Protokoll der Sitzung vom 15.03.2001

Herr Kollege Klare, das gehört nicht zur Anfrage.

Aber die erwarten auch eine Antwort, Herr Präsident, wenn das auch nicht zu der Anfrage gehört. Deswegen fand ich es gut, auf das Problem hier einmal hinzuweisen.

Die Antwort gibt die Kultusministerin.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Einstellung von Lehrkräften erfordert in der Bildungspolitik in der Tat eine gezielte Steuerung von Bedarfs- und Überhangphasen.

(Zuruf von Frau Vockert [CDU])

- Ja, Frau Vockert, wir werden das tun. – Dies trifft insbesondere auf den berufsbildenden Bereich zu, der, bedingt durch die ständigen Veränderungen im wirtschaftlichen Umfeld – das wissen Sie –, immer flexibel reagieren muss.

Die derzeitige Einstellungssituation ist nicht von einem generellen Lehrerbedarf in allen Fachrichtungen, sondern von einer spezifischen Bedarfssituation gekennzeichnet. Bezogen auf das Bewerberangebot und das Einstellungsjahr 2000 lag das Verhältnis der Zahl der ausgeschriebenen Stellen zu der Zahl der Bewerberinnen und Bewerber im Bereich der berufsbildenden Schulen bei 1 : 3. Von einer allgemein gravierenden Mangelsituation an Bewerbern kann also gegenwärtig nicht gesprochen werden.

Bedingt durch die Entwicklung im informationsund kommunikationstechnischen Bereich ist allerdings auch an den berufsbildenden Schulen eine Mangelsituation entstanden, der mit gezielten Einzelmaßnahmen, die Sie kennen, und durch Konzeptionierung einer neuen Fachrichtung „Angewandte Informatik“ als Lehramt begegnet wird. Übrigens gibt es dieses Lehramt noch nicht in allen Bundesländern.

In den kommenden Jahren ist, bedingt durch die Altersstruktur der Lehrkräfte und die steigenden Schülerzahlen im Bereich der berufsbildenden Schulen, mit einem erhöhten Einstellungsbedarf zu rechnen.

(Frau Vockert [CDU]: Das sehen wir auch so!)

Die aktuelle Lehrerabgangsprognose geht von 236 Pensionierungen im Jahr 2001 aus. Der dadurch bedingte Ersatzeinstellungsbedarf kann mit den Absolventen der Studienseminare bewältigt werden.

(Frau Vockert [CDU]: Auch fächer- spezifisch?)

Auf dem Höhepunkt des Schüleranstiegs im Jahre 2009/2010 – darum machen Sie sich jetzt Sorgen, Herr Klare – sind 429 Ersatzeinstellungen erforderlich.

(Möllring [CDU]: Um die sollten Sie sich auch Sorgen machen!)

- Ja, das tue ich auch. - Auf diese sich abzeichnende Bedarfssituation wird zurzeit gezielt reagiert. Ich erinnere dazu an die Werbe- und Informationsveranstaltung, die ich im April 2000 mit Herrn Minister Oppermann durchgeführt habe. Als Reaktion hierauf ist zum Wintersemester 2000/2001 ein Anstieg der Studierendenzahl für das Lehramt an berufsbildenden Schulen um 17,9 % im Vergleich zum Vorjahr eingetreten.

Diese sensible Reaktion der Studienanfänger macht deutlich, dass wir natürlich auch eine besondere Verantwortung bei der gezielten Werbung haben. In jedem Fall sollte vermieden werden, dass jenseits des Lehrerbedarfs des Jahres 2010 wieder ein Lehrerüberhang eintritt.

Im August 2000 hat sich in der Tat die Zeitschrift „abi-Berufswahl-Magazin“ mit einer Anfrage zu den aktuellen und künftigen Einstellungschancen für Berufsschullehrerinnen und –lehrer an die Kultusministerien der Länder gewendet. Der übersandte Fragebogen beschäftigt sich mit der Bewertung der aktuellen Arbeitsmarktlage für Berufsschullehrer. Bei einer Bewerbersituation, wie gesagt, von drei Bewerbern auf eine Stelle ist entschieden worden, von den drei vorgegebenen Antwortmöglichkeiten – das waren die Antwortmöglichkeiten „sehr gut“, dann leider nicht „gut“, sondern „weniger gut“ und „schlecht“; es gab nur diese drei: „sehr gut“, „weniger gut“ und „schlecht“ – die Kategorie „weniger gut“ für die Einstellungssituation in Niedersachsen zu wählen.

Die im August 2000 getroffene Einordnung ist meines Erachtens im Vergleich zur Einstufung der

anderen Bundesländer ein falsches Signal. Die weiteren Angaben auf dem Fragebogen spezifizierten den niedersächsischen Lehrerbedarf im IT-Bereich auf der Basis der im Sommer 2000 vorliegenden Daten und Einschätzungen.

Im Januar 2001 erschien die in der Anfrage zitierte Tabelle der „abi“-Umfrage bei den Einstellungsbehörden zu den aktuellen und künftigen Chancen für Berufsschullehrer. Sie muss den Eindruck erwecken, als lägen in Niedersachsen ungünstigere Bedingungen als in anderen Bundesländern vor.

Dieser Eindruck ist falsch und soll durch einen Artikel - den ich aufgrund des Berichts in der „HAZ“, den Sie zitiert haben, veranlasst habe - für das „abi-Berufswahl-Magazin“, in dem die niedersächsische Situation differenziert erläutert wird, korrigiert werden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: Die zurückhaltende Bewertung der zukünftigen Arbeitsmarktentwicklung wird korrigiert.

Zu Frage 2: Die schon durchgeführten Werbemaßnahmen und die geplante Werbe- und Informationskampagne werden meines Erachtens die richtigen Lenkungssignale setzen. Das zeigt sich schon im ersten Anlauf.

Zu Frage 3: Dem Präsidenten des Landtags ist eine fächerspezifische Lehrerbedarfsprognose mit Schreiben vom 27. Januar 1994 zugegangen,

(Zuruf von der CDU: Ja!)

die den Einstellungsbedarf für den Zeitraum von 1993 bis 2010 beschreibt. In den vergangenen Jahren ist die Lehrerabgangsprognose, die als Grundlage für die Neueinstellungen dient, ständig aktualisiert worden.

Am 26. November 1998 sind dem Präsidenten des Landtags zur Sitzung des Kultusausschusses am 27. November 1998 folgende Unterlagen zugegangen - wir haben das in einem Schreiben festgehalten, weil Sie uns den Vorwurf machen, wir schickten Ihnen das nicht zu -: Anlage 1: ausgeschiedene Lehrkräfte seit 1995 bis 2015, Anlage 2: Angaben über die Unterrichtsversorgung an den Schulen,

(Klare [CDU]: Das macht die Sache doch noch schlimmer!)

Anlage 3: Angaben über die fachspezifischen Ausbildungskapazitäten für das Lehramt an berufsbildenden Schulen an niedersächsischen Hochschulen, Anlage 4: Angaben über die fachspezifischen Ausbildungskapazitäten an den niedersächsischen Ausbildungsseminaren, Anlage 5: Unterrichtsversorgung des Berufsvorbereitungsjahres. Auch dies war gewünscht.

Die mit der Umsetzung des Modernisierungskonzepts für die berufsbildenden Schulen im Jahre 2000 eingetretenen Veränderungen machen natürlich eine weitere Fortschreibung dieser Lehrerbedarfsprognose erforderlich. Es hat aber keinen Zweck, eine fächerspezifische Bedarfsprognose ständig zu ändern, wenn die Geburtenzahlen und die Prognosen bis zum Jahre 2010 bekannt sind. Es gibt jetzt eine leichte Veränderung. Wir hatten die Spitze des Schülerberges für 2008 angegeben. In den fortgeschriebenen Prognosen des Landesamtes für Statistik zeigt sich die Spitze jetzt für die Jahre 2009/2010.

Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Vockert!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, vor dem Hintergrund, dass Sie gerade gesagt haben, drei Bewerber kämen auf eine Stelle, frage ich die Landesregierung: Trifft dies auch für die Bereiche Elektrotechnik und Metalltechnik zu? Nach meinen Informationen hat die Landesregierung bestätigt, dass sich 1997 im Bereich Elektrotechnik auf 50 Studienplätze nur zehn Studierende und im Bereich der Metalltechnik auf 90 Plätze auch nur zehn Bewerber gemeldet haben. Warum haben Sie dann nicht entsprechend reagiert, um diesen erkennbaren Mangel in beiden Bereichen schon im Vorfeld zu beseitigen?

(Beifall bei der CDU)

Frau Ministerin!

Frau Vockert, Sie haben völlig Recht: Das ist ein Durchschnittswert, den ich hier genannt habe. Es gibt eine Umbruchsituation im Lehrerarbeitsmarkt insgesamt und damit auch in den allgemein bildenden Schulen. Ich habe deutlich gemacht, dass es

seit einiger Zeit - eigentlich seit meinem Amtsantritt - das Phänomen gibt, dass auf der einen Seite ein Bedarf an Ersatzeinstellungen befriedigt werden muss, dass auf der anderen Seite aber auch ein fächerspezifischer Bedarf besteht. Das trifft auch für Metall und Elektro zu.

(Busemann [CDU]: Phänomen? Das ist Realität! Ministerium für Phäno- mene!)

Wir haben deshalb auch Maßnahmen ergriffen. Ich nehme an, dass Sie das mitbekommen haben.

Wir haben speziell für IT-Berufe 40 Stellen ausgeschrieben. Sie wissen, dass es hier noch keine für das Lehramt Ausgebildeten gibt. Dieser Studiengang wird erst zum kommenden Wintersemester eingerichtet. Auf die 40 Stellen, die bei den Bezirksregierungen ausgeschrieben worden sind, haben wir 491 Bewerbungen bekommen, zum Teil von Hochschulabsolventen mit den Fächern Mathematik bzw. Informatik, Leuten mit Diplom oder Magisterausbildung. Die Bezirksregierungen haben signalisiert - ich war selbst erstaunt über diese hohe Bewerberzahl -, dass sie eine ausreichende Zahl qualifizierter Bewerberinnen und Bewerber für die Stellen gefunden haben. Wir werden auch die, die jetzt nicht zum Zuge kommen, natürlich weiterhin pflegen, mit ihnen Kontakt halten, um auch diese Kapazitäten noch zu nutzen.

(Frau Vockert [CDU]: Das war aber keine Antwort auf Elektrotechnik und Metalltechnik!)

- Ich habe diese Frage beantwortet. Dort besteht nicht ein Verhältnis von 1 : 3, sondern dort gibt es einen fächerspezifischen Mangel.

(Frau Vockert [CDU]: Danke! Das erkennen Sie wenigstens!)

Die nächste Frage stellt Frau Litfin.

Frau Ministerin, Sie werden ja im Bereich der berufsbildenden Schulen in der nächsten Zeit in verstärktem Maße Akademiker und Akademikerinnen einstellen müssen, die keine Berufsschullehrer- oder Berufsschullehrerinnenausbildung absolviert haben. Sind die Verfahren zur Einstellung dieser Personen fertig, können die Schulen darüber

entscheiden, welche Personen eingestellt werden, und wie werden diese Personen pädagogisch und didaktisch weiter qualifiziert?

Frau Jürgens-Pieper!

Frau Litfin, da wir mit Quereinsteigern arbeiten, muss man das, was an Weiterbildung oder an Berufseinstiegsqualifizierung notwendig ist, natürlich sehr gezielt machen. Das werden wir auch tun. Das Vorhaben ist, dies im Rahmen von Studienseminaren zu tun, um eine Begleitung sicherzustellen. Didaktische Ausbildung, aber auch Schulrechtsfragen, Berufs- und Wirtschaftspädagogik sollen angeboten werden. Das wollen wir gezielt machen.

Wir sammeln jetzt, wie gesagt, gezielt Erfahrungen im Informatikbereich mit dieser Menge an Bewerberinnen und Bewerbern, die es dort gibt, und das werden wir auch in anderen Bereichen entsprechend tun.

Die nächste Frage stellt Herr Klare.

Sie haben auf die Lehrerbedarfsprognose aus den Jahren 1993/1994 hingewiesen. Angesichts der Tatsache, dass diese Lehrerbedarfsprognose bis zum Jahre 2015 erstellt worden ist, frage ich jetzt: Warum wurde seitens der Landesregierung, wenn denn alle Daten bekannt waren, nicht Vorsorge getroffen und dem gravierenden Lehrermangel nicht entgegengesteuert?