Protokoll der Sitzung vom 15.03.2001

kommt es doch darauf an, was mit den Daten passiert. Das ist eindeutig durchgeprüft.

(Beifall bei der SPD - Frau Schliepack [CDU]: Ein bisschen dünnhäutig!)

Vielen Dank. - Ebenfalls für drei Minuten erhält der Kollege Fasold noch einmal das Wort. Bitte schön!

Herr Kollege Klare, Sie haben hier eben zwei Behauptungen aufgestellt: Die Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker der Fraktion verträten in der Öffentlichkeit entweder keine Positionen, überhaupt keine Positionen, oder aber sie ergingen sich in massiven Angriffen gegen die Position der Landesregierung.

(Klare [CDU]: Ich nenne Ihnen gern die Orte, wenn Sie das möchten!)

Zu der ersten Behauptung sage ich: Das ist die Wahrheit.

(Lindhorst [CDU]: Keine eigene Mei- nung zu haben!)

Wir haben uns nämlich vom Verfahren her darauf geeinigt, erstens einen Vorschlag der Landesregierung bekannt zu machen, der ja auch Ihnen und in tausend und abertausend Exemplaren der Öffentlichkeit vorliegt, und zweitens selbst keine Vorentscheidungen zu treffen, sondern zu hören und Kritik und Anregungen aufzunehmen,

(Frau Vockert [CDU]: Das ist Verun- sicherung und Doppelzüngigkeit!)

bis wir zu einer endgültigen Entscheidung kommen. Das Verfahren wurde Ihnen hier dargestellt.

Sie haben zweitens gesagt, wir trügen massive Angriffe gegen die Landesregierung vor. Wenn Sie das nicht begründen können,

(Klare [CDU]: Ich nenne Ihnen die Orte!)

würde ich Sie als jemanden bezeichnen, der außerhalb des Parlaments als Lügner bezeichnet würde.

(Zurufe von der CDU: Vorsichtig!)

Deswegen fordere ich Sie auf, das jetzt hier zu begründen.

Herr Kollege Fasold, der Kollege Klare hatte sich noch zu einer Zwischenfrage gemeldet. Wollen Sie die noch beantworten?

(Klare [CDU]: Nein, ich wollte noch etwas dazu sagen!)

- Ach so, das war ein Irrtum. - Herr Kollege Busemann hat ebenfalls noch einmal ums Wort gebeten. Habe ich das richtig verstanden? Wollten Sie noch einmal reden?

(Busemann [CDU]: Für mich ist das erledigt!)

- Will sich jetzt noch jemand melden oder nicht? Herr Kollege Klare, bitte schön! Nach § 71 Abs. 2 erhalten Sie noch einmal das Wort für drei Minuten.

Ganz herzlichen Dank. - Ich möchte auf die Vorhaltungen von Herrn Fasold eingehen, weil das genau das ist, was zurzeit zu der tiefen Verunsicherung beiträgt; Sie erleben die Diskussionen draußen ja auch, Herr Fasold.

Auf einer Veranstaltung in Hannover – Stadtelternrat - erscheint ein Kollege Ihrer Fraktion und distanziert sich massiv und deutlich von der Abschaffung der Orientierungsstufe, wie sie der Ministerpräsident und die Kultusministerin vorsehen. Er fügt hinzu - in öffentlicher Versammlung, 200 Leute -: „Machen Sie Druck auf den Ministerpräsidenten, dass wir von dieser Position herunter kommen.“ - Das ist kein offener Dialog, Herr Fasold, das ist Druck machen.

Ein zweites Mitglied Ihrer Fraktion vertritt auf GEW-Veranstaltung im südlichen Teil Niedersachsens die gleiche Position: „Wir sind noch nicht am Ende mit dem Kampf um die Orientierungsstufe.“ Das ist jetzt meine Interpretation seiner Worte. „Wenn Sie alle mithelfen, werden wir das alte sozialdemokratische Urgestein, die Orientierungsstufe, halten.“ - In die Öffentlichkeit hinein!

(Wernstedt [SPD]: Herr Kollege Kla- re, das war immer ein Kompromiss und nie ein Urgestein!)

Ich habe Zeitungsartikel, in denen über die Veranstaltung berichtet wird. Herr Fasold. Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis, und machen Sie diese Art von Politik nicht mehr mit. Die Leute draußen wollen Antworten auf diese schwierigen Fragen der Schulstruktur und nicht Eiertänze oder Kämpfe innerhalb von regierenden Parteien. Das geht nicht, das schadet uns allen. Vor allen Dingen schadet es den Kindern und ihrer Zukunft.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Debatte ist beendet. Selbst wenn noch Wortmeldungen vorlägen, könnte ich diese nicht mehr zulassen, es sei denn, zuvor spräche noch ein Regierungsmitglied. Aber das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Ausschussüberweisung für beide Anträge. Der Ältestenrat empfiehlt, beide Anträge im Kultusausschuss federführend beraten zu lassen und mitberatend den Ausschuss für innere Verwaltung zu beteiligen. - Andere Wünsche sehe ich nicht. Dann ist das so beschlossen.

Meine Damen und Herren, wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 28: Erste Beratung: "Schüler Helfen Leben" - Ein sozialer Tag auch in Niedersachsen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/2295

Zur Einbringung hat Frau Kollegin Pothmer das Wort.

(Wernstedt [SPD]: Schülerinnen!)

Sie haben etwas gelernt.

(Wernstedt [SPD]: Mir sagen Sie so etwas nur einmal!)

Sehr schön, das ist ein erfreulicher Auftakt für mich.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat bereits 1999 eine Expertise unter dem Titel „Bürgerengagement und aktivie

render Staat“ herausgegeben. In dem Vorwort zu dieser Expertise heißt es:

„Auch viele Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen würden sich erfreulicherweise gern mehr im sozialen Bereich engagieren. Allerdings klafft noch eine recht große Lücke zwischen der grundsätzlichen Bereitschaft und der tatsächlichen Umsetzung. Hier ist die Landesregierung gefordert, die vorhandenen Potentiale herauszufiltern und zu aktivieren.“

Meine Damen und Herren, allem Anschein nach befindet sich die Landesregierung immer noch in diesem Filterungsprozess

(Groth [SPD]: Mit Erfolg!)

und ist noch nicht so recht zu dem Aktivieren selber gekommen ist. Wir haben uns deshalb herausgenommen, einen Vorschlag zu unterbreiten, um die Versäumnisse in einem Teil vielleicht zu beheben.

Meine Damen und Herren, der Soziale Tag ist Ausdruck einer wirklichen Erfolgsgeschichte in Sachen bürgerschaftliches Engagement. Bereits 1992 hat eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern angesichts der Auswirkungen des Jugoslawien-Krieges auf die Lebenssituation und die Zukunftschancen der dortigen Jugendlichen beschlossen, selber initiativ zu werden und etwas für diese Jugendlichen zu tun. Sie gründete den Verein „Schüler Helfen Leben“ und hat sich seitdem in sehr vielfältiger Weise auf dem Balkan engagiert. Die Jugendlichen haben Projekte durchgeführt, Netzwerke aufgebaut und eine kontinuierlich Informationsarbeit in Gang gesetzt. Dies alles haben sie ganz alleine getan.

Diese Initiative hat Schule gemacht. In SchleswigHolstein wurde 1998 ein Tag für die soziale Arbeit durchgesetzt. An diesem Tag haben interessierte Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit bekommen, statt in die Schule zu gehen, arbeiten zu gehen und dabei auch selber sehr viel zu lernen. Sie haben damit auch eine Menge Geld verdient, und sie haben dieses Geld für Jugendprojekte in Ex-Jugoslawien zur Verfügung gestellt. Umrahmt wurde diese Arbeit, dieses Projekt durch eine Vielzahl von Informationsveranstaltungen und durch kulturelle Beiträge, die ebenfalls ausschließlich von den Schülerinnen und Schülern gestaltet wurden. Durch die rege Teilnahme und das hohe

Engagement der beteiligten Jugendlichen konnte der Aufbau eines internationalen Jugendbegegnungshauses in Sarajewo von ihnen allein finanziert werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im Jahr 2000 fand bereits der zweite Soziale Tag statt, und zwar nicht mehr nur in SchleswigHolstein, sondern gleichzeitig auch in Hamburg. Da haben sich schon mehr als 100 000 Schülerinnen und Schüler beteiligt und haben gemeinsam 4,2 Millionen DM erwirtschaftet. – So viel zu der Größenordnung dessen, was da erreicht worden ist.

Diese Zahlen zeigen relativ beeindruckend, meine ich, wie hoch die Bereitschaft von Jugendlichen ist, sich solidarisch für andere einzusetzen. Es wäre schön, finde ich, wenn wir diese Bereitschaft, die es mit Sicherheit auch unter den Schülerinnen und Schülern hier in Niedersachsen geben wird, für einen Sozialen Tag hier nutzen könnten. Dafür wird es aber notwendig sein, diesen Gedanken stärker zu verbreiten. Wir brauchen eine Informationskampagne. Wir brauchen Werbung durch Multiplikatoren. Wir brauchen Sponsoren. Wir brauchen aber auch schul- und versicherungsrechtliche Regelungen. Wir brauchen eben eine aktivierende Landesregierung.

Wer den Gedanken des bürgerschaftlichen Engagements verfolgt und in der Gesellschaft tatsächlich verankern will, wer über den aktivierenden Staat nicht immer nur reden will, der kommt natürlich nicht umhin, entsprechende Angebote zu machen. Ich meine, dass das Angebot, auch hier in Niedersachsen einen solchen Sozialen Tag durchzuführen, ein gelungener Ansatz wäre, um gerade auch Jugendliche für diesen Gedanken zu gewinnen. Darüber hinaus betrachte ich selbst es als eine willkommene Bereicherung des Schulalltags. Über dessen Lebensferne wird ja allenthalben geklagt. Sie wissen, dass wir als Landtagsfraktion der Auffassung sind, dass es gut wäre, wenn wir nicht immer nur versuchten, mit relativ aufwendigen pädagogischen und didaktischen Prozessen die Lebenswirklichkeit in der Schule nachzubilden, sondern viel stärker vielleicht auch die Lebenswirklichkeit an die Jugendlichen selbst herankommen lassen sollten; die Jugendlichen sollten viel häufiger die Schule verlassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich meine, dass wir mit dem Sozialen Tag in Niedersachsen diesem doppelten Ziel, nämlich auf der

einen Seite tatsächlich auch einen anderen Erfahrungshorizont für Schülerinnen und Schüler zu eröffnen und auf der anderen Seite den Jugendlichen tatsächlich die Möglichkeit für soziales Engagement zu geben und sie dafür auch langfristig zu gewinnen, ein gutes Stück näher kämen. – Ich danke Ihnen.