diese Berichte in irgendeiner Weise überprüfen zu lassen, weil es sich um Berichte von V-Leuten handelt, deren Identität und Glaubwürdigkeit nicht überprüft werden kann. Diese Dossiers werden nicht genutzt, um Ermittlungsverfahren gegen die Leute durchzuführen. Diese Dossiers werden ausschließlich genutzt, um die Menschen zu diffamieren. Gegen Ermittlungsverfahren könnten sie sich zur Wehr setzen. Wir haben hier in Niedersachsen aber eben die Praxis so. Staatsschutz, Innenministerium und Verfassungsschutz gehen davon aus: Es ist völlig korrekt, Informationen über politisch motivierte Menschen mehr als 30 Jahre lang aufzubewahren. – Für jeden Sexualstraftäter, für jeden Mörder gibt es Löschungsvorschriften. Im Bereich der Gewinnung politischer Informationen gibt es diese nicht. Diese Praxis wollen Sie hier fortführen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Stokar von Neuforn, wenn man Sie so reden hört, dann fragt man sich, in welchem Land wir eigentlich leben.
Mit der Einstellung zu unseren Landesbehörden und Landesbediensteten wird es Ihnen schwer fallen, Bürgermeisterin einer großen Stadt zu sein.
(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Ich will doch auch Innenministerin werden! – Zustimmung von Frau Pothmer [GRÜNE] – Unruhe – Glo- cke des Präsidenten)
Ich möchte jetzt auf den Antrag zu sprechen kommen, der heute hier beraten wird und den Ausschuss wirklich schon seit langem beschäftigt hat. Ich kann sagen: Die einzelnen Punkte des seit fast zwei Jahren vorliegenden Antrags sind abgearbeitet, Frau Stokar von Neuforn, und somit erledigt. Die Vorwürfe Ihrer Fraktion, die in der Antragsbegründung gegen das Landeskriminalamt erhoben wurden und die Sie heute wiederholt haben, konnten widerlegt werden. Auch wenn Sie dieselben Vorwürfe immer wieder erheben: Sie wurden widerlegt. Sie sollten das noch einmal nachlesen.
„Es ist augenscheinlich, daß die aktuelle Göttinger Verdächtigtenliste aus dem Datenbestand der frühen 80er Jahre stammt.“
- Frau Kollegin, ich habe Sie doch auch ausreden lassen. Vielleicht haben Sie ja noch einen Moment Redezeit. Hören Sie mir einfach einmal zu!
Schon bei der ersten Beratung, die bereits im Juli 1999 stattfand – so lange ist das nämlich schon her, liebe Kolleginnen und Kollegen -, und einen Monat vorher bei der Beantwortung einer Dringlichen Anfrage konnte Minister Bartling deutlich machen, dass die betreffende Liste mit den 105 Namen, von der wir heute noch sprechen, von der Soko 413 als Ergebnis manueller Auswertung von Kriminalund Sachakten erstellt wurde.
Nachdem auch der Landesbeauftragte für den Datenschutz bestätigte, dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die SPUDOK-Datei nicht Anfang der 80er-Jahre gelöscht worden sei, meinte ich eigentlich, dass dieser Vorwurf vom Tisch sei. Ich bin heute eines Besseren belehrt worden.
Kollegin Stokar von Neuforn, der Antrag enthielt u. a. die Forderung, die Entstehung der Liste lückenlos aufzuklären. Sie zweifeln ja an, dass die Sache erledigt ist. Ich kann Ihnen nur sagen, auch wenn Sie nicht zuhören: Das ist inzwischen hinreichend geschehen. Sowohl im Bericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz als auch in der Stellungnahme des Innenministeriums wird bestätigt, dass die Datensätze aus zwei Sachakten des Landeskriminalamtes und einer Kriminalakte der Polizeiinspektion Göttingen stammen. Außerdem wurden aus einem anderen strafrechtlichen Ermittlungsvorgang Daten entnommen. Auch die geforderte Information und Überprüfung haben stattgefunden. Wir halten diese Form der Ermittlung für durchaus rechtmäßig.
Am 6. September letzten Jahres – so lange ist das schon her – wurden im Innenausschuss sowohl der Bericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz als auch die Stellungnahme des Innenministeriums ausführlich diskutiert.
Der Landesbeauftragte für den Datenschutz – ich komme zu dem Punkt; darüber reden wir ja heute – machte nach seiner Prüfung deutlich, dass von seiner Seite grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken gegen die Auswertung von Akten zur Aufklärung des Brandanschlags auf das Arbeitsamt Göttingen bestehen. Auch die Zuspeicherung von Daten Dritter in einer Kriminalakte sieht er nicht als unzulässig an. Allerdings – das war der Punkt – hält der Landesbeauftragte für den Datenschutz die Speicherungsdauer der in den Akten enthaltenen Daten für zu lang. Nach seiner Meinung sollte auch nur strafbares Handeln zugespeichert werden. Er bezieht sich dabei auf die §§ 38 und 39 des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes. Bei den Sachakten sollte nach Meinung des Datenschutzbeauftragten eine Überprüfung stattfinden, um Daten, die zur Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich sind, zu löschen. – Das war die Meinung des Datenschützers.
Das Innenministerium hat in der Stellungnahme zum Prüfbericht detailliert dargestellt, dass es das Niedersächsische Gefahrenabwehrgesetz anders auslegt. Wenn nur strafbares Handeln in Kriminal
akten zugespeichert werden dürfte, hätte das zur Folge, meine Damen und Herren, dass Polizeiakten nicht mehr so geführt werden könnten, dass Tatund Täterumfeld aufgedeckt werden könnten. Das schränkte die Ermittlungserfolge wesentlich ein, und das kann – wenn man nicht nur an Delikte im linken Spektrum, sondern auch an Sexualdelikte etc. denkt – nicht in unserem Sinne sein.
Auch die Forderung vonseiten des Datenschutzes, innerhalb einer Sachakte einzelne personenbezogene Daten auf ihre Erforderlichkeit hin zu überprüfen, ist nach Meinung des Innenministeriums kaum umzusetzen. Dieser Meinung können wir uns anschließen; denn eine solche Akte mit diversen Schwärzungen vermittelte ein völlig verzerrtes und damit irrrelevantes Ergebnis, und das wäre für die Polizeiarbeit schädlich.
Nachdem insbesondere die Frage der Löschungsfristen strittig war, kam der Ausschuss zu der Meinung, dass die rechtliche Bewertung zwischen dem Landesbeauftragten für den Datenschutz und dem Ministerium auf fachlicher Ebene ausführlich erörtert werden soll. Die Mitglieder des Innenausschusses hatten die Hoffnung – so sage ich einmal -, dass man zu einer gemeinsamen Auffassung gelangen kann. Das zu erreichen war allerdings trotz mehrerer Gespräche nicht möglich, wie uns in der letzten Beratung des Ausschusses mitgeteilt wurde.
In der Bewertung dieser Meinungsverschiedenheit – das ist der Juckepunkt, Frau Stokar von Neuforn – tragen wir Ihre Ansicht nicht mit. Für die SPD-Fraktion kann ich sagen, dass wir die Argumentation in der Stellungnahme des Ministeriums zum Prüfbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz akzeptieren können.
Für uns steht außer Frage, dass der Datenschutz von unserer Polizei sehr ernst genommen wird. Die niedersächsische Polizei arbeitet erfolgreich mit unterschiedlichen Dateien. Unser Gefahrenabwehrgesetz sowie die Kriminalaktenrichtlinie und Aktenordnungen legen den Prüfungs- und Löschungsvorgang fest, Frau Stokar von Neuforn. Wir sind davon überzeugt, dass diese Vorschriften eingehalten werden. So wurden von mehr als 300 000 Kriminalakten in den letzten vier Jahren rund 50 000 gelöscht, was das auch beweist.
(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Die Kriminellen werden gelöscht, aber die Politiker nicht! Das ist un- glaublich!)
Meine Damen und Herren, die Antragsberatung hat gezeigt – so die Meinung der SPD-Fraktion -, dass niemand rehabilitiert werden muss, wie es in der Überschrift steht, weil niemand der auf der Liste stehenden Personen als Täter verunglimpft wurde. Es wurde auch niemandem etwas vorgeworfen. Dauerverdächtigte gibt es in Niedersachsen nicht. Das mag in Hessen anders sein, Frau Stokar von Neuforn, wie die jüngsten Vorgänge um Joschka Fischer zeigen.
Aus den von mir ausgeführten Gründen halten wir nach zwei Jahren die Angelegenheit wirklich für erledigt. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, heute durch Ihre Abstimmung zu dokumentieren, dass Sie dem zustimmen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich noch daran erinnern, als die Frau Kollegin Stokar von Neuforn vor fast zwei Jahren - ich glaube, es war im Juni 1999 - in nostalgischer Wehmut an die Zeiten der 68er und 70er, insbesondere an die Göttinger Szene, erinnert hat.
Ich kann mich auch daran erinnern, wie Sie voller Stolz berichtet haben, dass viele von den radikalen Linken erfolgreich den Marsch durch die Institutionen geschafft haben. Sie haben damals voller
und Politiker. Frau Kollegin Stokar von Neuforn, das war vor zwei Jahren. Es ist richtig, viele von denen haben den Marsch durch die Institutionen geschafft. Wenn man das aber heute beurteilt - wir haben ja zurzeit die Diskussion –, dann stellt man fest: Manche von denen, die im öffentlichen Leben stehen, distanzieren sich davon, verharmlosen das, entschuldigen sich für das, was sie damals gemacht haben, und verniedlichen das zum Teil. Das unterscheidet sich von dem, was Sie vielleicht vor zwei Jahren gesagt haben.
Wir haben heute Morgen voller Ernst eine Diskussion über die Bekämpfung des Rechtsradikalismus geführt. Wir haben darüber gesprochen, dass die Menschen Angst vor Gewalttaten und Anschlägen haben. Ich will Ihnen sagen: Das war 1968 und 1970 genauso. Damals haben die Menschen, insbesondere in der Stadt Göttingen, Angst gehabt. Ich kann das ein bisschen beurteilen, weil ich in den 70er-Jahren bei jeder Demonstration, die in Göttingen stattgefunden hat, mit in der ersten Reihe stand, allerdings auf der anderen Seite, nämlich auf der Seite der Polizei. Ich kann Ihnen eines sagen: Ich war Polizeiführer und habe erlebt, wie Menschen, und zwar die breite Öffentlichkeit in der Stadt Göttingen, nämlich die, die sich nicht politisiert hat - das waren mehr als 90 % der Bürger -, Angst vor den Radikalen auf der Straße gehabt haben. Sie haben wie die Polizeibeamten Angst vor den Stahlkugeln, den Molotowcocktails und dem Steineregen gehabt.
Ich würde mich freuen, wenn der Innenminister - wir haben das bei der Polizei alles archiviert- manches Bild und manchen Film - wir haben damals noch keine Videokassetten gehabt, aber Filme – zeigen würde, sodass dem einen oder anderen, der heute in der Öffentlichkeit steht, vielleicht bewusst wird, was er damals gemacht hat. Ich würde mich freuen, wenn man das öffentlich zeigen würde, sodass man vieles nicht mehr verharmlosen kann und manche Personen, die im Blickfeld der Öffentlichkeit stehen und sicherlich auch Ihrer Partei zugehören, von der Öffentlichkeit aus einem anderen Blickwinkel betrachtet werden.
kritischen Begleitung von polizeilichen Dateien als Jeanne d’Arc hervorgetan. Ich gebe zu: Es ist manchmal für die Öffentlichkeit nicht ganz nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass bestimmte Dateien geheimnisvolle Namen haben. Ich nenne sie einmal: Avis, Damaskus, Apes, Mikado, SPUDOK. Das sind alles Abkürzungen. Die Polizei und wir Deutschen insgesamt gebrauchen ja oft Abkürzungen. Das ist alles ein wenig geheimnisumwittert. Aber was steht dahinter? - Sie wissen das genau, nämlich dass wir 1982, als es darum ging - - - Ja, bitte, Frau Kollegin!
Einen Augenblick. Ich habe gemerkt, dass ich die Frage gar nicht zu stellen brauche, weil der Kollege Sehrt bereit ist, eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Harms zu beantworten. - Frau Harms, Sie haben das Wort.
Wenn Sie so genau wissen, für was diese Abkürzungen stehen, dann bitte ich Sie, zu erläutern, was SPUDOK für die Menschen im Landkreis Lüchow-Dannenberg bedeutet hat und welche Probleme es für die Menschen gegeben hat, die in eine solche Fahndung geraten sind?