Protokoll der Sitzung vom 15.03.2001

(Frau Lau [SPD]: So ist es! – Pörtner [CDU]: Aber ein bisschen Geld brau- chen die auch!)

- Herr Pörtner, das ist wieder der Aspekt, den Frau Janssen-Kucz Ihnen, glaube ich, zu Recht vorgehalten hat. Diese reine Betrachtung der finanziellen Mittel, die auch in der Begründung Ihres Antrag zum Ausdruck kommt, ist eine Betrachtung, die der Sache nicht gerecht wird.

(Zustimmung bei der SPD)

Wir können dem auch nicht gerecht werden – das sage ich Ihnen vorweg; ich hätte es sonst im Laufe der Rede noch gesagt -, weil wir mehr Mittel nicht zur Verfügung stellen können.

Die von der SPD geführte Landesregierung hat unter Berücksichtigung der Autonomie des Sports der Förderung des Leistungssports gleichwohl immer die gebührende Aufmerksamkeit gewidmet. Sie hat bereits 1995 unterstrichen, dass sie wegen der Vorbildwirkung des Spitzensports und wegen seiner Bedeutung für die gesamte Sportbewegung ein klares Ja zu seiner Förderung und Weiterentwicklung sagt. Sie hat im Jahr 1996 zusammen mit dem Landesportbund und den Fachverbänden viele Anstrengungen unternommen, die Voraussetzungen für die Entwicklung von sportlichen Hochleistungen in Niedersachsen zu verbessern und zu verbreitern. Ich möchte mich auf einige wesentliche Hinweise beschränken:

Stützung und Förderung der Arbeit am Olympiastützpunkt Niedersachsen in Hannover, Ausbau des sportmedizinischen Untersuchungs- und Betreuungszentrums für niedersächsische Kaderathleten in Zusammenarbeit von Olympiastützpunkt und Agnes-Karll-Krankenhaus in Laatzen, Ausbau des Leistungszentrums Hannover für verschiedene Sportarten, Runde Tische mit Vertretern der niedersächsischen Wirtschaft zur Förderung von Kaderathleten im Blick auf die Vorbereitung der Olympischen Spiele in Atlanta, Sydney und Athen, Ausbau des Schützenleistungszentrums "Laufender Keiler" in Braunschweig, Komplettierung des Leistungszentrums Hannover durch ein Erweiterungsprojekt Mehrzweckhalle und Laufschlauch, Projekt einer Trampolinhalle in Salzgitter, Projekt des Ausbaus des Reiterstadions in Verden und Sanierung des Schützenleistungszentrums in Hannover. Allein für diese Baumaßnahmen hat das Land seit 1999 rund 10 Millionen DM ausgegeben.

Für die laufende Förderung stellt das Land jährlich etwa 5 bis 6 Millionen DM bereit.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung steht damit zu ihrem Wort. Sie erkennt auch das Bemühen des Landessportbundes an, die Förderung des Leistungs- und Spitzensports so zu gestalten, dass Niedersachsen seine Rolle als Standort für Spitzensport in Deutschland wahrnehmen kann. Es behindert aber auf diesem Feld eine Reihe von wenig oder nur schwer zu verändernden Rahmenbedingungen den gewünschten Erfolg. Zunächst einmal - auf so etwas muss man in solch einer Debatte auch hinweisen – leben wir in einer Gesellschaft, die zwar sportliche Höchstleistungen will, aber weniger bereit ist, dafür ihre Kinder und Jugendlichen in einen harten Leistungstrainingsprozess mit asketischem Lebenswandel zu geben und entsprechend zu unterstützen. Dabei spielen sicherlich auch die Probleme eine Rolle, die wir alle im Spitzensport tagtäglich erfahren: Leistungsmanipulation durch Doping, Vereinnahmung der Athleten durch Kommerz und Werbung, gesundheitliche Risiken durch übertriebenes Hochleistungstraining und manch lauter Medienrummel.

(Pörtner [CDU]: Das will niemand!)

- Ich stelle das ja auch nur als Rahmenbedingung dar, Herr Pörtner. - All dies wirkt sich auf die gesellschaftliche Bewertung und die Bereitschaft, so etwas zu tun, sowie auf die Einstellung zum Hochleistungssport aus. Beispielsweise muss man fragen: Sind Eltern in ausreichender Zahl bereit, ihre Kinder wegen einer unsicheren Spitzensportlerkarriere in ein Sportinternat zu schicken oder alle Kräfte nur auf den Sport zu konzentrieren?

(Zustimmung bei der SPD - Viereck [SPD]: So ist es!)

Dabei ist zu berücksichtigen, meine Damen und Herren - das wird vielleicht manchmal vergessen -, dass 70 % unserer Olympiateilnehmer von Sydney aus Einrichtungen kommen, die dem System des früheren DDR-Sports entstammen.

(Frau Lau [SPD]: Das ist richtig! - Pörtner [CDU]: Um so schlimmer!)

Außerdem haben wir die Lebensverhältnisse und wirtschaftlichen Möglichkeiten unseres Landes zu berücksichtigen, nachdem es uns in Niedersachsen schwer fällt, gute Leistungssportler nach einer qualifizierten Talententwicklung im Lande zu halten. Wir haben daher neben einer qualifizierten

Förderung vor allem auch die gesellschaftlichen und politischen Hemmnisse in einem breiten Diskurs anzugehen.

(Zustimmung bei Frau Lau [SPD])

Dabei gilt es, meine Damen und Herren, erstens klare Vorstellungen zu entwickeln dazu, wie Talentfindung und Talententwicklung unter den gegebenen Rahmenbedingungen betrieben und Sportlerkarrieren gezielt gefördert werden können, zweitens zu ermitteln, wie viele Mittel dafür benötigt werden bzw. durch Umschichtungen ohne das Erschließen anderer Finanzquellen gegebenenfalls zusätzlich bereitgestellt werden können, und drittens zu prüfen, wie durch entsprechende Prioritätenentscheidungen die für richtig erkannten Konzeptionen in die Tat umgesetzt werden können. In diesem Prozess haben der Landessportbund Niedersachsen und unsere niedersächsischen Sportverbände eine hohe Verantwortung.

Das bedeutet zum einen, dass der Sport die ihm zur Verfügung stehenden Mittel auch ausschöpft. Festgeldkonten und hohe Rücklagen stehen dem entgegen. Ich stimme dem Landessportbund ausdrücklich zu, wenn er verlangt, dass seine Vereine, Verbände und Gliederungen ihre Eigenmittel auch tatsächlich für den Sport einsetzen. Zum anderen bedeutet die Verantwortlichkeit für den Spitzensport auch, dass Vereine, insbesondere die Fachverbände, professionell arbeiten. Was nützt es, wenn sich das Niedersächsische Innenministerium letztlich erfolgreich bemüht, einen Polizeibeamten aus Nordrhein-Westfalen als Trainer für Leistungssportler nach Niedersachsen zu holen, wenn der zuständige Verband wegen eklatanter Managementfehler plötzlich pleite ist?

Aber auch die Politik ist gefordert, meine Damen und Herren, und zwar nicht nur hinsichtlich der Fördermittel. Für diese gilt - auch das weiß jeder in diesem Hause -, dass bei der finanziellen Lage des Landes an die Bereitstellung zusätzlicher Mittel nicht zu denken ist. Die für den Leistungssport für erforderlich gehaltenen Ressourcen müssen daher aus dem vorhandenen Sportetat bereitgestellt oder durch zusätzliche Sponsorenmittel aufgestockt werden. Die Landesregierung ist gern bereit, zusammen mit dem Landessportbund nach entsprechenden Lösungen zu suchen, einen breiten sportpolitischen Diskurs zum Spitzensport zu initiieren und zu führen, Umschichtungen der Mittel im Sportetat zu prüfen und den Landessportbund bei

der Gewinnung weiterer Sponsoren zu unterstützen.

In diesem Sinne sehe ich einer Beratung in den Fachausschüssen des Landtages und der Fortsetzung der sportpolitischen Debatte im Landtag mit großen Erwartungen entgegen und möchte die Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass es wieder zu einer gemeinsamen Entschließung und Haltung kommt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Ausschuss für Jugend und Sport mit der federführenden Beratung zu beauftragen und mitberatend den Kultusausschuss und den Ausschuss für Haushalt und Finanzen zu beteiligen. Wenn Sie so beschließen möchten, dann bitte ich um Ihr Handzeichen. - Sie haben so beschlossen. Vielen Dank.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 25: Erste Beratung: PopAkademie auf dem EXPO-Gelände ansiedeln - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/2293

Der Antrag wird von der Kollegin Frau Stokar von Neuforn eingebracht.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bereits Ende 1998 hat die Fraktion der Grünen einen Antrag zum Thema „Kulturwirtschaft in Niedersachsen“ in den Landtag eingebracht. Im Plenum haben wir beschlossen, die unterschiedlichen Branchen der Kulturwirtschaft in Niedersachsen zu stärken. Die Unterrichtung durch die Landesregierung vom November letzten Jahres zeigt, dass erste Schritte zur Umsetzung getan sind. Aber, meine Damen und Herren, im Gegensatz zu anderen Bundesländern, z. B. Nordrhein-Westfalen, BadenWürttemberg und Sachsen, fehlt in Niedersachsen ein Projekt mit bundesweiter Ausstrahlung. Dieser

Rückstand könnte mit der Ansiedlung einer PopAkademie endlich überwunden werden. Bundesweit könnte Niedersachsen kulturwirtschaftliche Kompetenz erzielen.

Die wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Bedeutung der Popmusik wird bislang vielfach unterschätzt. „Popmusik drückt wie kaum ein anderes Medium Zeitgeist und Lebensgefühl aus und erreicht praktisch unsere gesamte jüngere Bevölkerung.“ Dieses ist kein Zitat von mir, sondern des baden-württembergischen Ministers Dr. Palmer von der CDU, der intensiv über die Einrichtung einer PopAkademie in Baden-Württemberg nachdenkt.

(Decker [CDU]: Kluger Mann!)

- Richtig. - Meine Damen und Herren, wir haben in Niedersachsen das Potential und die Infrastruktur für eine PopAkademie. Ich nenne ausdrücklich die Landesarbeitsgemeinschaft Rock in Niedersachsen e.V. und die Deutsche Rockmusikstiftung. Wir haben in Hannover eine im Bundesvergleich einzigartig lebendige Musikszene mit vielen Bands und etlichen Stars, und dies beschränkt sich nicht nur auf die Scorpions. Wir haben international produzierende Tonstudios und etliche musikbezogene Unternehmen im Dienstleistungsbereich.

Meine Damen und Herren, wir haben auf dem EXPO-Gelände die Nordmedia GmbH. Film und Musik können sich zu Highlights der EXPONachnutzung entwickeln.

(von der Heide [CDU]: Sehr gut!)

Es gibt bundesweit eine Marktlücke in der Ausund Fortbildung im Bereich der Rock- und Popmusik. Eine PopAkademie in Niedersachsen würde diese Lücke schließen und eine Sogwirkung auf angrenzende Kultur-, Medien und Dienstleistungsbereiche ausüben. Außerdem gibt es einen internationalen Bedarf an Popmessen, wie schon die Popcom in Köln zeigt. Hier gibt es ausbaufähige Potentiale auch für den Messestandort Hannover. Das Qualifizierungsangebot einer PopAkademie dient nicht in erster Linie der Vermittlung technischer oder theoretischer musikalischer Fähigkeiten. Vermittelt werden insbesondere Kenntnisse über die Funktionsweise des Musikmarktes, die Bereiche Management und Werbung oder Vertragsrecht. Eine Ausbildungsordnung für die Anerkennung des Berufes Popmusiker wird bereits entwickelt.

Die berühmteste PopAkademie gibt es bisher in London, nämlich die Paul McCartney-Akademie. Mit einem Volumen von rund 7,5 Milliarden DM stellt die britische Popmusik heute die Exporte der einst mächtigen Stahlindustrie weit in den Schatten, so der britische Kulturminister. Unbestritten sind die Briten im Segment der Popkulturwirtschaft hervorragend im Geschäft.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die traditionellen Beziehungen zwischen Niedersachsen und England durch eine mögliche Kooperation der PopAkademie in London mit einer PopAkademie auf dem EXPO-Gelände belebt werden können und auch für die jüngere Generation an Attraktivität gewinnt. Dies wäre ein sehr praktisches Beispiel für eine Kooperation in europäischer Kulturpolitik.

Meine Damen und Herren, Sie sehen mich begeistert, und ich hoffe, ich kann mit meiner Begeisterung Sie alle hier im Hause anstecken. Wir gehen davon aus, dass dieses Projekt nur gemeinsam von uns allen, von allen Fraktionen im Landtag, durchgesetzt werden kann. Meine Damen und Herren, lassen Sie uns nicht zu lange zögern. Es ist ja typisch niedersächsisch, dass man so lange wartet, bis andere diese guten Ideen aufgreifen und umsetzen. Lassen Sie uns diese Chance ergreifen, und lassen Sie uns das Projekt PopAkademie gemeinsam durchsetzen! Ich glaube, dass es eine hervorragende parteiübergreifende Arbeit werden könnte.

Ich habe einige Vorgespräche geführt. Dieser Antrag wird heute zeitgleich in den Rat der Landeshauptstadt Hannover eingebracht. Wir haben zu dem Thema PopAkademie auch mit der Bundesebene Gespräche geführt.

(Minister Oppermann lacht)

Was wir jetzt hier in dieser Landesregierung brauchen, ist ein - schon lachender - Minister Oppermann, der modern und jung genug ist, diese Anregung aufzugreifen und mit uns umzusetzen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Herr Minister Oppermann, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich weiß gar nicht, wie ich jetzt noch zögerlich sein kann, wenn ich von der Wahlkämpferin der Grünen in Hannover-Stadt und hier im Landtag so umgarnt werde. Das ist sicherlich ein konstruktiver Beitrag zum hannoverschen Kommunalwahlkampf, aber er hat in der Tat eine darüber hinausgehende Bedeutung.

(Frau Pawelski [CDU]: Und ob!)

- Frau Pawelski, auch Sie schätzen bestimmt Popmusik. Bessere Popmusik aus Niedersachsen wäre zweifellos auch ein sehr wichtiger kulturwirtschaftlicher Faktor.

(Eveslage [CDU]: Aber?)

- Kein Aber, Herr Kollege. Wenn Sie ein Aber erwarten, kommt von uns ein Doch. - Eine PopAkademie, die es bereits in London, im Mekka der Popmusik gibt, wäre in Deutschland in der Tat einmalig. Das haben wir in Deutschland bisher noch nicht etablieren können.

Es gibt an der Hochschule für Musik und Theater den Studiengang „Rock, Pop, Jazz“. Dieser Studiengang wird mit anderen künstlerisch orientierten und medienpolitisch orientierten Studiengängen auf das Messe- bzw. EXPO-Gelände, in das Kurt-Schwitters-Forum, verlagert. Dort entsteht ein Umfeld für Medien und künstlerische Berufe, das in dieser Form in Niedersachsen zweifellos einmalig ist. Das ist sicherlich auch für eine PopAkademie ein wunderbares Umfeld.

Für eine solche Akademie gibt es auch einen Bedarf. Wir haben eine Studie erstellt. Ich glaube, dass die von Ihnen, Frau Kollegin, schon zitiert worden ist. Die Studie „Rock- und Popmusikförderung in Niedersachsen - Eine besondere Betrachtung der Spitzenförderung unter kulturwirtschaftlichen Gesichtspunkten“, die derzeit vom Institut für Musik und pädagogische Forschung an der Hochschule für Musik und Theater erstellt wird, sieht einen Bedarf für eine solche Qualifizierung bei der Ausbildung von Musikern, aber auch im Bereich der Fort- und Weiterbildung. Wir haben Einrichtungen wie die Landesarbeitsgemeinschaft Rock, den Landesmusikrat und die Deutsche Rockmusikstiftung, die sich dazu positiv verhalten und die sich auch engagieren würden.

Der Bedarf ist vielfältig. Er könnte in einer praxisund geschäftsnahen Ausbildung bestehen. Praktika, Workshops, so genannte Showcases - eine Schnittstelle zwischen Ausbildung und Business - wären ebenso Bestandteil wie Mentoring- bzw. Tutoringprogramme mit professionell Tätigen aus der Branche. Eine PopAkademie könnte neben Angeboten für regulär Studierende auch Fortbildungsangebote vorhalten und damit in dem wirtschaftlich nicht unbedeutenden Sektor der Musikwirtschaft Grundlagen für junge und professionell ambitionierte Musiker und in musiknahen Berufen Tätige schaffen. Das Spektrum der beteiligten Berufsfelder reicht dabei vom ausübenden Musiker über Ton- und Lichttechnik, Studiotechnik, CD-, Video- und Filmproduktion bis hin zu Eventmanagement, Marketing und Recht. Eine PopAkademie würde daneben auch Forum für Kontakte und damit für den Erwerb von Szenekenntnissen sein.