Protokoll der Sitzung vom 18.05.2001

Wer den Eingaben 2097 (01 bis 05), die die Förderung von Betreuungsvereinen nach dem Betreuungsgesetz ab 2001 betreffen, der Landesregierung zur Berücksichtigung überweisen möchte, also diesem Antrag der CDU-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stattgeben möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer möchte das ablehnen? - Das ist abgelehnt.

Wir kommen zur Ausschussempfehlung in der Drucksache 2410, die Eingaben der Landesregierung als Material zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? Das erste war die Mehrheit. Damit haben Sie die Ausschussempfehlung angenommen.

Wir kommen dann zu den Eingaben 3333, 3343, 3479 und 3566. Sie betreffen die amtsangemessene Alimentation von kinderreichen Beamtenfamilien. Dazu liegt der Änderungsantrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 2474 vor. Die CDUFraktion beantragt Überweisung an die Landesregierung zur Berücksichtigung. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. Wer ist dagegen? - Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen zur Ausschussempfehlung in der Drucksache 2410. Wer möchte Unterrichtung der Einsender über die Sach- und Rechtslage beschließen? - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? Bei einer Stimmenthaltung ist die Ausschussempfehlung angenommen worden.

Wir kommen zur Eingabe 3604. Sie betrifft die integrative Beschulung. Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 2474 vor, die Eingabe der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Wer möchte dem zustimmen? - Wer ist dagegen? - Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen zur Ausschussempfehlung, die Einsenderin der Eingabe über die Sach- und Rechtslage zu unterrichten. Wer möchte dem zustimmen? Wer möchte ablehnen? - Damit ist die Ausschussempfehlung angenommen.

Wir kommen damit zur Eingabe 3492. Sie betrifft die Gefahrenabwehr. Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 2480 vor, die Eingabe der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Wer möchte dem zustimmen? - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.

Der Ausschuss empfiehlt, die Einsenderin der Eingabe über die Sach- und Rechtslage zu unterrichten. Wer möchte dem zustimmen? - Gegenprobe! - Damit ist die Ausschussempfehlung angenommen.

Wir kommen zur Eingabe 3637. Sie betrifft das Asylbewerberleistungsgesetz. Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 2480 vor, die Eingabe der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Wer möchte dem zustimmen? - Gegenprobe! Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Ausschussempfehlung, den Einsender der Eingabe über die Sach- und Rechts

lage zu unterrichten. Wer möchte dem zustimmen? - Gegenprobe! - Das Erste war die Mehrheit.

Meine Damen und Herren, damit ist dieser Tagesordnungspunkt abgeschlossen.

Ich rufe auf

Einzige (abschließende) Beratung: Zusätzlicher Tagesordnungspunkt Entschädigung für ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter - Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/2488

Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass sich die drei Fraktionen den Text, den die Konferenz der Präsidenten der deutschen Landtage vor zehn Tagen beschlossen haben, im Kern zu Eigen gemacht hat. Wir beginnen nun mit der Debatte. Folgende Redezeiten sind vereinbart: SPD, CDU, Grüne und Landesregierung jeweils bis zu fünf Minuten.

Herr Abgeordneter Plaue hat sich zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stehe heute durchaus mit zwiespältigen Gefühlen vor Ihnen. Auf der einen Seite freut es mich und bin ich befriedigt darüber, dass es dem Parlament gelungen ist, in dieser wichtigen Frage einen gemeinsamen Entschließungsantrag auf den Weg zu bringen. Auf der anderen Seite finde ich es absolut beschämend, dass wir uns überhaupt noch mit dieser Angelegenheit beschäftigen müssen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Mehrfach hat eine große breite Mehrheit des Parlaments gefordert, dass endlich etwas passiert. Wir haben mehrfach darauf hingewiesen, dass es um Menschen geht, deren Lebensalter nun mal so ist, dass jeden Tag, an dem die Entschädigung zurückgehalten wird, weniger Menschen in den Genuss dieser Entschädigung kommen. Wir haben mehrfach darauf hingewiesen, dass etwas entschädigt wird, was eigentlich gar nicht entschädigt werden und dennoch für die Betroffenen ein Stück Genugtuung bedeuten kann. Wir haben mehrfach die deutsche Wirtschaft aufgefordert, endlich ihren

Beitrag für dieses Projekt zu leisten. Es war ein beschämend quälender Prozess, der zum Ende Gott sei Dank dazu geführt hat, dass wenigstens das Geld bereit steht, meine Damen und Herren. Lassen Sie uns diesem quälenden beschämenden Prozess jetzt nicht noch einen weiteren quälenden beschämenden Prozess der Taktiererei und der rechtlichen Winkelzüge anfügen! Das können wir, das sollen die Menschen nicht ertragen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich habe Verständnis dafür, dass viele Rechtssicherheit wollen. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Urteil der Richterin Kram hat deutlich gemacht: Wenn man bis zum Ende jedes Komma und jeden Halbsatz überprüft und in Zweifel zieht, dann wird es am Ende keine Auszahlungen geben. Das können wir uns moralisch nicht leisten. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass der Landtag sagt: Hört endlich auf, Finten in den Vordergrund zu stellen! Hört endlich auf, jeden Halbsatz irgendeines Urteils dreimal umzudrehen! Leistet die moralische Abbitte bei den Menschen, die unter der deutschen Wirtschaft und der deutschen Politik gelitten haben! Sorgt dafür, dass sie so schnell wie möglich in den Genuss dieser Entschädigung kommen! - Das ist unser Appell.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich freue mich, dass offensichtlich auch die Mehrheit im Deutschen Bundestag dieser Auffassung ist. Die Menschen, die davon ein Stück weit profitieren werden, werden es uns danken. Ich danke Ihnen, dass Sie gemeinsam mit uns diese Entschließung heute verabschieden wollen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Das Wort hat der Abgeordnete Schröder.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich den beiden großen Fraktionen danken, dass sie unsere Initiative unterstützen und eine aktuelle Beratung in Form eines gemeinsamen Antrages ermöglicht haben.

Der Text der Entschließung orientiert sich in der Tat an der Resolution der deutschen Parlaments

präsidentinnen und -präsidenten vom 3. Mai dieses Jahres. Ich hätte schärfere und deutlichere Formulierungen für diesen Text gewählt. Aber in der aktuellen Situation ist es wohl wichtig, dass wir, die Abgeordneten dieses Landtages, mit großer Mehrheit ein deutliches Zeichen geben. Wir wollen, dass noch vor der Sommerpause mit den Entschädigungszahlungen begonnen werden kann.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, auch die letzte Sammelklage in den USA gegen deutsche Banken wurde eingestellt. Die Detailprobleme, die es noch bei Ansprüchen aus Vermögensschäden gegenüber der österreichischen Creditanstalt gab, sind seit heute Nacht gelöst. Offen sind dagegen noch einzelne Klagen. Aber die mit Abstand wichtigsten Klagen, die Sammelklagen großer Opfergruppen auf Entschädigung für Zwangsarbeit und auf Rückgabe geraubter Vermögen durch deutsche Banken und Versicherungen, sind vom Tisch. Vor amerikanischen Gerichten kann es ohnehin keine 100-prozentige Rechtssicherheit im deutschen Sinne geben, was übrigens das Stiftungsgesetz auch gar nicht verlangt. Am Dienstag schrieb ein Kenner der US-Justiz, der Politikwissenschaftler Michael Dreyer, in der „Süddeutschen Zeitung“:

„Nichts, aber auch wirklich gar nichts wird einen Kollegen von Richterin Kram irgendwo in den Vereinigten Staaten zwischen Boston und Honolulu daran hindern, in drei oder vier Monaten wieder ein Verfahren zuzulassen, wenn er dies für richtig hält.“

Meine Damen und Herren, es gibt eine rechtliche und eine moralische Seite. Die deutsche Industrie hat sich jahrzehntelang gar nicht, dann notgedrungen und schließlich, nach endlosem Gefeilsche, mehr schlecht als recht an der symbolischen Entschädigung der überlebenden Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter beteiligt. Drei Viertel davon trägt ohnehin die öffentliche Hand. Bislang aber ist noch kein Pfennig an die Menschen geflossen, die vor mehr als einem halben Jahrhundert vom deutschen Staat verschleppt und von deutschen Unternehmen geschunden und ausgebeutet worden sind. Jeder weitere Tag juristischer und bürokratischer Verzögerung verkleinert die Gruppe der Opfer. Mir fehlt deshalb, meine Damen und Herren, jedes Verständnis dafür, wenn der Sprecher der Stiftungsinitiative, Herr Gibowski, selbst nach der

endgültigen Abweisung der Bankenklage heute Nacht erklärt, dies reiche definitiv nicht aus, um Rechtssicherheit festzustellen zu können. Hierbei verweist er auf die noch offenen Einzelklagen. Die Wünsche der Wirtschaft sind offenbar endlos. Dagegen ist von den Opfern wenig und häufig gar nicht die Rede. Viele von ihnen, gerade in Osteuropa, warten weiter auf dringend benötigte Entschädigungszahlungen. Das Gesetz hat Hoffnungen auf eine späte Anerkennung ihres Schicksals geweckt. Es darf nicht sein, meine Damen und Herren, dass diese Hoffnungen durch ein Verschleppen der Zahlungen von Monat zu Monat immer wieder enttäuscht werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wenn die Wirtschaft nicht auch noch den allerletzten Rest ihres moralischen Kredits verspielen will, dann muss sie jetzt ohne Wenn und Aber ihren Widerstand gegen die Zahlungen aufgeben. Anschließend muss die Entschädigungssumme unverzüglich durch den Deutschen Bundestag freigegeben werden. Aufgrund dieses Zeitdrucks sollten wir über diesen Antrag sofort abstimmen. Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD – Zustimmung von Bookmeyer [CDU])

Das Wort hat nun der Abgeordnete Bookmeyer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit erkläre ich für meine Fraktion, dass ich inhaltlich mit meinen Vorrednern konform gehe. Da es sich um einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen des Hohen Hauses handelt, versteht es sich von selbst, dass wir diesem Antrag zustimmen und dies natürlich auch bei der anstehenden sofortigen Abstimmung tun werden. Wir tun dies des Inhalts des Antrages wegen, und wir tun dies, um der Erklärung unseres Präsidenten auch das Fundament der Meinung des Parlaments als Vertretung des Volkes zu geben und ihr somit gemeinsam Nachdruck zu verleihen.

Weil in der Sache Einigkeit besteht, möchte ich hier noch einmal Gelegenheit nehmen, das Augenmerk auf die leidvoll betroffenen ehemaligen

Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter zu lenken. Der Kollege Schröder hat schon zu Recht gesagt, dass man diese in der Debatte im Grunde zu wenig im Blick hat.

Da sind zunächst einmal diejenigen, die zur Zeit der nationalsozialistischen Zwangsherrschaft und nach dem Krieg keine Hoffnung darauf haben konnten, dass das ihnen widerfahrene Unrecht offiziell benannt würde, geschweige denn, dass ihnen ein Zeichen der Reue wiederführe.

Ihr Lebenslicht, das Lebenslicht Ungezählter, war zuvor erloschen, so wie symbolhaft diese Kerze, die ich hier in der Hand habe, nicht brennt. Für sie können wir gar nichts mehr tun. Wir können nicht einmal mehr stellvertretend um Vergebung bitten, wenigstens diesen Menschen gegenüber nicht. Doch sollten wir ihrer heute zumindest mit gedenken. Das möchte ich hier auch zeichenhaft tun, indem ich ihnen diese mit Trauerflor versehene Rose widme.

Für die im Jahre 1998 noch etwa 1 Million Lebenden begann zaghaft ein Licht der Hoffnung zu leuchten, indem das ihnen widerfahrene Unrecht nicht nur offiziell benannt und erkannt wurde, sondern auch die Bereitschaft wuchs, zumindest ein materielles Zeichen der Reue in Form der in Aussicht genommenen Entschädigungen zu geben. Jetzt, nach etwa drei Jahren - es ist richtig: das ist viel zu lang, 1 000 Tage zu lang -, sind wir dem Ziel, dass es in absehbarer Zeit zur Auszahlung kommen könnte, anscheinend nahe.

Doch wenn wir davon ausgehen, dass wegen des hohen Alters der Personen zwischenzeitlich tagtäglich mindestens etwa 200 von ihnen verstorben sind, so heißt dies, dass für etwa 220 000 von ihnen das Lebenslicht erloschen ist, ohne dass sich ihre Hoffnung erfüllt hätte. Das schmerzt mich ganz besonders; denn auch für sie können wir nichts anderes mehr tun, als ihrer heute noch einmal zu gedenken. Ihr Lebenslicht ist erloschen.

Gern würde ich jetzt stellvertretend ein Bußgebet sprechen. Um aber niemanden zu vereinnahmen, werde ich das später in der Stille tun.

Das Licht der Hoffnung brennt also allein für die noch Lebenden. Doch selbst während dieser nur 15-minütigen Debatte werden zumindest statistisch schon wieder zwei oder drei von ihnen sterben. Deshalb richten wir mit allen hier im Parlament Versammelten den nochmaligen dringenden Appell an all diejenigen, die die Auszahlung bewirken

können: Verlieren Sie, nachdem seit zwei Monaten die Gelder endlich bereit stehen, nicht noch mehr Zeit! Allein seit Mitte März dürften mindestens etwa weitere 12 000 Empfangsberechtigte verstorben sein.

Auch wenn die Oppositionsparteien der Regierung in anderen Bereichen natürlicherweise kontrovers gegenüber stehen mögen, so gehen wir hier selbstverständlich davon aus, dass unser Ministerpräsident - da er zurzeit leider nicht hier ist, spreche ich Sie, Frau stellvertretende Ministerpräsidentin, an bzw. Sie, Frau stellvertretende Ministerpräsidentin, das Ihre dazu tun werden, dass die nunmehr überfälligen Auszahlungsvoraussetzungen endlich geschaffen werden. Wir bitten Sie im Interesse der Betroffenen - sofern dies nicht schon durch Sie geschehen ist -: Setzen Sie sich dafür ein, dass umgehend vorbereitende Maßnahmen getroffen werden, um tatsächlich alsbald nach Feststellung der Rechtssicherheit die Auszahlung unbürokratisch erfolgen zu lassen!

Dies schließt unseres Erachtens die Planung ein, den Deutschen Bundestag gegebenenfalls zu einer Sondersitzung zusammentreten zu lassen; denn allein bis Ende Juni dieses Jahres werden weitere 8 000 Empfangsberechtigte versterben, was einem Auszahlungsvolumen von etwa 80 Millionen DM entsprechen dürfte. Dem dürfen Kosten für eine eventuelle Bundestagssondersitzung nicht entgegenstehen.