Protokoll der Sitzung vom 15.03.2001

(Zuruf: Lüneburg!)

- nein, nein, das ist schon in Ordnung, auch wenn es ganz gut wäre, wenn die PopAkademie nach Lüneburg ginge, zumal wir dort eine attraktive Popszene haben -, also auf dem ehemaligen EXPO-Gelände als eine Form der Nachnutzung zu realisieren. Hierbei sitzen wir gemeinsam in einem Boot. Ich bitte um eine gemeinsame Beschlussfassung im Anschluss an die Beratung in den Ausschüssen. - Herzlichen Dank.

Vielen Dank. - Frau Stokar, Sie haben das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich lasse mir auch von den letzten Ausführungen des geschätzten Kollegen der SPD-Fraktion die gute Laune nicht verderben. Wir erleben hier heute eine sehr konstruktive Stunde des Parlaments. Sie müssen es ein Stück weit aushalten, dass die Grünen eine Idee, die in den Köpfen der anderen Fraktionen und der Landesregierung auch schon verankert ist, die aber noch nicht im Parlament angekommen ist, mit einem Antrag auf den Weg gebracht haben.

Ich glaube, dass ich das bei der Einbringung unseres Antrages - weil es mir tatsächlich um dieses Projekt PopAkademie geht - von Anfang an deutlich gemacht habe. Ich weiß doch, dass wir als Grüne dieses hervorragende Projekt weder in der Stadt Hannover noch im Land Niedersachsen allein werden durchsetzen können. Deshalb kam hier sofort mein Friedensangebot an alle: Lassen Sie uns das gemeinsam schaffen, und zwar - das möchte ich hier ganz deutlich sagen - nicht ausschließlich für die Landeshauptstadt Hannover. Ich glaube, dass eine solche Akademie ein Imagegewinn für das gesamte Land Niedersachsen ist. Wir dürfen uns hier nicht von einem Südbundesland abhängen lassen, sondern wir müssen versuchen, mit der ganzen auf dem EXPO-Gelände in Hannover vorhandenen Infrastruktur als moderne Niedersachsen in die Bundesgeschichte und damit auch in eine europäische Kulturwirtschaftsgeschichte einzugehen.

(Schurreit [SPD]: Sag doch auch mal was zu INI und GISMA!)

- Ich finde, wir sollten uns jetzt einfach nur auf die PopAkademie konzentrieren.

(Schurreit [SPD]: INI und GISMA! Bitte einmal eine Antwort!)

Alle anderen Streitigkeiten sollten wir beiseite legen. Sie werden es nicht schaffen, lieber Kollege. In unserer Fraktion besteht Einigkeit. Wir lassen uns nicht auseinander dividieren. Alle wissen, dass ich die OB-Kandidatin für Hannover bin. Das ist natürlich auch etwas für Hannover. Mir aber geht es ausschließlich um Folgendes: Lassen Sie uns für die jungen Leute in Niedersachsen etwas tun. Ich bin nach wie vor - ich bin über 45 - Pop- und Rockfan. Von der Vergangenheit der 60er- und 70er-Jahre möchte ich überhaupt nichts zurücknehmen. Ich erinnere mich noch sehr gut an das große Festival auf Fehmarn, wo ich groß geworden bin. Der letzte Auftritt von Jimmy Hendrix hat mit dazu beigetragen, dass ich aufgewacht und Politikerin geworden bin. Lassen Sie uns das hier gemeinsam machen. Ich freue mich auf die Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie sind aufgewacht und Politikerin geworden. Das finde ich gut. - Meine Damen und Herren, damit ist der Tagesordnungspunkt 25 erledigt. Denn weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Der Ältestenrat empfiehlt, mit diesem Antrag den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr federführend zu befassen und die Ausschüsse für Haushalt und Finanzen, für Wissenschaft und Kultur sowie für Medienfragen mitberatend zu beteiligen. Andere Wünsche sehe ich nicht. Dann ist das so beschlossen.

Wir kommen jetzt zu

Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung: Strukturuntersuchung Orientierungsstufe Durch Datenschutz und durch Transparenz Vertrauen schaffen! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/2294

Tagesordnungspunkt 27: Erste Beratung: Fragebogenaktion zur Orientierungsstufe sofort abbrechen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/2299

Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird durch die Kollegin Frau Litfin eingebracht. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An diesem Tagesordnungspunkt kann man ziemlich deutlich darstellen, wie es den beiden großen Fraktionen - ohne jeweils den Willen zur Zusammenarbeit zu haben - gelingen kann, im Verbund einen Prozess aber auch so richtig gründlich zu verkorksen. Man kann allerdings auch sehen, wie die Kultusministerin durch Unsicherheit und Unprofessionalität der CDU in die Hände spielt, der CDU, die zügig zurück zum Schulsystem der 50erJahre will, die den Kindern möglichst früh "Schuster bleib bei deinem Leisten" auf den Schulranzen schreiben möchte. Dafür ist das, was wir in den letzten Monaten, Wochen und Tagen erlebt haben, ein Lehrstück.

Sie erinnern sich: Der Ministerpräsident hat einen Vorschlag gemacht. Es hat ihn gequält, dass die anderen Fraktionen in diesem Hause eigene Vorstellungen darüber hatten, wie denn der Beginn der Schulzeit für die Kinder aussehen sollte. Die CDU: Vier Jahre gemeinsame Schulzeit, dann Selektion in das dreigliedrige Schulwesen. Meine Fraktion: Sechs Jahre gemeinsame Schulzeit. Die SPDFraktion hatte nichts Eigenes, meinte der Ministerpräsident. Sie wollte nur eine Untersuchung machen lassen. Diese Position hat die SPD-Fraktion eigentlich geehrt; denn dieser Untersuchung bedurfte es aus meiner Sicht sehr, sehr dringend. Aus meiner Sicht brauchen wir in der Schulpolitik nichts so dringend wie wissenschaftlichen Rat und wissenschaftliche Hilfe; denn was auf diesem Politikfeld an Annahmen durch die Gegend wandert und was auf diesem Politikfeld auf Grund von Annahmen beschlossen wird, ist wirklich hanebüchen und nicht zu verantworten.

Sie alle erinnern sich. Der Ministerpräsident schlug vor: Die Orientierungsstufe wird abgeschafft, das Abitur wird in Niedersachsen in nächster Zeit nach zwölf Jahren abgelegt. Die Kultusministerin erinnerte sich beim Frisör daran, dass das alles Ihre Vorschläge sind. Trotzdem nahm sie dem Minis

terpräsidenten das Versprechen ab, so etwas doch nie wieder zu tun. Dieses Versprechen hat er ihr gegeben.

Der weitere Ablauf ist Ihnen ebenfalls bekannt. Der Kultusministerin gelang es, die wissenschaftliche Untersuchung zu retten. Der Kultusministerin ist es auch gelungen, einen Zeitplan zu erstellen, der garantiert, dass nicht über die Köpfe der Menschen in diesem Lande hinweg entschieden wird, wie die Schulstruktur in Zukunft aussehen wird, der garantieren sollte, dass eine wirklich wissenschaftlich fundierte öffentliche Debatte stattfinden kann, und der sich ein bisschen davon leiten ließ, dass die Menschen in unserem Lande darüber zu entscheiden haben, wie denn ihre Schulen auszusehen haben - ein Grundsatz, den meine Fraktion teilt. Mit dem Antrag, den wir Ihnen heute vorgelegt haben, versuchen wir, auch diesen Grundsatz ein Stück weit zu retten.

Nun begann diese Untersuchung, die die CDUFraktion nie gewollt hat. Sie wollte RuckzuckPolitik und wird dabei leider von Ministerpräsident Gabriel unterstützt. Diese Untersuchung läuft also an. Die ersten Fragebogen werden ausgefüllt. Da schreit die CDU-Fraktion, die mit Datenschutz sonst nicht so sehr viel am Hut hat,

(Möllring [CDU]: Aber natürlich!)

die neuerdings jedem männlichen Säugling den genetischen Fingerabdruck abnehmen will: Datenschutz! Datenschutz! Datenschutz! - Ein sehr durchsichtiges Manöver. Ihnen geht es nur darum, diese Untersuchung zu verhindern; denn bei Ruckzuck-Politik ist Wissenschaftlichkeit wirklich nur ein Störfaktor.

Ministerin: Ich war es nicht! - Das erinnert mich an Jenny, die immer sagte: Ich war es nicht. - Dazu gehörte der Satz: Das war schon. - Nur: Jenny war damals vier Jahre alt.

Wenn die Ministerin sicher wäre, dass es dieser Untersuchung bedarf, dann hätte sie meiner Meinung nach sicherlich anders reagiert. Das zeigt die Unsicherheit. Ich weiß nicht, ob es noch früh ge

nug ist, diese Untersuchung zu retten, aber auch den Zeitplan zu retten, den der Herr Ministerpräsident trotz des Versprechens "Nie wieder werde ich so etwas tun, werde ich in dieses Politikfeld hineinpfuschen, ohne meine Ministerin vorher zu informieren" über den Haufen geschmissen hat, der jetzt ganz anders aussieht, der jetzt der RuckzuckPolitik der CDU sehr nahe kommt. Deshalb habe ich dem Ministerpräsidenten neulich auch empfohlen, doch gleich den Kollegen Busemann zu seinem Kultusminister zu machen. Dann würde er sich und allen anderen eine ganze Menge an Peinlichkeiten ersparen.

(Busemann [CDU]: Ich bedanke mich!)

Wir setzen auf wissenschaftlichen Rat. Wir setzen auch darauf, dass die Menschen in diesem Lande beteiligt werden müssen, wenn es darum geht, Schulstrukturen zu ändern. Wir finden auch die Fragen, die gestellt werden, in sämtlichen Fragebögen, die ja mittlerweile unter uns ausgetauscht werden, gut und richtig. Wir finden auch die Fragen in den Schülerfragebögen richtig, weil es keine neuen Fragen sind, sondern Fragen, die Schülern und Schülerinnen schon in Berlin, in Bayern und in Hamburg gestellt worden sind und die deshalb im Ergebnis dieser Studie eine Vergleichbarkeit zulassen werden, eine Vergleichbarkeit von Ländern mit vierjähriger Grundschule, von Ländern mit Orientierungsstufe und von Ländern mit sechsjähriger Grundschule, eine Vergleichbarkeit, die ich auch wissenschaftlich fundiert haben möchte und auf die ich warte und die ich erwarte.

Ich kann die CDU-Fraktion nur bitten, mit dem wirklich unqualifizierten Störmanöver aufzuhören. Ich finde, Sie sollten die Empiriker und Empirikerinnen ihre Arbeit machen lassen und sollten dann versuchen, die Ergebnisse zu würdigen und anzunehmen. Aufgrund der Ergebnisse sollten Sie dann entscheiden, welche Position Sie bei der Entwicklung der zukünftigen Schulstruktur in Niedersachsen einnehmen.

Die Position meiner Fraktion ist klar. Wir lehnen uns an an die erfolgreichen Modelle im europäischen Ausland, etwa an das erfolgreiche Modell in Schweden mit einer zehnjährigen gemeinsamen Schulzeit. Die TIMMS-Studie hat gezeigt, dass in diesem Modell kognitive Leistungen der Schüler und Schülerinnen möglich sind, die über die Leistungen unserer Schüler und Schülerinnen weit hinausgehen.

(Zuruf von Ministerin Jürgens-Pieper)

- Das ist doch nicht neu, Frau Ministerin.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Voigtländer?

Aber gern.

Frau Litfin, wollen Sie denn die Fragebogenaktion stoppen oder nicht stoppen?

Herr Kollege Voigtländer, der erste Teil meines Antrages - darin sind wir uns wohl einig - ist durch das Handeln des Niedersächsischen Datenschutzbeauftragten inzwischen erledigt. Der Niedersächsische Datenschutzbeauftragte hat festgestellt: Diese Studie ist unbedenklich. Aber in meinem Antrag befindet sich auch ein Passus, in dem es heißt, wenn man Leute etwas fragt, dann sollte man, um Missverständnissen vorzubeugen, ihnen auch erklären, warum man sie das fragt. Das steht noch aus. Ich meine, dass die Landesregierung das nachholen muss. Sie muss den Schulleitern und Schulleiterinnen, aber auch den Lehrern und Lehrerinnen erklären, warum ihnen die inkriminierten, durch die CDU-Fraktion angegriffenen Fragen gestellt werden, die aus meiner Sicht Sinn machen.

Ansonsten, Herr Kollege Voigtländer, lohnt es sich immer, in diesem Plenum über Schulpolitik zu debattieren, insbesondere dann, wenn man sich fragen muss, mit wem man in Zukunft Konsensgespräche über Schulpolitik zu führen hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank. - Zur Einbringung des CDU-Antrages hat der Kollege Busemann jetzt das Wort.

(Voigtländer [SPD]: Herr Busemann, wann kommen Sie in den Kultusaus- schuss?)

Herr Voigtländer, wenn die Ministerin ins Parlament kommt, dann komme ich auch in den Kultusausschuss.

(Voigtländer [SPD]: Sie ist doch da!)

- Ins Parlament als Abgeordnete! Dazwischen ist ja noch eine Wahl.

Aber Spaß beiseite, meine Damen und Herren. Ich meine, wir haben mittlerweile in der Schul- und Bildungspolitik eine Lage erreicht, die hoch brisant ist, die ernst ist, weil man sich auch im Lande fragt: Wohin geht die bildungspolitische Reise im Lande Niedersachsen überhaupt?

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte ganz kurz skizzieren, welche Problemfelder es gibt.

(Zuruf von Meinhold [SPD])

Man darf vor allem nicht vergessen, Herr Meinhold: Wir haben ein riesiges Problem im niedersächsischen Schulwesen.

(Meinhold [SPD]: Zum Thema!)