Protokoll der Sitzung vom 15.06.2001

(Beifall bei der SPD)

Mir liegen keine Wortmeldungen für Zusatzfragen vor.

Wir kommen zu

Frage 4: Krebs erregende Stoffe im Boden gefährden Wohngebiet in Fallingbostel

Diese Frage stellt der Abgeordnete Oestmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage 4 „Krebs erregende Stoffe im Boden gefährden Wohngebiet in Fallingbostel“ hat folgenden Wortlaut:

Ein Unternehmer hat vor ca. zwei Jahren in der Straße „Siebensteinhäuserweg“ in Fallingbostel ein Grundstück mit dem Ziel erworben, sein Unternehmen auszuweiten. Als zwei Handwerker, die mit Klinkerarbeiten am Wohnhaus beschäftigt

waren, einen eiterhaltigen Ausschlag bekamen, wurden vom TÜV Hannover/Sachsen-Anhalt Bodenproben von dem Grundstück genommen. Nach Aussage eines Diplom-Geologen vom TÜV habe man bei der Auswertung der Bodenproben eine PAK-Konzentration - d. h. eine Konzentration Polyzyklischer Aromatischer Kohlenwasserstoffe festgestellt. Der PAK-Gehalt des Bodens sei in der Spitze mit über 620 mg/kg gemessen worden. Der Grenzwert betrage 25 mg/kg auf bebaubaren Flächen, sodass die gemessenen Werte den zulässigen Wert um das 20-fache übersteigen. Die PAK seien hochgefährlich und gälten als stark Krebs erregend.

Nach den Vermutungen des TÜV liegt die Ursache der hohen Schadstoffwerte in der Altablagerung von Schlacke, die von den in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen ehemaligen Gaswerken in diesem zum Wohngebiet erklärten Bereich entsorgt worden sein könnten. Der Landkreis SoltauFallingbostel hat bisher offensichtlich noch keine Untersuchungsmaßnahmen vorgenommen, um die überwachungsbedürftigen Altablagerungen hinreichend zu prüfen und um die Wohnbevölkerung gegebenenfalls zu schützen.

Aufgrund dieser Sachlage empfindet es der Unternehmer als äußerst bedenklich, dass die Landesregierung kürzlich Fördermittel für Renovierungsarbeiten für die Straße „Weinberg“ in Höhe von 600 000 DM zur Verfügung stellt, während Landkreis und Landesregierung nichts unternehmen, um die unmittelbar an der Straße Weinberg befindliche hochgiftige Altlast zu untersuchen bzw. zu entsorgen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie bewertet sie die Gefährlichkeit der auf dem Grundstück „Siebensteinhäuserweg 1“ vom TÜV festgestellten PAK-Konzentration?

2. Wie bewertet sie die auch von weiteren Bürgerinnen und Bürgern erhobene Forderung, den kontaminierten Bereich zu untersuchen und komplett zu sanieren und auf diese Weise die betroffene Wohnbebauung vor Gefährdungen zu schützen?

3. Wer trägt die finanzielle Verantwortung für die Sanierung und für die trotz des verseuchten Bodens vorgenommene Ausweisung als Wohngebiet?

Die Antwort erteilt der Umweltminister.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Altlastenproblematik des Grundstücks „Siebensteinhäuserweg 1“ haben sich Landesregierung und Landtag bereits im Rahmen einer Petition ausführlich befasst. In seiner Sitzung am 13. September 2000 ist der Landtag der Empfehlung des Umweltausschusses gefolgt und hat die Information des Petenten über die Sach- und Rechtslage beschlossen.

Sie, verehrter Herr Oestmann, schildern eingangs Ihrer Anfrage einen Sachverhalt, der so nicht richtig ist. Lassen Sie mich daher, damit sich hier kein falscher Eindruck verfestigt, Folgendes korrigieren.

Erstens. Richtig ist: Das in Rede stehende Grundstück wurde bereits 1995 unter Ausschluss der Gewährleistung erworben, nicht erst vor zwei Jahren, wie von Ihnen behauptet.

Zweitens. Richtig ist: Der Landkreis SoltauFallingbostel ist sofort tätig geworden, nachdem sich der Verdacht der schädlichen Bodenveränderung durch das zitierte Gutachten des TÜV erhärtet hatte. Als Sofortmaßnahme wurde die Abdeckung der offen liegenden Schlackenmaterialien veranlasst. Weitere Untersuchungen der Nachbargrundstücke wurden in Auftrag gegeben. Hinweise auf eine nennenswerte Kontamination mit PAK ergaben sich nicht.

Drittens. Richtig ist: Die Landesregierung hat keine Fördermittel für Renovierungsarbeiten für die Straße „Weinberg“ in Höhe von 600 000 DM zur Verfügung gestellt.

Dies vorangestellt, beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:

Zur Frage 1: Die PAK gehören zu den stärksten bekannten Umweltkanzerogenen. Der Verdacht einer erheblichen Gesundheitsgefahr für Menschen, die häufig mit diesem Bodenmaterial in Kontakt kommen oder daraus entstehende Stäube über viele Jahre einatmen, liegt nahe. Die festgestellte Bodenkontamination legt auch bei Anwendung der seit Verabschiedung der BundesBodenschutz- und Altlastenverordnung geltenden einschlägigen Prüfwerte den Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung nahe. Ob sich dieser Verdacht erhärtet oder widerlegt bzw. relativiert werden kann, muss im Rahmen einer Gefährdungsabschätzung in Übereinstimmung mit dem

Prüfwertkonzept der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung, z. B. durch eine Analyse der biologischen Verfügbarkeit der in den Boden gelangten PAK, untersucht und dann zur Grundlage der Sanierungsplanung gemacht werden. Die ergriffenen Sofortmaßnahmen reichen nach gegenwärtigem Kenntnisstand allerdings aus, eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit auszuschließen.

Zur Frage 2: Die genannten Forderungen von weiteren Bürgerinnen und Bürgern sind hier nicht bekannt geworden. Vielmehr haben die seinerzeit vom Landkreis Soltau-Fallingbostel eingeleiteten Sondierungen der Nachbargrundstücke keine Hinweise auf eine nennenswerte Kontamination mit PAK ergeben. Derzeit ist davon auszugehen, dass die Kontamination mit PAK nur auf das Grundstück Siebensteinhäuserweg 1 beschränkt ist.

Zur Frage 3: Die finanzielle Verantwortung für die Sanierung trägt nach § 4 des Bundes-Bodenschutzgesetzes der hierzu Verpflichtete. Dies ist der Verursacher der schädlichen Bodenveränderung oder Altlast, sein Gesamtrechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer sowie der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Grundstück. Ist der Verursacher wie im vorliegenden Fall nicht zu ermitteln, haftet der Grundstückseigentümer als so genannter Zustandsstörer. Nach § 11 des Niedersächsischen Bodenschutzgesetzes trägt das Land im Falle einer Ersatzvornahme die Kosten für notwendige Maßnahmen, die von der unteren Bodenschutzbehörde zur Beseitigung einer Gefahr für Leib und Gesundheit von Menschen angeordnet werden müssen, wenn der Kostenersatz nicht von dem Kostenpflichtigen erlangt werden kann.

Der Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast hat sich seit 1997 ergeben. Der Bebauungsplan ist aber bereits seit 1966 rechtsverbindlich. Die Ausweisung als Wohngebiet ist 1966 in Unkenntnis der bestehenden Bodenbelastungen erfolgt.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der SPD: Sehr gut! - Das war eindeutig!)

Keine Wortmeldungen für Zusatzfragen!

Wir kommen dann zur

Frage 5: Straftaten bei CASTOR-Transporten

Frau Abgeordnete Zachow, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Zusammenhang mit den CASTORTransporten nach Gorleben im Mai 1996 sowie im März 1997 ist es zu strafbaren und schadenersatzbegründenden Handlungen durch Demonstranten gekommen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie viele Strafverfahren wurden nach den letzten CASTOR-Transporten nach Gorleben im Mai 1996 sowie im März 1997 eingeleitet, und wie lange dauerten diese Verfahren jeweils?

2. Wie viele Verfahren wurden gegebenenfalls unter Auflagen eingestellt, und welche Strafen wurden in den übrigen Verfahren verhängt?

3. Gab es beim letzten CASTOR-Transport Klagen auf Schadenersatz vonseiten des Staates wegen Demonstrationsschäden bzw. Einsatzkosten der Polizei?

Die Antwort erteilt der Justizminister.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat zuletzt am 14. Mai 1998 in der 4. Plenarsitzung der 14. Wahlperiode des Niedersächsischen Landtages eine Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Schneider beantwortet, die sich u. a. auf die Verfolgung von Straftaten und auf die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen im Zusammenhang mit den CASTOR-Transporten im Mai 1996 sowie im März 1997 bezog, und schon seinerzeit so umfassend Auskunft erteilt, wie es ihr möglich war. Das wird auch weiterhin der Fall sein.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen der Abgeordneten Frau Zachow wie folgt:

Zu Frage 1: Wie schon in der Antwort auf die erwähnte Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Schneider vom Mai 1998 dargelegt, leitete die Staatsanwaltschaft Lüneburg im Zusammenhang mit dem CASTOR-Transport vom Mai 1996 insge

samt 568 Strafverfahren gegen bekannte Beschuldigte ein, während sich weitere 213 Verfahren gegen unbekannte Täter richteten. Bezogen auf den folgenden CASTOR-Transport vom März 1997 wurden von der Staatsanwaltschaft Lüneburg 861 Ermittlungsverfahren gegen bekannte Beschuldigte eingeleitet; gegen unbekannte Täter wurde in 162 Verfahren ermittelt.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass einigen dieser Ermittlungsverfahren Taten zugrunde lagen, die nicht an den Transporttagen selbst, also am 8. Mai 1996 und am 5. März 1997, sondern im Vorfeld der Transporte sowie im Anschluss daran begangen worden waren.

Exakte Angaben zur Dauer der in den Jahren 1996 und 1997 insgesamt gegen bekannte Beschuldigte eingeleiteten 1 429 Verfahren sowie zur Dauer der zusammen 375 Verfahren gegen unbekannte Täter wären in Ermangelung einer gesonderten statistischen Erfassung dieser Verfahren nur möglich, wenn eine Einzelauswertung sämtlicher Ermittlungsakten vorgenommen würde. Eine solche Auswertung indes ist zum einen wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit im Rahmen der Beantwortung einer Mündlichen Anfrage nicht zu leisten und wäre zum anderen mit einem unvertretbar hohen Arbeitsaufwand vor allem für die Staatsanwaltschaft Lüneburg verbunden. Diese ist insbesondere durch die zurzeit laufenden zahlreichen Ermittlungsverfahren wegen des CASTORTransports vom März 2001 ohnehin sehr stark belastet.

Festzuhalten bleibt aber Folgendes: Bereits im Mai 1998 hatten die Staatsanwaltschaft Lüneburg sowie die zuständigen Gerichte die Strafverfahren im Zusammenhang mit dem CASTOR-Transport vom Mai 1996 nahezu vollständig erledigt. Die Staatsanwaltschaft Lüneburg hatte ferner auch die Ermittlungsverfahren wegen des Transports vom März 1997 weitestgehend - bis auf einen Rest von 17 Verfahren - zum Abschluss gebracht. Die diesbezüglichen Einzelheiten, die eine sehr zügige Verfahrensbearbeitung durch Polizei und Justiz haben erkennen lassen, hat die Landesregierung bereits im Mai 1998 in ihrer Antwort auf die eingangs erwähnte Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Schneider dargelegt; auf eine wiederholende Darstellung wird deshalb an dieser Stelle verzichtet.

Inzwischen sind alle Verfahren gegen Demonstranten, die in Bezug zu den CASTOR-Transporten

vom Mai 1996 sowie vom März 1997 standen, durch die Staatsanwaltschaft Lüneburg und die zuständigen Gerichte abgeschlossen worden.

Zu Frage 2: Eine umfassende Beantwortung dieser Frage würde mangels gesonderter statistischer Erfassung der hier betroffenen Ermittlungsverfahren ebenfalls eine Einzelauswertung sämtlicher Verfahrensakten voraussetzen. Diese kann aus den bereits genannten Gründen im Rahmen der Beantwortung einer Mündlichen Anfrage nicht vorgenommen werden.

Die Landesregierung hat aber auch zur Art und Weise des Abschlusses der eingeleiteten Strafverfahren bereits im Mai 1998 in ihrer Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Schneider Stellung genommen, soweit dies damals möglich gewesen ist. Weitergehende Erkenntnisse liegen nicht vor; auf eine wiederholende Darstellung wird deshalb auch insoweit verzichtet.

Ergänzend ist zu bemerken, dass der Landesregierung keine Anhaltspunkte dafür bekannt sind, dass der Abschluss der Verfahren rechtlich zu beanstanden wäre, wobei ihr eine Bewertung gerichtlicher Entscheidungen mit Rücksicht auf die in der Verfassung verankerte Unabhängigkeit der Rechtsprechung ohnehin nicht möglich wäre.

Zu Frage 3: Bei den Gerichten sind wegen des CASTOR-Transportes vom März 2001 bislang von behördlicher Seite keine Klagen auf Zahlung von Schadenersatz anhängig gemacht worden.

Sowohl Vermögensnachteile des Landes infolge der Übernahme von Behandlungskosten für verletzte Einsatzkräfte als auch Sachschäden - z. B. an Einsatzmitteln der Polizei, Fahrzeugen, Bekleidung usw. - werden nötigenfalls klageweise geltend gemacht werden, sobald die verantwortlichen Schädiger bekannt sind. Zur Ermittlung der insoweit schadenersatzpflichtigen Personen wird gegenwärtig die vorhandene Dokumentation des Einsatzgeschehens ausgewertet. Die verfahrensrechtlichen Schritte zur Erhebung der Kosten für die polizeiliche Ingewahrsamnahme gegenüber den namentlich bekannten Personen sind eingeleitet worden. Ob weitergehende Kosten für den Polizeieinsatz geltend gemacht werden können, wird derzeit noch seitens des Niedersächsischen Innenministeriums geprüft. Auf Bundesebene wird die Berechtigung entsprechender Forderungen ebenfalls geprüft. Nach den der Landesregierung vor