir müssen unbedingt darauf achten, dass insbesondere im Bereich der übertragenen Aufgaben die Kostenuntersuchung, die 1996 durchgeführt worden ist und die auch einen relativ guten Ansatz bietet, weitergeführt wird, um da den Datenanschluss zu erreichen. Wir brauchen auch ein neues Projekt. Wir brauchen ein Projekt, dass daran arbeitet, wirklich den Finanzbedarf der Kommunen aufgabenbezogen zu ermitteln.
These 2 zum horizontalen Finanzausgleich. Da sage ich: Es gibt kein allgemein gültiges Ausgleichssystem, das gemeindescharf letzte Gerechtigkeit schafft. Der Versuch, über Sondertatbestände mehr Gerechtigkeit zu schaffen, endet regelmäßig mit neuen Verwerfungen und mit der von uns nicht gewünschten Abschwächung der Ausgleichswirkungen. Wir haben das auch an verschiedenen Beispielen praktiziert. Trotz allgemeiner Unzufriedenheit ist es nicht gelungen, eine bessere Lösung für die Anrechnung der Sozialhilfeaufwendungen zu finden.
Bei der Bewertung der Steuerkraft mussten wir feststellen, dass es letzten Endes nur darauf hinausliefe, die Finanzprobleme der Städte auf dem Rücken der strukturschwachen Gemeinden zu lösen. Auch das kann es nicht geben.
Wir hatten ein Patt bei der Bewertung des Flächenoder Dichteansatzes. Wir haben feststellen müssen, dass die Einwohnerveredelung inzwischen finanzwissenschaftlich nicht mehr haltbar ist, also auch auf den Prüfstand gehört.
Mein Schluss daraus ist: Wir müssen zu noch sehr viel einfacheren und sehr viel transparenteren Lösungen kommen. Mir schwebt vor, lediglich noch einen Finanzausgleich über einen kombinierten Flächen- und Personenmaßstab zu machen und darüber hinaus Mittel vorzuhalten, um besonderen Finanzsituationen gerecht werden zu können, wobei ich dann die Vorstellung habe - damit das Ganze nicht zu einer Spielwiese für die Regierung und die Regierungsfraktion wird -, dass man dann auch eine entsprechende Beteiligung der Kommunen organisiert.