Protokoll der Sitzung vom 17.05.2001

Niedersachsen profitiert arbeitsmarktpolitsch von den beiden großstädtischen Wirtschaftszentren, und Hamburg und Bremen brauchen das Umland für ihre Entwicklung. Die norddeutschen Länder wollen kooperieren und ihre Interessen ausgleichen. Denn nur miteinander werden wir der Konkurrenz gewachsen sein.

Aus guten Gründen haben sich die drei Länder grundsätzlich auf eine gemeinsame Strategie in ihrer Hafenpolitik geeinigt, ohne dass jedes Land nun seine bisher verfolgte Hafenentwicklungsplanung sofort abbrechen müsste.

Ich halte auch die Forderung, es dürfe nur noch einen leistungsfähigen Tiefwasserhafen an der

deutschen Nordseeküste geben, für zu kurz gegriffen, zumal wenn man bedenkt, dass die getroffene Entscheidung für Wilhelmshaven eine Zukunftsaktion ist. Ihre Realisierung wird sich erst bis zum Ende des Jahrzehnts gezeigt haben.

(Ontijd [CDU]: Herr Plaue meint das anders! Der sieht den Hafen morgen schon!)

Niedersachsen akzeptiert, dass Bremen und Hamburg ein Interesse an der Vertiefung von Weser und Elbe haben. Aber Niedersachsen hat auch deutlich gemacht, dass die Vertiefung – sei sie an der Elbe oder an der Weser – kein Selbstläufer ist. Es gibt klare Kriterien, die erfüllt sein müssen, wie z. B. die Deichsicherheit für Niedersachsen und übrigens auch für Schleswig-Holstein. Gerade in dieser Frage sitzt auch Hamburg mit im Boot. Denn Sturmfluten, die sich auf der Unterelbe entwickeln könnten,

(Vizepräsidentin Litfin übernimmt den Vorsitz)

treffen nach allen Erfahrungen Hamburg immer härter als die unterhalb gelegenen Gebiete Niedersachsens.

Die Fachleute werden also diesen Fragen besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen müssen: Welche Folgen hätte eine weitere Glättung der Flusssohle? Laufen die Sturmfluten dann schneller und höher den Fluss hinauf? Oder: Welche Folgen hat die erhöhte Strömungsgeschwindigkeit für Deichfüße und Deckwerk? - Die Erhaltung der Deichsicherheit, meine Damen und Herren, wird bei allen Prüfungen eine ausschlaggebende Rolle spielen.

Der Küstenschutz ist im Übrigen einer der wenigen Gründe, über die bei einem Wasserstraßenausbau Einvernehmen mit dem Land hergestellt werden muss. Die Grünen übersehen das in ihrem Antrag geflissentlich. Das Land Niedersachsen kann einem Wasserstraßenausbau seitens Hamburg und Bremen nicht von vornherein sein Einvernehmen versagen, sondern nur dann - so ist die Rechtslage -, wenn es Gründe dafür gibt, die sich auf die Belange der Wasserwirtschaft und der Landeskultur beziehen.

Die Länderchefs haben vereinbart, die Deichsicherheit und die ökologische Vertretbarkeit eingehend prüfen zu lassen. Aus den zurückliegenden Elbvertiefungen liegen bereits umfangreiche Er

kenntnisse vor, und die müssen mit einbezogen werden. Selbst die ökonomischen Begründungen für die von den Hafenstädten für notwendig gehaltenen Stromausbauten sind bisher noch nicht durch Fakten so belegt, dass sie konkrete Planungen zuließen.

Für die Aufnahme in die Verkehrswegeplanung des Bundes sind intensive Voruntersuchungen notwendig. So muss sich unter ökonomischen Aspekten wenigstens ein Nutzen-KostenVerhältnis von 5:1 ergeben, wenn die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes den Wasserstraßenausbau weiter verfolgen soll.

Die Bundeswasserstraßenverwaltung lässt bei neuen Vorhaben inzwischen eine Umweltrisikoabschätzung durchführen. Wenn diese eine Unbedenklichkeit der Maßnahme erkennen lässt, folgen die bekannten Schritte eines ordnungsgemäßen Planungsverfahrens nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeit und nach dem Bundeswasserstraßengesetz.

Lassen Sie uns, meine Damen und Herren, die Ergebnisse der einschlägigen Untersuchungen vonseiten der Bundeswasserstraßenverwaltung und der Städte Hamburg und Bremen in Ruhe abwarten. In der Zwischenzeit wird die Landesregierung in einer Arbeitsgruppe zwischen Staatskanzlei, Wirtschaftsministerium und Umweltministerium diese Arbeit begleiten, um sämtliche Belange aus Sicht des Landes, die rechtlich relevant sind, gegebenenfalls in dieses Verfahren einfließen zu lassen. Wir werden den Landtag in angemessener Weise über die jeweiligen Entwicklungen informieren. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Der Kollege Klein hat noch einmal ums Wort gebeten. Ich erteile es ihm.

(Beckmann [SPD]: Sehr sachlich und informativ!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gerade an diese Sachlichkeit, an diese getragenen Formulierungen, an die Vermittlung des Gefühls, es sei doch alles in Ordnung und es werde intensiv geprüft, kann ich mich noch sehr gut erinnern. Denn genau so ist immer wieder versucht worden,

uns da oben an der Elbe einzufangen. Trotzdem hatten wir am Ende immer genau das Ergebnis, das politisch gewollt war.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das, was politisch gewollt ist, hat der Ministerpräsidenten doch nun mehrfach betont. Er hat gesagt, abgemacht ist abgemacht, und es wird keinen politischen Widerstand gegen die Elbvertiefung geben. - Insofern wissen wir natürlich auch, was bei so einem Planfeststellungsverfahren am Ende herauskommt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Plaue, natürlich geht es bei dieser Angelegenheit auch um Ökologie, um Deichsicherheit und um Ähnliches. Ich glaube, ich habe in meinem Beitrag auch deutlich gemacht, dass uns gerade die Ökonomie sehr wichtig ist. Sie können es aber doch nicht als ökonomisch oder als eine Stärkung des norddeutschen Raums verkaufen, wenn Sie für ein und dasselbe Angebot, nämlich das Angebot, tiefergehende Schiffe abzufertigen, dreimal bezahlen: einmal für die Weservertiefung, einmal für den Tiefwasserhafen und einmal für die Elbvertiefung. Das kann es doch nun wirklich nicht gewesen sein.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Plaue [SPD])

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung und darf Sie noch darauf hinweisen, dass, nachdem Sie über die Ausschussüberweisung beschlossen haben, der Kollege Robbert eine persönliche Bemerkung abgeben möchte.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung für beide Punkte. Federführend soll der Ausschuss für Umweltfragen arbeiten. Mitberaten sollen der Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr, der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der Ausschuss für Freizeit, Tourismus und Heilbäderwesen und der Ausschuss für Häfen und Schifffahrt. Wenn Sie so beschließen möchten, dann bitte ich um Ihr Handzeichen. - Vielen Dank, Sie haben das getan.

Ich erteile nun dem Kollegen Robbert das Wort zu einer persönlichen Bemerkung.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kollege McAllister hat mich hier in eine Beschlussfassung des Kreistages einbezogen. Das ist aber völlig falsch. Ich war bei der Sitzung gar nicht anwesend.

(Lachen bei der CDU)

Wenn ich anwesend gewesen wäre, hätte ich aus den Gründen, die Herr Plaue hier vorgetragen hat, nicht zugestimmt. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Kollege Robbert. Das entsprach exakt den Vorschriften unserer Geschäftsordnung.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 27: Erste Beratung: Vorlage eines Gesetzes für den Öffentlichen Gesundheitsdienst - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/2436

Der Antrag wird eingebracht durch die Kollegin Frau Pothmer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Niedersachsen ist neben Hessen das einzige Bundesland, dessen Gesundheitsämter immer noch auf einer gesetzlichen Grundlage von 1934 arbeiten. Auch wenn sich die Durchführungsverordnungen in der Zwischenzeit hin und wieder geändert haben, so kann doch kein Zweifel daran bestehen, dass sich die Aufgaben, die die Gesundheitsämter, die der öffentlichen Gesundheitsdienst inzwischen hat, grundlegend von dem unterscheiden, was man 1934 für richtig gehalten hat. Ich will Ihnen in Erinnerung rufen: Damals war z. B. die Krüppelfürsorge eines der zentralen Themen. Gesundheitliche Volksbelehrung war die Aufgabe. - Daran merken wir schon, dass sich die Aufgaben extrem geändert haben.

Ich glaube allerdings, dass die Tatsache, dass die Landesregierung die öffentlichen Gesundheitsämter und den öffentlichen Gesundheitsdienst nicht auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt hat

und auch keine inhaltliche Neubestimmung vorgenommen hat, auch dafür verantwortlich ist, dass die Gesundheitsämter leider immer noch das Image von obrigkeitsstaatlichen Kontrollinstanzen haben, als verstaubt gelten und von der Bevölkerung auch nicht als wirkliche Dienstleistungsunternehmen gesehen werden, die für sie tätig sind.

Die SPD-Landesregierung hatte in der letzten Legislaturperiode einen Gesetzentwurf dazu erarbeitet. Ich finde, dass in diesem Gesetzentwurf vieles fehlte. Aber dieser Gesetzentwurf ist leider nie diskutiert worden. Er ist in den tiefen Schubladen des Sozialministeriums verschwunden und zu den Akten gelegt worden. Insoweit trägt die Landesregierung natürlich auch eine Verantwortung für die Situation im öffentlichen Gesundheitsdienst und für das verstaubte Image der Gesundheitsämter.

Tatsache ist allerdings, dass der öffentliche Gesundheitsdienst vor einer immensen Aufgabe steht, vor einer immensen Anforderung an seine Innovationsfähigkeiten. Das Krankheitsspektrum hat sich in den letzten Jahren sehr stark verändert. Ich will nur an die Zunahme der chronischen Erkrankungen und an die demografische Entwicklung erinnern.

Und ich will Ihnen in Erinnerung rufen, dass es, obwohl wir ein breit gefächertes Spektrum von Angeboten im Gesundheitswesen haben, eine wachsende Gruppe in der Bevölkerung gibt, die unter Unterversorgung leidet. Die unterversorgten Gruppen finden sich in den sozialen Brennpunkten. Sie finden sich in Immigrantinnen- und anderen Bevölkerungsgruppen. Es gibt einen nicht zu leugnenden Zusammenhang zwischen Armut und Krankheit. Wir wissen inzwischen, dass Armut ein Krankheitsfaktor ist, und wir wissen zugleich, dass Krankheit auch arm macht. Denn wenn die Leute wegen Krankheit nicht in der Lage sind, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, dann kommt genau die soziale Spirale nach unten in Gang, die wir hier immer wieder diskutieren.

Wenn der öffentlichen Gesundheitsdienst sinnvoll und effektiv arbeiten soll, dann braucht er zunächst einmal eine Planungsgrundlage. Eine Kommune muss klären: Wo sind eigentlich die Gruppen, die durch ein breites Krankheitsspektrum betroffen sind? Wo gibt es durch Umweltbelastungen z. B. eine erhebliche Anfälligkeit gegenüber Krankheiten? Wir wissen seit langem, dass eine permanente Lärmbelästigung auch zu erhöhten Anfälligkeiten für Herz-Kreislauf-Krankheiten führt. Es muss also

zunächst einmal eine Analyse her. Wir brauchen dringend eine Gesundheitsberichterstattung, die als Planungsgrundlage dient. Es müssen Gesundheitsziele in der Kommune definiert werden, sodass man gemeinsam darüber entscheidet: Wo soll jetzt eingegriffen werden? Derzeitig ist es so, dass auf diesem Gebiet relativ willkürlich vorgegangen wird und dass die subjektiven Meinungen und Auffassungen im Grunde handlungsleitend sind. Das können wir uns schlicht und ergreifend nicht länger leisten. Denn die knappen Mittel, die für den öffentlichen Gesundheitsdienst zur Verfügung stehen, müssen viel zielgerichteter eingesetzt werden.

Meine Damen und Herren, es geht aber nicht nur darum, eine inhaltliche Neubestimmung der Aufgaben vorzunehmen. Es geht auch darum, die Arbeit in den Gesundheitsämtern, im öffentlichen Gesundheitsdienst neu zu organisieren. Ich bin überhaupt nicht der Auffassung, dass dort, wo Lücken in der Versorgung existieren, diese Lücken durch die Gesundheitsämter und deren Mitarbeiter in jedem Fall selber geschlossen werden müssen. Ich bin der Meinung, dass es notwendig und richtig wäre, den Gesundheitsämtern stärker, weitaus stärker als bisher die Möglichkeit zu eröffnen, Aufgaben an Dritte zu vergeben. Die wirkliche Aufgabe des öffentlichen Gesundheitsdienstes ist es, sich eine Regiekompetenz anzueignen und dafür Sorge zu tragen, dass das, was an Leistungen notwendig ist, auch erbracht wird. Das heißt nicht, dass diese Aufgaben im Gesundheitsamt selbst erbracht werden müssen.

Es kann natürlich nicht darum gehen, hier schlicht und ergreifend neue Aufgaben für den öffentlichen Gesundheitsdienst zu formulieren und dann die Kommunen damit allein zu lassen und ihnen zu sagen: Jetzt seht zu, wie ihr auch das bezahlen könnt. - Es gibt eine ganze Reihe von Tätigkeiten, die heute dort erbracht werden, die aber aus meiner Sicht Doppelarbeiten sind und die überflüssig sind. Hier geht es auch um eine sehr starke Entrümpelung. Es geht aber auch darum, neue Aufgaben, die bisher nicht wahrgenommen werden, endlich anzugehen. Das kann aber - davon bin ich fest überzeugt - durch eine Umschichtung innerhalb des Aufgabenspektrums erledigt werden. Die Hamburger haben ein entsprechendes Gesetz verabschiedet. Sie gehen entsprechend vor und sagen: Überall dort, wo neue Aufgaben entstanden sind und bewältigt werden müssen, soll es durch eine Umschichtung geschehen. Das ist also durchaus möglich.

Meine Damen und Herren, ich meine, dass es nur dann zu der Neuorientierung, die für das öffentlichen Gesundheitswesen erforderlich ist, kommen kann, wenn wir es auf eine neue gesetzliche Grundlage stellen. Zu meinen, dass mit immer neuen Durchführungsverordnungen tatsächlich eine Neuorientierung im öffentlichen Gesundheitsdienst möglich ist, hat sich in den letzten Jahren als Trugschluss erwiesen. Deswegen fordern wir die Landesregierung auf, in Niedersachsen als einem der letzten Bundesländer in diesem Bereich tätig zu werden und einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Kollege Dr. Winn hat sich gemeldet, um für die CDU-Fraktion zu dem Antrag Stellung zu nehmen. Ich erteile ihm das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Allein die Tatsache, dass ein Gesetz etwas älter als 60 Jahre ist, ist eigentlich kein Indiz dafür, dass es schleunigst geändert werden muss. Ich darf daran erinnern, dass der Code Napoléon civil oder Code civil weit mehr als 100 Jahre Gültigkeit hatte bzw. sogar bis in die heutige Zeit hineinreicht. Allein dieses Argument reicht also auf keinen Fall aus, es sei denn, man hat gravierende Fehlleistungen oder gravierende Verwerfungen in diesem System und in diesem Gesetz entdeckt.

(Schwarzenholz [fraktionslos]: Das ist ein Nazi-Gesetz!)