Protokoll der Sitzung vom 22.02.2001

Pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, wie Sie wissen - das ist jetzt für Herrn Möllring interessant -, keinen Anspruch auf Ferientage, also auf die Tage, die ihren tariflichen Urlaub - im Normalfall 30 bzw. etwas mehr überschreiten. Diese überschießenden Ferientage werden in den Verträgen der Arbeitszeit zugerechnet, sodass ein Vollzeitarbeitsvertrag 44 Stunden pro Woche bei 40 Unterrichtswochen umfasst. Die Kinder sind bei Berücksichtigung aller Unterrichtsund Pausenzeiten in Schulen mit ganztägigem Unterricht maximal 33 Zeitstunden anwesend. Also: 44 Stunden laut Arbeitsvertrag, 33 Zeitstunden Anwesenheit der Kinder.

Im Kern geht es jetzt um die Frage, wie viel Zeiten den pädagogischen Mitarbeitern für die Vorbereitung und für Sonstiges angerechnet werden - wie gesagt, bei 44 Stunden laut Arbeitsvertrag und 33 Stunden Anwesenheitszeit der Kinder. Das heißt das sage ich besonders an die Eltern gerichtet, die hier eingeladen worden sind -: Es geht nicht darum, den Kindern nicht die notwendige pädagogische Begleitung zukommen zu lassen, sondern darum, inwieweit die überschießende Arbeitszeit angerechnet wird.

Es geht also um die gleichen Überhangstunden, die Sie, Herr Klare - das ist schon interessant -, in Ihren Mündlichen Anfragen immer dann aufgreifen, wenn es um die Verlässliche Grundschule geht. Die Frage, die sich hier stellt, ist eine ähnliche. Aber Sie diskutieren das so, als wenn ich den Kindern die Unterrichtsbegleitung - nicht die Lehrerstunden - wegnehmen wollte. Das ist aber nicht der Fall, und das wird auch nicht der Fall sein. Wir diskutieren nur den Arbeitsvertrag der pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Von einer Absenkung der unterrichtsbegleitenden pädagogischen Arbeit oder auch der therapeutischen Arbeit kann also gar keine Rede sein.

Übrigens: Unsere Einzelfallprüfungen haben ergeben, dass an einigen besonders gut versorgten Schulen die Zahl der pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diesen Zuweisungsansatz überschreitet. Dort gibt es die Proteste. An anderen Schulen liegt die Anzahl der zurzeit eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unter dem Zuweisungsansatz. Da gibt es natürlich keine Probleme; diese Schulen bekommen demnächst ja auch mehr.

Damit ich nicht missverstanden werde: Hier geht es nicht um Gleichmacherei. Wir werden darüber hinaus einen Pool von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bilden, aus dem heraus den Bedürfnissen der schwerstmehrfachbehinderten Kinder, für die über diesen Zuweisungsansatz hinaus Stunden gebraucht werden, entsprochen werden kann.

Herr Klare, wenn Sie hier von „Aufbewahrungsschule“ reden, dann möchte ich doch einmal Folgendes sagen:

(Klare [CDU]: Das ist ein Zitat der Eltern!)

In Niedersachsen stehen pro Klasse ein Sonderschullehrer und im Durchschnitt eine pädagogische Mitarbeiterin oder ein pädagogischer Mitarbeiter zur Verfügung. Das heißt, wir haben hier einen Personalschlüssel von 2 : 1.

(Zurufe von der CDU)

- Wir können Ihnen das gerne vorrechnen. - Insofern sollten Sie aufhören, von „Aufbewahrungsschulen“ zu reden. In anderen Bundesländern wird der Unterricht häufig nicht einmal von Sonderschullehrern, sondern nur von pädagogischen Mitarbeitern erteilt. Dort beträgt der Personalschlüssel nicht 2 : 1.

(Beifall bei der SPD)

Sie müssen auch berücksichtigen, was das finanziell bedeutet; deshalb habe ich die Finanzpolitik gerade ja auch angesprochen. Wir wollen für diese Kinder, für diese Klassen ganz bewusst viel Geld ausgeben. Aber wissen Sie, was das kostet? - Pro Kind, pro Schüler 20 000 DM im Jahr. Wenn Sie das z. B. mit einem Gymnasium vergleichen: Dort ist der Finanzaufwand nur halb so groß. - Aber das ist auch völlig richtig. Ich wollte bloß deutlich machen, dass hier ganz bewusst ein besonderer Finanzaufwand betrieben wird und Sie auch schon

von daher nicht von einer „Aufbewahrung“ reden können.

Ich meine, dass wir mit unseren Regelungen dem Bedürfnis der Schülerinnen und Schüler sehr wohl entsprechen werden. Deshalb habe ich auch entschieden, dass wir vor dem offiziellen Anhörungsverfahren noch ein Gespräch mit den Kritikern führen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:

Zu 1: Es handelt sich in der Tat um einen Referentenentwurf, den ich für die Anhörung noch nicht freigegeben habe.

Zu 2: Siehe Vorbemerkung.

Zu 3: Wegen der massiven Einwände und um die Betroffenen zu informieren, dass es sich um ein Arbeitszeitproblem handelt, halte ich eine mündliche Erörterung im Hause vor dem eigentlichen Anhörungsverfahren für notwendig. Zu dieser werden nicht nur die Kritiker der Schulen, sondern auch der Landeselternrat eingeladen. Es ist üblich, dass dieser erst dann informiert wird, wenn das Anhörungsverfahren losgeht. Deshalb haben wir auch noch nicht auf den Brief geantwortet, der Anfang des Jahres bei uns eingetroffen ist. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Die erste Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Vogelsang. Dann kommt der Abgeordnete Pörtner.

Herr Präsident! Frau Ministerin, nachdem ich Sie in meiner Funktion als Vorsitzende des Kultusausschusses wiederholt darum gebeten hatte, uns rechtzeitig über geplante und in die Anhörung gehende Erlassentwürfe zu informieren: Meinen Sie nicht, dass es sinnvoll gewesen wäre, uns auch in diesem Fall rechtzeitig die Informationen, die die Eltern offensichtlich haben, zukommen zu lassen? Möglicherweise wären einige Fragen dann anderes gestellt worden. Ich meine, das wäre im gemeinsamen Tun eine sinnvolle Sache. - Ich hätte gerne Ihre Antwort darauf.

Frau Ministerin!

Frau Vogelsang, ich komme gern Ihrem Wunsch nach, den Kultusausschuss zu informieren. Wenn mir ein solcher Wunsch bekannt gegeben wird, mache ich das gerne und zu jeder Zeit; das ist überhaupt kein Problem. Aber ich meine auch, dass der Landtag und der Ausschuss mir in meinem eigenen Haus die Zeit lassen müssen, den Entwurf erst einmal bei mir zu haben und zu entscheiden.

(Klare [CDU]: Frau Ministerin, jetzt kommen Sie aufs Glatteis!)

So ist es in diesem Fall nicht gewesen. Stattdessen ist der Entwurf offensichtlich in der Öffentlichkeit diskutiert worden. Daraufhin haben mich meine Abgeordneten - der Arbeitskreis, richtigerweise angesprochen. - Ich habe das also nicht aus dem Ausschuss gehört. Aber ich komme dem gerne nach, keine Frage.

(Rolfes [CDU]: Wer sind denn „mei- ne Abgeordneten“?)

- Meine Abgeordneten aus der SPD-Fraktion haben dieses Thema sehr wohl aufgenommen, sind in den Schulen gewesen und haben sich dort informiert.

(Fischer [CDU]: Was?)

Wir haben deshalb sehr sorgfältig darüber gesprochen. Wenn ich gewusst hätte, dass der Kultusausschuss dies auch tun will, dann hätten wir Ihnen gern zur Verfügung gestanden. Aber lassen Sie mir doch die Zeit, zunächst einmal im Haus mit meinen Beamten die Dinge abzustimmen. Anschließend stelle ich Ihnen den Entwurf auch gern zur Verfügung.

(Zustimmung bei der SPD – Zurufe von der CDU: Das dauert zu lange! – Es geht um meine, deine, unsere Kin- der! – Weitere Zurufe)

Herr Pörtner, dann Herr Behr!

Frau Ministerin, wie lässt es sich mit Ihrer angeblichen Diskussionsbereitschaft vereinbaren, dass Sie schon jetzt nachweislich pädagogische Mitarbeiterinnen und pädagogische Mitarbeiter auf der Basis von Dreiviertelstellen und halben Stellen einstellen?

(Klare [CDU]: Sie erzählen uns hier nicht die Wahrheit, Frau Ministerin! – Unruhe bei der SPD)

Frau Ministerin!

Herr Pörtner, ich lege Wert darauf – ich weiß jetzt nicht, wer es gesagt hat -, dass wir uns schon sehr bemühen, auch Ihnen wahrheitsgemäß Auskunft zu geben.

(Unruhe)

Es wäre nicht anständig, glaube ich, wenn Sie hier irgendjemandem etwas anderes unterstellten.

(Adam [SPD]: Er soll sich entschuldi- gen!)

Ich will dazu Folgendes sagen: Wir haben im Augenblick 678 pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter Vertrag. Wir haben im Land sowohl Verträge mit 22 Stunden als auch Verträge mit 33 Stunden und mit 44 Stunden. Das ist schon seit Jahren so. Sie stellen das offensichtlich erst jetzt fest. Die Praxis der Bezirksregierungen in den letzten Jahren war, ausschließlich noch 44Stunden-Verträge und nicht mehr 22- und 33-Stunden-Verträge zu machen.

Wir wollen jetzt gerade im Hinblick auf diesen Erlass feststellen – ich will ja die Regelung machen -: Wo sind denn nun die einzelnen Mitarbeiter mit den 22-, den 33- und den 44-StundenVerträgen? – Das ist wegen der Einzelfallzuweisung – das habe ich dargestellt – im Augenblick nicht transparent.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Behr, und dann Herr Fischer!

Frau Ministerin, wenn ich Ihre Ausführungen richtig verstanden habe, dann wollen Sie ja wohl nicht bestreiten, dass für die pädagogischen Mitarbeiter keine zusätzlichen Stellen zur Verfügung gestellt werden, sondern dass dies zulasten der allgemeinen Lehrerversorgung und damit zulasten der Unterrichtsversorgung an den anderen Schulformen geht.

(Meinhold [SPD]: Was ist denn das für eine Frage? – Gegenruf von Pört- ner [CDU]: Hören Sie mal gut zu! – Gegenruf von Plaue [SPD]: Offen- sichtlich hat er gut zugehört!)

Frau Jürgens-Pieper!

Sie haben das nicht richtig verstanden, oder ich habe etwas falsch verstanden, und dann bitte ich um Entschuldigung. – Sie haben jetzt offenbar die Lehrerstellen mit den Stellen für die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verwechselt. Im Haushaltsplan gibt es Stellen für pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Lehrerstellen. Die Lehrerstellen werden nach einem geregelten Zuweisungsverfahren vergeben, die Stellen für pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wie gesagt, in einem Einzelverfahren. Das hat nichts miteinander zu tun. Das ergänzt sich.

Ich habe Ihnen vorhin gesagt: Im Durchschnitt - wenn Sie von der Zahl der Klassen und der Zahl der Stellen, nämlich 678, ausgehen – gibt es pro Klasse einen Lehrer oder eine Lehrerin und einen pädagogischen Mitarbeiter oder eine pädagogische Mitarbeiterin. Das ist nur anders verteilt. Das ist genau unser Problem im Augenblick.

Wir haben im Haushalt jetzt nichts verändert, haben keine Kürzung oder Ähnliches vorgenommen. Es geht im Augenblick schlicht um ein Verteilungsproblem.

Es folgt Herr Fischer, und dann Herr Wenzel.

Frau Ministerin, wie bewerten Sie die Kritik von Kreiselternrat und Stadtelternrat Göttingen in Bezug darauf, dass an den dortigen Sonderschulen mit einem hohen Anteil an schwerbehinderten und schwermehrfachbehinderten Kindern Stellen wegfallen würden – an der Heinrich-Böll-Schule beispielsweise vier volle Erzieherinnenstellen – und dass – ich zitiere aus einem Brief – unter diesen Umständen eine kontinuierliche Förderung der schwer- und schwerstbehinderten Kinder zu einem möglichst selbstbestimmten Leben im Rahmen ihrer Möglichkeiten nicht mehr gegeben ist?

Die Antwort!