Protokoll der Sitzung vom 15.03.2001

schnell wie möglich materiell entschädigt werden.“

Das Protokoll vermerkt hier: Beifall bei der SPD. Meine Damen und Herren, das ist fast auf den Tag genau drei Jahre her. Es ist nichts passiert.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Ich hoffe, dass sich Ihr Verständnis von materieller Entschädigung so schnell wie möglich etwas von dem unterscheidet, was damals Herr Ministerpräsident Schröder, der heutige Bundeskanzler, von diesem Platz aus verkündet hat. - Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Jetzt spricht Frau Körtner. Bitte schön, Frau Körtner!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche wie auch der Kollege Schröder zum Tagesordnungspunkt 32: Schutz und Hilfe für Opfer von Straftaten. - Wir begrüßen die von Herrn Justizminister Professor Pfeiffer auf den Weg gebrachte Initiative zum Schutz und zur Hilfe für Opfer von Straftaten auch und ganz besonders deshalb, weil sie in der Kontinuität unserer Politik liegt. Es gibt - das ist unbestritten - trotz verschiedener, in der Vergangenheit bewirkter Verbesserungen noch immer eine Schieflage zulasten der Opfer - eine Situation, die bei der Bevölkerung zunehmend Unverständnis und Vertrauensverluste in die Rechtsstaatlichkeit, aber auch natürliche Aggressionen hervorruft; denn jeder Bürger hat eine Urangst, dass auch er jeden Tag auf irgendeine Weise Opfer einer Straftat werden könnte.

Das Gewaltmonopol und die Garantieerklärung des Staates auf Unversehrtheit des Bürgers rufen zum Handeln auf. Wenn der Rechtsstaat diese Garantie der Unversehrtheit des einzelnen Bürgers im Einzelfall nicht einhalten kann, wenn der Bürger also Opfer wird, dann muss der Rechtsstaat den betroffenen Opfern individuell helfen, genauso wie der Staat ja auch die Verpflichtung hat und sie auch wahrnimmt, die Täter bei ihrer Resozialisierung, d. h. bei ihrer Wiedereingliederung, individuell zu unterstützen.

Ich nehme an, dass wir diese Initiative in großer politischer Gemeinsamkeit auf den Weg bringen werden. Anschließen sollte sich, wie die Kollegin Bockmann schon sagte, ein breiter gesellschaftlicher Konsens, getragen von den Bürgern und allen maßgeblichen Institutionen. Durch die Berichterstattungen aus der vergangenen Woche über den Herrn Justizminister sind beim Bürger allerdings sehr, sehr hohe Erwartungen geweckt worden, aus denen wiederum für uns alle hohe Verpflichtungen erwachsen. Denn diese Initiative darf eben nicht im modellhaften Stadium stecken bleiben. Ich möchte das hier auch als ganz dringenden Appell verstanden wissen. Denn die Bürger werden keinerlei Verständnis dafür aufbringen, wenn diese Initiative mit ihren jetzt schon klar definierten Zielen über einen längeren Zeitraum auf Modellregionen beschränkt bleibt, weil es nicht gelingt, die erforderlichen personellen und finanziellen Mittel zusammenzubekommen. Der Kollege Schröder ist darauf eingegangen, dass auch das Land Mittel zur Verfügung stellen wird. Da gibt es aus gegebener Veranlassung - wir wissen das alle - natürlich Anlass zur Sorge. Ich persönlich hoffe sehr, dass diese Sorge unberechtigt bleibt.

Wenn flächendeckende Umsetzungsschwierigkeiten auftreten, wenn also diese Umsetzung nicht gelingt, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird es zwangsläufig zu noch größeren Vertrauensverlusten, zu noch größeren Enttäuschungen in der Bevölkerung kommen. Deshalb haben wir hier alle eine sehr hohe Verpflichtung.

Wir werden daher in den Ausschussberatungen zielführend und zügig zu regeln haben, dass für die geplanten Maßnahmen im Rahmen dieser Initiative - wie Kooperationen von Institutionen und Behörden von der Gerichtshilfe aufzubauende Netzwerke von Polizei, Sozialbehörden, Jugendämtern und freien Trägern, Fortbildungsmaßnahmen zur professionellen Betreuung von Opfern und Sozialmanagement - personelle und finanzielle Ressourcen erforderlich sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle werden sehr sorgfältig darauf zu achten haben, dass das, was wir in diesem Parlament beschließen, in der Umsetzung - also strukturell, finanziell und personell - nicht auf den unteren Ebenen,

(Zustimmung bei der CDU)

den kommunalen Gebietskörperschaften, hängen bleibt. Ich erzähle damit niemandem etwas Neues, dass es auch für diese Sorge durchaus Anlass gibt.

Meine Damen und Herren, Herr Minister, in den Ausschussberatungen sollte auch der Aspekt noch einmal beleuchtet werden, dass die Begriffe „Opfer“ und „Täter“ emotional mehrdeutig besetzt sind. Der Opferbegriff ist mit Schwäche, mit Unterlegenheit, mit Ausgeliefertsein und häufig auch Ohnmacht besetzt und verbunden. Ich meine, dass es auch insoweit einen Klärungsbedarf gibt.

Auch den verschiedenen Opfergruppen und ihrer Einbeziehung in diese Initiative werden wir uns in den Beratungen zu widmen haben; denn in der Vergangenheit hat man den Schaden für sexuell ausgebeutete und misshandelte Kinder, geschlagene und vergewaltigte Frauen durch besondere Hilfsangebote zumindest partiell zu verringern gesucht, wenn das auch bei weitem nicht ausreichend war. Opferschutzregelungen wurden gesetzlich festgeschrieben. Es gibt aber darüber hinaus auch Opfergruppen, die wir bei dieser Initiative nicht vergessen dürfen. In der Kürze der Zeit weise ich nur darauf hin, dass Opfer schwerer und schwerster Gewalt sehr häufig auch Jungen und Männer sind. Und es gibt noch weitere Opfergruppen, deren extreme Belastungssituation die Umgebung in der Regel viel zu wenig zur Kenntnis nimmt. Da müssen wir uns sehr genau überlegen, wen wir ausgrenzen.

(Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum Schluss, obwohl es noch vieles zu sagen gäbe.

Wir werden im federführenden Rechtsausschuss in sehr sensibler und sachbezogener Weise über die Aufnahme des besonderen Schutzes und der besonderen Hilfe für Opfer von Straftätern als Staatsziel zu reden haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Einheit der Verfassung ist ein hohes Gut. Dieses hohe Gut darf nicht unterlaufen oder gefährdet werden. Deshalb sollte jeglicher Anschein von Begriffen wie „eventuell Alibifunktion“ unbedingt vermieden werden.

(Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin! - Mit ausschließlich sachbezogenen und auch parteiunabhängigen Beratungen im federführenden Ausschuss werden wir gerade diese sensible Situation

ganz besonders gut beraten können. Ich wünsche uns allen im Interesse aller Bürger gute konstruktive Beratungen und möglichst parteiübergreifende Ergebnisse. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Zustim- mung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Darum schließe ich die Beratung zu diesen beiden Tagesordnungspunkten.

Wir kommen zunächst zur Ausschussüberweisung zu Punkt 21. Es wird vorgeschlagen, den Ausschuss für Gleichberechtigung und Frauenfragen mit der Federführung zu beauftragen und den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen, den Ausschuss für innere Verwaltung, den Kultusausschuss, den Ausschuss für Jugend und Sport, den Ausschuss für Sozial- und Gesundheitswesen sowie den Ausschuss für Haushalt und Finanzen mitberaten zu lassen. Wenn Sie dem Ihre Zustimmung geben wollen, bitte ich um Ihr Handzeichen. - Stimmt jemand dagegen? - Das ist nicht der Fall. Stimmenthaltungen gibt es ebenfalls nicht.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung des Antrages unter Tagesordnungspunkt 32. Der Ältestenrat empfiehlt, den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen mit der Federführung zu beauftragen sowie den Ausschuss für Gleichberechtigung und Frauenfragen, den Ausschuss für innere Verwaltung, den Ausschuss für Sozial- und Gesundheitswesen, den Ausschuss für Jugend und Sport, den Kultusausschuss und den Ausschuss für Haushalt und Finanzen mitberaten zu lassen. Wenn Sie dem ebenfalls folgen wollen, bitte ich um Ihr Handzeichen. - Stimmt jemand dagegen? - Das ist nicht der Fall. - Stimmenthaltungen? - Die gibt es auch nicht. Sie haben so beschlossen, meine Damen und Herren.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 22: Erste Beratung: Keine finanzielle Selbstbeteiligung niedersächsischer Polizeibeamter bei der Neuanschaffung sicherer Schutzwesten - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/2288

Zur Einbringung hat sich in der Kollege Biallas gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Antrag der CDU-Fraktion nimmt ein sehr ernstes Thema auf. Es geht ausdrücklich nicht um Textil- und Garderobenfragen, sondern es geht bei der Frage der Schutzausrüstung für die Betroffenen in Wirklichkeit um Sein oder Nichtsein und nach den Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit für manche sogar um Leben oder Tod.

Gerade nach den tragischen Vorfällen der jüngsten Zeit gibt es überhaupt keinen Zweifel, dass insbesondere das ständige Tragen von Schutzwesten für die Beamtinnen und Beamten während der Dienstzeit unabdingbar notwendig und wichtig ist. Für uns alle muss es ein Alarmsignal sein, wenn selbst bei Routinetätigkeiten der Beamtinnen und Beamten wie z. B. bei Verkehrs- und Personenkontrollen die Gewaltbereitschaft Einzelner in Besorgnis erregender Weise zugenommen hat. Wir hatten jüngst einige sehr tragische Todesfälle von Beamtinnen und Beamten während des Dienstes zu beklagen.

Die logische Schlussfolgerung lautet: Die Schutzweste gehört im polizeilichen Einzeldienst, also im Streifendienst, unabdingbar zur Grundausstattung eines jeden Beamten und einer jeden Beamtin.

Wie alles andere auch sind in der Vergangenheit die Schutzwesten stets weiterentwickelt worden. Sie sind erfreulicherweise leichter geworden, und dadurch hat sich der Tragekomfort immer weiter verbessert. Der Tragekomfort muss aber so gut sein, dass die Schutzweste ohne Einschränkung der Bewegungsfreiheit getragen werden kann. In der Vergangenheit waren die Schutzwesten häufig zu schwer, nicht komfortabel, engten die Bewegungsfreiheit ein und wurden deshalb häufig nicht angelegt. Deshalb kam es dazu, dass in brenzligen Situationen der nötige Schutz gefehlt hat.

Die Schutzwesten der neuesten Generation kosten - ich habe mich gestern noch einmal erkundigt, weil sich schließlich das Preisgefüge verändert hat - inzwischen pro Stück 800 bis 1 000 DM. Bisher haben jedenfalls in Niedersachsen die Beamtinnen und Beamten vom Dienstherrn 400 DM zur Verfügung gestellt bekommen. Das heißt, nach dem derzeitigen Stand mussten sie etwa 600 DM aus eigener Tasche dazu zahlen. Wir sind der Meinung, dass dies so nicht geht,

(Beifall bei der CDU)

weil die Grundausstattung in voller Höhe vom Dienstherrn zu übernehmen ist.

Im Übrigen gehört die Schutzweste für uns auch zur Erstausstattung der Beamtinnen und Beamten,

(Beifall bei der CDU)

wenn sie in den Polizeidienst eintreten. Wir wollen das gern begründen: Die Schutzweste gehört unbestreitbar zur Erfüllung des dienstlichen Auftrags dazu. Nicht zuletzt die Fürsorgepflicht gebietet es, dass das Land seine Beamtinnen und Beamten schützt. Es ist ein Armutszeugnis, dass die Landesregierung den Zustand, dass sie von den Beamtinnen und Beamten verlangt, sich immerhin mit 600 DM selbst zu beteiligen, über Jahre immer so hingenommen hat und nichts dagegen unternommen hat, sondern vielmehr sagt: Das ist selbstverständlich. Das muss jeder bezahlen.

(Zustimmung bei der CDU - Krumfuß [CDU]: Das ist unglaublich!)

Dies halten wir nicht für vertretbar. Deshalb haben wir diesen Antrag gestellt; nicht zuletzt auch deshalb, weil z. B. die Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern - andere auch - die Schutzwesten für alle ihre Beamtinnen und Beamten selbstverständlich beschafft haben und auch weiterhin beschaffen.

Ich füge hinzu: Es geht auch nicht an, dass wie auch in der Vergangenheit schon die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten anders und schlechter behandelt werden als alle anderen Berufsgruppen des Landes Niedersachsen.

Ich möchte einige Beispiele nennen, damit deutlich wird, dass es nicht nur um die Schutzwesten geht.

Sie erwarten, Herr Minister, dass die Beamtinnen und Beamten selbstverständlich, weil es an der nötigen Ausstattung mit PCs in den Dienststellen

zum Teil fehlt, ihren privaten PC mit auf die Dienststelle nehmen. In welcher Firma, in welcher anderen Verwaltung gibt es das, dass die Mitarbeiter morgens mit ihrem PC am Arbeitsplatz erscheinen und ihn, wenn sie ihn zu Hause brauchen, abends wieder mitnehmen? Das ist ein Zustand, der so nicht bleiben kann, Herr Minister.

(Beifall bei der CDU - Krumfuß [CDU]: Unhaltbar! - Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Bleiben Sie beim Thema!)

Herr Minister, ich füge hinzu: Sie haben über Jahre versäumt, die Beamtinnen und Beamten der Bereitschaftspolizei mit der notwendigen Schutzausrüstung für schwierige Einsätze auszustatten. Die meisten haben das vielleicht schon vergessen. Im Vorfeld der Chaos-Tage mussten die Polizeibeamten in Sportgeschäfte gehen und sich dort auf eigene Kosten Schienbeinbeschützer beschaffen. Auch das, Herr Minister, geht nicht. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen, wenn sich das nicht schleunigst ändern.

(Beifall bei der CDU)

Wenn es noch eines Beweises dafür bedürfte, dass die niedersächsische Bereitschaftspolizei schlechter ausgestattet ist als die Bereitschaftspolizeien aller anderen Länder, können Sie, Herr Minister, dies gemeinsam mit mir spätestens Ende März feststellen, wenn Sie die BePo-Einheiten z. B. der neuen Bundesländer und von Berlin, was deren Schutzausrüstung angeht, mit den Einheiten vergleichen, denen Sie vorstehen. Das wird dann peinlich, weil unsere Einheiten nämlich schlechter ausgestattet sind als alle anderen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, über Jahre hinweg hat die Landesregierung die Polizeibediensteten mit immer neuen Lasten belegt. Es ist diese Landesregierung gewesen, die die Selbstbeteiligung der Beamtinnen und Beamten an der freien Heilfürsorge eingeführt hat. Das heißt, wir haben in Niedersachsen den Zustand, dass ein Polizist, der sich in Ausübung seines Dienstes verletzt, bestimmte Anteile an der Rechnung für seine Gesundung, an der Arztrechnung, selber bezahlen muss.