Protokoll der Sitzung vom 16.11.2000

Bitte schön, Herr Kollege Rolfes!

Herr Präsident, wir wollen das Verfahren nicht lange aufhalten.

(Heiterkeit bei der SPD)

Ich will nur zur Güte anbieten, dass ich die Fragen gern wiederhole, wenn der Herr Minister diese nicht verstanden hat.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU)

Ich schlage abseits aller Geschäftsordnungsfragen einen Kompromiss vor. Fragen Sie doch einmal den Minister, ob er Ihnen die fünf Fragen, die Sie gestellt haben, schriftlich beantwortet. Diese Möglichkeit gibt es ja auch.

(Schurreit [SPD]: Das ist eine gute Möglichkeit!)

Der Herr Minister nickt, also wird das möglich sein.

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen für Zusatzfragen liegen nicht vor. Damit ist der Tagesordnungspunkt 16 erledigt.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 17: Zweite Beratung: Anreizsystem für eine umweltfreundliche und sichere Seeschifffahrt vor Niedersachsens Küste - Antrag der Fraktion der SPD Drs. 14/1573 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Häfen und Schifffahrt - Drs. 14/1976

Dieser Antrag wurde in der 49. Sitzung am 10. Mai 2000 an den Ausschuss für Häfen und Schifffahrt überwiesen. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Der Kollege Haase hat das Wort. Bitte schön!

(Unruhe)

- Meine Damen und Herren, ich wäre Ihnen dankbar, wenn jetzt wieder etwas Ruhe eintreten könnte, damit wir uns dem Tagesordnungspunkt auch akustisch widmen können. Die Unterhaltungen können eingestellt oder draußen fortgesetzt werden. - Herr Kollege, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der weltweite Schiffsverkehr nimmt - das ist unbestritten - ständig zu. Tausende von Schiffsbewegungen in der deutschen Bucht mit inländischen und ausländischen Zielhäfen beweisen das sehr deutlich. Diese Entwicklung wird sich nach allen Prognosen auch in der Zukunft fortsetzen. Die Entscheidung für einen Tiefwasserhafen in Niedersachsen beruht nicht zuletzt darauf. Diese Verkehre werden allerdings in der Öffentlichkeit in der Regel kaum wahrgenommen. Aufmerksamkeit gibt es erst dann, wenn es zu spektakulären Ereignissen kommt. Ich erinnere an die Unglücke der Schiffe „Pallas“ und „Erika“. Diese Unglücke, aber auch kleinere Zwischenfälle lassen häufig Sicherheitsmängel bei den Schiffen erkennen und verursachen ebenso häufig gravierende ökologische Schäden. Für die SPD-Fraktion war dies Anlass zu der heute zu verabschiedenden Entschließung, mit der der Weg für ein Anreizsystem für eine umweltfreundliche und sichere Seeschifffahrt vor Niedersachsens Küste bereitet werden soll.

Meine Damen und Herren, diese Diskussion ist im Übrigen nicht neu. Seit Anfang der 90er-Jahre gibt es Hafentarife, die nach Umwelt- und Sicherheitsstandards differenzieren. Beispielsweise erhalten Doppelhüllentanker in allen EU-Häfen deutliche Rabatte bei den Hafengebühren. Diese Diskussion ist nicht auf Niedersachsen beschränkt. Zum Beispiel in Hamburg wird intensiv über ein so genanntes Bonus-Malus-System diskutiert. Eine Konferenz unter dem Titel „Green Shipping“ hat Anfang dieses Jahres stattgefunden, auf der das Für und Wider solcher Anreizsysteme beleuchtet wurde. In Nachbarländern wie z. B. in den Niederlanden - ich erinnere an den Hafen Rotterdam mit seinem Green-award-system, nach dem Schiffe zertifiziert werden können, wenn sie einen bestimmten Katalog erfüllen - oder in Schweden, wo die Abgasqualität zum Gebührenmaßstab erhoben worden ist, sind Rabattkonzepte unter verschiedenen Kriterien verwirklicht worden.

Erreichen wollen wir mit dieser Entschließung einen schnelleren Weg zum maritimen Umwelt

schutz, indem wir umweltschonende Investitionen, wie z. B. doppelte Schiffsböden oder abgasmindernde Katalysatoren, für die Reeder rentierlich machen. Indem der Anreiz über ein Bonus-MalusSystem bzw. Rabattsystem bei den Hafengebühren organisiert wird, könnte es aus Sicht der Hafenbetreiber auch weitgehend kostenneutral gestaltet werden.

Wir müssen allerdings aufpassen, meine Damen und Herren, die Wettbewerbschancen unserer niedersächsischen Häfen nicht negativ zu gestalten; denn unsere Häfen stehen tagtäglich auf einem hart umkämpften Markt in scharfer nationaler, aber besonders auch internationaler Konkurrenz. Es kann nicht im Sinne einer verantwortlichen Politik sein, hier die Chancen unserer Häfen zu vermindern.

Gleichzeitig muss jedem bei dieser Diskussion klar sein, dass es gerade beim Sicherheitsaspekt, aber auch im Umweltbereich internationale Regeln der IMO und andere Vereinbarungen gibt, die es einzuhalten gilt, die auch nicht national unterlaufen werden können und nach meiner Meinung auch nicht unterlaufen werden sollen.

Es ist deshalb nach unserer Meinung richtig, wenn die Landesregierung zwar entsprechende Konzepte für die niedersächsischen Häfen entwickelt und prüft, aber gleichzeitig natürlich die Kooperation mit den anderen deutschen Küstenländern in dieser Frage sucht, um idealerweise ein verbindliches und einheitliches System für die deutsche Küste zu realisieren bzw. - weiter gedacht - mit den anderen Nordseeanrainern auf europäischer Ebene für die gesamte Nordsee.

Dankbar bin ich dafür, dass die Diskussion über die SPD-Entschließung im zuständigen Fachausschuss sehr sachlich und - das kann ich wohl sagen - mit hoher Kompetenz stattgefunden hat und sie letztlich im Einvernehmen aller Fraktionen heute verabschiedet werden kann. Die heutige Entschließung kann und sollte meiner Meinung nach ein wichtiger Anstoß in Richtung einer umweltfreundlichen und sicheren Seeschifffahrt an unseren Küsten sein, die angesichts der zukünftigen - ich sagte es schon - mengenmäßigen Entwicklung der Schifffahrt aber auch dringend nötig und nach meiner Meinung geboten ist. Ich bitte um die Zustimmung zu dieser Entschließung. - Danke.

(Beifall bei der SPD - Buß [SPD]: Ei- ne sehr gute Rede mit hoher Sach- kompetenz!)

Herr Kollege Ontijd, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Haase, Sie haben hier von der Zunahme der Seeschifffahrt gesprochen, wodurch wir aufgefordert sind, etwas zu tun. Aber dieses Tun hat zwei Seiten. Wenn man zuständig ist, kann man eher Erforderliches schaffen, als wenn man nur wie wir hier im Landtag seinen Beitrag leisten kann.

Der uns in zweiter Beratung vorliegende Antrag der SPD-Fraktion, ein Anreizsystem für eine umweltfreundliche und sichere Seeschifffahrt voranzutreiben, ist auch nach seiner Änderung als Denkanstoß zu verstehen - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Mit anderen Worten: Der von den drei Fraktionen des Hauses gemeinsam getragene Antrag gilt als Auftrag an die Landesregierung, Handlungsspielräume zu schaffen. Inzwischen ist wohl klargestellt, dass ein Alleingang Niedersachsens nicht infrage kommen kann, den man beim ersten Antragstext wohl noch vermuten konnte, wenn man ihn interpretieren wollte.

Der Wirtschaftsminister, Herr Fischer, hat deshalb bei der ersten Beratung im Mai im Plenum auch betont, dass unsere niedersächsischen Seehäfen, Herr Adam, einem harten Wettbewerb ausgesetzt sind, dem sie sich zu stellen haben. Dabei ist vorrangig die Kosten-Nutzen-Frage zu beachten. Das hat auch der Kollege Haase eben noch einmal betont.

Im Fachausschuss selbst wurde ebenso deutlich, dass Hafengebühren für umweltfreundliche und sichere Anreize nicht allein ausschlaggebend sein können. Sie machen bestenfalls 6 bis 7 % der Gesamtkosten einer Transportkette aus. Abzüglich des Umschlaggeldes an die Hafenwirtschaftsunternehmen für ihre Dienstleistungen belaufe sich - so ist dort vom Ministerium gesagt worden - der Anteil des Hafengeldes gerade mal auf zwei Promille, wie immer sich das dann in einem Geldbetrag ausdrücken kann. Das ist also ein Tropfen auf den heißen Stein, mit dem nicht allzu viel erreicht werden kann.

Vor diesem Hintergrund wird man ein durchgreifendes Anreizsystem über Hafengelder wohl nicht bewerkstelligen können, wenngleich Ansätze in Hamburg zu erkennen sind, die aber auch nicht durchgreifend sind. Bis jetzt kann man jedenfalls von einer echten Verbesserung nur bei den Doppelbödentankern oder Doppelbödenschiffen sprechen. Deshalb ist nach meinem Dafürhalten hier der Ansatz zu suchen, also beim Schiffsbau selbst. Das heißt aber zugleich, dass die Bedingungen nur international zu organisieren sind. Hier wird die gespreizte Hafengebühr dann auch praktiziert, und hier kommt sie mehr zum Zuge. Bei solch durchgreifenden Verbesserungen im Schiffsbau selbst wäre etwa auch das Problem der Ausflaggung in den Griff zu bekommen.

Man muss auch einmal darüber nachdenken, inwieweit man über neue Konzepte zu Abwrack- und Abschreibungsmodellen kommen kann, die aber auch nur international zu sehen sind. Das ist der richtige Ansatz, wenn man durchgreifend Verbesserungen auf den Weltmeeren will. Alle übrigen bereits getroffenen Sicherheits- und Umweltmaßnahmen - vom Schiffsanstrich über Besetzungsverordnung oder auch Entsorgung von Schiffsmüll - helfen zwar mit. Sie sind jedoch nur Teillösungen und auch Kostenfaktoren; das muss man hierbei immer wieder berücksichtigen.

Der Auftrag an die Landesregierung kann deshalb nur lauten: Machen Sie von der Landesregierung Druck in Brüssel und auf den internationalen Konferenzen bei der IMO usw. Machen Sie Druck vor allem aber auch bei der rot-grünen Bundesregierung in Berlin, in Sonderheit beim Bundesumweltminister, den wir aus seinen Landtagszeiten genügend kennen. Hier hat er immer feste Druck machen wollen, in Berlin spürt man wenig. Das konzentriert oder reduziert sich dann auf eine Frage, die er immer wieder stellt, oder auf den Spruch, den er loslässt, dass für sicherheitsgefährdende Schiffe ein Hafenanlaufverbot an unseren deutschen Seehäfen gelten müsse, was dann natürlich den Tod unserer Häfen bedeuten würde.

(Buß [SPD]: Na, na, na!)

Wenn nicht mehr von Herrn Trittin kommt, dann sage ich Ihnen, machen Sie mal richtig Druck bei der rot-grünen Regierung in Berlin.

(Zustimmung bei der CDU)

Es wird sehr viel schwerer werden, eine sicherheits- und umweltfreundliche Definition zu

finden, die weltweit, aber zumindest - Herr Haase hat es auch gesagt - europaweit umzusetzen ist.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Adam?

Herr Kollege Ontijd, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie auch bereit sind, sicherheitsgefährdete Schiffe in unsere niedersächsischen Häfen aufzunehmen?

(Buß [SPD]: Wir nicht! Wir wollen das nicht!)

Soweit wir die Sicherheitsprüfungen dann leisten können, kann man darüber nicht nur nachdenken, sondern auch handeln. Aber Sie wissen genauso gut wie ich, dann wird die Kosten-Nutzen-Frage wieder auf den Tisch kommen. Mir geht es darum, dass die niedersächsischen Seehäfen und die deutschen Seehäfen eine Chance im internationalen Wettbewerb behalten.

(Zustimmung bei der CDU - Buß [SPD]: Nein! So weit darf es nicht gehen!)

Die Schiffsunglücke in der Biskaya, aber auch anderswo machen uns deutlich: An unseren Küsten muss etwas passieren. Wir fordern deshalb auch förmlich die Bundesregierung, aber auch die Landesregierung zum zügigen Handeln mit nachhaltigen Maßnahmen auf. Deshalb - nur allein deshalb! - unterstützt die CDU-Fraktion diesen Antrag. - Herzlichen Dank.

Herr Minister, bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ontijd, Sie hatten eigentlich ganz gut angefangen, aber wahrscheinlich ist es Aufgabe eines Oppositi

onspolitikers, dann irgendwo noch Differenzen zu finden, damit die Welt geordnet ist.

Wir stehen vor folgender Situation. Wir haben zur Kenntnis zu nehmen, dass die internationalen Meere als Verkehrsstraßen ohne Alternative sind. Wir wollen aus norddeutscher und niedersächsischer Sicht auch, dass sich das erweitert. Herr Haase hat darauf hingewiesen, wie es mit dem Tiefwasserhafen weitergehen soll. Wenn wir das aber wollen, dann müssen wir gleichzeitig dafür sorgen, dass diese Verkehrsstraßen auch sicher befahren werden. Darin steckt das Problem.

(Haase [SPD]: So ist es!)

Das Problem steckt darin, dass schon bei kleineren Unfällen - ich will das einmal auf den Punkt bringen - wie bei der „Pallas“ große öffentliche Aufmerksamkeit erreicht wird, obwohl aus diesem Kahn damals weniger als 200 Tonnen Öl ins Wasser gelaufen ist. Jedes Jahr werden aber 35.000 Schiffsbewegungen in der Deutschen Bucht vorgenommen. Diese Schiffe fahren nicht mit ein paar Tonnen herum, sondern die Tankerschiffe, die dort fahren, fahren mit Zehntausenden von Tonnen herum. Vor dem Hintergrund ist das eines der ernsthaftesten Themen, mit denen sich der Niedersächsische Landtag befassen muss. Das haben wir zur Kenntnis zu nehmen.

(Beifall bei der SPD)