Protokoll der Sitzung vom 14.12.2000

(Zustimmung von Jansen [CDU])

Sie hat keinen eigenen Stellenwert mehr. Sie ist zum Bittsteller gegenüber dem Finanzressort verkommen, und das ist nicht gut für eine sozialdemokratische Politik.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Jansen [CDU]: Zum Leidwesen der Sozialpolitiker auch!)

- Zum Leidwesen der Sozialpolitiker? Dann müssen sie auch lauter aufschreien!

Frau Pawelski hat schon darauf hingewiesen, dass diese These in dem, was die Landesregierung in dem Bereich selbst herausgibt, sehr gut nachvollzogen werden kann. Ich will nicht noch einmal auf diese Zehn-Jahre-Erfolgsbilanz verweisen - darin wurde die Sozialpolitik ja überhaupt nicht erwähnt -, sondern ich will daran erinnern, dass der Herr Ministerpräsident Gabriel uns im Rahmen seiner Regierungserklärung zu diesem Bereich nichts versprochen hat, und das hat er gehalten.

(Zustimmung von Jansen [CDU])

Wenn man sich einmal anschaut, was unter der Überschrift „Ein Jahr Gabriel - eine Erfolgsbilanz“ zu lesen ist, dann stellt man fest: Auch da kein Wort zur Sozialpolitik.

(Klare [CDU]: Warum auch?)

Wer keine Versprechungen macht, der braucht sie auch nicht zu brechen.

(Zustimmung bei der CDU)

Nur: So haben wir uns das natürlich auch nicht vorgestellt.

(Eveslage [CDU]: Sozialdemokraten sind eben nicht immer sozial!)

Frau Ministerin Trauernicht, ich hoffe wirklich sehr, dass Sie in der Lage sein werden, diesen in Niedersachsen eingeschlagenen Kurs zu korrigieren. Wir hoffen und setzen da auf die Ihnen ja zugeschriebene Durchsetzungsfähigkeit. Unsere Unterstützung jedenfalls werden Sie dabei haben; denn wir alle wissen: So, wie es in den vergangenen Jahren war, kann es mit der Sozialpolitik nicht weitergehen, weil sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen grundlegend verändert haben. Was wir brauchen, sind tatsächlich strukturelle Eingriffe in viele Bereiche.

Ich will einmal an ein paar Punkte erinnern, die wir in letzter Zeit diskutieren mussten und diskutiert haben. Ich nenne einmal den Bereich, in dem die Landesregierung wirklich aktiv geworden ist. Es gab den Versuch, die Eingliederungshilfe für Behinderte in die Pflege abzudrängen. Das war wirklich ein Frontalangriff auf die ganzheitliche Behindertenhilfe. Ich bin sehr froh darüber, dass es uns gemeinsam mit Betroffenenverbänden gelungen ist, das zurückzuweisen.

Andererseits haben wir hier in Niedersachsen mit der Einführung des „Quotalen Systems“ einen wirklich guten Schritt geschafft. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Das war eine Initiative, die - ich sage es einmal so, um die Grünen an dieser Stelle nicht wieder ganz nach vorn zu setzen - aus dem Parlament kam. Wir mussten die Landesregierung da zum Jagen tragen. Das war dringend notwendig, und zwar deswegen, weil Sie Jahr für Jahr die Mittel für betreutes Wohnen gekürzt und damit Kostensteigerungen in dreistelliger Millionenhöhe im stationären Bereich provoziert haben. Sie haben damit natürlich auch das Selbstbestimmungsrecht

für Menschen mit Behinderungen insoweit eingeschränkt, als dass sie nicht mehr in der Situation waren, frei zu wählen, ob sie stationär oder ambulant wohnen und leben wollen. Das möchte ich an dieser Stelle nicht verschweigen.

Ich möchte daran erinnern, dass wir im Bereich der Behindertenpolitik noch eine ganze Reihe anderer Dinge zu tun haben. Der Ministerpräsident sagte ja: Das geht so nicht. Das Land darf nicht die Quote für Arbeitsplätze für Behinderte unterschreiten. - Wir werden ihn beim Wort nehmen. Wir versprechen, dass wir das nach gegebener Zeit abfragen werden.

Wir brauchen in Niedersachsen dringend ein Gleichberechtigungsgesetz für Behinderte. Ich finde es schade, dass die Initiative, die ja von dem Behindertenbeauftragten aufgegriffen worden ist, von der Landesregierung nicht weiter verfolgt worden ist. Ich glaube aber, dass das im Bereich der Sozialpolitik für die Landesregierung ein Stück weit symptomatisch ist. Die sagen immer: Wir gucken einmal, was die Berliner machen. – Eigeninitiativen hat es leider nicht viele gegeben.

Lassen Sie mich abschließend zu dem aus meiner Sicht wichtigsten Teil der Umstrukturierung in der Sozialpolitik kommen. Wir brauchen dringend eine stärkere Unterstützung und Förderung für die Selbsthilfe, für die Gemeinwesenarbeit und für freiwilliges Engagement. Ich frage Sie: Welchen Sinn machen Untersuchungen, bei denen herauskommt, dass mehr als 70 % der Menschen in Niedersachsen bereit wären, sich freiwillig zu engagieren, wenn gleichzeitig die Mittel, die man zur Unterstützung einer solchen Infrastruktur natürlich bräuchte, weiter gekürzt werden? - Ich sage Ihnen: Wir brauchen das aus vielfältigen Gründen. Zum Beispiel stellen wir jeden Tag fest, dass wir gezwungen sind, professionelle Leistungen einzuschränken, die somit den Menschen, die Hilfe brauchen, nicht ausreichend zur Verfügung stehen.

Meiner Ansicht nach dürfen wir die jungen Menschen, die bereit sind, sich zu engagieren, nicht länger zurückweisen. Ich empfinde es - gelinde gesagt – als einen Skandal, dass das in den Bereichen Freiwilliges Soziales Jahr und Freiwilliges Ökologisches Jahr weiterhin geschieht. Wir haben einen Haushaltsantrag eingebracht, um genau in diesem Bereich die Mittel zu erhöhen. Leider hat die SPD-Landtagsfraktion diesen Antrag im Ausschuss für Sozial- und Gesundheitswesen abge

lehnt. Sie haben ja in der Schlussabstimmung am Freitag Gelegenheit, dieses zu korrigieren.

Ich möchte aber darauf hinweisen, dass das Freiwillige Soziale Jahr und das Freiwillige Ökologische Jahr nur ein Teil sind. Insgesamt geht es darum, in der Gesellschaft einen Demokratisierungsprozess weiter voranzutreiben, die Beteiligung der Menschen sicherzustellen und zu ermöglichen und nicht zurückzuweisen. Ich will in Erinnerung rufen, dass eine gute Durchmischung von professioneller Arbeit und freiwilliger Arbeit die Qualität der Arbeit gerade im sozialen Feld verbessert. Ich hoffe deswegen sehr, dass Sie sich hier eines Besseren besinnen und am Freitag Ihre Vorüberlegungen korrigieren. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Vielen Dank. - Herr Kollege Mühe hat jetzt das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst auf den Vortrag von Frau Pawelski eingehen.

(Frau Elsner-Solar [SPD]: Lohnt nicht!)

(Frau Elsner-Solar [SPD]: Lohnt nicht! - Gegenruf von der CDU: Was soll denn das?)

- Doch, das lohnt sich schon. Wenn Frau Pawelski uns Eiseskälte vorwirft, dann muss ich ihr zunächst einmal entgegnen: Frau Pawelski, als der vielgepriesene Herr Minister Schnipkoweit 1990 abgelöst wurde, hat er uns eine richtig mächtige Erblast hinterlassen.

(Frau Elsner-Solar [SPD]: Oh ja! - Frau Pawelski [CDU]: 2,3 Milliar- den DM Investitionsstopp haben wir jetzt!)

Im gesamten Krankenhausbereich ist er quer durch das Land gezogen, hat erste, zweite, dritte und vierte Bauabschnitte versprochen, und im Haushaltsplan und in der Mipla war nichts abgebildet, null DM.

(Beifall bei der SPD)

Das war eine eiskalte Erblast, die er uns hinterlassen habt, und nichts anderes.

Das Gleiche gilt für den Wohnungsbau. Ich habe es vorhin schon einmal vorgetragen. Man wusste, dass hunderttausende von Wohnungen gebaut werden müssen. Im Haushaltsplan und in der Mipla aus dem Jahre 1990 und in den Folgejahren stand jedoch nichts.

Meine Damen und Herren, der Sozialhaushalt steigt um 3,3 % auf 5,3 Milliarden DM, und der Kultushaushalt, zu dem ja auch der Jugendbereich gehört, zu dem ich hier spreche, steigt sogar um 3,6 %. Ich möchte anmerken, dass der Gesamthaushalt nur um 2,6 % steigt.

Meine Damen und Herren, ich finde, dies macht deutlich - -

Herr Kollege Mühe, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lindhorst?

Herr Präsident, das würde ich sehr gerne tun. Aber wir alle haben die Zeit überzogen. Deswegen möchte ich mich auf meine vorbereitete Rede konzentrieren.

Vielen Dank!

(Zurufe von der CDU)

- Ich muss ja auch noch für meine Kollegen Viereck und Schwarz Zeit übrig lassen, die sich ebenfalls zur Sache äußern wollen.

Meine Damen und Herren, Sozialpolitik und Bildungspolitik haben höchste Priorität. Dazu gehören auch die Jugend- und die Sportpolitik. Es macht mir außerordentlich viel Freude, heute dazu etwas sagen zu dürfen, weil dies in der Tat Bereiche sind, die zu den wichtigsten unserer Politikfelder gehören und weil es hier eine Menge sehr sinnvoller und vernünftiger Aktivitäten und Erfolge vorzutragen gilt.

(Jansen [CDU]: Die habe ich nicht gelesen!)

Im Bereich des Sozialwesens möchte ich zur Arbeitsmarktpolitik kommen. Hier gehe ich noch einmal auf das Jahr 1990 zurück. Ganze 71 Millionen DM hatte damals Herr Schnipkoweit dafür in seinem Haushalt veranschlagt. 1998, meine Damen und Herren, waren es 226 Millionen DM, also mehr als dreimal so viel, und heute sind es 175 Millionen DM, immerhin zweieinhalbmal mehr, als Sie damals vorgesehen haben.

(Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, die Erfolge sind ja auch deutlich sichtbar: weniger Arbeitslose, weniger Langzeitarbeitslose, weniger arbeitslose Jugendliche, mehr Ausbildungsplätze. Das sind die Daten und Fakten, die heute auf dem Tisch liegen. Ich meine, das ist eine Form von Sozialpolitik, auf die wir stolz sein können.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben mit der Einführung des „Quotalen Systems“ bei der Sozialhilfe eine Reform auf den Weg gebracht,

(Jansen [CDU]: Die Grünen haben das eingebracht!)

die ebenfalls die notwendigen wichtigen Erfolge bringt: weniger Verwaltung, mehr Innovation, mehr Eingliederung, schnellere Verfahren.

Meine Damen und Herren, auch mit der Erhöhung des Altenplafonds um 52,9 Millionen DM