Protokoll der Sitzung vom 13.12.2000

(Beckmann [SPD]: Erstmals!)

hat zum Ausdruck gebracht, dass die maritime Wirtschaft bei der Bundesregierung besonderes Gewicht bekommen solle, man hat die Schifffahrtstandorte Niedersachsen und Deutschland gelobt, man hat den Schiffbau in Deutschland gelobt, und man hat einen Staatssekretär eingesetzt, damit er als maritimer Koordinator tätig werde. - Das ist die Ankündigung.

Nun, wenige Monate später, kommt die Realität. Die Realität besteht darin, dass es dieser Bundesregierung nicht gelungen ist, im Rahmen der Europäischen Union dafür Sorge zu tragen, dass die notwendige, von allen Beteiligten als notwendig erkannte Beihilfe für Schiffbauten fortgesetzt werden kann. Dies, meine Damen und Herren, ist ein schlimmes Ergebnis für Werften in Niedersachsen.

Wir wissen, dass die Situation schwierig ist. Wir haben zwar auf der einen Seite eine starke Nachfrage, auf der anderen Seite aber auch einen ausgesprochenen Preisverfall zu verzeichnen, der durch das Dumpingverhalten insbesondere Koreas hervorgerufen wird. Nun sollen es ausgerechnet die skandinavischen Länder gewesen sein, die sich einer Fortgeltung der Beihilferichtlinie versagt haben. Das will nicht einleuchten. Schiffbau spielt in Skandinavien kaum eine Rolle. Warum ist es denn dieser Bundesregierung nicht möglich gewesen, diese Länder, die ja selbst gar nicht unmittelbar betroffen sind, davon zu überzeugen, dass diese Beihilfe für andere Länder, in denen der Schiffbau von Bedeutung ist, unbedingt erforderlich ist?

(Adam [SPD]: Das ist ja abenteuer- lich!)

Meine Damen und Herren, da muss man Folgendes tun: Man muss im Vorfeld einmal mit den Beteiligten reden, um zu erfahren, wie sie darüber denken. Dann wäre es auch möglich gewesen - das ist unsere feste Überzeugung -, dafür Sorge zu tragen, dass deren Widerstand aufgebrochen wird.

(Möhrmann [SPD]: Ach nee!)

Das Verweisen darauf, dass man sagt „Wir haben ja eine Welthandelsorganisation, die schon ein Verfahren einleiten wird, und dann wird es auch zu entsprechenden Handelssanktionen gegen Korea kommen; das wird helfen, das Thema zu bewältigen“ ist natürlich genauso falsch. Jeder weiß, wie lange dieses Verfahren dauern wird. Jeder weiß, wann diese Sanktionen frühestens irgendwann einmal greifen könnten. Das hilft überhaupt nicht.

Wir als Niedersachsen müssen dringend darauf hinwirken und die Bundesregierung dringend dazu auffordern, das Thema nicht als gelaufen zu betrachten, sondern dafür Sorge zu tragen, dass im Rahmen der Europäischen Union auch weiterhin für eine - dann eben - Neugeltung der Schiffsbaubeihilfe gerungen wird und dass entsprechende Mehrheiten geschaffen werden, weil nur so dem niedersächsischen Schiffbau geholfen werden kann.

Seitens der Unternehmen und der Arbeitnehmer in diesem Bereich werden zahlreiche Anstrengungen unternommen. Wir wissen, dass sich die Werften spezialisieren, und wir wissen, dass die Werften ein ausgesprochen gutes technisches Know-how besitzen. Aber wir wissen auch, dass das allein - aufgrund des Verhaltens von Korea - eben nicht ausreicht, um in diesem Weltmarkt zu bestehen. Die gewährte Beihilfe in Höhe von 7 % war erforderlich und wird auch in Zukunft erforderlich sein, um die Auftragsbücher niedersächsischer Werften wieder zu füllen. Wir fordern die Bundesregierung auf, weiter zu verhandeln und hier zu Ergebnissen zu kommen.

Wir möchten auch gerne wissen, was die Niedersächsische Landesregierung zu diesem Thema denkt. Es mag vielleicht am Wechsel im Amt liegen, dass man von dieser Seite bisher nichts zu diesem Thema gehört hat. Aber die Aktuelle Stunde ist ja auch dazu da, der Landesregierung Gelegenheit zu geben, hier und heute zu erklären, inwiefern sie bereit ist, den niedersächsischen Werften bei diesem Thema zu helfen.

(Beifall bei der CDU)

Ich fordere die Landesregierung also auf, heute hierzu Stellung zu nehmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Wie Herr Möllring im Haushaltsaus- schuss sind Sie im Häfenausschuss auch nur körperlich anwesend!)

Das Wort hat Frau Ministerin Dr. Knorre.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich zunächst - -

Sie müssen den Präsidenten schon zuerst anreden, Frau Ministerin!

Herr Präsident, ich übe noch. Aber ich verspreche Ihnen: Das war das letzte Mal, dass das passiert ist. - Ich bedanke mich zuerst einmal sehr dafür, dass ich die Gelegenheit habe, meine Premiere ausgerechnet mit dem Thema „Wettbewerbshilfen für Werften“ zu haben. Das ist nämlich eines der Themen, die mir aus vielfältigen Gründen besonders am Herzen liegen.

Ich darf Ihnen sagen: Die Situation ist eigentlich ziemlich einfach zu beschreiben. Es geht hier schlicht und ergreifend um die Frage: Liegen die Gründe, die bislang für die Gewährung von Wettbewerbshilfen für die Werften vorgelegen haben, nach wie vor vor, oder sind diese Gründe für Wettbewerbshilfen entfallen? - Die Niedersächsische Landesregierung beantwortet diese Frage zusammen mit der Bundesregierung ganz eindeutig und sagt: Die Gründe, die bislang dafür gesprochen haben - nämlich massive Wettbewerbsverzerrungen auf den internationalen Märkten -, gelten nach wie vor. Sie alle kennen das Thema des Dumpings; Sie haben es kurz angesprochen. Wir haben es diesbezüglich nach wie vor mit massiven Verstößen insbesondere von der südkoreanischen Seite zu tun. Wir bedauern, dass wir auch zusammen mit der Bundesregierung bei der EU mit unseren Argumenten bislang kein Gehör gefunden haben.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Die frühere Bundesregierung schon!)

Das hat dazu geführt, dass der EU-Ministerrat Anfang Dezember beschlossen hat, dass die Schiffbaurichtlinie auslaufen wird. Das heißt, dass die Situation im Augenblick wie folgt ist: Wir können nur noch die Aufträge, die bis Ende des Jahres hereingenommen werden, wie bislang un

terstützen. Ablieferungszeitraum ist, wie Sie wissen, bis Ende 2003. Insofern ist also zunächst ein Zeitraum gesichert. Aber ich gebe Ihnen Recht: Es ist im Augenblick so, dass wir mit der Situation nicht zufrieden sein können.

Wir haben jetzt bis Ende Mai Zeit - in der Bilanzrechnungslegung würde man sagen, es gibt einen Erhellungszeitraum -, unsere Argumente noch einmal vorzubringen; denn bis dahin wird sich die Kommission erneut mit dem Thema befassen, und bis dahin wird man eben sehen, ob es Möglichkeiten gibt, über die WTO wegen der Dumpingvorwürfe vorzugehen. Wenn es solche Möglichkeiten nicht gibt - wir werden unsere Argumente gegenüber der Bundesregierung natürlich noch einmal nachdrücklich vertreten -, dann befinden wir uns allerdings in einer Situation, die wir uns alle nicht wünschen.

Aber weil wir das natürlich voraussehen konnten - die Diskussion ist ja nicht neu -, haben wir bereits in diesem Jahr massiv Vorsorge getroffen. Sie wissen, dass das Fördervolumen in dem diesjährigen Bund-Länder-Programm einmalig hoch ist. Das heißt, dass auch in Niedersachsen das Fördervolumen einmalig hoch ist. Wir haben in einem ersten Schritt rund 190 Millionen DM für Niedersachsen bereitstellen können. Hinzu kommt - ich finde, das ist noch wichtiger -: Wir gehen auch den zweiten Schritt mit. Sie wissen, der Bund hat 80 Millionen DM zusätzlich bereitgestellt, und das ergibt zusammen mit dem Zweidrittelanteil der Länder noch einmal 240 Millionen DM. Niedersachsen wird auch hier seinen Beitrag voll leisten, sodass wir die niedersächsischen Werften in diesem Jahr umfassend bei ihren Aufträgen unterstützen können.

Ich sage noch einmal ganz klar: Hier geht es nicht um irgendeine Subvention, sondern hier geht es darum, in einem unfairen Wettbewerb Unternehmen in die Lage zu versetzen, sich überhaupt fair durchzusetzen.

(Beifall bei der SPD)

Die Landesregierung hat also insofern alle Voraussetzungen erfüllt. Die Auftragsbücher sind voll, und wir können das abarbeiten. So gesehen besteht aus meiner Sicht im Augenblick kein Anlass zur Panik. Bis in die Jahre 2003/2004 können die Aufträge gesichert abgearbeitet werden.

Wir werden unsere Position in diesem Zeitraum bis Mai gegenüber der Bundesregierung erneut deut

lich machen, damit sie auch noch einmal mit allem Nachdruck in Brüssel vertreten werden kann. Danke.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Steiner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Biester hat das Thema ja durchaus sachlich behandelt. Im Vorfeld - wir konnten das der Presse an der Küste entnehmen - wurde aber ein ganz anderer Eindruck erweckt, der durch die Überschrift dieser Aktuellen Stunde noch einmal verschärft werden sollte, nämlich: Rot-Grün hat die Arbeitnehmer und die Unternehmer wieder einmal im Regen stehen gelassen.

Der Sachverhalt ist aber ein anderer. Der EUMinisterrat hat die Fortsetzung der bisher praktizierten Subventionierung europäischer Werften mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Dominiert war die Entscheidung von Ländern wie Großbritannien, Frankreich, Dänemark, den Niederlanden und Schweden, deren Wirtschaftsstruktur nicht gerade durch einen hohen Anteil der Werftindustrie gekennzeichnet ist. Aber das ist ein Mechanismus, den wir aus der EU schon länger kennen: Erst einmal wird die Fahne des Wettbewerbs hoch gehalten und wird das Prinzip bekräftigt, aber dann unterlaufen die Länder, die von dem Strukturwandel in einer Branche besonders betroffen sind, anschließend den Wettbewerb mit verdeckten Beihilfen und klagen lauthals. Wir brauchen uns nur an die Krisen der Stahlindustrie zu erinnern. Hier ist die Situation ähnlich: Eine gezielte Subventionierung des Schiffbaus im EU-Raum soll auslaufen. - Natürlich erkennen auch wir an, dass sich damit die Probleme, die sich aus der von koreanischer Seite geförderten Wettbewerbsverzerrung durch Dumpingpreise ohnehin ergeben, verschärfen - mit den entsprechenden Auswirkungen auf Auftragsvergabe und auf Arbeitsplätze. Aber wenn ich mir die Initiative der CDU ansehe, wundere ich mich schon.

Grundsätzlich halten Sie immer und überall - auch zu Zeiten der schwarz-gelben Regierung auf Bundesebene - die Fahne des Ordoliberalismus hoch und höher.

(Möllring [CDU]: Werftenhilfe haben wir immer gemacht!)

Sie fordern Subventionsabbau und offenen Wettbewerb, es sei denn, es geht um Ihre spezielle Klientel.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Wir hatten noch Einfluss in Europa! RotGrün nicht!)

Aber kaum gibt es ein konkretes Problem, fordern Sie Subventionen - etwa für die Landwirte wegen ihrer Einbußen aufgrund von BSE oder für die Spediteure wegen ihrer Einbußen aufgrund der Ökosteuer.

(Möllring [CDU]: Wir wollen die Ab- schaffung der Ökosteuer!)

Jetzt wird die Subvention für die Werftindustrie besonders hoch gehängt. - Sie müssen sich endlich einmal entscheiden, worin das wirtschaftspolitische Profil Ihrer Fraktion liegen soll: Sind Sie nun für Ordoliberalismus, oder sprechen Sie mehr für staatliche Eingriffe?

Abgesehen davon: Die Tränen, die Sie um die Werftindustrie weinen, und Ihr tiefes Mitgefühl, das Sie in Bezug auf den Verlust der Beihilfen zum Ausdruck bringen, nimmt man Ihnen nicht ab. Allein die Formulierungen, die Sie im Vorfeld gebraucht haben, zeigen, dass diese Diskussion für Sie nur ein Vehikel ist, um Rot-Grün mal wieder an den Karren zu fahren. Ich habe mich gewundert, dass Sie hier nicht auch noch die schrecklichen Auswirkungen der Ökosteuer untergebracht haben. - Diese Attacke weisen wir natürlich zurück.

Die Bundesregierung - das hat Frau Ministerin Knorre gerade ausgeführt - engagiert sich in dem Bereich, soweit sie kann. Es ist natürlich schwierig, im Ministerrat eine qualifizierte Mehrheit zu bekommen. Trotzdem ist es erforderlich, den Druck auf die WTO, Maßnahmen gegen Korea zu ergreifen, zu erhöhen. Gleichzeitig unternehmen sowohl Bundes- als auch Landesebene erhebliche finanzielle Anstrengungen, sodass zumindest in den nächsten drei Jahren die Aufträge mit den entsprechenden Beihilfen auch finanziert werden können. Ich bin guter Hoffnung, dass man in dieser Zeit auf WTO-Ebene in Bezug auf Korea etwas bewegen kann.

Ich möchte aber noch einen anderen Punkt ansprechen, der eigentlich dazu gehört. In Deutschland

gehen Arbeitsplätze verloren, weil deutsche Reeder ihre alten Schiffe nicht etwa hier, sondern in Indien zu Billigstlöhnen und unter schlimmsten Arbeitsbedingungen abwracken lassen. Ich erwarte, dass sich die Bundesregierung auch insofern engagiert, um diese Arbeitsplätze wieder nach Deutschland zurückzuholen.

(Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum Schluss. - Ich will nur noch einmal betonen: Wir lassen uns nicht nachsagen, wir würden für die Werftindustrie so wenig tun, wie es die schwarz-gelbe Regierung während ihrer Regierungszeit für die Stahlindustrie getan hat. Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Ontijd.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Ministerin Knorre, auch von mir einen herzlichen Glückwunsch zum neuen Amt!

Sie haben richtig umschrieben, vor welcher Situation wir stehen, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind und welche Arbeit auf Sie persönlich, aber auch auf die Landesregierung zukommt. Diese Arbeit ist eigentlich sogar schon vor längerer Zeit auf die Landesregierung zugekommen. Wir haben vermisst, dass im Parlament einmal darüber gesprochen wurde. Für heute mussten wir erst eine Aktuelle Stunde beantragen, damit Herr Adam einmal wieder das hört, was er uns jahrelang erzählt hat, wenn es darum ging, dass die Wettbewerbshilfe wieder eingestellt werden musste.

(Adam [SPD]: Ach, Wolfgang!)