Protokoll der Sitzung vom 14.03.2001

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren, bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass unmittelbar nach Eintritt in die Mittagspause der Ausschuss für Haushalt und Finanzen hier im Hause tagen wird. - Jetzt hat der Kollege Räke das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will es einmal so sagen: Unsere Vorfahren waren ja alle Jäger und Sammler. Nun wissen wir alle aber auch, dass sich daran inzwischen eine ganze Menge geändert hat. Wir jagen zwar immer noch recht heftig - aber weniger dem Wild als vielmehr den Wählern hinterher. Obwohl hier nur ganz wenige Jäger sind, will ich trotzdem sagen - der Minister hat es auch schon angedeutet -: Wir legen heute gemeinsam einen ordentlichen Gesetztext vor. - Auch das ist schon gesagt worden: Bei der Jagd geht es häufig um heftige Emotionen. Das haben wir bei unseren Beratungen vor Ort mit den Jägerschaften und den Naturschutzverbänden usw. erlebt. Dort ging es hoch her. Man musste dort immer mächtig konzentriert sein, damit nichts aus dem Ruder läuft. Das Ergebnis ist ein Gesetzentwurf, der hier im Hause von einer großen Mehrheit getragen wird.

Da schon fast alles gesagt worden ist, möchte ich mich für meine Fraktion jetzt auf drei oder vier Punkte beschränken. Zunächst möchte ich - Herr Kollege Wojahn hat den Ausschuss sehr früh darauf hingewiesen; wir haben dann auch eine ordentliche Lösung zustande bekommen - auf den § 9 - befriedete Bezirke - eingehen. Ich als Nichtjäger sage jetzt einmal ganz volkstümlich: Das sind Bereiche, in denen nicht gejagt, in denen nicht geschossen werden darf. Das sind z. B. die Marktplätze in den Städten, die Friedhöfe oder auch die Naturschutzgebiete.

(Zurufe von den GRÜNEN)

- Das ist ein befriedeter Bezirk, wenn dort nicht geschossen werden darf. - Das Problem bestand darin - der Herr Minister hat es auch vorgetragen -, dass praktisch in das Eigentumsrecht eingegriffen wird, dass in Jagdbezirken, die auch wirtschaftlich eine Bedeutung haben, dann, wenn sie ganz oder auch nur teilweise zu befriedeten Bezirken erklärt werden, nicht mehr gejagt werden darf. Wir haben hier eine ordentliche Lösung gefunden, ein abgestuftes System von Schutzmaßnahmen, sodass die Keule, eine Fläche zu einem befriedeten Bezirke zu erklären, erst ganz zuletzt geschwungen werden muss, wenn es absolut unabdingbar notwendig ist.

(Zustimmung von Wegner [SPD])

- Herr Wegner, sehr freundlich. - Nun zu § 27 Wildfolge, Naturschutz. Problem: Ein Tier wird angeschossen, wechselt in den Nachbarjagdbezirk.

Wer darf hinterher laufen? Wer darf es schließlich töten, weil es angeschossen ist und sich quält? Hierzu ist aus Tierschutzgründen eine Regelung dahin gehend gefunden worden, dass derjenige Jäger, der dieses Tier nicht genau getroffen hat, diesem Tier unter bestimmten Bedingungen auch in den Nachbarbezirk folgen darf und es dort erlegen muss. Ein Stück Tierschutz.

Nun zu § 5, Katalog der jagdbaren Tiere, Rabenkrähe und Elster. Ich muss als Vertreter der SPDFraktion sagen: Es ist allgemein bekannt und kein Geheimnis, dass wir uns in den letzten Jahren sehr, sehr schwer damit getan haben. Wir haben auch jetzt ruhig und sachlich debattiert und in der Fraktion eine Abstimmung vorgenommen.

(Zuruf von Frau Pruin [CDU])

- Das ist ganz ordentlich, Frau Pruin. Wir haben auch in Ihrem Sinne entschieden, wenn ich das richtig sehe. Das heißt, wir haben nach dem bekannten Urteil des Verfassungsgerichtshofs in Rheinland-Pfalz beschlossen, die Rabenkrähe und die Elster mit in diesen Katalog aufzunehmen.

Problematisch war auch - ich weiß nicht, ob das hier schon angesprochen worden ist - die unterschiedliche Handhabung der Ausnahmegenehmigungen: im Landkreis Rotenburg, aus dem ich komme, 180 Genehmigungen, Landkreis Peine 11, im Landkreis Lüchow nur 0 Anträge. Es ist klar: Wir haben jetzt eine landeseinheitliche Lösung, mit der nicht alle, Herr Klein, zufrieden sind. Das weiß ich wohl. Aber es ist dafür gesorgt, dass diese Tiere mit ausreichenden und angemessenen Schonzeiten bedacht werden, sodass hier von Stund an auch nicht das große Schießen beginnt.

Nun zu § 37, einer Vorschrift wirklich mehr für Insider: Sonderrechte der staatlichen Forstverwaltung. - Hier haben wir einen Kompromiss gefunden. Es ist halt nicht so, dass die Forstverwaltungen, wie dies in den meisten anderen Bundesländern der Fall ist, ihre Abschusszahlen selbst regeln können. Das ist in den meisten Ländern so. Wir haben nun einen Kompromiss dahin gehend gefunden, dass vor Ort in Abstimmung mit der unteren Jagdbehörde und dem Jagdbeirat einvernehmlich ein Abschussplan erstellt werden muss. Erst wenn das nicht geht, muss die Bezirksregierung als obere Jagdbehörde entscheiden. Aber auch heute schon werden bezüglich der Abschussplanung in den meisten Landkreisen, weil die Leute vernünftig miteinander reden, ordentliche Regelungen getrof

fen. Wir haben hier also einen ordentlichen Kompromiss geschlossen.

Abschließend will ich sagen: Die Beratungen haben sich gelohnt. Ich finde, es ist ein ordentliches Gesetz. Es enthält sicherlich einige Punkte, die nicht allen gefallen. Aber ich bin sicher, wenn dieses Gesetz am 1. April in Kraft tritt, wird sich manche Aufgeregtheit legen, und die privaten und die staatlichen Jäger werden mit dem Gesetz gut leben können.

Meine Damen und Herren, ich bitte im Namen der SPD-Fraktion um Zustimmung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Räke. - Das Wort hat der Kollege Klein.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir akzeptieren die Jagd als eine naturnahe nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen mit einer besonderen Verpflichtung für ökologische Aspekte und mit der Verpflichtung, Schäden in der Land- und Forstwirtschaft zu begrenzen und zu vermeiden. Deswegen hatten wir eine Modernisierung dieses Gesetzes durchaus begrüßt. Wir haben das in der Hoffnung getan, dass verstärkt ökologische Grundsätze sowie moderne umwelt- und naturschutzfachliche Erkenntnisse verankert werden, indem z. B. Abschied genommen wird vom Bild des Jägers, der als oberster Regulator aller wild lebenden Tiere agiert, indem Schluss gemacht wird mit einem überholten Hegebegriff, dessen Hauptziel die Schalentierzucht und -mast im Wald ist, zulasten einer natürlichen Waldentwicklung,

(Beifall bei den GRÜNEN)

indem der Zustand beseitigt wird, dass das Jagdrecht über dem Naturschutzrecht steht, und indem die einseitige, undemokratische Privilegierung der Landesjägerschaft als der einzig anerkannten, wie es so schön im Gesetz heißt, endlich beendet wird.

Meine Damen und Herren, das Ergebnis ist: Dies ging voll in die Hose! Nicht nur, dass alle diese mittelalterlichen Privilegien zementiert wurden, nein, wenn Rabenvögel, wie vorgesehen, neu in die Kategorie der jagdbaren Tiere aufgenommen wer

den, erleben wir sogar, wie Überreste altgermanischen Aberglaubens

(Zurufe: Oh!)

Eingang in die Gesetzgebung eines neuen Jahrtausends finden. Denn bei unseren Altvorderen war es so, dass die Elster als Todesgöttin galt und dass die Rabenvögel, wie es vielen Aasfressern geht, als Todesboten betrachtet wurden. Einige Reste davon scheinen sich in den Köpfen der Leute festgesetzt zu haben.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von der SPD und von der CDU)

Meine Damen und Herren, es gibt aber noch einen weiteren Aspekte zu diesem § 5. Ich finde, die Schulbuchverlage werden in ihren Politik- und Gemeinschaftskundebüchern das Kapitel „Lobbyeinfluss in der Demokratie“ umschreiben müssen. Denn es dürfte kaum ein treffenderes Beispiel dafür geben, wie der Wunsch einer zahlenmäßig kleinen Gruppe durchgesetzt wurde, Schießsport auf lebende Ziele zu veranstalten,

(Beifall bei den GRÜNEN)

und das, meine Damen und Herren, gegen alle naturwissenschaftliche Fachlichkeit. Herr Räke, Sie wissen es auch. Es ist nachgewiesen, dass die Rabenvögel nicht überhand nehmen. Rabenvögel gefährden keine einzige andere Tierart. Sie erfüllen wichtige Funktionen in unseren Biotopen. Meine Damen und Herren, dabei ist auch die Möglichkeit zu berücksichtigen, sie im Einzelfall ausnahmsweise zu bejagen. Das ist durch den neuen Erlass wirklich mehr als ausreichend geregelt. Es gibt überhaupt keinen Grund, sie für vogelfrei zu erklären und zum Abschuss freizugeben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Lassen Sie mich noch kurz zwei Punkte ansprechen, die wir auch kritisieren. Jagd und Naturschutz ist das eine. Die jagdlichen Sonderrechte in Naturschutzgebieten wurden nicht beseitigt. Auch das ist eine Anleihe aus vordemokratischen Zeiten. Es muss Aufgabe der Naturschutzbehörden und nicht der Jagdbehörden sein, über Befriedungen oder Jagdeinschränkungen in Schutzgebieten zu entscheiden.

(Eveslage [CDU]: Wie früher die Fürsten! Das hat mit Demokratie nichts zu tun! Das war früher das Recht der Fürsten, und das machen jetzt die Bezirksregierungen! Ist das nicht demokratischer?)

Es geht nicht um Ökologie, sondern darum, Wild zu züchten, zu mästen und große Trophäen zu erzielen, wenn wir uns die Fütterungsregelung anschauen. Die Landesregierung ist zu 100 % mit dem Versuch gescheitert, über eine so genannte Notzeitenfütterung diese Praxis einzugrenzen. Dies steht zwar im Gesetz, aber die Jäger haben die Absätze 2 und 3 mit hineingeschrieben, und darin steht, kurz gefasst, nichts anderes, als dass außerhalb der Notzeiten - natürlich unter wohlfeilen Begründungen - „nur noch“ vom 1. Januar bis zum 31. Dezember gefüttert werden sollte. So ist die tatsächliche Situation!

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜ- NEN)

Es gibt keine Demokratisierung des Gesetzes. Die mittelalterlichen Fürstenprivilegien wurden einschließlich des dogmatischen Wahrheitsanspruchs nahtlos auf die anerkannte Jägerschaft übertragen. Allein der Verlauf und der Ausgang dieser Gesetzesberatung machen deutlich, dass es nicht darum gehen kann, Privilegierung und Alleinvertretungsanspruch erneut zu verankern, sondern dass es um eine gesellschaftliche Öffnung und eine demokratische Einflussbegrenzung gehen muss.

Herr Kollege Klein, ich darf Sie jetzt zeitlich nicht weiter privilegieren. Sie müssen bitte zum Schluss kommen!

Mein letzter Satz; wenn ich den noch sagen darf.

Bitte schön!

Meine Damen und Herren, es gibt kaum materielle Veränderungen beim Vergleich des alten Gesetzes mit dem, was nach der Beratung übrig bleibt. Sie haben mit der Annahme unserer Änderungsanträge noch eine letzte Chance, die Unabhängigkeit dieser Volksvertretung unter Beweis zu stellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nutzen Sie sie!

(Erneuter Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Das Wort hat der Abgeordnete Wojahn.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe vernommen, dass heute Morgen schon sehr vieles gesagt worden ist, u. a. vom Berichterstatter und vom Minister. Ich will mich deshalb aus folgendem Grund kurz fassen: Ich möchte dem Kollegen Sehrt - der ist aktiver Jäger und ist in der Landesjägerschaft tätig - noch einige Minuten übrig lassen. Ich sage das auch deshalb, weil diejenigen, die bisher gesprochen haben, einschließlich meiner Person, alle keine Jäger sind. Ich meine, wir sollten auch mal eine Minute lang einen Jäger hören.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Arbeit an diesem Jagdgesetz im Ausschuss hat viel Freude gemacht. Auch für Nichtfachleute, die alles im Blick haben müssen, also die Landwirtschaft, die Grundstückseigentümer, den Anspruch an die Natur - Jagd spielt sich ja in der Natur ab -, war das eine angenehme Tätigkeit. Für mich war es angenehm, zusammen mit den SPD-Kollegen die Dinge regeln zu können, die zu regeln wichtig waren. Das will ich ausdrücklich anerkennen.

Zeitweise sah es auch so aus, als ob wir uns auch mit dem Kollegen Klein in manchen Dingen einigen könnten. Dass das nicht möglich war, tut mir herzlich Leid, aber so extrem können wir die Dinge nicht betreiben.

Meine Damen und Herren, ich will nur noch auf drei wesentliche Punkte eingehen. Wir haben es meiner Kollegin Ilse Hansen zu verdanken, die in unserer Fraktion für den Tierschutz zuständig ist und die eine Kennerin dieser Materie ist, auch wenn sie sonst mit Hunden sehr große Schwierigkeiten hier im Parlament hat, dass wir eine vernünftige Regelung über die Jagdhunde geschaffen haben, indem es nicht mehr, wie es noch in der Vorlage vorgesehen war, heißt, dass sie brauchbar sein müssen, sondern dass sie auch von der Landesjägerschaft nach bestimmten Richtlinien geprüft sein müssen.

(Beifall bei der CDU)

Zu den Krähen und Elstern will ich nicht mehr viel sagen. Ich meine aber, wir sollten der Landesjägerschaft und den Jägern, die draußen tätig sind, Vertrauen entgegenbringen. Wir wissen, dass gerade sie es sind, die in den letzten Jahren viel für Biotopschutz, Naturschutz und Artenschutz getan haben. Das erwarten wir von ihnen auch. Deswegen bringen wir ihnen mit diesem Gesetz auch das Vertrauen entgegen.