Ich finde es einfach unanständig, wenn der Ministerpräsident dieses Landes jedes Mal eigene Unwägbarkeiten, eigene Unsicherheiten und eigene Hektik zu übertünchen versucht, indem er jemanden in eine Ecke stellt, in die dieser sich nicht stellen lässt. Wir werden dem Aufklärungsbedarf gerecht werden. Wir werden das Rettungskonzept erarbeiten. Das ist bei Ihnen denkbar schlecht aufgehoben. Es gehört in den Landtag. Hier wird es erarbeitet werden.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wulff, „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ vom 8. Februar 2001:
„Wieder einmal wurde nicht zu Ende gedacht. Seit längerer Zeit sei bekannt, dass das Institut zu einem Millionengrab werden könnte.“
„Samiis rote Zahlen seien keine Überraschung. Die Regierung habe frühere Warnungen verschlafen. Es sei lange bekannt, dass das INI nur mit Privatpatienten ein Millionengrab würde.“
Damit wollten Sie Samii retten? - Nein, meine Damen und Herren, damit wollen Sie den Klinikstandort Hannover kaputt reden, was zu beweisen war!(Beifall bei der SPD – Eveslage [CDU]: Plaue, noch einmal!)
c) Bekämpfung von Rechtsextremismus: Prävention, Aussteigerprogramme und Härte des Gesetzes - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/2241
Sehr geehrter Herr Kollege Eveslage, auch Ihnen traue ich die intellektuelle Fähigkeit zu, sich einem ernsten Thema etwas ernster zu nähern. Deswegen versuche ich, Ihren Zwischenruf zu ignorieren.
Meine Damen und Herren, es hat erst vor wenigen Tagen wieder einen Anschlag gegeben, der sich hinterher als ein Pseudoanschlag herausgestellt hat. Vor einer jüdischen Synagoge in Lübeck hat ein Koffer gestanden, der ganz offensichtlich als eine Bombenattrappe konstruiert gewesen ist und der zu heftigen Reaktionen der Sicherheitsbehörden führen musste. Es gibt in vielen Beispielen die deutlichen Hinweise darauf, dass in unserem Lande die Rechtsextremisten, diejenigen, die rechtsextremes Gedankengut transportieren, ein Spiel spielen, das längst kein Spiel mehr, sondern brutale Wirklichkeit ist.
In unserer Gesellschaft gleiten mehr und mehr Menschen denjenigen in die Hände, die glauben, mit uralten Parolen Probleme lösen zu können, von denen wir alle auch aus der historischen Erfahrung heraus wissen, dass sie so nicht zu lösen sind, sondern dass damit im Gegenteil neue gesellschaftliche Verwerfungen produziert werden. Das
Problem, dass immer mehr Gruppierungen braunen Ursprungs Zulauf bekommen, ist inzwischen ein flächendeckendes Problem in unserer Gesellschaft geworden. Ich finde es gut, dass sich jedenfalls die hier im Landtag vertretenen Parteien immer und immer wieder gegen diese Art von Umtrieben eingesetzt haben. Das sollten wir an dieser Stelle noch einmal betonen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Auch in Niedersachsen ist nach dem Stand vom 19. Januar 2001 die Zahl der rechtsextremistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Straftaten gegenüber 1999 zwischen 56 und 73 % gestiegen. Ich finde, das ist eine erschreckende Zahl, und die Politik, die Gesellschaft hat darauf zu reagieren. Beschämend und besonders schlimm ist aus unserer Sicht, dass ein Großteil der Anhänger dieser rechtsextremistischen Gruppierungen Jugendliche und Heranwachsende sind, die offensichtlich dort einen gesellschaftlichen Halt suchen, der ihnen an anderer Stelle nicht gegeben wird.
Meine Damen und Herren, wir haben in vielfältigen Aktionen darauf reagiert. Die Politik hat auch darauf zu reagieren, und zwar im Bereich der Prävention, die der wichtigste Teil ist, um diese Menschen davon abzuhalten, in solchen Gruppierungen zu verwurzeln und einen falschen Lebensweg einzuschlagen. Diese Prävention, die hier in Niedersachsen durch Programme des Innenministers, der Sozialministerin und des Justizministers angeschoben wurde, bekommt nun eine Ergänzung, die, wie ich finde, dringend erforderlich ist. Die Ergänzung besteht in dem Versuch, durch konkrete Angebote Menschen - zunächst Rädelsführer, aber nicht nur die - aus diesen Gruppierungen herauszubrechen und ihnen eine anständige, eine, wenn Sie so wollen, bürgerliche Entwicklung zu ermöglichen.
Das, was insoweit von den Verfassungsschutzbehörden angeregt und von den Innenministern auf den Weg gebracht worden ist, und das, was auch hier in Niedersachsen vom Innenminister, von der Sozialministerin und vom Justizminister geplant ist, verdient unsere Unterstützung hier im parlamentarischen Bereich und auch in der Öffentlichkeit.
anzusprechen. Aber es geht auch darum, diejenigen anzusprechen und zu erreichen, zu denen Ulrich Neufert in der „Neuen Presse“ meines Erachtens zu Recht angemerkt hat, dass Terrorismus und Außenseiterexistenz nur für völlig dumpfe und psychisch stark verbeulte Extremisten eine dauerhafte Lebensperspektive seien. - Diejenigen werden wir nicht erreichen. Unsere Hilfe und unser Angebot muss aber denen gelten, die noch anderen Lebensperspektiven zugänglich sind.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich aber auch Folgendes klarstellen: Präventionsarbeit und der Versuch, Angebote zum Ausstieg zu unterbreiten, können nur ein Teil des Konzeptes sein. Es muss weiterhin klar und eindeutig bleiben, dass rechtsextremistischen Straftätern die volle Härte des Gesetzes entgegengehalten wird, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Der Staat - damit meine ich sowohl die Ermittlungsbehörden als auch die Justiz - hat die Aufgabe, den jungen Menschen nicht ausschließlich mit den Methoden der Sozialarbeit und nicht ausschließlich mit den Methoden und Angeboten des Arbeitsmarktes, sondern dann, wenn es sein muss, auch mit der vollen Härte des Gesetzes zu zeigen, dass sie sich in der Gefahr befinden, auf einen falschen Weg zu schlittern. Das, meine Damen und Herren, muss sein: Prävention, Angebote zum Ausstieg und Härte des Staates. In der Kombination kann es uns gelingen, diesen braunen Spuk zu bekämpfen. Dies wird uns insbesondere dann gelingen, wenn wir alle das tun, wozu sich viele bereit erklärt haben: nämlich überall dort Gesicht zu zeigen, wo solche Umtriebe Raum greifen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin zunächst einmal etwas enttäuscht; denn ich dachte, dass ich in dieser Aktuellen Stunde etwas mehr über die Konturen dieses Aussteigerprogramms erfahren würde. Aber vielleicht holt der Herr Innenminister das nach. Als ich die große öffentliche Debatte über dieses Aussteigerprogramm, das Schily bzw. einige Länder vorbereitet haben, gestern in den Zeitungen nachvollzog, habe ich mich
zunächst gefragt, was der Sinn dieser großen öffentlichen Ankündigung eigentlich sein soll, man wolle ein ganzes Heer von Verfassungsschützern, Polizeipsychologen und Kriminalbeamten losschicken, um Führungskräfte aus der rechten Szene herauszubrechen. Ich nehme an, dass diese Ankündigung einschüchtern und verunsichern soll. Ich gehöre zu denen, die befürchten, dass eine solche Ankündigung eher kontraproduktiv sein könnte, dass so etwas nach hinten losgehen könnte, dass sich die Reihen nur noch fester schließen und dass auf diese Weise auch Menschen in Gefahr gebracht werden können. Ich nenne beispielhaft Mitarbeiter von „Exit“, die bisher Aussteigerprogramme betreut haben und die durch eine solche politische Ankündigung gefährdet werden könnten. Ich würde mich freuen, wenn diese Vorgehensweise in dieser Debatte von den hier im Lande Zuständigen erläutert werden könnte.
Wir halten es für richtig zu versuchen, Rechtsradikale zurückzuholen. Wir haben von Anfang an gefordert, dass man sich am Beispiel von „Exit“ in Schweden orientieren und „Exit“ in der Bundesrepublik Deutschland unterstützen soll. Wir glauben aber, dass das nicht so einfach ist, wie es sich in den Ankündigungen der Bundesregierung und von Herrn Schily darstellt. Wir glauben, dass die Einsicht und die Freiwilligkeit bei den Neonazis vorhanden sein müssen, damit ihre Reintegration in die Gesellschaft erfolgreich verlaufen kann. Da sind die Erfahrungen von „Exit“ Gold wert.
Seit gestern befürchte ich aber sehr, dass das Programm, das Bund und Land planen, zulasten von „Exit“ gehen könnte. Das darf auf keinen Fall passieren.
Meine Damen und Herren, Herr Plaue hat gesagt, dass das nicht ausreiche und dass repressive Maßnahmen des Staates weiterhin erforderlich seien. Soweit ich das beobachte, gibt es repressive Maßnahmen in ausreichendem Umfang. Das NPDVerbot ist beantragt. Der BGS ist in Brandenburg mit einem neuen Auftrag unterwegs. Auch die Polizei macht verstärkt Druck gegen Rechts.
Uns kommen die Projekte zu kurz, die sich an den Ideen des amtierenden Justizministers orientieren. Wir meinen, dass sehr viel stärker unten angesetzt werden muss, dort, wo die Probleme entstehen, wo Rechtsextreme, wo Neonazis aktiv sind und Jugendliche und auch schon Kinder an unseren Schulen, in Discos, an Tankstellen und in Jugendtreffs anwerben.
Ich würde gern wissen, in welchem Verhältnis das Rauskaufen von rechtsextremen Führungskräften zu präventiven Projekten steht. Ich glaube, dass diese Politik der Anerkennung, die Sie, Herr Pfeiffer, immer wieder gefordert haben, dass eine Strategie des Forderns und Achtens unseren Kindern und Jugendlichen gegenüber immer noch nicht entwickelt worden sind und dass Schily und andere Innenminister derzeit in der Gefahr sind, mit ihren Maßnahmen zulasten solcher präventiven Politik aktiv zu werden. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir ein paar Vorbemerkungen. Der wohl wichtigste Satz in unserer Verfassung ist meiner Meinung nach wohl der erste: Die Würde des Menschen ist unantastbar. - Unsere Verfassungsmütter und -väter haben diesen Satz in das Grundgesetz geschrieben, weil sie zum großen Teil selbst erlebt haben, was staatliche Gewalt anrichten kann, wenn diese missbräuchlich verwandt wird und die Würde des Menschen nicht nur nicht beachtet, sondern geradezu verachtet wird. Konrad Adenauer hat dies erlebt. Er wurde als Oberbürgermeister von Köln abgesetzt. Er hat zeitweise im Gefängnis gesessen. Auch Kurt Schumacher hat dies erfahren, der wegen seiner politischen Überzeugung mehrfach in Konzentrationslagern - zuletzt in Dachau - eingesessen hat.
Schon allein aus der Vergangenheitserfahrung unseres Volkes heraus, für das ich stellvertretend nur diese beiden Namen genannt habe, ergibt sich für uns als Demokraten insgesamt die Verpflichtung, gegen jede Art - jede Art! - von politischem Extremismus anzutreten.
Meine Damen und Herren, für den Satz "Die Würde des Menschen ist unantastbar" ist - ich glaube, das ist auch für Nichtchristen akzeptabel - die Grundlage das christliche Menschenbild, das keine unterschiedliche Wertigkeit des Menschen kennt. Ihm zufolge ist der alte Mensch nicht weniger wert als der junge, der arme nicht weniger wert als der wohlhabende, und der Ausländer eben nicht weniger wert als der Deutsche. Der politische Extremismus besitzt aber jenseits aller ihm eigenen Unterschiede Gemeinsamkeiten, die für jeden Demokraten völlig inakzeptabel sind. Es ist die dumpfe Gemeinsamkeit der Intoleranz und Inhumanität, der Verfälschung von Geschichte, der Fremdenfeindlichkeit und nicht zuletzt die erschreckende Gemeinsamkeit der Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt. Weil es diese traurige Gemeinsamkeit aller Extremisten gibt - gleichgültig, ob rechts- oder linksradikal -, ist es wichtig, gegen alle Erscheinungsformen des Extremismus anzutreten.