Bitte gestatten Sie, sehr verehrte Frau stellvertretende Ministerpräsidentin, dass ich Ihnen daher gleich als Zeichen dafür, dass kein einziger weiterer Tag mehr ungenutzt verstreichen darf, beide Symbole, das der Trauer wie das Hoffnung, überreiche mit dem Wunsch, diese den Entscheidungsträgern übergeben zu wollen - wir können jetzt ja wirklich nichts mehr tun; sie, die Entscheidungsträger, sind dran -, um ihnen vor Augen zu führen, wie nahezu im Minutentakt die Zahl derer, die noch hoffen kann, geringer wird. Möge aber wenigstens aus dem vergleichsweise kleinen Kreis der noch lebenden Empfangsberechtigten für möglichst viele von ihnen das Licht der Hoffnung seine Erfüllung finden im Empfang des ja ebenfalls nur symbolischen finanziellen Betrages - als Zeichen der Reue und Bitte um Versöhnung.
(Starker, anhaltender Beifall im gan- zen Hause - Bookmeyer [CDU] über- reicht Ministerin Jürgens-Pieper als stellvertretender Ministerpräsidentin eine Rose mit einem Trauerflor sowie eine brennende Kerze)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in den letzten Wochen eine Reihe von Gedenktagen gehabt, in denen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und deren Opfern gedacht worden ist, hier in Niedersachsen in Bergen-Belsen und an vielen anderen Orten auch. Ich selbst hatte wie viele von Ihnen ja auch die Möglichkeit, an den Gedenkfeiern teilzunehmen und auf einigen dieser Gedenkfeiern auch zu sprechen. Leider - das hat mich am meisten bedrückt - sind viele, mit denen ich im letzten Jahr noch über eine Entschädigung diskutiert habe, zwischenzeitlich verstorben, und viele andere waren diesmal so krank, dass man befürchten muss, dass sie beim nächsten Mal nicht mehr die Kraft haben werden, dabei zu sein.
Wir haben hier im Landtag viele politische Differenzen, aber wir haben hier auch die Kraft gefunden, uns zu diesem Thema einheitlich zu äußern. Mit bestimmten Formulierungen des vorliegenden Antrags habe ich Schwierigkeiten, weil es vor allem darum geht, deutlich zu machen, dass das, was hier als Dilemma der deutschen Wirtschaft beschrieben wird, in keinem Verhältnis zu dem steht, was diesen Menschen angetan worden ist. Trotz dieser Bedenken werde ich diesem Antrag mit der Aufforderung, nach dem gestrigen Urteil in den USA möge der Bundestag noch in diesem Monat die Rechtssicherheit feststellen und damit die Voraussetzungen für die Entschädigungszahlungen schaffen, zustimmen. Ich bin sehr hoffnungsfroh, dass es jetzt gelingt, dort quer über alle Fraktionen hinweg dieses Zeichen zu setzen, so wie wir das heute hier auch tun.
Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich sehe, dass das einstimmig ist, und danke Ihnen dafür.
Meine Damen und Herren, es wird angeregt, jetzt eine Pause von zehn Minuten zu machen. - Ich unterbreche die Sitzung für zehn Minuten.
Tagesordnungspunkt 33: Erste Beratung: Nachtragshaushalt 2001 Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 14/2407
Tagesordnungspunkt 34: Erste Beratung: Solide Finanzpolitik fortsetzen - Haushaltsrisiken absichern - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/2440
Tagesordnungspunkt 35: Erste Beratung: Entwurf eines Nachtragshaushalts - Antrag der Fraktion der CDU Drs. 14/2462
Zur Einbringung des Antrages der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Golibrzuch das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir erleben zurzeit in Niedersachsen die erste Haushaltssperre aus dramaturgischen Gründen. Der Ministerpräsident wollte eine Begleitmusik für
seine Finanzgespräche mit dem Bund, und er wollte eine Begleitmusik für seine Haushaltsgespräche mit den Ministerinnen und Ministern. Er wählte hierfür Pauken und Trompeten. Mit dem Kabinettsbeschluss vom 24. April wurden die Regierungsmitglieder gezwungen, ihr Ausgabeverhalten freiwillig einzuschränken. Wie man sich beschränken will, definieren zwei Haushaltsführungserlasse des Finanzministers. Trotz der angeblichen Selbstverpflichtung arbeiten die Ministerien keine Kürzungsvorschläge aus, sondern warten auf die Aufhebung dieser beiden Haushaltsführungserlasse. Angekündigt ist dies für Juni oder Juli. Bis dahin haben wir kaum Einsparungen, aber wir haben bis dahin Stillstand in weiten Bereichen der Landesverwaltung.
Diese Haushaltssperre bewirkt finanziell fast nichts; außer einer großen Verunsicherung in den Finanzämtern, in den Gerichten und bei den Empfängern freiwilliger Leistungen des Landes.
Meine Damen und Herren, eine Haushaltssperre von wenigen Wochen ist eine Inszenierung, ein gewaltiges Theater, mit dem eiserner Sparwille demonstriert und vorgegaukelt werden soll. Sie ist aber ganz sicher kein Beitrag zu einer wirksamen Haushaltskonsolidierung.
Haushaltskonsolidierung ist nur durch strukturelle Eingriffe möglich. Um den Anstieg der Personalausgaben zu stoppen, bedarf es einer Aufgabenkritik, nicht vorübergehender Wiederbesetzungssperren.
Um den Anstieg der Zinsausgaben zumindest abzubremsen, bedarf es auch der Kürzung von Investitionen, weil anders die Neuverschuldung kurzfristig jedenfalls nicht abzusenken ist. Beides - die Aufgabenkritik wie die Absenkung der Neuverschuldung - findet in Niedersachsen seit Jahren nicht statt. Deshalb fehlt es der Landesregierung heute an Geld, um z. B. kostenintensive Maßnahmen, den dringenden Bedarf im Bereich der Ganztagsschulbetreuung, umzusetzen.
Meine Damen und Herren, diese Landesregierung ist sprunghaft dort, wo Verlässlichkeit gefragt ist. Sie ist mutlos dann, wenn es gilt, auch unpopuläre Sparmaßnahmen durchzusetzen. Dies gilt für strukturelle Eingriffe in den Landeshaushalt. Das gilt aber auch für das Einknicken vor dem Bund, für den Kniefall, eine verfassungsmäßig gebotene Neubewertung des Immobilienvermögens durch
zusetzen. Ich kann nicht begreifen, dass man mit dem Bund um die Erhöhung des Kindergeldes streitet, in Sachen Erbschaftssteuer aber so rasch die Segel streicht.
Auch wenn der Bund den Ländern beim Kindergeld finanziell entgegengekommen ist, so werden wir in Niedersachsen in den nächsten Jahren deutlich weniger Geld in den Kassen haben, als es mittelfristig eingeplant war. Es ist dann eben auch ein sehr relativer Erfolg für Ministerpräsident Gabriel, wenn er für sich in Anspruch nimmt, die Ausfälle beim Kindergeld jetzt begrenzt zu haben, nachdem man in den vergangenen Jahren im Bundesrat milliardenschwere Einnahmeausfälle für Niedersachsen widerstands- und widerspruchslos passieren ließ.
Ich glaube, dass es unbestritten notwendig ist, im Landeshaushalt zu Einsparungen zu kommen. Wir wollen diese zusätzlichen Einsparungen. Das einzig richtige Instrument dafür ist aus unserer Sicht aber nicht eine Haushaltssperre, sondern ein Nachtragshaushalt, und zwar nicht nur aus formalen Gründen, sondern auch deshalb, weil wir im Haushalt ganz andere Einsparprioritäten setzen wollen als die Landesregierung.
Ich verstehe nicht, warum man ausgerechnet die Wirtschaftsförderung von der Haushaltssperre ausnimmt, nachdem der Landesrechnungshof die strukturelle Mittelverschwendung in diesem Bereich und damit auch unsere schon seit vielen Jahren vorgetragene Kritik bestätigt und auch beispielreich belegt hat. Statt die Wirtschaftsförderung zu schonen, ist es angesichts der Haushaltslage sogar notwendig, unzulässig verwendete Fördergelder im Bereich der Wirtschaftsförderung von Unternehmen wieder zurückzufordern. Ich bin ganz sicher: Eine Vollerhebung, eine Kontrolle der in den letzten Jahren in der Wirtschaftsförderung ausgekehrten Landesmittel wird dazu führen, dass finanziell deutlich mehr hereingeholt werden kann als durch eine dreimonatige Haushaltssperre.
Meine Damen und Herren, die Haushaltsgesetzgebung ist Sache des Parlaments. Nur in Notsituationen ist es gerechtfertigt, dass der Finanzminister durch eine Haushaltssperre die vom Landtag bewilligten Etateinsätze nachträglich einschränkt. Deshalb ist es für mich auch ein vollkommenes
Rätsel, wie man sich als SPD-Landtagsfraktion zu einem Antrag versteigen kann, mit dem man eine solche Haushaltssperre durch den Finanzminister auch noch begrüßt. Ich habe kein Verständnis für solch ein Verhalten. Ich weiß nicht: Ist es die Lust an der Unterwerfung? Oder was treibt die SPD in dieser Frage? Ich jedenfalls finde es unterirdisch, und Sie können ganz sicher sein, dass wir als Parlamentarier ein ganz anderes Selbstverständnis haben. Wir werden uns einem solchen Vorgehen nicht anschließen. Wir setzen auf einen Nachtragsetat. Deshalb stellen wir unseren Antrag heute auch zur sofortigen Abstimmung.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unter den drei aufgerufenen Tagesordnungspunkten beschäftigen wir uns heute mit der aktuellen Finanzsituation unseres Landes. Anlass ist die vom Kabinett einstimmig beschlossene Haushaltssperre vom 24. April 2001. Diese Haushaltssperre ist aus unserer Sicht - da unterscheiden wir uns von der Opposition - die angemessene Reaktion auf die eingetretenen Mindereinnahmen und Haushaltsrisiken seit der Verabschiedung des Haushalts für das Jahr 2001 im Dezember letzten Jahres.
Bereits bei der Haushaltsdebatte im letzten Jahr haben wir darauf hingewiesen, dass kein Weg daran vorbeigehen wird, die Politik des Sparens so lange fortzusetzen, bis die Reformen auf Bundesebene Wirkung entfalten und die Staatseinnahmen trotz beschlossener Steuerentlastungen von 80 Milliarden DM aufgrund einer besseren Wirtschaftslage wieder steigen. Niemand konnte seinerzeit genau vorhersehen, wie sich die öffentlichen Finanzen entwickeln werden. Dies hat die Oppositionsparteien im Landtag jedoch nicht davon abgehalten, den Eindruck zu erwecken, dass sich das Land Niedersachsen aufgrund von Steuermehreinnahmen in den Jahren 1999 und 2000 in einer überaus positiven finanziellen Lage befinde. Ohne Rücksicht auf Verluste forderte die Opposi
tion auf der einen Seite die Absenkung der Kreditaufnahme und auf der anderen Seite zusätzliche Ausgaben.
- Ja, das kommt auch noch. - Sie verstieg sich sogar zu der Behauptung, die SPD wolle mit den Mitteln der Haushaltsrücklage, die wegen der Haushaltsrisiken gebildet wurde, Wahlkampfgeschenke für die Landtagswahl 2003 finanzieren. Auf Bundesebene haben CDU und CSU sogar versucht, unter Hinweis auf die so genannten Selbstfinanzierungskräfte der Steuerreform die Bundesregierung in unfinanzierbare weitere Steuerentlastungen hineinzutreiben. Zum Glück ist die Regierungskoalition darauf aber nicht eingegangen.
Die sich abschwächende Konjunktur und die eintretenden Steuermindereinnahmen haben diese angeblichen Finanzexperten schnell verstummen lassen. Das Land Niedersachsen als strukturschwaches Land spürt solche Negativentwicklungen schneller als andere Länder. Im Gegensatz zu den Behauptungen der Opposition verfügen wir im Haushalt nicht über solche finanziellen Reserven, dass wir es uns erlauben könnten, auf eine solche Entwicklung längere Zeit nicht zu reagieren. Die Haushaltssperre der Regierung ist das richtige Mittel, in dieser Situation kurzfristig gegenzuhalten und die Vorkehrungen zu treffen, die aufgrund der aktuellen Entwicklung erforderlich sind.
Der Antrag der SPD-Fraktion macht deutlich, dass wir von der Landesregierung erwarten, die Maßnahme der Haushaltssperre zu überprüfen, nachdem jetzt das Ergebnis der Mai-Steuerschätzung vorliegt und nachdem die Regierungsberatungen zur Aufstellung des Haushaltsplans für 2002 und 2003 im Juni abgeschlossen sein werden.
Der Ruf von CDU und Grünen nach einem Nachtragshaushalt geht völlig an der Sache vorbei. Dies führt gerade nicht zu kurzfristigen finanzpolitischen Erfolgen in Form von Einsparungen, sondern würde die Regierung gerade davon abhalten, die strukturell erforderlichen Änderungen für die Jahre 2002 und 2003 zu prüfen und in einen Haushaltsentwurf aufzunehmen.
Das Parlament hat den Handlungsrahmen für das laufende Haushaltsjahr mit dem Beschluss für das Haushaltsjahr 2001 festgelegt. Dies ist die Handlungsgrundlage für die Regierung. Wenn die Re
gierung aufgrund aktueller Veränderungen davon nicht in vollem Umfang Gebrauch machen will, bedarf es dazu keiner neuen Parlamentsentscheidung.
Wir befinden uns vielmehr in der Phase des Haushaltsvollzuges. Mit der Aushebelung des Budgetsrechts des Parlaments oder mit Willkür hat dies nichts zu tun, sondern mit verantwortungsbewusster Vorsorge.
Dass dieses Handeln im Einklang mit der Rechtslage steht, weiß natürlich auch die Opposition. Etwas lächerlich wirkt es in diesem Zusammenhang natürlich, wenn die CDU ihren angeblichen Sparwillen damit paart, dass sie in ihrem Antrag Krokodilstränen darüber vergießt, in welchen Bereichen gespart wird. Aber nach diesem Schema handelt die CDU immer: So tun als ob, aber tatsächlich alle möglicherweise von Einsparungen Betroffenen verunsichern und als Bataillone gegen tatsächliche Einsparungen in Stellung bringen oder, was noch schlimmer ist, so zu tun, als könne man ständig beliebig mehr Geld ausgeben.