Protokoll der Sitzung vom 14.12.2000

Heute ist schon deutlich zum Ausdruck gekommen, dass die Mittel gegen Gewalt an Frauen und Mädchen nur Reparaturmaßnahmen sind. Wir zeigen mit unserem Antrag zur Erhöhung der Finanzmittel für die KOBRA - ich möchte den kompletten Namen an dieser Stelle einmal aussprechen: das ist die Koordinierungs- und Beratungsstelle für Opfer von Frauenhandel - -

(Frau Bührmann [SPD]: Sage einmal, dass wir sie eingerichtet haben!)

- Diese Stelle ist von der SPD eingerichtet worden. Sie ist im Haushaltsplanentwurf mit 200.000 DM belegt. Wir haben die Förderung dieser Stelle, auch wenn kritisiert wird, dass die Fraktion so handelt, auf 250.000 DM heraufgesetzt. Außerdem gehören noch Mittel aus der Wohlfahrtsrichtlinie für eine Frauenschutzwohnung dazu.

Meine Damen und Herren, solange Frauenhandel an der Spitze krimineller Verdienstmöglichkeiten liegt, müssen wir uns weiterhin Gedanken darüber machen, wie wir hier zum Schutz der Frauen eingreifen können. Ich begrüße ausdrücklich die auch schon vom neuen Justizminister erwähnte Bundesregelung. Es kann nicht sein, dass Frauen weiterhin in die Frauenhäuser flüchten müssen, dass Frauen und Kinder Schutz suchen und die Wohnung verlassen müssen, und dass der Schlagende, der Täter, zu Hause bleibt. Ich gehe davon aus, dass Niedersachsen so schnell wie möglich eine Regelung findet, die eine Umsetzung der dann als Gesetz vorliegenden Regelung ermöglicht.

Hier ist auch die Schwangerschaftskonfliktberatung angesprochen worden. Wir haben damals im Zusammenhang mit der Umsetzung der Regelung zur Fallpauschale gesagt: Wir wollen uns nach einem Jahr angucken, wie sich die Regelung ausgewirkt hat. Meine Damen und Herren, was immer dabei zu Tage kommt, eines sage ich hier ganz deutlich: ohne Schein kein Geld.

(Beifall bei der SPD)

Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Familienbildungsstätten. Sie leisten eine außerordentlich wichtige Arbeit im Lande. Sie fördern in prakti

schen Kursen nicht nur praktisches Wissen, sondern sie fördern auch die Gesprächsfähigkeit in den Familien. Wir gewichten diese Arbeit in den 25 Familienbildungsstätten dadurch, dass wir den Ansatz für sie um 100.000 DM erhöhen.

Meine Damen und Herren, zum Thema Familie gehören auch die Mütterzentren. Der Ansatz für die Mütterzentren bleibt unverändert. Dies gilt auch für die Familienfreizeiten.

Wir reden im Zusammenhang mit Eltern, Lehrern und Schule viel über die Veränderung von Kindheit und von Kindern insgesamt sowie darüber, dass Lehrerinnen und Lehrer fit gemacht werden müssen, um sich auf diese Veränderungen einzustellen. Die Fähigkeit zur Kindererziehung und zum Leben in einer Familie - wie immer diese Familie auch zusammengesetzt ist - wird nicht mit der Geburt eines Kindes erworben, sondern wir müssen die Familien fit machen, damit sie in der Familie mit den Kindern leben können.

Da in diesem Zusammenhang vorhin etwas bemängelt worden ist, möchte ich Sie, meine Damen und Herren, bitten, nicht zu vergessen, dass wir für Familienberatungsstellen - eine freiwillige Leistung des Landes - weiterhin 500.000 DM zur Verfügung stellen.

(Frau Elsner-Solar [SPD]: Eigentlich Sache der Kommunen!)

- Ja, Herr Rolfes oder Herr Möllring - wenn ich den Zuruf von vorhin richtig deute - ist sich nicht ganz im Klaren darüber, dass Kommunen eine Menge Aufgaben wahrzunehmen haben. Es wird immer gern aufs Land geschoben.

(Zurufe)

- Nein, das habe ich eben durchaus gehört. Es gab aber im Vorfeld einen Zwischenruf. - Meine Damen und Herren, wir alle sind, wenn ich recht informiert bin, in der Kommune tätig. Insofern liegt es an uns allen, dass Kommunen ihren Aufgaben gerecht werden können und nicht immer nur aufs Land gucken.

(Frau Körtner [CDU]: Was sollen die denn noch alles machen? Ihr blutet die doch aus!)

Wenn alles beim Alten bleibt, so frage ich: Wo bleiben eigentlich die Kürzungen? - Wir können nicht verschweigen, dass Kürzungen vorgenommen worden sind. Der Landesrechnungshof hat die

Ansätze für die Frauenprojekte in Höhe von 1,2 Millionen DM schon häufiger kritisiert. Aus diesen Ansätzen werden die Mittel der Kommunen im Rahmen einer Einzelförderung mit Beträgen von 3.000 bis 5.000 DM gegenfinanziert. Diese Ansätze sind auf 800.000 DM gekürzt worden. Aber auch hier sind wir aufgerufen, dafür Sorge zu tragen, dass die Frauenbeauftragten in den Kommunen nicht leer ausgehen, sondern dass diese Projekte weiterhin unterstützt werden.

Alles in allem können wir sagen, dass die Schwerpunkte, wie sie von dieser Regierung schon seit Jahren gesetzt werden, auch weiterhin unverändert mit Geldmitteln belegt worden sind. Heidi Merk verdient insofern ein großes Dankeschön dafür, dass sie hier ihre Hand so schützend darüber gehalten hat.

(Beifall bei der SPD)

Ein weiteres Thema: Wer auf der ersten Mädchenmesse gewesen ist, der hat es deutlich gespürt. Es hat Unruhe bei den Frauen gegeben. Was passiert mit dem Mädchenmodellprojekt? Was passiert mit der Mädchenrichtlinie? - Es gibt, meine Damen und Herren, eindeutige Aussagen in Richtung Fortführung des Modellprojektes. Unsere Fraktion in diesem Landtag steht dazu. Es muss allerdings über die Frage diskutiert werden, wie die Fortführung nach der zehnjährigen Modellprojektphase gestaltet werden soll. Es gibt eine Evaluation, auf deren Grundlage die Beratungen fortgesetzt werden sollen. Dies muss mit den Beteiligten geschehen, nicht nur im Separee. Es geht nicht nach dem Motto „weiter so“, sondern unter veränderten Bedingungen.

Es besteht die Angst, dass die Diskussion über die Frage, dass es so langsam auch eine Jungenrichtlinie geben müsste, weil auch Jungen und junge Männer ein verändertes Bewusstsein und Verhalten erfahren müssten, zulasten der Mädchenmodellprojekte geht. Wir müssen darüber reden, wie wir das alles initiieren können. Ich sage: Das Mädchenmodellprojekt wird weitergeführt.

Die Dotierung der Mädchenrichtlinie ist erstmalig gekürzt worden. Diese Kürzung ist aber mit 200.000 DM aus Mitteln der N21-Initiative aufgefangen worden. Wenn wir jetzt sehen, dass sich viele Projekte mit Mädchen und den neuen Medien beschäftigen, dann ist hier eine Fortführung sichergestellt.

Meine Damen und Herren, wir werden mit dem Haus - auch bei veränderter Spitze - weiterhin erfolgreich zusammenarbeiten. Die Angst davor, dass Frauenpolitik in Familienpolitik übergehen würde, können wir den Frauen im Lande nehmen. Außerdem, meine Damen und Herren: Auch ein erfolgreich eingeführtes Gender Mainstreaming ersetzt keine selbständige Frauenpolitik.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Pothmer, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Hemme, Sie haben durchaus Recht: Die Kürzungen im Frauenhaushalt halten sich tatsächlich in Grenzen, was u. a. darauf zurückzuführen ist, dass die SPD-Fraktion einen Teil der Kürzungen wieder zurückgenommen hat. Das ist in diesen Zeiten nicht nichts, was ich hier ausdrücklich betonen will. Das ist dann aber auch schon alles, was man zum Haushalt in diesem Politikfeld sagen kann, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich habe es einmal überprüft. Es ist sage und schreibe so, dass es seit 1994, also seit dem Ende der rotgrünen Koalition, nicht einen einzigen neuen Haushaltstitel oder Haushaltsansatz mehr gegeben hat.

Meine Damen und Herren, das wird auch für fantasiebegabtere Rednerinnen, als ich eine bin, so langsam zum Problem, wenn sie nicht redundant werden wollen.

(Jansen [CDU]: Schleichender Sozial- abbau!)

Nun mögen Sie vielleicht zu Recht sagen: Erfolgreiche Frauenpolitik misst sich nicht allein an Haushaltsansätzen. Dieser Auffassung bin auch ich. Es gibt eine ganze Reihe anderer Instrumente, die geeignet sind, die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen zu sichern. Ich erinnere Sie nur einmal an die Instrumente im NGG. Wir haben uns noch einmal durch das Böckler-Gutachten bestätigen lassen, dass die Instrumente, die wir unter RotGrün erdacht haben, gut sind und gut funktionieren könnten.

Nichtsdestotrotz muss man nun, nachdem der erste Bericht zur Umsetzung des NGG vorgelegt worden ist, sagen: Für die Frauen in Niedersachsen hat dies

so gut wie nichts gebracht. Am wenigsten hat dies denjenigen Frauen geholfen, die in der Landesverwaltung tätig sind. Es sind nämlich die Landesministerien selbst gewesen, die bei der Umsetzung an allerletzter Stelle gestanden haben. An dieser Stelle haben die Kolleginnen und Kollegen in der Landesregierung die Frauenministerin tatsächlich im Regen stehen gelassen. Das hat sie zu Recht kritisiert. Darin haben wir sie auch unterstützt. Daraus sind dann aber leider nicht die entsprechenden Konsequenzen gezogen worden. Das ist ein Fehler.

Meine Damen und Herren, wenn man die Erfahrung machen muss, dass in der Landesregierung schon ein Gesetz nicht umgesetzt wird, dann muss man - gelinde gesagt - doch naiv sein, wenn man dann trotzdem noch glaubt, dass ein viel komplexeres Thema wie Gender Mainstreaming in den Ministerien plötzlich aus lauter Einsicht umgesetzt wird.

Hier ist schon von Frau Schliepack gesagt worden: Immer wenn die anderen Ministerien ihre haushaltsrelevanten Maßnahmen im Frauenausschuss vorstellen, bekommen wir eine kleine Kostprobe davon, wie weit sich der Gedanke des Gender Mainstreamings in den Köpfen festgesetzt hat. Ich kann Ihnen nur sagen: Da ist uns eine Maßnahme, nämlich Fortbildung während der Vormittagsstunden, sage und schreibe deshalb als frauenfördernde Maßnahme angedient worden, weil das gut für die Teilzeitkräfte ist. Meine Damen und Herren, ich glaube, hier bestehen noch erhebliche Missverständnisse darüber, was Gender Mainstreaming tatsächlich ist.

Meine Damen und Herren, ich glaube, wir brauchen in der Frauenpolitik zusätzliche, andere Instrumente. Wir müssen aber auch die vorhandenen Instrumente endlich umsetzen. Wir müssen auch neue Wege gehen. Wir haben dazu eine ganze Reihe von Vorschlägen unterbreitet: Frauenförderung und Verwaltungsreform, bei der Budgetierung von Mittelzuweisungen Frauenförderung berücksichtigen usw.

Abschließend möchte ich noch folgenden Punkt benennen. Dabei möchte ich mich an den neuen Justizminister wenden, den ich an dieser Stelle für einen echten Bündnispartner halte. Ich glaube tatsächlich, dass wir im Bereich Männergewalt gegen Frauen, insbesondere in der Familie, zusätzliche, neue Wege gehen müssen. Komplementär zu den Frauenhäusern und zu den Notrufeinrichtungen müssen wir uns auch der Täterarbeit widmen.

Ich bin sehr froh darüber, dass Berlin jetzt ein entsprechendes Gesetz auf den Weg bringt. Niedersachsen hat im Haushalt aber keine Vorkehrungen getroffen, um die Infrastruktur, die dieses Gesetz für die Frauen erst nutzbar machen kann, aufzubauen. Ich finde es sehr schade, dass es nicht gelungen ist, die Männerberatungsstellen, die Männerbüros, die jetzt vor dem Aus stehen, zu retten. In den Haushaltsentwürfen der SPDFraktion sind keine entsprechenden Ansätze ausgebracht worden. Auch an dieser Stelle bitte ich Sie ganz besonders, Herr Pfeiffer, mit den Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion zu reden. Denn ich glaube, dass wir mit diesem Anti-GewaltProjekt, mit diesem Anti-Gewalt-Gesetz ins Leere gehen, wenn wir die Infrastruktur in diesem Bereich nicht schaffen. Der kommende Freitag ist der Tag, an dem da sehr Wesentliches entschieden wird. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Meine Damen und Herren, zum Bereich der Frauenpolitik liegen mir keine Wortmeldungen mehr vor.

Ich möchte jetzt, damit das Haus und alle Kolleginnen und Kollegen an den Lautsprechern informiert sind, erklären, wie es weitergehen soll. Die Fraktionen sind übereingekommen, dass wir den Bereich Jugend und Sport noch vor der Mittagspause besprechen, dass aber der Kultusbereich hinter die Mittagspause gelegt wird und dass alles andere in den Abend hinein rückt.

Damit die Redner informiert sind, möchte ich jetzt noch mitteilen, wie viel Redezeit - einschließlich Kultusbereich und Jugend und Sport - noch zur Verfügung steht. Ich lasse dabei die Sekunden weg; die zu nennen ist wohl nicht notwendig. Die Landesregierung hat noch 24 Minuten für beide Bereiche zur Verfügung, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen 13 Minuten, die CDU-Fraktion 25 Minuten und die SPD-Fraktion noch eine Minute. Das ist reichlich, nicht?

(Lachen bei der CDU)

Ich wollte das nur mitteilen. Wie auch immer die Fraktionen da übereinkommen, muss dann dem jeweiligen Präsidenten mitgeteilt werden.

(Busemann [CDU]: Das ist die Bil- dungsoffensive der SPD!)

Frau Janssen-Kucz hat jetzt das Wort zum Bereich Jugend und Sport, den wir damit beginnen. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir müssen da wohl etwas im Schweinsgalopp hindurch.

Der Haushalt im Kinder- und Jugendbereich ist lediglich eine Status-quo-Festschreibung. Die angeblich hohe Priorität findet die Fraktion der Grünen nicht wieder. Immer wieder finden wir allerdings Vorzeigeprojekte der Landesregierung, die aber nicht die reale Situation im Lande Niedersachsen widerspiegeln.

Ich kann auch Herrn Mühe nicht ganz folgen, der sagt, alle Bereiche seien erfolgreich. Das sind nur Schlagworte ohne viel Inhalt.

Wir und auch die Bürgerinnen und Bürger haben noch nicht vergessen, dass Niedersachsen als erstes Bundesland die Zuständigkeit für Kitas auf die Kommunen abgeschoben hat. Damit hat die Landesregierung dokumentiert, dass sie die Förderung von Kindern nicht als ihre Aufgabe betrachtet. Da nützt auch Schönreden nichts.

Der Kita-Bereich wird weiterhin nicht als primärer Bildungsbereich anerkannt. Die Kinderpolitik des Landes beschränkt sich auf Reparaturmaßnahmen, die in unseren Augen nicht ausreichend sind.

(Zustimmung von Frau Vockert [CDU])