Satz 2 des Grundgesetzes und in der vielfältigen Rechtsprechung, die es zu dieser Materie gibt. Auch der Wille des Gesetzgebers auf Bundes- und Landesebene zeigt dies. Insofern, Frau Mundlos, sollten wir an dieser Stelle keine Schulformdebatte beginnen, sondern sollten uns wirklich über den Förderbedarf streiten, worüber man sich an mancher Stelle wirklich streiten kann. Alles andere, d. h. wenn wir jetzt wieder eine Schulformdebatte beginnen würden, wäre wirklich nicht taufrisch.
Sie haben zwar unsere Antwort insgesamt, aber offenbar nicht den Vergleich in der Unterrichtsversorgung mit dem Durchschnitt der anderen Bundesländer zur Kenntnis genommen und haben sich demzufolge auch nicht dazu geäußert. Im Gegenteil haben Sie in diesem Zusammenhang die Formulierung gebraucht, dass wir bei der Unterrichtsversorgung eine unmenschliche Politik mit den Sonderschulen betrieben. Das möchte ich namens der Landesregierung hier ausdrücklich zurückweisen.
Auf Seite 6 der schriftlichen Antwort können Sie nachlesen, dass die Schüler-Lehrer-Relation in Niedersachsen durchaus im Durchschnitt aller anderen Bundesländer liegt, dass von einer unmenschlichen Politik hier also kaum die Rede sein kann. In der Schüler-Lehrer-Relation liegen wir sogar um 0,1 Punkte besser. Bei den Stunden pro Schüler beträgt der Vergleich 2,7 zu 2,6 im Bundesdurchschnitt. Na gut, hier liegen wir um 0,1 Punkte schlechter. Bei der Klassenfrequenz liegen wir mit 10,4 wieder wesentlich besser als der Bundesdurchschnitt mit 12.
Sie sehen hieran, dass das Ganze natürlich schwankt. Wenn Sie in die Tabellen schauen, die Sie selbst abgefragt haben, dann werden Sie feststellen, dass das in den 80er-Jahren bei Ihnen genauso war. Dass das Ganze bei abnehmenden und steigenden Schülerzahlen schwankt, dass sich die Schüler-Lehrer-Relation auch in den anderen Bundesländern verändert, das ist ganz natürlich, wie Sie über die Jahrzehnte hinweg selbst beobachten können. Hier von einer unmenschlichen Politik oder von einer unmenschlichen Unterrichtsversorgung zu reden ist völlig unangemessen. Wir geben den Sonderschulen eine sehr gute Unterrichtsversorgung. Wenn Sie selbst von 93 % reden, dann wissen Sie, dass die Sonderschulen damit die Stundentafel ohne Frage erfüllen können.
Eigentlich müssten Sie an dieser Stelle konzedieren, dass wir hier nicht die institutionsbezogene Sichtweise pflegen, sondern dass wir den spezifischen Förderbedarf der Kinder vor Augen haben. Vorhin habe ich übrigens nicht etwa deshalb gelacht, weil ich mich über das, was Sie gesagt haben, lustig machen wollte. Vielmehr ging es darum, dass Sie etwas gefordert haben, was wir gerade im regionalen Integrationskonzept schon machen, indem wir die Betroffenen an einen Tisch holen - wenn Sie an diesem Tisch mit sitzen wollen, dann ist das im Rahmen der Kommunalpolitik sicherlich möglich - und dieses regionale Konzept gemeinsam besprechen. Das ist doch gerade die Idee, weil Eltern über die Frage, wie viel Förderbedarf ihr behindertes Kind jeweils hat, natürlich sehr kontrovers diskutieren. Das soll durch die Rahmenplanung, über die wir in einer Dialogphase ja auch heftig und ausführlich diskutiert haben, und durch das Konzept „Lernen unter einem Dach“ gesichert werden, dass gerade die Betroffenen beteiligt sind. Neu ist dabei, dass wir bei den regionalen Integrationskonzepten nicht nur Vollkonzepte, sondern auch Teilkonzepte akzeptieren, weil wir gerade in Städten wie Braunschweig, wie Sie aus der Diskussion wissen, eine Vollbeplanung nicht immer hinbekommen.
Sie haben dann die Formulierung gebraucht, dass Schulen ihrer zusätzlichen Stunden verlustig gingen, wenn sie sich nicht beteiligten. Dazu ist zu sagen, dass die Schulen die Stunden vorher ja gar nicht haben. Wir betreiben die sonderpädagogische Grundversorgung ja nur dort, wo sich Schulen an diesem Modell beteiligen. Sie haben das hier also nicht richtig dargestellt.
Was mich des Weiteren stört, ist, dass Sie auch mit den Fragen, die Sie gestellt haben, suggerieren, diese sonderpädagogische Grundversorgung sei das einzige Element des regionalen Konzepts.
- Ein wesentliches Element ist es in der Tat, ein präventives Element. In dem regionalen Konzept gibt es aber auch noch andere Elemente, nämlich die mobilen Dienste, die Integrationsklassen, die Kooperationsklassen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass Sie behaupten wollen, wir würden das Ganze jetzt nur noch mit zwei Stunden pro
Klasse als sozialpädagogische Grundversorgung betreiben. Wir diskutieren in diesen Konzepten aber durchaus auch über mobile Dienste und über Integrationskonzepte. Es geht ja gerade darum, dass Sonderschullehrerstunden in der Grundschule sind, damit der Kompetenztransfer in der Verzahnung zwischen Grundschullehrer und Sonderschullehrer zustande kommt. Es ist also nicht fair, wenn das Konzept hier so einseitig, wie Sie das getan haben, dargestellt wird.
Selbstverständlich ist die Sonderschule auch in diesem Konzept von besonderer Bedeutung, und sie wird ihre Bedeutung auch behalten. Sie hat eine herausragende Bedeutung auch in ihrer Ausformung der zehn Typen. Sie wird zum sonderpädagogischen Förderzentrum. Alle Organisationsformen sind wichtig und müssen sich von hier aus vernetzen. Ich glaube, wir haben inzwischen eine Menge Akzeptanz erreicht, gerade was die Kooperationsklassen angeht.
Frau Ministerin, darf ich Sie kurz unterbrechen? Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Mundlos?
Frau Ministerin, wollen Sie wirklich ernsthaft bestreiten, dass es in Braunschweig, wo das regionale Integrationskonzept installiert wurde, Grundschulen gibt, die gesagt haben: Wir können das, nachdem wir zur Verlässlichen Grundschule geworden sind, nicht auch noch leisten? Der Grund dafür ist, dass sie ihren sonderpädagogischen Grundbedarf von heute auf morgen verloren haben, bis hin zu 20 Unterrichtsstunden.
Was heißt bitte sonderpädagogischer Grundbedarf? Die sonderpädagogische Grundversorgung bekommt man in der Tat nur, wenn man an dem Konzept teilnimmt. Es geht doch gar nicht um
- Mobile Dienste vielleicht. Das kann ich jetzt nicht sagen, das müsste man sich im Einzelnen angucken. Es geht aber nicht um die sonderpädagogische Grundversorgung.
Frau Ministerin, werden Sie etwas unternehmen, wenn sich mehr Sonderschulen mit sonderpädagogischer Grundversorgung weigern, nach dem regionalen Konzept zu arbeiten, wenn alle sonstigen Beteiligten, alle Grundschulen und insbesondere die Eltern, sonderpädagogische Grundversorgung haben wollen?
Sehen Sie, das ist eigentlich unser Hauptproblem in der Entwicklung dieser regionalen Integrationskonzepte. Wir werden das gemeinsam, Fraktion und Landesregierung, noch einmal miteinander zu diskutieren haben. Ich finde, das ist auch eine Frage, die im Kultusausschuss zu diskutieren ist: Wollen wir sozusagen einen stärkeren Zwang ausüben? - Bisher habe ich mich auf die Position gestellt: Nein, wir wollen überzeugen. Ich meine, eine Zeit lang ist das auch besser, weil es sonst an dieser Stelle einfach zu kontrovers wird und weil die Kollegien mitziehen sollen. Aber die Situation mancher Schule, die das gerne möchte und durch die Entscheidung anderer Schulen gehindert wird, ist im Lande natürlich schon da. Insofern muss sich Politik da positionieren. Ich bleibe erst einmal bei der Meinung, das sich im Konsens entwickeln zu lassen und nicht kontrovers gegen die Kollegien entwickeln zu lassen. Am Ende muss man aber
auch eine solche Frage aufgreifen, wenn die Dynamik nicht so weiter geht. Im Augenblick ist die Dynamik da. Die regionalen Konzept entwickeln sich. Wir haben diesmal wesentlich mehr genehmigt als in den ersten Runden. Von daher habe ich kein Problem, dass in dieser Entwicklung so zu belassen.
Lassen mich am Schluss noch ein Wort zu Ihnen sagen, Frau Litfin, weil Sie eben schon die Verlässliche Grundschule erwähnt haben. Es ging bei dem Konzept der Verlässlichen Grundschule auch um die Verbesserung der Unterrichtsversorgung in der Grundschule. Das ist Ihnen offensichtlich entfallen. Wir haben - das haben Sie selber, glaube ich, hier vor kurzem einmal dargestellt - in allen Bundesländern eine viel zu starke Förderung der Sekundarstufe II - das ist übrigens durch OECDStudie festgestellt worden - und tun zu wenig für die Grundschüler. Deshalb war es mein bildungspolitischer Wunsch, hier massiv Geld in die Grundschule zu geben, um die hundertprozentige Unterrichtsversorgung sicherzustellen. Und jetzt werfen Sie uns die vor. Natürlich muss man an den anderen Stellen auch etwas tun.
Aber man kann dies nur in prioritären Schritten schaffen. Das wissen Sie, wenn Sie sich die Gesamtlage des Haushalts ansehen. Von daher ist das Argument, jetzt sind wir Verlässliche Grundschule, jetzt können wir nicht weiter, falsch; denn die sind jetzt richtig ausgestattet, dass sie sich auch mit anderen Konzepten beteiligen können. Dort ist nämlich gesichert, dass keine Stunde Unterricht ausfällt, Frau Mundlos. Deshalb lasse ich dieses Argument nicht gelten.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mich sehr gefreut, als ich gesehen habe, dass die CDU-Fraktion diese Große Anfrage gestellt hat. Allerdings ist das doch ein etwas merkwürdiges Verfahren. Da stellt die CDU-Fraktion nach gutem parlamentarischen Recht eine Große Anfrage zum Thema „Förderung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbe
darf“. Mehr als zwei Wochen bevor die Antwort der Landesregierung auf die 52 Fragen überhaupt vorlag, gehen der schulpolitische und der bildungspolitischer Sprecher an die Presse und polemisieren gegen das Konzept „Lernen unter einem Dach“,
reden von „Billigangebot von der Stange“ oder von den „vergessenen Kindern“. Dies ist meiner Ansicht nach schon mehr als geschmacklos.
Doch was soll man von einer Fraktion auch erwarten, die schon im Vorspann der Anfrage mit Unwahrheiten arbeitet?
Erstens. Im Text der Anfrage heißt es, Sonderschullehrerstellen im ländlichen Raum könnten mit den geforderten Fachkräften nicht mehr besetzt werden.
Wahr ist: Vereinzelt gibt es solche Fälle. Aber wahr ist auch, dass der Verband Deutscher Sonderschulen festgestellt hat, dass sich Niedersachsen mit dem Anteil der sonderpädagogisch ausgebildeten Lehrkräfte im Ländervergleich in der Spitzengruppe befindet. Das heißt, bei uns unterrichten besonders viele besonders gut ausgebildete und qualifizierte Sonderpädagogen und -pädagoginnen.
Zweite Behauptung der CDU-Fraktion: Das Konzept „Lernen unter einem Dach“ hätte das Verschwinden der Sonderschule im Primarbereich und die Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Grundschulen zum Ziel. Wahr ist: Es geht hier nicht um das Verschwinden der Sonderschulen, sondern um das Umwandeln der Sonderschulen in Förderzentren. Bei der sonderpädagogischen Grundversorgung geht es nur um die Integration von drei Arten von Kindern mit Förderbedarf, nämlich um diejenigen, die Probleme im Lernen, in Sprache und Verhalten haben. Das sind aber nur drei von insgesamt zehn unterschiedlichen Typen von Sonderschulen, die wir in Niedersachsen haben.
Dritte Behauptung der CDU-Fraktion: Die Fachkompetenz der Förderzentren sowie der Elternwille würden in keiner Weise berücksichtigt. Wahr ist, dass in der Rahmenplanung „Lernen unter einem Dach“ ausdrücklich steht:
„Regionale Integrationskonzepte werden von den Beteiligten vor Ort, Eltern, Lehrkräfte, Schulträger, initiiert und schrittweise entwickelt.“
Dies waren nur drei Beispiele. Ich will hier nicht alle weiteren Unwahrheiten, Unterstellungen und Ungenauigkeiten aufführen. Dies bringt uns nämlich in der Diskussion überhaupt nicht weiter. Deswegen: Schwamm drüber! Ich finde nämlich, wir sollten uns bei einer so komplizierten und schwierigen pädagogischen Aufgabe wie der Integration von unseren üblichen Zankereien hier im Landtag doch einmal lösen. Genauso wie vor Ort die Menschen - der unterschiedlichsten Parteizugehörigkeit übrigens - losgelöst von ihrer Parteizugehörigkeit an diesem Thema arbeiten, sollten auch wir hier im Parlament fraktionsübergreifend die vielfältigen Bemühungen vor Ort unterstützen.
Anstatt also zu polemisieren und uns die Fehler vorzuhalten, die überall gemacht werden, wo gearbeitet wird, und die dann einfach zu verallgemeinern und so zu tun, als seien sie regierungsgewollt oder konzeptbedingt, sollten wir uns natürlich diese Fehler angucken und mithelfen, Sie zu beheben, aber wir sollten damit die schwierige Arbeit vor Ort unterstützen, anstatt sie zu blockieren. Denn eines ist doch klar: Seit der Aufnahme der Forderung in das Niedersächsische Schulgesetz im Jahre 1993, dass Schülerinnen und Schüler, die einer sonderpädagogischen Förderung bedürfen, gemeinsam mit anderen Schülerinnen und Schüler erzogen und unterrichtet werden sollen, und auch seit der Aufnahme des Diskriminierungsverbotes in unser Grundgesetz gibt es einen gesetzlichen Anspruch auf gemeinsames Lernen.
Dabei ist „Lernen unter einem Dach“ der anspruchsvollste Auftrag überhaupt an unsere niedersächsische Schule. Dieser Auftrag ist wirklich eine