Protokoll der Sitzung vom 25.01.2001

Nun dürfte in der Kieler Affäre um Staatssekretär Mantik und Minister Rohwer tatsächlich nicht alles sauber zugegangen sein. Rohwer und Mantik sind nicht ins Kabinett nach Hannover gewechselt. Wewer, der es tat, kommt in der Geschichte allenfalls eine Nebenrolle zu, weil er zur Schlüsselfigur nur im wörtlichen Sinne taugt, da er doch einen Zimmerschlüssel besorgen ließ,“

(Starker Beifall und Lachen bei der SPD - Anhaltende Zurufe von der CDU - Unruhe - Glocke des Präsi- denten)

- Herr Präsident, ich warte deshalb, weil der letzte Satz so schön ist; jetzt kommt nämlich das Komma

(Heiterkeit bei der SPD)

„wird die CDU an der Affäre nicht viel Freude haben.“

Und dafür sorgt Ihr Fraktionsvorsitzender!

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Zuru- fe von der CDU - Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich finde für alle Seiten, dass man über einen solchen schwierigen Sachver

halt auch so diskutieren kann, dass man uns die Ernsthaftigkeit noch abnimmt.

(Zuruf von Plaue [SPD] - Unruhe)

- Das gilt für viele hier im Hause. Das sage ich ganz ausdrücklich.

Meine Damen und Herren, zu dem Punkt a der Aktuellen Stunde liegt jetzt keine weitere Wortmeldung vor. Er ist damit abgearbeitet.

(Plaue [SPD]: Schade, ich hätte gerne noch einmal Herrn Möllring gehört als furchtbaren Juristen! - Gegenruf von Möllring [CDU]: Das Wort „furchtbarer“ Jurist - Sie können mich gerne beleidigen - ist vielleicht etwas daneben! - Zuruf von Wulff (Osna- brück) [CDU])

Wir kommen jetzt zu dem zweiten Punkt der Aktuellen Stunde:

b) Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Tierarzt oder den Schweinemäster. Antibiotika-Doping in der Massentierhaltung vergiftet Mensch und Umwelt Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 14/2170

Zu diesem Tagesordnungspunkt hat der Herr Kollege Klein das Wort.

(Möllring [CDU]: Zur Geschäftsord- nung!)

- Wir müssen das nach dem Tagesordnungspunkt behandeln.

(Möllring [CDU]: Ja, das ist ja nach dem Tagesordnungspunkt! - Wulff (Osnabrück) [CDU]: Nazi-Begriffe wollen wir nicht!)

- Nein, wir sind jetzt bei dem Tagesordnungspunkt 1 b. Sie bekommen sofort nach der Abarbeitung des Tagesordnungspunktes das Wort. Das ist keine Frage.

Bitte schön, Herr Kollege!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war der Riesenskandal in Bayern, der uns inmitten der BSE-Diskussion einmal wieder auf das Problem Antibiotika in der Tiermast und in der Tierhaltung generell aufmerksam gemacht hat. Hunderte von Schweinemästern wurden illegal mit Mitteln versorgt. Die Hälfte aller österreichischen Schweine ist mit verbotenen illegalen Medikamenten behandelt worden. Kistenweise ist dieses belastende Material sichergestellt worden. Kann man bei diesen Verhältnissen wirklich noch von schwarzen Schafen in der Branche reden?

Wir haben in der letzten Zeit sehr viel über Opfer und Täter diskutiert. Wir fordern harte Strafen und Pranger für Wurst- und Futtermittelpanscher! Ich finde es richtig, dass wir das fordern. Aber ich glaube und hoffe, dass wir uns einig sind, dass das auch für die beteiligten Tierärzte und auch für die hunderte von beteiligten Landwirte gelten muss.

Wir haben in diesem Zusammenhang erfahren, dass auch Niedersachsen nicht die Insel der Seligen ist. Die wissenschaftlichen Untersuchungen im Weser-Ems-Bereich lassen uns die Haare zu Berge stehen. Bezeichnend finde ich in diesem Zusammenhang auch den Hinweis in den Untersuchungen auf die Bereitschaft der Tierärzte in diesem Bereich, die Wissenschaftler zu unterstützen. Etwa im Bereich Emsland war sie so gut wie null. Hochrechnungen haben ergeben, dass im Bereich Weser-Ems sechsmal - ich wiederhole: sechsmal - so viele Medikamente pro Schwein verabreicht worden sind wie z. B. in Dänemark, die ja auch nicht unbedingt die Musterknaben in diesem Europa sind. Wir haben gestern gehört, dass weit über 300 000 kg antibiotische Wirkstoffe in dieser Region ausgebracht worden sind, ein Drittel davon allein als Futterzusatzstoffe, die nichts anderes zu tun haben, als Leistungssteigerung zu bewirken, d. h. schnellere Mast und mehr Gewicht zu ermöglichen.

Ich meine, vor diesem Hintergrund brauchen wir ein sofortiges Verbot der letzten erlaubten Antibiotika im Futtermittel, wenn erforderlich eben auch auf der nationalen Ebene. Auf diese Formel haben wir uns sogar in diesem Parlament schon einmal geeinigt,

(Zustimmung bei der SPD)

wobei wir sehen müssen, dass wir, wenn wir die diskutierte Agrarwende im Zusammenhang mit

dem BSE-Skandal ernst nehmen, dieses Zeug eigentlich überhaupt nicht mehr brauchen. Auch der flächendeckende prophylaktische Einsatz, den die Lobby heute noch als therapeutischen Ansatz legitimieren will, muss endlich ein Ende haben.

Wir brauchen lückenlose Aufzeichnungen bei den Tierärzten und bei den Landwirten über die verabreichten Medikamente und die eingesetzten Antibiotika. Wir brauchen sicherlich auch - das ist angesprochen worden - die Abschaffung des so genannten Dispensierrechts, d. h. die Möglichkeit der Tierärzte, selbst mit Medikamenten zu handeln.

Was wirklich hilft, was im Grunde genommen die einzige Möglichkeit ist, dauerhaft Erfolg zu haben, ist, dass wir uns bemühen, dass diese Tierhaltungsformen von der Bildfläche verschwinden. Wir brauchen eine Umstellung auf Richtlinien, wie sie im Ökolandbau oder bei „Neuland“ gegeben sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Denn wenn ein Tier wegen schlechter Haltungsbedingungen krank ist, dann ist die einzige Therapie, diese Haltungsbedingungen zu ändern, also das Tier nicht mit Medikamenten voll zu stopfen, Herr Oestmann.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Oestmann [CDU]: Das ist eine Ver- kürzung! Wo leben Sie eigentlich?)

Wir haben ja in diesem Landtag erst im Mai 1999 eine gemeinsame Entschließung verfasst, Herr Oestmann, dass wir die Tiermäster entsprechend ansprechen wollten. Die Landesregierung war beauftragt worden, Umstellungsprozesse zu fördern. Wir haben einen Appell an die Tiermäster gegeben, freiwillig auf diese Medikamente zu verzichten.

Wie viele Landwirte sind diesem Appell seitdem wohl nachgekommen? - Wir haben eine nachhakende Kleine Anfrage gestartet, in der wir die Landesregierung gefragt haben, wie sie diesen Beschluss umgesetzt hat. Das Fazit der Antwort war: Wir müssen eigentlich nichts tun; denn wir tun ja auch schon genug. - Angesichts der Untersuchungsergebnisse im Bereich Weser-Ems und angesichts des bayerischen Skandals frage ich die Landesregierung: Sind Sie immer noch der Meinung, dass Sie genug tun?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Herr Minister, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verbraucherinnen und Verbraucher - darüber sind wir uns einig - haben ein Anrecht darauf, dass sich die Erzeuger von Schlachttieren und insbesondere auch die Tierärzte im Rahmen des geltenden Rechts bewegen und derartige Stoffe, auch wenn sie zugelassen sind, sachgerecht verwenden.

Trotz aller Bemühungen, durch eine intensive Überwachung durch die zuständigen Behörden einen Arzneimittelmissbrauch in der Produktion von Lebensmitteln zu verhindern, ist nicht auszuschließen - das kann niemand -, dass es hier und da - auch in Niedersachsen - einen Missbrauch dieser Arzneimittel sowohl bei den Erzeugern als auch bei den Tierärzten gibt. Das hat es in der Vergangenheit gegeben. Trotz der Sicherungssysteme wird es das auch in der Zukunft geben, weil, wie wir aus allen anderen Rechtsbereichen wissen, Leute durch solche Sicherungssysteme hindurchschlüpfen können. Sollten in Niedersachsen solche Fälle bekannt werden - hier bin ich mit Ihnen einig, Herr Klein -, dann wird mein Haus alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um ein solches Tun nicht nur zu ahnden, sondern auch zukünftig zu unterbinden. Bei der Tierärzteschaft denke ich dabei an eine Anordnung des Ruhens der tierärztlichen Approbation als Einstieg zum Verbot, als Tierarzt zu praktizieren.

Auch bei Tierhaltern, die wissentlich Arzneimittelmissbrauch betreiben, werde ich dafür sorgen, dass in besonders schweren Fällen ein Verbot der Tierhaltung durchgesetzt werden wird, meine Damen und Herren. Das ist notwendig, um hier deutliche Signale auch in Richtung der Tierhalter zu setzen.

Wir haben in Niedersachsen einen speziellen Rückstandskontrolldienst eingerichtet - das ist der Einzige, den es in Deutschland gibt -, der bei aufkommendem Verdacht derartiger Machenschaften die Behörden vor Ort unterstützt und direkten Kontakt auch zur Staatsanwaltschaft und zur Polizei hat, damit schnellstmöglich kriminaltaktische und kriminaltechnische Möglichkeiten und Methoden eingesetzt werden können.

In dieser Hinsicht haben wir keinen überwachungsfreien Raum. Es gibt klare Vorschriften im Lebensmittel- und Fleischhygienerecht, die Untersuchung gezielter Stichproben im Erzeuger- wie im Schlachtbereich nach einem nationalen Rückstandskontrollplan durchzuführen, und zwar auch in Verdachtsfällen. Wenn dabei unerlaubte Rückstände festgestellt werden, wird im betreffenden Erzeugerbetrieb ermittelt, und zwar nach einem speziell in Niedersachsen entwickelten Maßnahmenkatalog.

Ich bin nicht so blauäugig - das sage ich noch einmal -, und der Ministerpräsident gestern mit seiner Aussage in Richtung Bayern ist es auch nicht, zu sagen, dass es nach den derzeitigen Erkenntnissen keine Verbindung zu Niedersachsen gibt. Ich bin auch nicht so blauäugig, zu sagen, dass wir jeden erwischen. Deshalb werden wir unsere Bemühungen auf diesem Sektor weiter verstärken. Wir können aber auch sagen, dass das Rückstandskontrollsystem bei uns effektiv installiert ist und dass wir die „Hand am Puls“ haben. Das Risiko, bei uns erwischt zu werden, ist außerordentlich hoch.

Ich habe zwei Bundesratsinitiativen wieder aufgegriffen und Frau Bundesministerin Künast gebeten, diese Initiativen kurzfristig wieder aufleben zu lassen. Sie sind 1995 unter Einwirkung des Deutschen Bauernverbandes zunichte gemacht worden, nicht zum Zug gekommen. Wir möchten, dass die illegale Arzneimittelanwendung schärfer geahndet werden kann, um die Qualität des lebenden und zu schlachtenden Tieres dann auch in einer entsprechenden Rechtsvorschrift zu formulieren. Der Verbraucherschutz muss beim lebenden Tier anfangen. Das ist meine Forderung.

(Zustimmung von Frau Lau [SPD])

Wir werden das BMVL bitten, in den arzneimittelrechtlichen Vorschriften eine Eigenkontrollverpflichtung für die landwirtschaftlichen Betriebe vorzusehen mit einem Bestandstierarzt, der dann auch die entsprechende Dokumentation dessen vornimmt, was in dem Betrieb mit bzw. von Tierärzten durchgeführt wird und welche Medikamente verabreicht werden. Ich habe Frau Ministerin Künast gebeten, auch dies sehr schnell auf den Weg zu bringen.

Meine Damen und Herren, mein Haus und ich haben uns für das Verbot antibiotischer Zusatzstoffe als Leistungsförderer in der Tiermast eingesetzt.

Es hat viele Initiativen des Landes Niedersachsen gegeben, auch zusammen mit Nordrhein-Westfalen. Aufgrund unserer Initiativen sind vier Futterzusatzstoffe verboten worden. Im Hinblick auf die letzten vier, die noch erlaubt sind, habe ich die Bundesministerien gebeten, einen nationalen Alleingang zu unternehmen, um sie zu verbieten. Sie hat hier eindeutig unsere Unterstützung.

Die Tetracycline, die in der angesprochenen Untersuchung vorgefunden worden sind, sind verschreibungspflichtige Arzneimittel. Für diese Wirkstoffe gelten restriktive Bedingungen des Arzneimittelrechts. Die so genannte Einstallungsprophylaxe hat zu unterbleiben. Ein ungezieltes Herausschießen mit Antibiotika ist wegen der Gefahr der Resistenzbildung nicht hinnehmbar. Deshalb, meine Damen und Herren, bin ich auch nach verschiedenen Erkenntnissen, die wir in jüngster Zeit gewonnen haben, im Übrigen auch hinsichtlich des Separatorenfleisches - ich bin gern bereit, diese Untersuchungen vorzulegen -, der Auffassung, dass die Tetracycline verboten gehören. Insoweit auch von dieser Stelle aus einer klare Aussage. Ich habe der Bundesministerin dies zusammen mit Unterlagen und mit dem Hinweis auf wissenschaftliche Erkenntnisse zugeleitet, um möglichst schnell ein entsprechendes Verbot der Tetracycline zu erreichen.

(Beifall bei der SPD)

Der Gesamtaufwand an pharmakologisch wirksamen Substanzen - jetzt zur Studie - ist in dieser Studie ermittelt worden. Wir haben die Zahlen dazu geliefert. Die Zahlen, die dort zugrunde gelegt worden sind, stammen von der Bezirksregierung. Das sind im Übrigen belastbare Zahlen.