Protokoll der Sitzung vom 16.11.2000

(Beifall bei der SPD)

Ich bin in der letzten Woche bei einem Planspiel der Bezirksregierung und der Bundeswehr in Oldenburg gewesen. Die haben einmal durchgespielt, was es bedeutet, wenn es in der Deutschen Bucht zu einer Havarie kommt. Das war nicht der Worstcase, den die dort veranstaltet haben, sondern die haben zugrunde gelegt, dass dort zwei Schiffe zusammenstoßen und bei der Gelegenheit lediglich 15.000 Tonnen auslaufen. Das ist nicht viel für das, was bei der Größe der Schiffe, die dort bewegt werden, möglich wäre. Bei dem Planspiel, das dort theoretisch stattgefunden hat, hat alles funktioniert: Die Zusammenarbeit der Behörden hat richtig gut funktioniert. Das Ergebnis der Veranstalter lautete aber, dass wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass jede Havarie in der Deutschen Bucht ein Frontalangriff auf das Niedersächsische Wattenmeer, ein Frontalangriff auf die niedersächsische Fischereiwirtschaft und ein Frontalangriff auf den Tourismus auf den Inseln und an der Nordseeküste ist. Das ist es, was uns bewegt, meine Damen und Herren.

(Wernstedt [SPD]: Ein erfolgreicher Frontalangriff!)

- Es wäre ein erfolgreicher Frontalangriff mit weitreichenden Konsequenzen über eine Reihe von Jahren hinweg. - Selbst wenn die Dramaturgie des Katastrophenschutzes nicht voll greift, ist das zumindest für die Bereiche, die ich soeben genannt habe, wenigstens für mehrere Jahre folgenreich. Deshalb muss es unsere Aufgabe sein, das in dem Sinne miteinander zu verzahnen: Schiffsverkehr ja, aber Erhöhung der Sicherheit. - Das, was der Landtag hier heute beschließen will, ist ein Baustein davon. Meine Vorredner haben natürlich recht, dass die wichtigen Bausteine auf internationaler Ebene verhandelt werden, wenn es z. B. darum geht, die Haftungsfragen anders zu regeln. Beim "Pallas"-Unglück hat der Schiffseigner 3,3 Millionen DM über seine Versicherung bei gesteuert bei einem Gesamtkostenaufwand von 30 Millionen DM, den diese Havarie verursacht hat.

(Haase [SPD]: Das sind nur 10 %!)

Dann geht es um die Frage, wie wir damit umgehen, dass das, was auf den Straßen normal ist, nämlich dass ein TÜV dafür sorgt, dass die Fahrzeuge strickt kontrolliert werden, auch auf den Wasserstraßen gewährleistet wird. Das muss drastisch optimiert werden? Das ist überhaupt keine Frage.

Dann wird es darauf ankommen, die Schiffe so auszugestalten, dass sie eben doppelt gesichert sind. Es gibt Staaten - z. B. die USA -, die diese Einhüllen-Tanker nicht mehr in ihre Häfen hineinlassen, meine Damen und Herren.

(Biallas [CDU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Biallas?

Ja, gerne.

Bitte schön!

Herr Minister, ich kann Ihre Ausführungen bisher nur unterstreichen. Nur wo Sie gerade gesagt haben, dass wir so etwas Ähnliches wie den TÜV einführen müssten, frage ich Sie: Wie stehen Sie denn dann zu dem Problem, dass der TÜV in Deutschland deutsche Autos überprüft, aber keinen Einfluss auf polnische, tschechische und österreichische Autos hat? Das ist in der Schifffahrt ja genau dasselbe. Können Sie sich vorstellen, dass die Sicherheit dadurch gewährleistet werden kann?

(Adam [SPD]: IMO! - Buß [SPD]: Germanischer Lloyd!)

Bitte sehr, Herr Minister!

Meine Damen und Herren, erstens gibt es internationale Veranstaltungen wie die IMO, die das zu veranstalten hat, und zweitens ist der Verkehrsweg Wasser ein Weg, auf dem der Austausch des Mediums in ganz anderer Weise als auf der Straße stattfindet. Wir haben einfach zur Kenntnis zu nehmen, dass die Situation dort noch brisanter ist. Vor dem Hintergrund ist es gut, dass die Bundesregierung daran gegangen ist, z. B. die internationalen Verträge, die in den 90er-Jahren über Jahre hinweg liegen gelassen worden sind, jetzt endlich in das Ratifizierungsverfahren zu geben. Auch daran möchte ich erinnern.

(Buß [SPD] - zur CDU -: Das sind eu- re Versäumnisse!)

Ich finde es gut, dass uns der Landtag einen weiteren Auftrag erteilt. Er knüpft an an das, was der Wirtschaftsminister unter seiner Federführung in den letzten Jahren bereits betrieben hat und worauf ich aus Umweltsicht ebenfalls ein waches Auge geworfen habe. Es wird darauf ankommen, die Schiffssicherheit dramatisch zu erhöhen, um die Lebensqualität in Niedersachsen auf Dauer zu sichern.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Klein, bitte schön.

(Buß [SPD]: Keine Seelenverkäufer in unser Häfen, hast du gehört!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ontijd, es scheint immer noch ein bisschen weh zu tun, eine gute Geschichte einfach einmal einstimmig zu verabschieden. Man muss dann wohl immer noch bohren, ob man nicht noch den Wurm in der Suppe findet. Ich glaube, dass das unnötig ist.

(Biallas [CDU]: Du brauchst doch den Trittin nicht in Schutz zu nehmen!)

Ich begrüße ausdrücklich, dass es gelungen ist, hier zu einem einvernehmlichen Ergebnis zu gelangen. Ich habe selten erlebt, dass eine Konferenz - sie ist angesprochen worden; diese Green-shippingKonferenz, die von dem Kollegen Porschke in Hamburg veranstaltet worden ist - derartig schnell Ergebnisse gezeitigt hat. Ergebnisse, die allerdings - das muss man auch sagen - in Hamburg und Bremen noch schneller aufgenommen und umgesetzt worden sind. Ich finde es sinnvoll, dass wir hier jetzt die Gunst der Stunde nutzen, die sich auch über die neue Zusammenarbeit zwischen Hamburg, Bremen und Niedersachsen ergibt, um möglichst schnell zu Ergebnissen zu gelangen. Ich meine, dass das dann, wenn man die Ressourcen effektiv einsetzen will und die Kräfte bündeln will, sinnvoll ist und die Umsetzungschancen einer solchen Kooperation und einer solchen Maßnahme erhöht.

Ich möchte aus gegebenem Anlass aber auch noch einmal sehr deutlich sagen, dass wir von der Landesregierung als Reaktion auf diesen Auftrag nicht hören möchten, wie es nicht geht und welche Schwierigkeiten es gibt, sondern vor allen Dingen wie es geht.

Wir haben an dem Beitrag des Kollegen Ontijd durchaus sehen können, dass die Liste der Schwierigkeiten, der Probleme und Bedenken, die man gegen eine solche Geschichte hat, dann sehr, sehr lang werden kann, wenn man etwas eigentlich nicht so recht möchte. So etwas wünsche ich mir auf keinen Fall. Ich wünsche mir auch auf keinen Fall einen Alleingang Niedersachsens in dieser Angelegenheit.

Herr Minister Jüttner, Sie haben in Ihrem Beitrag mit Ihren Ausführungen zum sicheren Schiff eher einen Randbereich dieses Themas gestreift. Im Zentrum dieses Antrags geht es ja um das umweltfreundliche Schiff, das durch entsprechende Anreizsysteme in den Häfen gefördert werden soll.

Die Umweltministerkonferenz hat im Juni dieses Jahres ein länderoffenes Pilotprojekt auf den Weg gebracht, das federführend von Hamburg und von Bremen bearbeitet wird. Die Umweltministerkonferenz hat ausdrücklich festgelegt, dass dort unter Nutzung und Berücksichtigung der schon vorhandenen Systeme ein Pilotprojekt gestaltet werden soll. Es soll wettbewerbsneutral sein, es soll einen minimalen Verwaltungsaufwand haben und es soll allen deutschen Seehäfen offen stehen, der gesamten Nordrange und allen Ostseehäfen. Es soll im Dialog mit den Umwelt- und Hafenverwaltungen entwickelt werden und es soll die Seeverkehrs- und Hafenwirtschaft mit einbezogen werden. Ich meine, dass darin eine hervorragende Chance liegt, das Rad in Niedersachsen nicht noch einmal selbst zu erfinden, sondern sich möglichst schnell einzuklinken und mitzuarbeiten, um möglichst schnell zu Ergebnissen zu gelangen.

Eine zweite Chance, die nach meinem Dafürhalten gegeben ist und auf die ich schon in der ersten Beratung hingewiesen habe, ist das „Ecoport“Netzwerk, das einige europäische Häfen gegründet haben, bei dem es darum geht, einen Austausch über Umwelttechniken und Umweltverfahren zu ermöglichen. Hierzu gibt es eine zweite Projektphase, die sich "Ecoport-2-network" nennt. Auch hier haben wir die Entwicklung zu verzeichnen, dass Hamburg als erster deutscher Hafen dazugestoßen ist und an diesem Projekt mitarbeitet. Insofern besteht auch hier wieder die Möglichkeit, Kräfte zu bündeln und Know-how zu nutzen, ohne dass es dafür eines riesigen Arbeitsaufwandes bedarf. Auch insoweit empfehle ich Ihnen, in Niedersachsen diese Chance zu nutzen und in diesem Netzwerk mitzuarbeiten. Ich meine, dass wir dann die Chance haben, relativ schnell zu guten und brauchbaren Ergebnissen zu kommen. Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Damit wir Komplikationen aus dem Wege gehen, darf ich eben schnell die Beschlussfähigkeit des Hauses feststellen. - Herr Kollege Schwarzenholz, Sie haben jetzt eine Redezeit von zwei Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der bisherigen Diskussion ist ein wesentlicher Aspekt des vorliegenden Antrags nicht erwähnt worden. Auf den will ich mich jetzt konzentrieren. Dabei geht es darum, dass der zuständige Ausschuss für Häfen und Schifffahrt eine Empfehlung abgegeben hat, die heute nicht zur Beschlussfassung vorliegt. Ich möchte jetzt erklären, warum sie nicht zur Beschlussfassung gekommen ist. Im Übrigen ist diese Empfehlung einstimmig - also auch mit den Stimmen der Grünen - beschlossen worden. Das halte ich für einen ziemlichen Skandal. In der Beschlussfassung und im Ursprungsantrag der SPD-Fraktion hieß es im ersten Absatz nämlich wie folgt:

„Alle Bemühungen zur Verbesserung des ökologischen und sicheren Schiffsbetriebes in den niedersächsischen Häfen... müssen in einem hart umkämpften Markt Rücksicht nehmen auf Gesichtspunkte des Wettbewerbs.“

Was hätte diese Äußerung, die vom Ausschuss für Häfen und Schifffahrt einstimmig beschlossen worden ist, bedeutet? - Sie hätte bedeutet - als wir das im Umweltausschuss beraten haben, standen wir unter dem Eindruck des Untergangs des griechischen Schiffes „Express Samina“ -, dass ökologische und Sicherheitsfragen zukünftig unter diesen Wettbewerbsaspekt unterzuordnen sind. Genau so stand es darin. Der Umweltausschuss hat sich daraufhin der von mir geübten Kritik angeschlossen und diesen Satz gestrichen. Sie haben immerhin so viel Courage gehabt, ihn nicht wieder aufzunehmen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, angesichts meiner Redezeit halte das für sehr unangemessen. - Jetzt ist es zu einer Beschlussempfehlung gekommen. Umwelt- und Sicherheitsstandards, also auch die Frage von Menschenleben. Es geht also nicht nur um Umweltprobleme. Sie, Herr Minister, hatten völlig Recht, als Sie gesagt haben: Der beste Umweltschutz ist die höchste Schiffssicherheit. - Natürlich muss ich da keine Kompromisse machen, und ich muss als Industrie

staat vorbildlich vorgehen. Das griechische Schiff „Express Samina“ wäre nicht untergegangen, und die Menschen wären nicht umgekommen, wenn Griechenland von der EU nicht Sonderstandards zugestanden worden wären, die nicht dem europäischen Sicherheitsstandard entsprechen.

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Kollege Buß, Sie haben jetzt noch einmal das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte hier nur eines richtig stellen. Wir haben diesen Antrag im Ausschuss zwei Mal beraten. Der Antrag, der hier jetzt zur Abstimmung ansteht, ist derjenige, der zum Schluss einstimmig beschlossen worden ist.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich schließe damit die Beratung.

Wir kommen nun zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Häfen und Schifffahrt in der Drucksache 1976 zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? Das ist einstimmig so beschlossen worden.

Ich rufe jetzt auf den Tagesordnungspunkt 18:

Tagesordnungspunkt 18: Besprechung: Situation von Menschen mit einer Behinderung in Niedersachsen - Große Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 14/1818 - Antwort der Landesregierung - Drs. 14/1974

Zu diesem Tagesordnungspunkt erteile ich das Wort zunächst der Kollegin Jahns. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion hat mit ihrer Großen Anfrage zur Situation von Menschen mit einer Behinderung die Landesregierung aufgefordert, die Situation im

Bereich der Behindertenpolitik in Niedersachsen zu erläutern. Für die ausführliche Beantwortung möchte ich mich bei der scheidenden Ministerin und ihrem Team bedanken. Sie haben sicherlich viel Mühe gehabt, was an der Anzahl der Seiten der Antwort zu erkennen ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns sicherlich darin einig, dass sich der Paradigmenwechsel im Umgang mit Menschen mit Behinderungen in den vergangenen Jahren in Niedersachsen sehr positiv entwickelt hat. Hierzu haben die Verbände der Behindertenhilfe, die Wohlfahrtsverbände und auch viele Einzelinitiativen erheblich beigetragen. Ich glaube, diesen gebührt unser aller Dank dafür, dass sich die Situation in Niedersachsen so sehr verändert hat. Aber dennoch bleibt viel zu tun. Auch nach der Beantwortung unserer Großen Anfrage bleiben noch viele Bereiche ungeklärt.

Wir stimmen mit der Landesregierung darin überein, dass in den letzten zehn Jahren einige Weichenstellungen im Bereich der Behindertenpolitik vorgenommen wurden und auch Erfolge erzielt worden sind. Dies haben wir auch in unserer Begründung anerkannt. Dass die Landesregierung als Erfolg der letzten zehn Jahre aber auch die Einführung des quotalen Systems als erstes positives Beispiel nennt, ist doch etwas unglaubwürdig; denn wir haben den Gesetzentwurf - Sie alle haben es ja mitbekommen - erst gestern beschlossen. In anderen Ländern hat man diese Aufgabe aber schon viel früher in Angriff genommen. In Niedersachsen hingegen hat es sehr lange gedauert, auch die Kostenträgerschaft in der Sozialhilfe zusammen zu führen. Gerade für Menschen mit Behinderungen schaffen wir aber hiermit ein Stück Gemeinsamkeit und Gerechtigkeit bezüglich der Inanspruchnahme von Leistungen.

Meine Damen und Herren, wir freuen uns auch über die Aussage der Landesregierung, dass die Landesbildungszentren für Blinde und Gehörlose erhalten bleiben. Ich hoffe nur, dass dies auch eine langfristige Zusage ist und auf Dauer Bestand hat. Nicht, dass wir bei den nächsten Haushaltsberatungen den selben Kampf wieder von vorn beginnen müssen.

Positiv ist natürlich auch, dass durch die EXPO in der Region Hannover der erste weitgehend barrierefreie schienengebundene und öffentliche Personennahverkehr geschaffen wurde. Wir wären dankbar, wenn man in diesem Bezug auch einmal

an die Fläche und den ländlichen Raum denken würde.