Protokoll der Sitzung vom 21.02.2001

haben nicht kapiert, was Sie da machen; und die haben Sie längst verloren, meine sehr verehrten Damen und Herren. Längst verloren!

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Ha- genah [GRÜNE])

- Ich behaupte nicht, dass wir die junge Generation insgesamt hinter uns haben. Aber ich sage Ihnen: Da hat sich auf dem EXPO-Gelände ein Lebensge

fühl offenbart, das selbst mich überrascht hat. Das sage ich hier ganz offen. Ich bin oft genug da gewesen, dienstlich, aber auch privat; nachher noch mehr privat, weil ich es einfach schön fand, dorthin zu gehen. Da hat man gemerkt, dass die Menschen dort mit Freude hingehen, dass die Leute mit Interesse an die Objekte herangehen. Da haben Leute drei Stunden lang vor einem Pavillon in der Sonne gestanden und waren trotzdem fröhlich dabei, meine Damen und Herren. Wo hat es in Deutschland so etwas schon einmal gegeben? Nur auf der EXPO!

(Beifall bei der SPD)

Da sind Leute hingegangen, Herr Kollege Hagenah, von denen ich nicht erwartet hätte, dass sie auf eine Großveranstaltung gehen. Die sind vielleicht auch mit ein bisschen Skepsis dahin gegangen, aber mit einem freundlichen Gesicht wiedergekommen und haben gesagt: Da gehen wir beim nächsten Mal wieder hin.

(Beifall bei der SPD - Frau Pawelski [CDU]: Da hätten Sie mal hingehen müssen!)

Ich finde, meine Damen und Herren, das Thema hat sich gelohnt, allein schon deshalb, weil die Menschen, die da gewesen sind, wissen, dass all die anderen, die das Projekt mies zu machen versucht haben, Unrecht behalten haben.

Es geht noch ein Stück weiter. Meine Damen und Herren, am Ende der EXPO-Veranstaltung haben die Leute gefragt: Was ist eigentlich übrig geblieben?

(Zuruf von den GRÜNEN: 2,4 Mil- liarden!)

- Ja, genau. Darauf komme ich gleich. - Der letzte Tag hat es deutlich gemacht. Da war Wehmut zu spüren, dass die Veranstaltung zu Ende ist. Da wurde ganz offen die Frage diskutiert, ob wir die EXPO verlängern könnten. Darauf ist Ihre einzige Antwort: 2,4 Milliarden DM Schulden. - Das ist der Umgang mit einem Problem, das die Menschen über ein Jahr bewegt hat, das eine Region nach vorne gebracht hat, das Niedersachsen nach vorne gebracht hat. Diese eine Zahl nennen Sie hier. Das ist Ihre Antwort darauf, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Leute draußen lachen über Sie, und das ist in Ordnung.

(Beifall bei der SPD)

Es ist viel mehr geblieben. Bei den Menschen draußen ist das Gefühl geblieben, dass die Hannoveranerinnen und Hannoveraner, nein, dass die Niedersachsen insgesamt gute Gastgeber sind, dass die Menschen in Niedersachsen bereit gewesen sind, auch Geld in die Hand zu nehmen, um diese guten Gastgeber zu sein.

Nun will ich gar nicht bestreiten, dass die Kalkulation nicht gestimmt hat, die Grundlage etwa für die Annahme, dass am Ende eine schwarze Null dabei herauskommt. Da gab es sicherlich Imponderabilien. Man kann lange darüber diskutieren, ob man das so sagen sollte, wie es Frau Pawelski getan hat, nämlich dass die Frage der Vorbestellung der Karten dabei eine Rolle gespielt habe. Dabei haben nämlich tausend Dinge eine Rolle gespielt.

(Zuruf von Frau Pawelski [CDU])

- Ja, Frau Kollegin, dann sagen Sie das mal denjenigen, die die Diskussionen geführt haben! Wir führen hier doch keine provinzielle Debatte. Da hat aber insbesondere eine Rolle gespielt, dass es in Süddeutschland schon vor der EXPO eine ganz starke Bewegung gegeben hat, bei der es hieß: Das Ding ist toll. Die Veranstaltung ist brillant. Sie hat nur einen Fehler. Sie ist nicht in Bayern, sie ist nicht in München, sondern in Hannover. - Die haben dagegengehalten, und Sie haben deren Spiel mitgespielt, meine Damen und Herren. So ist das leider gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben das Spiel, das von der „Süddeutschen Zeitung“ - ich muss den Namen so deutlich nennen - inszeniert worden ist, hier in Niedersachsen fortgesetzt. Sie haben das Verkehrschaos beschworen, Sie haben die Wohnungsnot beschworen, Sie haben alle Horrorszenarien der Welt an die Wand gemalt, um dieses Projekt niederzumachen, Frau Pawelski. Aber wir haben sowohl im Land als auch in der Landeshauptstadt Hannover dafür gesorgt, dass es nicht zum Verkehrschaos und nicht zur Wohnungsnot gekommen ist. Und warum? Weil wir Geld zur Verfügung gestellt haben. Das ist die Antwort.

(Beifall bei der SPD)

Die Menschen erwarten von der Politik - zu Recht -, dass wir gestalten, dass wir Alternativen anbieten, dass wir ihnen sagen: Wir haben die Risiken erkannt und versuchen nun, etwas dagegenzusetzen. - Nur zu lamentieren und zu sagen,

das dürfe man nicht und das dürfe man nicht, führt uns nicht weiter, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte die Liste dessen, was die EXPO an Positivem hervorgebracht hat, nicht wiederholen; Frau Pawelski hat das schon ausführlich dargestellt. Ich bin in einer ähnlichen Situation. Ich will den Kollegen nicht zu viel darüber verraten, was hier alles passiert ist. Aber sie wissen das ohnehin schon. Sie wissen, dass die Verkehrsinfrastruktur, die in der Landeshauptstadt Hannover geschaffen worden ist, nicht nur der Landeshauptstadt Hannover, sondern ganz Niedersachsen zugute kommt. Sie wissen auch, dass die Landesregierung zu ihrem Wort steht, das sie seinerzeit gegeben hat, als sie gesagt hat: Wir haben uns in einem solidarischen Akt dafür entschieden, wegen des Projekts EXPO die Verkehrsinfrastruktur in der Region Hannover zu konzentrieren, aber danach ist die Fläche daran. - Dabei bleibt es auch, meine Damen und Herren. Darauf können sich die Menschen verlassen.

(Beifall bei der SPD). Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, mich würde interessieren, wie Sie Ihre Große Anfrage eigentlich begründen. Sie befinden sich nämlich in einer schwierigen Situation. Hier in Niedersachsen sind Sie in der Opposition; hier können Sie Ihre Anti-EXPOHaltung ordentlich rauslassen, will ich einmal sagen. Aber in Berlin sind Sie in der Koalition. (Zuruf von Hagenah [GRÜNE])

- Seien Sie vorsichtig mit Ihren Zwischenrufen, Herr Kollege Hagenah! - Ich erinnere mich noch sehr deutlich daran, wie sich Ihre Vorvorgänger in den Jahren 1990 bis 1994, als sie nämlich auch in einer Koalition saßen, verhalten haben. Damals haben sie Pro-EXPO-Entschließungen mitverantwortet, meine Damen und Herren. - Also, das Sein bestimmt das Bewusstsein.

In Berlin sind Sie in der Regierungsverantwortung. Dort hat die CDU - die in Hannover pro EXPO eingestellt ist - eine kritische Große Anfrage gegen die EXPO gestellt, die mit Ihrer hier in Niedersachsen durchaus zu vergleichen ist. - Meine Damen und Herren, diese Art von Doppelpassspiel lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage Ihnen ganz deutlich, Herr Kollege Hagenah. Mich hat es gefreut, welchen eigenen Beitrag die Menschen zum Gelingen der EXPO geleistet haben und wie sie mit dem Thema EXPO umgegangen sind. Mich hat es gefreut, dass die Neuauflage des „EXPO-Journals“ in Buchform in kürzester Zeit vergriffen war. Und mich hat es gefreut, dass, als ein Gastronom aus Hannover erklärt hat, er wolle eine Konkurrenzveranstaltung zur EXPO-Revival-Party machen, fast alle Anrufer gesagt haben, sie gingen selbstverständlich zu EXPO-Revival-Party, weil die EXPO so schön war und sie sich gerne daran erinnern. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, tut auch die Mehrheit dieses Hauses, und darüber bin ich froh.

(Starker Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, damit ist die Besprechung der Großen Anfrage abgeschlossen. - Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 11: Zweite Beratung: Rehabilitierung der 105 Göttinger Dauerverdächtigten - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/866 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für innere Verwaltung - Drs. 14/2197

Dieser Antrag wurde am 15. Juli 1999 an den Ausschuss für innere Verwaltung zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen, sodass wir gleich in die Beratung eintreten können. Hierzu erteile ich Frau Stokar von Neuforn das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wetten, dass es in dieser Landesregierung einen Minister oder gar einen Ministerpräsidenten gibt, der in Jugendjahren demonstriert hat? Wetten, dass es auch unter den Abgeordneten dieses Hauses Menschen gibt, die sich vor über 20 Jahren an Demonstrationen beteiligt haben

(Zurufe von der SPD: Ja, heute noch!)

und dabei nicht ausschließen konnten, dass auch der eine oder andere Wiederholungstäter dabei war?

Meine Damen und Herren, unser Antrag aus dem Juli 1999 - es hat ja lange gedauert, bis der Bericht des Innenministeriums dazu fertig war - hat eine Aktualität erlangt, die selbst ich mir bei der Einbringung damals nicht habe vorstellen können. In meiner ersten Rede im Plenum habe ich die Befürchtung äußert, Politiker könnten durch Geheimdienstdossiers aus ihrer Vergangenheit erpressbar werden. Damals, meine Damen und Herren, haben Sie noch gelacht. Inzwischen hat uns die Realität mehr als einholt.

Weiter ungeklärt bleibt in diesem Zusammenhang auch die Frage, womit der in den goldenen Ruhestand geschickte Präsident des niedersächsischen Verfassungschutzes diese Landesregierung erpressen konnte.

Meine Damen und Herren, was wird den Göttinger 105 vorgeworfen? - Sie haben vor über 20 Jahren an einer Demonstration teilgenommen, die wegen ihres Inhalts vom Staatsschutz als linksextremistisch eingestuft wurde. Unter den mehreren hundert Teilnehmern dieser nicht verbotenen Demonstration war auch ein politisch motivierter Wiederholungstäter. Diese Göttinger 105 erinnern sich: Am 21. November 1985 erklärte der damalige Niedersächsische Innenminister Möcklinghoff nach einer heftigen öffentlichen Auseinandersetzung über die Speicherung von Göttinger Bürgerinnen und Bürgern in der SPUDOK-Datei 74, die Datei sei gelöscht, d. h. vernichtet. Er versicherte den Gespeicherten damals ausdrücklich, es habe zu keinem Zeitpunkt etwas gegen sie vorgelegen; sie seien nicht mehr erfasst und nunmehr wieder unbescholtene Bürgerinnen und Bürger.

Wir wissen heute, meine Damen und Herren, dass die SPUDOK-Datei 74 tatsächlich physisch vernichtet worden ist. Seit dem Auftauchen der Liste der Göttinger 105 wissen wir aber auch, dass die damals schon zu Unrecht gespeicherten Bürgerinnen und Bürger nicht die geringste Chance hatten, jemals wieder unbescholtene Bürgerinnen und Bürger zu werden. Trotz der Löschung ihrer Daten sind sie in einem aktuellen Ermittlungsverfahren der Bildung einer terroristischen Vereinigung verdächtig.

Im Gegensatz zu dem Landesbeauftragten für den Datenschutz sieht das Innenministerium keinen

Grund zur Beanstandung, wenn die Staatsschutzabteilung der Polizei 30 Jahre lang Informationen über politisch aktive Menschen aufbewahrt und personenbezogene Daten aus Sachakten rekonstruiert und in aktuellen Ermittlungsverfahren verwendet.

Da gegen diese Personen nichts vorliegt, dürfen sie aufgrund der Löschungsvorschriften seit Jahren nicht mehr gespeichert werden. Insofern erhalten die Betroffenen auf ihre Anfragen auch immer die Antwort, sie seien bei der Polizei nicht gespeichert. Durch das Bekanntwerden der Liste der Göttinger Verdächtigten wissen sie aber, dass sie aufgrund einer Auswertung alter Kriminal- und Sachakten Tatverdächtige in einem Terrorismusverfahren sind.

Herr Minister Bartling, mit Ihrem Bericht zu unserem Antrag schaffen Sie auch in Niedersachsen die Voraussetzungen für die derzeit so heftig kritisierte hessische Praxis im Vorgehen gegen den deutschen Außenminister Joschka Fischer. Beamte des hessischen Verfassungsschutzes sind derzeit damit beschäftigt, alte Sach- und Kriminalakten nach dem Namen „Fischer“ zu durchforsten. Es wird der Versuch unternommen, die gelöschte Akte Fischer zu rekonstruieren.

In dem Göttinger Verfahren geht es nicht um hochrangige Politiker oder grüne Minister, sondern um Ärzte, Rechtsanwälte, Lehrer oder Ministerialbeamte, darunter eine Göttinger Ehrenbürgerin. Sie alle haben nicht die geringste Möglichkeit, sich gegen die falschen Verdächtigungen zu wehren, und fürchten mögliche berufliche Nachteile, wenn der Terrorismusverdacht öffentlich wird.

Meine Damen und Herren, unser Antrag hat sich nicht erledigt. Der Antrag wird sich erst dann erledigt haben, wenn, wie wir es fordern, die Betroffenen tatsächlich aus allen Akten des Staatsschutzes verschwunden sind.

(Glocke des Präsidenten)

Ich fürchte allerdings, dass Sie erst dann einsichtig werden und diese demokratiefeindliche Praxis beenden, wenn auch sozialdemokratische Politiker durch Geheimdienstdossiers mit falschen Verdächtigungen konfrontiert werden.

Ich möchte weiter darauf hinweisen – damit schließe ich in diesem Zusammenhang -, dass es in der Auseinandersetzung um die angebliche Mescalero-Vergangenheit von Jürgen Trittin auch in

Niedersachsen den Fall gegeben hat, dass Geheimdienstdossiers – hier aus dem Jahre 1984 -, die angeblich gelöscht worden sind, an die Presse lanciert worden sind.

Meine Damen und Herren, die betroffenen Personen haben nicht die Möglichkeit,

(Glocke des Präsidenten)