Protokoll der Sitzung vom 21.02.2001

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Der Ministerpräsident hat um das Wort gebeten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil ich dazu, dass Herr Golibrzuch eben eine Person angegriffen und den Eindruck erweckt hat, da hätte jemand sozusagen durch seine rednerischen Fähigkeiten sein

privates Interesse durchsetzen können, einiges klarstellen möchte.

Herr Golibrzuch, ich meine schon, dass der Kollege Oppermann Recht hat, wenn er sagt, dass Sie sich mit derartigen Reden nicht für eine gute Krankenhausversorgung einsetzen, sondern exakt das tun, was Sie anderen vorwerfen, nämlich sich profilieren zu wollen.

Ich möchte Ihnen etwas vorlesen, Herr Golibrzuch, damit Sie wenigstens Gelegenheit haben, Ihren Eindruck, das ganze INI sei überflüssig, zu korrigieren. Bei der CDU bin ich mir noch nicht sicher, ob sich Herr Wulff oder Herr Möllring durchsetzen wird.

(Möllring [CDU]: Warten Sie es ein- mal ab, Herr Gabriel!)

Herr Möllring ist ja auch der Überzeugung, das sei alles überflüssig. Herr Wulff hat heute zum ersten Mal öffentlich etwas anderes getan, als die gesamte Veranstaltung zu diskreditieren. Ich hoffe, dass sich Herr Wulff und nicht Herr Möllring durchsetzt.

Herr Golibrzuch, es gibt eine Stellungnahme - ganz frisch – des Landesverbandes der Innungskrankenkassen in Niedersachsen zum Internationalen Neurowissenschaftlichen Institut in Hannover. Der erste Satz lautet:

„Im Zusammenhang um die Diskussion der Zukunftsperspektive des Internationalen Neurowissenschaftlichen Instituts (INI) in Hannover unterstreichen die niedersächsischen Innungskrankenkassen die Bedeutung dieses Hauses für den Medizin- und Wissenschaftsstandort Hannover, von dem aus auch neue Impulse für den Medizinstandort Deutschland im Rahmen der Forschung und Lehre erwartet werden können.“

Herr Golibrzuch, auch ich glaube, dass Landtagsabgeordnete sich viele Kenntnisse über die Notwendigkeiten von Medizin aneignen können. Ich glaube aber, dass Krankenkassen bei der Beurteilung der Notwendigkeit einer solchen Einrichtung im Zweifel noch mehr Kenntnisse haben.

(Golibrzuch [GRÜNE]: Was schrei- ben sie weiter?)

- Das will ich Ihnen gerne beantworten. - Danach erläutern die Krankenkassen, unter welchen Rahmenbedingungen sie mithelfen wollen, das INI zu sichern. Aber dass das INI notwendig ist, Herr Golibrzuch, bestreiten die Krankenkassen eben nicht. Das ist der Unterschied zwischen uns beiden.

(Beifall bei der SPD – Frau Pothmer [GRÜNE]: Das bestreiten sie nach- drücklich!)

Ich finde es unfair, wenn die Fraktion der Grünen unter dem Beifall der CDU den Eindruck erweckt, als gäbe es eine Identität zwischen dem, was das INI macht, und der konventionellen Medizin in der Neurochirurgie, die wir haben. Ich weiß nicht, ob Sie sich einmal die Mühe gemacht haben, sich anzuschauen, welche Möglichkeiten es in Zukunft durch die Kombination von Nervenenden und Computertechnologie bei der Pflege, Behandlung und Therapie zum Beispiel von ParkinsonPatienten geben wird. Ich finde es nicht besonders in Ordnung, Frau Pothmer, wenn Sie die Möglichkeiten der Therapie für Querschnittsgelähmte, für Gehörlose, für Sehgeschädigte, die in der Zukunft - -

(Frau Harms [GRÜNE]: Das hat über- haupt niemand gemacht! Jetzt wird es infam! – Unruhe – Glocke des Präsi- denten)

- Das möchten Sie nicht hören!

(Frau Harms [GRÜNE]: Weil Sie jetzt wieder einmal überziehen! Das ist ei- ne Unverschämtheit!)

Sie möchten weiterhin eine Verfahrensdebatte haben. Wir aber möchten darüber reden, was in Zukunft in der Medizin möglich sein wird.

(Beifall bei der SPD – Frau Harms [GRÜNE]: Unverschämtheit!)

Es geht darum, dass wir diese Möglichkeiten der Zukunftsentwicklung von Medizin in Hannover behalten wollen.

(Frau Harms [GRÜNE]: Die sind doch hier! Wir haben die Medizini- sche Hochschule!)

Wir möchten nicht, dass sie als nächstes nur in der Schweiz existieren. Sie können sich ja einmal fragen, wie viele Kassenpatienten die Möglichkeit

haben, sich in der Schweiz solchen medizinischen Therapiemöglichkeiten zu widmen.

(Eveslage [CDU]: Wofür haben wir die MHH?)

- Ich weiß, dass Sie darüber nicht reden wollen. Sie möchten über Verfahrensfragen reden, nicht über Medizin.

(Frau Harms [GRÜNE]: Nein, wir wollen diese Verdrehungen nicht zu- lassen!)

Deswegen haben wir die Absicht, dieser Position, die die Innungskrankenkassen hier stellvertretend wahrnehmen - -

(Pothmer [GRÜNE]: Stellvertretend für wen? Für die AOK? Für den VdAK?)

- Für diejenigen, die der Auffassung sind, dass diese Medizin in Hannover existent bleiben muss, meine Damen und Herren. Das ist doch klar.

(Beifall bei der SPD)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Möllring?

Nein, er hat wahrlich genug Möglichkeiten gehabt, hier zu sprechen.

(Möllring [CDU]: Aber nicht nach Ih- nen!)

Die Haltung bei den Grünen ist die gleiche, die wir bei der EXPO erlebt haben, als nach vier Wochen gesagt wurde: Am besten abbrechen. – Wenn etwas nicht sofort funktioniert, dann sagt man am Besten: Wir haben schon immer Recht gehabt. Bitte absagen!

(Frau Harms [GRÜNE]: Unglaub- lich!)

Es gibt beim INI zwei ernsthafte Probleme, die damals anders eingeschätzt worden sind. Der Kollege Schwarz hat auf das Vorhandensein von Chancen, aber auch auf das Vorhandensein von Risiken hingewiesen. Die Chancen hat damals nicht die Landesregierung so beurteilt und übrigens auch nicht das INI – das INI hat immer gesagt: wir

müssen Kassenpatienten haben -; vielmehr hat die PwC, die Deutsche Revision, bei der Prüfung der Landesbürgschaft erklärt, dass das Konzept mit vier weltweiten Experten auch ohne Kassenpatienten funktioniert.

(Möllring [CDU]: Aber das INI hat den Vertrag unterschrieben!)

Das ist die Position gewesen. Von den Experten sind drei nicht gekommen.

Natürlich tritt jetzt das Risiko ein. Insofern finde ich es vernünftig, dass wir auch über die Frage reden, ob die Risikoabschätzung ausreichend gewesen ist. Aber, Frau Pawelski, stellen Sie sich einmal vor, damals hätte man sich in Hannover gegen die Chance und für das Risiko entschieden: Was hätten Sie damals in Hannover wohl für einen Aufstand gemacht?

(Beifall bei der SPD)

Wir werden jetzt das Konzept, das der Kollege Oppermann hier vorgestellt hat, Schritt für Schritt abarbeiten.

Frau Pawelski, ich könnte die Presseauswertung, die Sie vorhin vorgenommen haben, mit Zitaten Ihres Fraktionsvorsitzenden ergänzen, ausschließlich gegen das INI gerichtet,

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Das ist unverschämt! Sie sind unerträglich!)

ausschließlich mit der Positionierung: Millionengrab, Managementfehler und vieles andere mehr. Ich bin froh, Herr Wulff, dass Sie hier heute eine Rede gehalten haben, die deutlich machte, dass wir, jedenfalls was die Beurteilung der Zukunft angeht, einig sind. Wenn wir da gemeinsam etwas machen, dann können wir die Grünen getrost in der Vergangenheit suchen lassen.

(Beifall bei der SPD)

Der Kollege Wulff hat sich zu Wort gemeldet.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So geht es nun wirklich nicht. Herr Plaue hat im Rahmen einer Presseerklärung der Sozialdemokratie erklärt, das betriebswirtschaftliche Konzept des INI sei gescheitert. Darauf sollten wir

uns einmal verständigen, damit die Ausgangslage klar ist. Ich habe erklärt, dass es, wenn die Auslastung so bleibt, bei der Belastung und dem Bauvolumen ein Millionengrab wird. Ob Sie Ihre Vorschläge umsetzen können, ist eine offene Frage. Aber wenn es so bleibt, wie es ist, wird es ein Millionengrab für unser Land.

Ich finde es einfach unanständig, wenn der Ministerpräsident dieses Landes jedes Mal eigene Unwägbarkeiten, eigene Unsicherheiten und eigene Hektik zu übertünchen versucht, indem er jemanden in eine Ecke stellt, in die dieser sich nicht stellen lässt. Wir werden dem Aufklärungsbedarf gerecht werden. Wir werden das Rettungskonzept erarbeiten. Das ist bei Ihnen denkbar schlecht aufgehoben. Es gehört in den Landtag. Hier wird es erarbeitet werden.