Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Inzwischen ist Ihnen wahrscheinlich allen bekannt, dass am 29. Dezember 2000 der Präsident des Niedersächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz Dr. Minnier in den einstweiligen Ruhestand verabschiedet worden ist. Diese Entscheidung der Landesregierung hat dann eine ziemlich lebhafte und zugleich strittige Debatte ausgelöst.
Meine Damen und Herren, möglicherweise ist Minniers Zurruhesetzung in einem engen juristischen Sinn kein direkter Rechtsbruch, rechtsmissbräuchlich ist dieser Vorgang aber alle Mal.
Vor allen Dingen ist er angesichts der damit verbundenen Kosten von mehr als 600 000 DM politisch in keiner Weise zu vertreten.
Lassen Sie mich kurz etwas zu der rechtlichen Seite des Problems anmerken. Sachlicher Sinn und Zweck des § 47 Abs. 2 des Niedersächsischen Beamtengesetzes ist es, die Amtsführung von politischen Beamten regierungskonform zu halten. Das heißt, nur im Falle einer nicht mehr gewährleisteten Übereinstimmung mit der Regierungspolitik oder aber eines grundlegenden politisch motivierten Vertrauensverlustes oder bei Zweifeln an der fachlichen oder persönlichen Eignung des Beamten bzw. an seiner Amtsführung kann der Betroffene in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. - Das und nichts anderes ist das Spezifikum dieser Vorschrift.
Das bedeutet aber, dass die frühere rechtswidrige Absprache mit dem ehemaligen Innenminister Glogowski ebenso wenig ein Grund sein kann wie der sehnliche Wunsch Herrn Minniers nach dem einstweiligen Ruhestand. Aber genau diese beiden Gründe und Motive waren letztlich Anlass und ursprünglicher Hintergrund für die Versetzung Minniers in den einstweiligen Ruhestand. An seiner fachlichen und persönlichen Eignung und seiner Amtsführung wurden keinerlei Zweifel geäußert. Das Gegenteil ist der Fall: Minnier und seine Arbeit wurden in den höchsten Tönen gelobt.
Da sich aber Minnier durch die Nichteinhaltung einer Zusage von Herrn Glogowski in seinen Karriereerwartungen getäuscht gesehen hat, hat er sich auf die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand fixiert. Genau aus dieser Fixierung auf die vorzeitige Zurruhesetzung hat dann der Innenminister einen Vertrauensverlust in die künftige Amtsführung abgeleitet. Diese für den Innenminister maßgeblichen Gründe sind aber auch laut Bericht des Landesrechnungshofes erst im Nachhinein unter Erklärungsdruck formuliert und dokumentiert worden.
Das bedeutet, dass der eigentliche handlungsleitende, aber zugleich rechtswidrige Grund - nämlich die frühere Absprache mit Herrn Glogowski - im Nachhinein in einen gesetzeskonformen Grund umgewandelt worden ist, meine Damen und Herren. Minnier hat die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zu seinem Dienstherrn selbst herbeigeführt, und das Innenministerium hat sich darauf eingelassen.
So lassen sich Ruhestandsgründe nachträglich konstruieren. Das ist aber - nicht nur angesichts der hohen Kosten - in jeder Hinsicht ein anrüchiges Verfahren.
Dieses anrüchige Verfahren hat - das darf nicht unterschätzt werden - eine deutliche Signalwirkung auf die Motivation anderer Landesbeamter.
Deswegen bezeichnet der Präsident des Landesrechnungshofs, Herr Meyerding, diese Personalentscheidung - wie ich meine, völlig zu Recht und sehr präzise - als eine „politische Lizenz für Faulheit in den Amtsstuben.“
Aber, meine Damen und Herren, mit dieser Entscheidung trampeln Sie nicht nur auf den Gerechtigkeitsgefühlen anderer Landesbediensteter herum. Petitionen machen deutlich, dass diese Entscheidung auch von anderen als zutiefst ungerecht empfunden wird, nämlich von denjenigen, die bei jeder vorzeitigen Zurruhesetzung - auch wenn sie unfreiwillig geschieht - Monat für Monat Abschläge hinnehmen müssen.
Was wollen Sie z. B. einem Petenten sagen, der nach 44-jähriger beitragspflichtiger Tätigkeit arbeitslos geworden ist und nach Auslaufen seines Arbeitslosengeldes auch mit 60 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand geschickt werden soll allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass dieser Petent 18 % Rentenabschläge hinnehmen muss? Meine Damen und Herren, das ist bei einem Rentenanspruch von 2 800 DM schon erheblich. 500 DM mehr oder weniger sind in dieser Preisklasse schon von existentieller Bedeutung.
Dass dieser Petent in seinem Schreiben an den Landtag beklagt - ich finde, völlig zu Recht -, dass es eine Ungleichbehandlung zwischen ihm und Herrn Minnier gibt, kann, glaube ich, jeder hier im Hause, der sich nicht völlig abgeschottet hat, nachvollziehen.
Ich meine, dass Sie derart tiefe Ungerechtigkeiten nur dann aufheben können, wenn Dr. Minnier erneut im Landesdienst beschäftigt wird. Beamtenrechtlich, meine Damen und Herren, ist das auch überhaupt kein Problem. Sie wissen, das Beamtengesetz sieht diese Möglichkeit vor. Herr Bartling, Sie werden niemandem im Lande erklären können, dass es bei einem Volumen von über 200 000 Stellen im Landesdienst unmöglich sein soll, eine auch nach dem Beamtenrecht angemessene Verwendung für Herrn Minnier zu finden.
Ich rufe in diesem Zusammenhang in Erinnerung, dass es ja auch eine Kabinettsumbildung gegeben hat. Diese hat neuerlichen Spielraum geschaffen, zumal für einen Mann, dessen Arbeitsleistung nirgends und nie in Zweifel gezogen worden ist, sondern die immer als sehr positiv bewertet worden ist.
Sie wussten auch seit langem, Herr Innenminister, dass Herr Minnier nach einer neuen dienstlichen Verwendung sucht. Sie hatten also sehr, sehr viel Zeit und sehr viel Spielraum, eine sachgerechte Lösung zu finden.
Für mich ist es ein Zeichen für ein völlig verfehltes Personalmanagement und für einen, wie ich finde, unverantwortlichen Umgang mit Steuergeldern, Herrn Minnier trotz dieser komfortablen Rahmenbedingungen zum teuersten Spaziergänger Niedersachsens zu machen.
Ich finde es ein bisschen schade, dass der Ministerpräsident nicht da ist. Ich will denjenigen, die es schon vergessen haben, in Erinnerung rufen, dass Ministerpräsident Gabriel nach den Verfehlungen seines Vorgängers angetreten war, die Glaubwürdigkeit in die Politik zurückzutragen. Er hatte hehre Ansprüche, wollte der politische Saubermann sein. Aber, meine Damen und Herren, auf dieser weißen Weste befinden sich schon mehrere Flecken. Bereits bei der Trickserei um den Wechsel der Sozialministerin konnte man den Eindruck gewinnen, als sei der Geist Glogowskis wieder aus der Flasche gekommen und sitze jetzt auf dem Chefsessel der Staatskanzlei. Dieser Fehltritt wur
de zurückgenommen, und die Sache wurde korrigiert. Ich würde mir wünschen, dass jetzt auch der Versorgungsskandal Minnier rückgängig gemacht wird.
Insofern bitte ich Sie, dem Antrag zuzustimmen, und will an dieser Stelle noch einmal sagen, dass wir unmittelbare Abstimmung beantragen werden. - Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Umstände der Versetzung des niedersächsischen Verfassungsschutzpräsidenten Dr. Minnier in den einstweiligen Ruhestand sind geradezu eine Fallstudie für die Arroganz und Selbstgefälligkeit einer sozialdemokratischen Landesregierung, die nunmehr seit zehn Jahren in dieser Art und Weise regiert. Insofern kann ich mich den Worten der Frau Kollegin Pothmer uneingeschränkt anschließen.
Wir sehen hier ein Beispiel dafür, wie sich eine Regierung den Staat zur Beute macht, eine Landesregierung, die immer mehr die Sensibilität für das Empfinden der niedersächsischen Bürgerinnen und Bürger verliert, welche kopfschüttelnd bis erbost erleben müssen, wie der Ministerpräsident nach dem Glogowski-Skandal - -
(Plaue [SPD]: Mich wundert, dass Sie so etwas vom Blatt ablesen! Sonst können Sie das doch auswendig!)
- Ich wollte gerade sagen, der Ministerpräsident scheint das hier noch nicht einmal zu verfolgen. Das zeigt, dass das Wort von Herrn Wulff richtig ist: Er ist nicht ein kleiner Schröder, sondern ein kleiner Glogowski.
Diese Landesregierung hat inzwischen völlig den Bezug zur Realität verloren. Ich weiß, das können Sie alle nicht mehr hören. Aber diese Landesregierung ist schlichtweg verbraucht. Ihr Management funktioniert nicht mehr - das haben wir vor Weihnachten gesehen -, und sie macht schlimme Fehler. Das haben wir zuletzt bei der Ablösung der Ministerin Merk und der beiden Minister Weber und Fischer sowie bei der versuchten Versorgungstrickserei - Frau Pothmer hat gerade darauf hingewiesen - im Falle Trauernicht, der dann aber noch repariert werden konnte, erlebt. Jetzt erleben wir das bei der Versetzung von Herrn Minnier in den Ruhestand. Da hilft es auch nicht, dass man in der Staatskanzlei zusätzliche Pressesprecher einstellt. Die können das auch nicht mehr richten.
Die Frage ist nun: Warum beantragen wir eine Ministeranklage gegen die beiden verantwortlichen Herren, Herrn Minister Bartling und Herrn Ministerpräsident Gabriel? - Weil dies die einzige Möglichkeit des Landtages - und auch Ihre Möglichkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPD - ist, in diesem Fall zu zeigen, ob Sie dieses rechtsmissbräuchliche Verfahren, wie es Frau Pothmer eben dargestellt hat, mitmachen wollen oder nicht. Anders lässt sich das nicht machen, und deshalb sind wir diesen Weg gegangen. Sie hätten die Chance gehabt, den Antrag der Grünen auszuhebeln und Herrn Minnier zwischenzeitlich ein anderes Amt anzubieten. Dann bräuchten wir heute nicht mehr darüber zu reden.
Da Sie das nicht getan haben, müssen wir heute diese Ministeranklage beantragen. Sie ist der einzige Weg, mit dem wir alle als Parlament zeigen können, dass wir dieser Mauschelei und dieser Versorgungsmentalität nicht die Hand reichen wollen. Deshalb fordern wir Sie auf, mitzumachen.
Meine Damen und Herren, 1994, vor sechs, knapp sieben Jahren, war der Posten des niedersächsischen Verfassungsschutzpräsidenten zu besetzen. Der damalige Innenminister Herr Glogowski musste Herrn Dr. Minnier, der wohl andere Karrierepläne gehabt hatte, zur Übernahme dieser wichtigen Aufgabe überreden. So hat es jedenfalls Herr Bartling im Ausschuss für öffentliches Dienstrecht vorgetragen. Dafür versprach der damalige Innenminister Herrn Minnier, diese Tätigkeit nicht bis zum Eintritt in den Ruhestand ausüben zu müssen.
Heute stellt sich die Frage, warum man angesichts eines derart reduzierten Diensteifers nicht schon damals, 1994, jemand anders mit der Aufgabe betraut hat. Denn wenn jemand sagt, er traue sich das aber nicht für die nächsten Jahre zu, stellt sich schon die Frage, ob er das Vertrauen verdient hat, das er gerade als politischer Beamter verdienen muss und das er angeblich ja auch bis zum Schluss verdient hat.
Herr Minnier hat dann - so ist uns im Ausschuss vorgetragen worden - mehrfach vergeblich an das Versprechen des Amtsvorgängers von Herrn Bartling erinnert. Vor vier Monaten wurde er dann massiv. Als ihm keine andere Position angeboten wurde, versuchte er, die Versetzung in den Ruhestand mit vollen Bezügen zu erreichen, weil er keine Lust mehr zum Arbeiten hatte.
Damals funktionierte das Frühwarnsystem von Ministerpräsident Gabriel noch. Er hatte noch Skrupel. Er weigerte sich, der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand zuzustimmen, und er erklärte noch im September, also vor vier Monaten, dass für eine solche Maßnahme politische Gründe erforderlich seien, die es aber nicht gebe; denn Minnier leiste eine gute Arbeit und sei im Übrigen ein ganz hervorragender Mann.
Nur drei Monate später galt das alles plötzlich nicht mehr. Als die Umbildung des Landeskabinetts die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zog, gelang es dem Innenminister offensichtlich, im vermeintlichen Schatten dieses Ereignisses den Ministerpräsidenten umzustimmen,
vielleicht auch nach dem Motto: Wenn wir das mit Trauernicht machen, können wir gleich noch ein paar Schandtaten dazu tun; einmal mehr kann dann nicht schaden.