Protokoll der Sitzung vom 22.02.2001

Vielleicht können wir uns in dem Bereich einigen. Darüber werden wir ja noch reden.

Diese beiden Dinge wollte ich richtig stellen. Es geht uns nicht um eine Ganztagsschule, sondern um ein freiwilliges Angebot am Nachmittag, und es geht um ein Konzept, das - das ist aber nicht der ausschlaggebende Punkt - finanziell wesentlich günstiger ist als das, was der Ministerpräsident in seinem kurzatmigen Entschluss an einem Abend entworfen hat. Das sind die beiden entscheidenden Momente.

(Meinhold [SPD]: Also eine Billig- schule, wie Sie es uns bei der VGS vorgeworfen haben, oder wie soll ich das verstehen?)

Herr Fasold, Sie haben gesagt, dass unser schulpolitisches Konzept nicht die genügende Aufmerksamkeit erzielt habe. Es mag sein, dass das für Sie gilt. Der Herr Ministerpräsident war eigens berufen, am Abend vorher ein eigenes Konzept zu erstellen, um uns ein bisschen den Wind aus den Segeln zu nehmen.

(Meinhold [SPD]: Ein bisschen?)

Erreicht hat er damit, dass es hieß, von der CDU müsse schon irgendwas Tolles kommen, wenn der Ministerpräsident am Abend vorher ein eigenes Konzept erstelle, ohne seine Ministerin zu fragen.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Frau Körtner)

Frau Ministerin Jürgens-Pieper, bitte!

Herr Klare, nur zur Klarstellung: Ich habe das, was ich Ihnen eben vorgerechnet habe, auf der Basis Ihres Konzepts und nicht unseres Konzepts gerechnet. Das heißt, die 180 Millionen DM beziehen sich auf Ihre Prozentzahl, die 40 %. Wenn Sie der Berechnung 100 % zugrunde legen, dann sind es 420 Millionen DM. Da können Sie unserem Fraktionsvorsitzenden also kaum etwas vorwerfen.

(Eveslage [CDU]: Also sparen Sie dann doch ein gegenüber dem Gab- riel-Modell!)

Wissen Sie, wofür ich an dieser Stelle dankbar bin? - Nicht für das, was Sie eben gesagt haben, sondern dafür, dass Sie in diesem Zusammenhang einmal Ihre Qualitätsansprüche offen gelegt haben. Darüber diskutieren wir demnächst auch einmal in Bezug auf die Verlässliche Grundschule weiter.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung. Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Der Antrag soll zur federführenden Beratung und Berichterstattung an den Kultusausschuss und zur Mitberatung an die Ausschüsse für Jugend und Sport, für innere Verwaltung, für Haushalt und Finanzen und für Gleichberechtigung und Frauen

fragen überwiesen werden. Wenn Sie so beschließen möchten, dann bitte ich um Ihr Handzeichen. Danke schön. Sie haben so beschlossen.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung: Stärkung der Demokratie und mehr Verwaltungstransparenz in Niedersachsen Landtag macht sich stark für ein Informationsfreiheitsgesetz - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/2191

Zur Einbringung hat sich der Kollege Schröder zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bereits in den 80er-Jahren - da waren gerade die ersten alltagstauglichen PC auf dem Markt - haben Grüne in diesem Landtag nicht nur einen umfassenden Schutz der informationellen Selbstbestimmung gefordert, sondern auch umfassende Informationsfreiheit gegenüber dem Staat nach dem Vorbild des Freedom of Information Act der USA. Die grundrechts- und demokratieverträgliche Ausgestaltung der sich abzeichnenden Informationsgesellschaft war damals schon eines unserer grünen Herzensanliegen, dem sich aber zu diesem Zeitpunkt weder SPD noch CDU anschließen oder gar mit ihm anfreunden mochten.

Heute, mehr als 15 Jahre später, brauche ich zu diesem Thema gar nicht erst die entsprechenden Entschließungen des Europaparlaments oder auch der Konferenz der Datenschutzbeauftragten zu zitieren. 1998 verabschiedete der Landtag in Potsdam das erste Informationsfreiheitsgesetz in Deutschland. 1999 folgte das Land Berlin, übrigens mit den Stimmen aller Fraktionen, und im Jahr 2000 das Land Schleswig-Holstein.

Mit unserem Antrag wollen wir erreichen, dass Niedersachsen als nächstes Bundesland im Jahr 2001 folgt. Meine Damen und Herren, dafür sind aber noch einige Bedenkenträger in der Landesregierung zu überzeugen. Wir haben zwar einen Ministerpräsidenten, der gerne zu Fragen der Wissens- und Informationsgesellschaft im Zeitalter der Globalisierung redet, der sich noch lieber mit Jugendlichen am PC fotografieren lässt und der

auch widerstrebende Kabinettskollegen zu einem Internetführerschein nötigt, nachdem er stolz wie Boris Becker verkündet hat, er sei auch schon drin.

Wenn es aber darum geht, das Datenschutzrecht im Hinblick auf neuere Entwicklungen in der Informationstechnologie zu modernisieren, oder wenn es um die Frage geht, wie E-Commerce, E-Government, E-Democracy konkret auch in Niedersachsen aussehen könnten, gehört Niedersachsen zu den Bremsern. So scheiterte auch das im Koalitionsvertrag der rot-grünen Bundesregierung vorgesehene Informationsfreiheitsgesetz an der Ablehnung von Minister Bartling. Der Bund will das jetzt für seinen Bereich ohne Mitwirkung der Länder selbst regeln.

In Niedersachsen hoffen wir, dass auch Herr Bartling seine vor der Presse geäußerten Ängste, ein solches Gesetz könnte Kommunalverwaltungen schlicht handlungsunfähig machen, verliert, wenn er sich einmal näher mit den bisherigen Erfahrungen in den benachbarten Ländern und auch in den benachbarten Bundesländern befasst.

Meine Damen und Herren, hinter diesen Ängsten steckt ein überholtes Verständnis vom Verhältnis zwischen Bürger und Verwaltung. Staatliches Handeln vollzieht sich in Deutschland - im Gegensatz zu skandinavischen und angelsächsischen Ländern - immer noch nicht öffentlich. Bürgerinnen und Bürger haben in der Regel keinen Zugang zu Informationen, die bei staatlichen Stellen gespeichert sind. Sie werden in der Regel mit dem Hinweis auf das Aktengeheimnis oder sogar berechtigt oder unberechtigt - auf den Datenschutz abgewiesen. Akteneinsichtsrechte haben nach geltendem Recht nur Personen, die Verfahrensbeteiligte sind, und das auch nur mit Einschränkungen.

Wir wollen dagegen einen umfassenden, bürgerfreundlich ausgestalteten Anspruch auf Akteneinsicht auch über Online-Zugriff und ohne dass ein berechtigtes Interesse geltend gemacht werden muss. Auch dieser Informationsanspruch hat natürlich Schranken. Ausnahmeregelungen sollen berechtigte Geheimhaltungsinteressen Dritter und die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung sichern. Dass diese Zielkonflikte nicht nur gesetzestechnisch, sondern auch im Verwaltungsalltag zu lösen sind, beweisen die bisherigen Erfahrungen in Brandenburg, Berlin und Schleswig-Holstein.

Meine Damen und Herren, mit dem Informationsfreiheitsgesetz wollen wir die demokratische Willens- und Meinungsbildung fördern und eine Kontrolle staatlichen Handelns ermöglichen. Der Datenschutz verbietet den gläsernen Bürger. Eine moderne Rechtsordnung der Informationsgesellschaft muss diesen auf den einzelnen Bürger bezogenen Datenschutz um Regelungen für eine gläserne, mindestens aber transparente Verwaltung ergänzen. Datenschutz und Informationsfreiheit sind für uns zwei Seiten einer Medaille.

Ich frage Sie: Wie wollen Sie eine umfassende Reform der Verwaltung verwirklichen? Wie wollen Sie die mündigen aktiven Bürger des Internetzeitalters künftig beteiligen, wenn das preußische Aktengeheimnis des 19. Jahrhunderts auch für die Landesverwaltung im 21. Jahrhundert maßgeblich sein soll?

Das von uns geforderte Informationsfreiheitsgesetz ist deshalb ein wichtiger und lange überfälliger Schritt für mehr Partizipation und für eine Stärkung der Bürgerrechte. Beides sind Ziele, zu denen sich unser Ministerpräsident - z. B. unter der Überschrift "Mehr Politik wagen" - gerne in „Spiegel“Essays äußert, von deren Umsetzung in seiner bisherigen Amtszeit jedoch nichts, aber auch gar nichts zu sehen ist. Warum eigentlich, meine Damen und Herren, sollen den Menschen in Niedersachsen unter Sigmar Gabriel Beteiligungs- und Informationsrechte vorenthalten werden, Rechte, die weder für die Bundesregierung unter Gerhard Schröder noch für die Ministerpräsidenten Heide Simonis, Manfred Stolpe oder Eberhard Diepgen ein Problem darstellen? - Wir hoffen auf eine intensive Beratung unseres Antrages und auf eine überzeugende Antwort auf diese wirklich interessante Frage. - Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Fraktion der SPD hat der Kollege Buchheister um das Wort gebeten. Ich erteile es ihm.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist festzustellen, dass fast alle demokratischen Staaten auf der Welt ein Informationszugangsrecht für ihre Bürgerinnen und Bürger eingeräumt haben. In der EU haben sich ein Standard von freiem Zugang zu behördlichen Informationen

und ein allgemeines Prinzip der Aktenöffentlichkeit herausgebildet. Vorreiter in Europa waren die skandinavischen Länder, denen Frankreich, Spanien, die Niederlande, Griechenland, Italien, Portugal, Belgien, Österreich und Irland folgten. Großbritannien ist auf dem Weg. In Deutschland haben Brandenburg, Berlin und SchleswigHolstein entsprechende Landesgesetze erlassen. Hessen und Bremen folgen als Nächste.

Das Bundeskabinett hatte am 22. November letzten Jahres beschlossen, ein eigenständiges Gesetz zur Regelung des Zugangs der Bürger zu Behördeninformationen zu schaffen. Ziel des Gesetzes soll sein, staatliches Handeln für den Bürger transparenter werden zu lassen. Durch das Vorhaben eines Informationsfreiheitsgesetzes sollen die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger gestärkt werden.

Effektiv können Bürgerrechte nur dann wahrgenommen werden, wenn behördliche Entscheidungen transparent sind. Hierzu muss der Bürger einen Anspruch auf Zugang zu Behördeninformationen auch außerhalb laufender Verwaltungsverfahren haben. Dieser Zugang kann nach Ansicht der Bundesregierung durch Auskunftserteilung oder Akteneinsicht unter Berücksichtigung des Datenschutzes erfolgen.

In Niedersachsen gibt es aber - wie wir alle wissen - noch kein entsprechendes Gesetz. Ausschlaggebend für die bisher geübte Zurückhaltung ist insbesondere die Befürchtung, dass im Hinblick auf die schützenswerten Rechte und Daten Dritter in vielen Fällen eine Konfliktsituation zwischen Daten- und Geheimnisschutz einerseits und der Schaffung eines freien Informationszugangs andererseits entstehen könnte. Das in solchen Fällen notwendige Herausfiltern von schützenswerten Daten würde zudem einen immensen Aufwand bedeuten, der die Verwaltungen bei der Wahrnehmung ihrer eigentlichen Aufgaben sogar noch behindern könnte.

Auch aus der Sicht der SPD-Landtagsfraktion ist derzeit noch nicht absehbar, wie der bestehende Zielkonflikt zwischen den Prinzipien des freien Informationszugangs einerseits und des Schutzes von Geheimnissen andererseits regelungstechnisch beherrschbar sein sollte. Die Bedenken, die bereits Ende der 80er-Jahre gegen ein entsprechendes Anliegen der Grünen erhoben wurden, sind noch nicht vom Tisch. Ich schlage aber schon jetzt für die Ausschussberatungen eine Anhörung vor. Im

Übrigen sehe ich den Beratungen mit Interesse entgegen.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion der CDU spricht der Kollege Stratmann.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal sagen, dass es der von den Grünen eingebrachte Antrag meiner Meinung nach wirklich wert ist, sehr intensiv und sorgfältig diskutiert zu werden, weil ein Informationsfreiheitsgesetz in der Tat einen Beitrag dazu leisten kann, dass wir mehr Transparenz, mehr Partizipation und mehr Information im demokratischen Rechtsstaat bekommen. In einer Zeit, in der die Politik, die Verwaltung und die Institutionen Vertrauen verlieren, ist es ja nicht schlecht, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen.

Wenn man einmal in andere Länder guckt und sich, lieber Kollege Schröder, auch einmal die Diskussionen vor Augen führt, die etwa zu Beginn der 60er-Jahre in den Vereinigten Staaten im Zusammenhang mit dem Freedom of Information Act stattgefunden haben, dann weiß man, dass so etwas durchaus sehr Gewinn bringende Früchte tragen kann. Gleichwohl aber - das will ich an dieser Stelle sagen; der Kollege Buchhalter hat darauf hingewiesen - bleiben auch viele Fragen offen, die einer sehr sorgfältigen Beantwortung bedürfen. Dass diese Fragen bestehen, verschweigt auch die Antragstellerin selbst nicht, was einem auffällt, wenn man den Antrag sorgfältig liest.

Wie bewirken wir z. B. den Schutz personenbezogener Daten? Wie bewirken wir den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen? Wie sichern wir die Strafverfolgung und die Rechtsdurchsetzung? Wie gewährleisten wir Gemeinwohlinteressen? Wie gestaltetet sich der Rechtsschutz bei verweigertem oder beschränktem Informationszugang? - Über diese Problembereiche sollten wir uns im Ausschuss noch sehr intensiv unterhalten. Oder ich will es anders ausdrücken: Wie schützen wir uns vor Missbrauch z. B. durch Sekten wie Scientology?

Ich kann hier einmal aus einer Erklärung der IHK Schleswig-Holstein zitieren, die Folgendes gesagt hat:

„Das Informationsfreiheitsgesetz Schleswig-Holsteins zeigt zweifelhafte Wirkung. Den ersten Antrag auf Akteneinsicht zu Stichworten von Scientology bis Sekten haben die drei schleswig-holsteinischen Industrieund Handelskammern vom Menschenrechtsbüro der Scientology Deutschland e. V. erhalten. Damit machte ausgerechnet eine Organisation ihr Recht auf Akteneinsicht geltend, die vom Bundesverfassungsschutz und von den Verfassungsschutzbehörden aller Bundesländer mit Ausnahme Schleswig-Holsteins beobachtet wird.“

Meine Damen und Herren, was für Sekten gilt, gilt natürlich auch für Extremisten und kriminelle Vereinigungen. Wie schützen wir uns davor, dass diese Personengruppen das Recht auf Information missbrauchen?

In der Tat muss auch die Frage beantwortet werden, ob aufgrund des erhöhten Verwaltungsaufwands nicht die Gefahr der Verlängerung von Verfahren und auch die Möglichkeit bestehen könnte, die Verwaltung missbräuchlich zu stören oder lahm zu legen. Wir alle wissen doch, dass Deutschland kürzere Verfahren und weniger Verwaltungsaufwand braucht als das genaue Gegenteil.

Darum schließe ich mich dem Vorschlag an, dass wir in einer Anhörung prüfen sollten, welche Erfahrungen Brandenburg, Berlin oder SchleswigHolstein gemacht haben. Vielleicht wären für uns in diesem Zusammenhang aber auch die Erfahrungen europäischer Nachbarn außerordentlich interessant. Es wird immer darauf hingewiesen, dass wir mittlerweile gerade auch im Vergleich zu den europäischen Nachbarn eine Außenseiterrolle spielen. Wir, lieber Kollege Schröder, sollten dabei aber nicht verschweigen, dass Deutschland andere Rechtstraditionen hat und dass bei uns aufgrund dieser Rechtstraditionen auch mit dem Thema Informationen in der Vergangenheit anders umgegangen worden ist.

Ich möchte damit nicht sagen, dass wir Ihren Vorschlag von vornherein nicht aufgreifen werden. Ich will vielmehr sagen, dass wir diese Rechtstraditionen nicht gänzlich negieren dürfen, sondern wir müssen sie bei unseren Beratungen mit berücksichtigen. Das war auch der Grund dafür, weshalb

ein von den Grünen in der letzten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages vorgelegter Antrag weder die Zustimmung der Unionsfraktionen noch die Zustimmung der FDP oder der SPD gefunden hat. Wenn man die Protokolle nachliest, wird man diese Fragen, die ich hier eben gestellt habe, und auch das sich damit verknüpfende Unbehagen finden.

Auch ich freue mich darauf, dass wir dieses wirklich wichtige Thema im Ausschuss beraten werden. Dazu sollten wir auch eine Anhörung durchführen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.