Die niedersächsische CDU hat jahrelang Vorschläge gemacht. Ich bitte Sie jetzt, sie umzusetzen. Machen Sie weitere Vorschläge. Wir werden sehr gerne daran mitarbeiten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Pawelski, war das nicht ein bisschen zu vollmundig? Angesichts der Bewertung der Familienpolitik, die Sie mit dem Urteil des Bundesverfassungs
gerichts kassiert haben, das wirklich vernichtend war, war das wohl ein wenig arg übertrieben. Das muss ich Ihnen auch als Oppositionskollegin sagen.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Frau Pawelski [CDU]: Sie kriegen den Katalog unserer familien- politischen Leistungen, die Sie in Berlin abgelehnt haben! In Bonn gab es nicht einen Vorschlag der SPD zur Erhöhung der Familienleistungen! - Unruhe - Glocke des Präsidenten)
- Frau Pawelski, nichts für ungut, aber die Taten von 16 Jahren lassen sich auch durch noch so intensive Reden nicht einfach korrigieren.
Meine Damen und Herren, die Familienpolitik hat eine wirklich neue Richtung und einen echten Drive erst durch die Frauenbewegung bekommen. Die Frauenbewegung und die Frauen haben deutlich gemacht: Sie wollen eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und sie akzeptieren einfach nicht länger, dass Kinderhaben heute immer noch bedeutet, auf eine berufliche Entwicklung und Karriere zu verzichten. Sie wollen finanziell unabhängig sein. Sie wollen ihre eigene berufliche Entwicklung machen. Wenn sie das nicht bekommen, dann verzichten sie auf das Kinderkriegen, dann treten sie schlicht und ergreifend in den Gebärstreik. Anders lässt sich diese Gesellschaft offensichtlich auch nicht in Bewegung setzen. Insoweit ist das ganz richtig.
Meine Damen und Herren, es geht letztlich doch darum, die Kindererziehung tatsächlich zu einer gesellschaftlichen Aufgabe zu machen. Wenn man das tut, dann muss man den Frauen, den Müttern und den Familien einen Rechtsanspruch auf ganztätige Kinderbetreuung mindestens ab dem zweiten Lebensjahr einräumen.
Ich finde es ganz schön am Antrag der SPD-Fraktion, dass er nicht so tut, als sei schon alle Arbeit erledigt, sondern in ihm ist durchaus - zumindest in der Begründung - nachzulesen, dass noch Einiges getan werden muss.
Aber ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion: Sie wissen genauso gut wie ich, dass, wenn Sie diese Herkules-Aufgabe - ein Kinderbetreuungsangebot in einer wirklich anderen Dimension - erfüllen wollen, das Land Niedersachsen das nicht alleine wird machen können. Dann werden wir uns mit dem Bund über eine vernünftige Lastenteilung ins Benehmen setzen müssen. Aber dazu finde ich in Ihrem Antrag nicht eine Zeile. Ich meine, dass niemand mehr in dieser Debatte wirklich ernst genommen wird, der oder die nicht sagt, wie das im Einzelnen finanziert werden soll. Ich mache Ihnen deswegen den Vorschlag, diesen Antrag durch einen weiteren Punkt zu ergänzen, nämlich durch den Punkt einer Bundesratsinitiative zur Abschaffung des Ehegattensplittings, meine Damen und Herren.
Ich befinde mich damit in der sehr guten Gesellschaft der Sozial- und Frauenministerin, die diese Forderung mit mir gemeinsam vertritt.
Sie haben mich auf Ihrer Seite; das kann ich Ihnen versprechen. Denn das Ehegattensplitting ist zum einen teuer. Wir geben derzeit jährlich 41 Milliarden DM dafür aus
und werden im Jahr 2004 bei 50 Milliarden DM liegen. Wenn wir das für ein besseres Zusammenleben mit Kindern umsteuern, dann werden wir schon eine ganze Menge bewegen können.
Aber das Ehegattensplitting ist zum anderen auch, wie ich meine, noch aus einer anderen Perspektive heftig zu kritisieren. Es ist teuer, es bindet enorm viel Geld, aber es ist auch sozial extrem ungerecht, weil diejenigen davon profitieren, die viel Geld verdienen. Angesichts der Armutsberichterstattung, die deutlich gemacht hat, dass jedes siebte Kind in Armut lebt, ist es ein sozialpolitischer Skandal, weiterhin an dieser Steuerregelung festzuhalten.
Das Ehegattensplitting konterkariert jedes Bemühen z. B. um familienfreundliche Arbeitszeiten, Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen, weil es
nämlich die Hausfrauenehe privilegiert. Jede Frau, die berufstätig ist, reduziert im Grunde das Privileg aus dem Ehegattensplitting.
Wenn Sie – das schimmert in Ihrem Antrag auch durchaus durch – wirklich ein Bild von der Familie haben, das von Partnerschaftlichkeit ausgeht und sagt, wir wollen sowohl Berufstätigkeit als auch Kindererziehung und Hausarbeit teilen, dann verzichtet jede Familie, die dies tut, auf die Privilegien des Ehegattensplittings.
Ich halte es für einen Skandal sondergleichen, dass ein Ehepaar, das keine Kinder hat – er Vollzeit berufstätig, sie Hausfrau, die ihm den Rücken frei hält –, viel Geld aus dem Ehegattensplitting bekommt.
Das Paar, das zwei Kinder erzieht, während beide halbtags arbeiten und sich beide um den Haushalt und die Kinder kümmern, bekommt keinen Pfennig aus dem Ehegattensplitting.
Meine Damen und Herren, was Sie mit Maßnahmen zur Förderung von Familie und Beruf aufbauen, das schubsen Sie mit dem Ehegattensplitting - wie man bei uns zu Hause sagt – „mit dem Hintern wieder um“. Deshalb muss das Ehegattensplitting abgeschafft werden.
Wenn Sie in dieser Debatte und mit Ihrem politischen Anspruch Ernst genommen werden wollen, dann werden Sie haargenau daran und an nichts anderem zu messen sein. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Familienpolitik liegt hoch im Kurs, und das ist gut so. Aber es gibt wohl keinen politischen Bereich, der so zentral den Nerv unserer Gesellschaft trifft und gleichzeitig so entnervend diskutiert und instrumentalisiert wird wie die Familienpolitik.
Da sind diejenigen, die die gute alte so genannte Hausfrauenehe wiederhaben wollen und dafür traditionelle Instrumente wie Geburtenprämien und Ähnliches in den Ring werfen. Sie überschlagen sich dabei in ihren Forderungen und schnüren unfinanzierbare Pakete, die sie selbst nicht bezahlen müssen.
Da sind diejenigen, die vorgeben, zu lernen. Gestern noch haben sie Krippen und Ganztagsschulen als familienfeindlichen und ideologischen Irrweg angeprangert, heute stehen sie an der Spitze der Bewegung,
(Frau Pawelski [CDU]: Seit 1990 ste- hen wir an der Spitze der Bewegung! – Zuruf von Frau Pruin [CDU])
Nicht zu vergessen diejenigen, die - aufgeschreckt durch den Geburtenrückgang - fordern, dass Frauen – natürlich Frauen, wer denn auch sonst – bessere Chancen haben müssten, Berufstätigkeit, Kinder und Familie unter einen Hut zu bringen. Das fordern Sie vor allem, weil Sie die Zuwanderung von Menschen anderer Herkunft fürchten wie der Teufel das Weihwasser.
Diese und ähnliche Vorschläge, meine Damen und Herren, kommen zumeist aus einer Richtung: dem traditionellen Lager der konservativen Familienund Gesellschaftspolitik der CDU.
(Beifall bei der SPD – Frau Pawelski [CDU]: Aus welchem Jahrhundert re- den Sie denn? – Weitere Zurufe von der CDU und von Frau Pothmer [GRÜNE])
(Frau Pawelski [CDU]: Wir müssen uns doch von Ihnen nicht beleidigen lassen! Während Sie nichts gemacht haben, haben wir Anträge gestellt! – Weitere Zurufe von der CDU - Glo- cke des Präsidenten)
Die Bayern z. B., meine Damen und Herren, haben jetzt erst gemerkt, welchen Nachholbedarf sie bei der Betreuung von Kindern und bei der Familienpolitik haben.
(Frau Pawelski [CDU]: Bayern hat mehr Ganztagsschulen als Nieder- sachsen! – Zuruf von der CDU: Die reden nicht nur, die handeln!)
Dieser Umgang mit dem Problem macht einmal mehr deutlich, dass hier nicht verstanden wurde, was Familienpolitik ist. Wer so Familienpolitik machen will, der löst kein Problem, sondern der wird zum Problem. Es geht nämlich nicht um die Frage „Wer bietet mehr?“, sondern es geht um die Frage des Bestehens unseres demokratischen Gemeinwesens und seiner Zukunftsfähigkeit. Wir dürfen Bildungspolitik, Familienpolitik, Wirtschaftspolitik und Gesellschaftspolitik nicht mehr isoliert sehen. Es ist die wichtigste Aufgabe in unserem Land überhaupt, es Familien leichter zu machen, Kinder zu haben und dass Mütter ebenso selbstverständlich wie Väter ihrem Beruf nachgehen können und dass die Kinder beste Lernchancen bekommen.