Protokoll der Sitzung vom 15.06.2001

Ähnliches gilt für unsere Orchester im Bereich Jazz. Mit dem Landesjugend-Jazz-Orchester und dem Jazz-Orchester Niedersachsen haben wir - das werden Sie alle bestätigen – hervorragende Botschafter unserer Musikförderung.

(Möllring [CDU]: Wer finanziert die denn?)

Auch in diesem Zusammenhang ist es wichtig, auf die hervorragende Arbeit – jetzt komme ich auf den Bereich Musikschule zurück - unserer Musikschulen hinzuweisen. Natürlich – das hieße doch, Eulen nach Athen zu tragen -, kennen wir die schwierige Situation einiger Kommunen, die für die Förderung ihrer Musikschulen zuständig sind. Gerade vor diesem Hintergrund ist es die Idee des

Landesmusikrates, Kontaktstellen für Musik im ländlichen Raum aufzubauen, zu unterstützen und zu fördern. Der große Reiz dieser Überlegungen - -

(Möllring [CDU]: Gucken Sie sich einmal die Musikschulen im Emsland an!)

- Nun hören Sie doch einmal zu, denn das ist ein neuer Ansatz. Ich fände es wirklich gut, wenn Sie einfach mal zuhören würden, denn ich nehme einen anderen Ansatz als Frau Schwarz.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Wir hätten es gerne etwas konkreter!)

Beide sind überlegenswert, beide sind wichtig, beide geben für die Musikschulen neue Perspektiven; also lassen Sie sich doch einfach einmal ein. Ich denke, Ihnen geht es um die Musikschulen. Der große Reiz dieser Überlegung liegt in der Idee, die Infrastruktur der Musikschulen sowohl räumlich als auch organisatorisch zu nutzen. Wir alle wissen, dass da ein Problem liegt. Diese angestrebten „regionalen Beiräte des Musiklebens“, wie der Landesmusikrat die Kontaktstellen nennt, sind eine große Chance, in regionaler Kooperation die kulturelle Infrastruktur zu stärken und durch ein Netzwerk vorhandener Einrichtungen neu zu akzeptieren.

Was heißt das? - Ich will es noch einmal verdeutlichen. In Zusammenarbeit zwischen Musikschulen, ehrenamtlichen Funktionsträgern und Funktionsträgerinnen in Verbindung mit Laienmusikverbänden, freien Kulturträgern usw. wird ein Netzwerk gebildet, das die regionale Musikszene stärkt. Denkbar ist vor diesem Hintergrund z. B. auch, sehr geehrte Damen und Herren, dieses neue Netzwerk nicht nur für unsere Verlässliche Grundschule zu gewinnen, sondern es auch in die Ganztagsbetreuung einzubauen. Gewinner und Gewinnerinnen wären die Musik Betreibenden alle Mal wie auch die Schüler und Schülerinnen unserer Schulen. Diese neuen Kompetenzzentren sind ein aktuelles Beispiel für die praktische Fortentwicklung der Musikkultur und der Nachwuchsförderung.

(Frau Vockert [CDU]: Soll da nur Betreuung oder auch Erziehung statt- finden?)

Ich will natürlich nicht darauf verzichten, noch einmal auf die Musikakademie zu verweisen, weil

dies auch in den Antrag der CDU-Fraktion aufgenommen und von Frau Schwarz noch einmal betont worden ist.

(Krumfuß [CDU]: Aber ohne Geld wird es nicht gehen; das ist das Prob- lem!)

Der Bau der Landesmusikakademie ist ein Thema - da brauche ich Ihre Belehrung nicht -, mit dem wir uns ja nun schon lange im Ausschuss beschäftigen.

(Möllring [CDU]: Die ist ja viermal versprochen worden: Hildesheim In- gelheim, Bad Iburg - alles fest ver- sprochen! - Wulff (Osnabrück) [CDU]: Das elfte Jahr!)

Wir haben das Geld im Haushalt, und wenn die Planung vorangeschritten ist, werden wir die Landesmusikakademie, die ja auch zur Förderung der professionellen Musikkultur und der Laienkultur beitragen wird, schaffen.

(Frau Pawelski [CDU]: Wann?)

Ich hoffe, dass wir das in der nächsten Zeit hinbekommen.

(Heiterkeit - Frau Pawelski [CDU]: Für das Protokoll: Der Minister hat gesagt „im nächsten Jahr“!)

Ich bin ganz sicher - das zeigen ja auch die Debatten bei uns im Ausschuss -, dass Sie alle dazu beitragen werden, dass wir dies umsetzen werden. Frau Trost nickt, also wir wissen alle, wovon wir reden; ich brauche das hier nicht weiter auszuführen.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Wir haben einstimmige Beschlüsse, aber die interessieren die Landesregierung ja nicht!)

Zum Schluss möchte ich auf die Landesförderung für die kommunalen und die staatlichen Theater, bezogen auf die professionellen Orchester und Chöre,

(Glocke der Präsidentin)

einschließlich der Förderung der von hoher Akzeptanz getragenen Hochschule für Musik und Theater hinweisen. 85 Mio. DM Förderung insgesamt, sehr geehrte Damen und Herren - dies zum

Thema Geld; Herr Oestmann, vielleicht hören Sie einmal zu -, können sich allemal sehen lassen, und ich bin stolz darauf, dass wir das in diesem Lande so hinbekommen.

Angesichts der Kürze der Redezeit - es ist mir wichtig, das zu sagen - gelingt es mir leider nicht, viele Sparten der Musikförderung hier noch einmal zu benennen, die es allemal verdient haben.

(Glocke der Präsidentin)

Ich bin aber sicher - so kenne ich den Ausschuss -, dass wir den Antrag im Ausschuss intensiv diskutieren werden. Ich freue mich auf die Debatte. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Litfin, bitte schön!

(Möllring [CDU]: Also, versprochen ist die Musikakademie jetzt, ja?)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Schwarz hatte bereits auf die spektakuläre Langzeitstudie des Berliner Professors Hans Günter Bastian hingewiesen. Ich werde dazu jetzt weiter nichts sagen, sondern möchte nur noch einmal Herrn Bastian zitieren, um deutlich zu machen, wie wichtig Musik und Musikerziehung für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ist. Bastian sagt:

„Im Musizieren können wir den aktuellen Aggressions- und Gewaltentladungen in Schule und Gesellschaft prophylaktisch begegnen. In der Musik kann man lernen, die eigene Position zu relativieren und in das gelingende Gesamtergebnis des Spiels einzubringen.“

Und weiter sagt er:

„An erster Stelle steht das Miteinander-Schaffen, das VoneinanderLernen, das Aufeinander-Zugehen, das Füreinander-Dasein.“

Daraus leitet Bastian seinen Anspruch ab: Musik für alle Kinder!

Es geht also nicht um die wenigen Glücklichen, die in eine kulturelle Wiege voller Musik geboren wurden, sondern um die anderen.

Wie sieht das in der Praxis in den Kindergärten, in den Schulen aus? - Heinz Lämmermann, Musikpädagoge, schrieb in der Fachzeitschrift Didaktische Grundrisse:

„Die große Mehrzahl deutscher Schulkinder erhält einen quantitativ und oft qualitativ unzureichenden Musikunterricht. Durchweg schlecht ist der Zustand des Musikunterrichts an allgemeinbildenden Schulen und hier besonders im Bereich der Grundund Hauptschule.“

Er zitiert Richard Jacoby, dass an Gymnasien 20 %, an Hauptschulen 30 bis 40 % und an Grundschulen ca. 50 % des Musikunterrichts nicht erteilt würden.

Das Interessante an dieser Aussage ist, meine Damen und Herren, dass sie von 1976 stammt. Und heute - Frau Schwarz hat das völlig richtig dargestellt - sieht es nicht besser aus. Die unzähligen Strophen berechtigter Klagelieder haben also bisher nichts gefruchtet. Der Teufelskreis „mangelnder Nachwuchs - fehlende Fachlehrer - nicht stattfindender Musikunterricht“ ist also 25 Jahre nach den Äußerungen Jacobys und Lämmermanns keineswegs durchbrochen, sondern wir müssen alle gemeinsam die Befürchtung haben, dass er fortgesetzt wird und dass die Musikerziehung in unseren Schulen und in unseren Kindertagesstätten einen immer geringeren Stellenwert erhält.

Wir begrüßen insofern das Anliegen des Landesmusikrates, aufgenommen durch den Antrag der CDU-Fraktion, weil dieser Antrag Gelegenheit bietet, einmal grundsätzlich die Förderung der Musik, der Musikkultur und insbesondere der schulischen Musikerziehung zu diskutieren.

Was dem CDU-Antrag aus unserer Sicht fehlt, ist der Hinweis auf die Situation in den Sonderschulen und in den Integrationsklassen. Gerade die Kinder in diesen Klassen sind auf dem Gebiet der Musik und des Theaters hervorragend ansprechbar. Für Schüler und Schülerinnen mit Behinderungen ist Musik wirkliche Lebenshilfe. Gerade hier fällt entsprechender Unterricht in der Regel aus.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Ein Haar in der Suppe mussten Sie ja finden!)

Hierzu sagt die CDU-Fraktion nichts, aber die Musikerziehung an diesen Schulen wie auch in Integrationsklassen liegt doch wirklich völlig im Argen. Fortbildungsmaterialien für Lehrer und Lehrerinnen werden seit vier Jahren erarbeitet, liegen aber den betroffenen Lehrkräften bis heute nicht auf dem Tisch. Den fehlenden Musikunterricht können die kommunalen oder freien Musikschulen, die hier ja mehrfach angesprochen worden sind, auch nicht ersetzen. Diese praktizieren zwar in vielfältiger Weise Kooperation mit den Schulen, stoßen aber sowohl an ihre finanziellen Grenzen als auch an die Grenzen, die dadurch gezogen sind, dass ihre Arbeit durch den Mangel an musikalischer Vorbildung sehr, sehr schwer gemacht wird.

Das Thema „interkulturelle Erziehung mit und durch Musik“ bleibt in dem Antrag der CDUFraktion ebenfalls völlig unbeachtet. Hier liegen erhebliche Potenziale für das Ziel des Verstehens fremder Kulturen, für das Ziel der Toleranz.

Natürlich haben Sie die Senkung der Musikförderung angesprochen, und auch wir freuen uns, dass es demnächst für diesen Bereich 800 000 DM mehr geben soll. Das ersetzt zwar die Kürzungen der letzten Jahre nicht, aber es ist immerhin etwas.

(Möllring [CDU]: Dafür kommt dann wieder ein Sperrvermerk!)

Aber wir müssen eine ausführliche Debatte darüber führen, wie denn mit den zu geringen Mitteln die größten Effekte erzielt werden können. Mir scheint das Konzept der regionalen Vernetzungsagenturen in Form der „Kontaktstellen Musik“ ein auszubauender Weg zu sein.

Meine Damen und Herren, um die heutige Kinderund Schülergeneration zu erreichen, bedarf es veränderter Curricula - das sage ich bei allen schulischen Themen -, und es besteht Bedarf an Pädagogen und Pädagoginnen, die mit Zuwendung und Ideenreichtum die Menschen auch zum Musikalischen erziehen. Sicher, wir leben in einer von Medien und Märkten gesteuerten Info- und Entertainment-Gesellschaft.

(Glocke der Präsidentin)