Protokoll der Sitzung vom 17.09.2001

Deshalb, Herr Aller, bin ich nicht Ihrer Auffassung, dass dieser Haushalt einen wesentlichen Beitrag zur Konsolidierung leistet.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Dieser Haushalt ist keine Abkehr vom Kurs der offenen Kreditaufnahme und der versteckten Verschuldung.

Mit diesem Doppelhaushalt steigen die Landesschulden in den nächsten beiden Jahren jeden Monat um rund 300 Millionen DM. Belief sich der Schuldenstand in 1994 auf rund 45 Milliarden DM, so wird er Ende 2003 mehr als 75 Milliarden DM betragen. Ihr Hinweis darauf, ohne diese Verschuldungslast würde das Land Überschüsse erwirtschaften, ist ausdrücklich kein Beleg für eine in der Ausgaben- und Einnahmenstruktur mittlerweile ausgezeichnete Substanz des Haushalts - so haben Sie das genannt. Es ist dies aus unserer Sicht lediglich ein Beleg für die immense Belastung des Haushalts durch Zinsausgaben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mehr als sieben Jahre lang haben Sie es versäumt und hat es Ihnen an der politischen Kraft gefehlt, eine Absenkung der Nettokreditaufnahme umzusetzen. Heute fehlt es Ihnen dafür an Geld, weil die Zinsausgaben Ihnen über den Kopf wachsen. Eine Transaktion wie die Verringerung der Stammkapitaleinlage der HanBG, Aufrundungen auf der Einnahmen- und Abrundungen auf der Ausgabeseite, so genannte Schätzkorrekturen, all das ver

weist auf ein strukturelles Defizit im Landeshaushalt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, will man die Neuverschuldung senken und damit zusätzliche Zinsausgaben reduzieren, dann muss man auch über den Sinn und die Qualität von Investitionen reden. Die Landesregierung macht das; allerdings bleibt schleierhaft, warum man ungeachtet eines Investitionsstaus von 2 Milliarden DM die Krankenhausinvestitionen kürzt, den Wirtschaftsförderfonds aber neuerlich aufstockt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Fehlleistungen in der Wirtschaftsförderung des Landes, vom Sican-Projekt über das Technologiezentrum Nord bis hin zur Infrastrukturförderung und den betrieblichen Zuwendungen, sind beispiellos. Diese Fehlleistungen wurden jüngst erst noch einmal belegt durch den Jahresbericht des Landesrechnungshofs. Jeder zweite Fall von Wirtschaftsförderung in Niedersachsen ist fehlerhaft. Die Firmen verstoßen gegen Auflagen, geben das Geld für andere als die angegebenen Zwecke aus, und den Prüfern des Landes fallen die Missstände in der Regel gar nicht auf, weil es keine Erfolgskontrolle gibt.

Herr Kollege Golibrzuch, eine Sekunde bitte! – Ich bin sicher, dass Sie da gerade ein interessantes Gespräch führen. Aber Sie sollten es doch draußen führen und nicht während der Haushaltsdebatte! – Bitte schön!

Herr Präsident! Auf einen solchen Bericht des Rechnungshofs und die darin aufgezeigten Missstände kann es nur eine logische Reaktion geben, nämlich eine Vollerhebung und damit eine Verwendungsprüfung aller ausgekehrten Fördermittel. Dort, wo Missstände nachgewiesen werden, muss eine Rückzahlung der ausgekehrten Mittel an das Land durchgesetzt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Finanzminister, Sie betonen, mit zwei Stellenabbauprogrammen den Personalbestand des Landes deutlich reduziert zu haben. Das ist so

nicht richtig; denn Ihre eigene mittelfristige Finanzplanung weist aus, dass es in 1998 weniger Stellen gab, als es in 2003 geben wird. Es werden in der Summe - einschließlich der neuen Stellen, die im Wahlkampf bewilligt wurden - fast 1 500 Stellen mehr sein. Wir müssen dabei auch überhaupt nicht über die zusätzlichen Lehrerstellen streiten. Wir haben diese Stellen immer gewollt, aber wir haben auch immer gesagt, dass sie durch zusätzliche Einsparungen an anderer Stelle gegenfinanziert werden müssen. Genau das haben Sie versäumt.

Die neuen Lehrerstellen sind zu wenige, und sie kommen zu spät; denn die einmal ausgefallenen Stunden lassen sich nicht nachholen.

Frau Jürgens-Pieper, ich will an dieser Stelle einen Satz zu Ihrem Umgang mit Protesten gegen die niedrige Unterrichtsversorgung im Land sagen. Ich halte es für völlig unangemessen, kritischen Schulleitern Disziplinarverfahren anzudrohen oder da, wo Elternratsvorsitzende protestieren, die Schulen dazu zu zwingen, Statistiken über die Unterrichtsversorgung über mehrere Jahre hinweg aufzuarbeiten. Ich würde Ihnen dringend einen anderen Umgang mit Protesten anempfehlen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Uns missfällt auch die Verteilung der neuen Stellen. Ich glaube nicht, dass 200 zusätzliche Lehrer ausreichen werden, den gewaltigen Einbruch in der Unterrichtsversorgung gerade bei Haupt- und Realschulen aufzufangen. Diese Schulformen sind zuletzt systematisch vernachlässigt worden, manche behaupten, um einer von den meisten Niedersachsen abgelehnten Schulreform des Ministerpräsidenten den Weg zu ebnen, einer Schulreform, die ja mittlerweile schrittweise zu den Akten gelegt worden ist.

Wir sind ebenfalls nicht einverstanden, wenn der Ausbau von Ganztagsangeboten vor allem auf die neue kooperative Haupt- und Realschule konzentriert werden soll. Wir wollen Ganztagsangebote für alle Schulformen. Wir wollen sie deutlich schneller als diese Landesregierung und schlagen dafür zusätzliche Einsparungen vor.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir wollen die Zusammenarbeit der so genannten Nordländer, also der norddeutschen Bundesländer, ausbauen. Nach unserer Vorstellung sollten hier Einkaufsgemein

schaften, z. B. für den gemeinsamen Einkauf von Telekommunikationsleistungen, gebildet werden. Um Personalkosten zu sparen, schlagen wir vor, über die Zusammenlegung geeigneter Landesämter nachzudenken. In einem ersten Schritt könnten z. B. die Statistischen Landesämter fusioniert werden. Das macht Sinn aufgrund der auch heute schon engen Zusammenarbeit dieser Behörden, und das hilft auch sehr bei der Kosteneinsparung. Wenn man sich die Altersstruktur dieser Behörde anschaut, ist hier leicht ein zweistelliger Millionenbetrag zu erwirtschaften.

Angesichts steigender Beihilfeaufwendungen wollen wir die Arztrechnungen von Landesbediensteten künftig durch eine zentrale Abrechnungskontrolle überprüfen lassen. Es ist ja mittlerweile gängige ärztliche Praxis, nicht nur den nach der Gebührenordnung für Ärzte höchstmöglichen Satz generell bei der Abrechnung zugrunde zu legen, sondern auch, mit einer lapidaren Begründung deutlich über diese zulässigen Höchstsätze hinauszugehen. Mindestens das 3,5-Fache ist mittlerweile der übliche Gebührensatz. Ich meine, dass man das in dieser Form nicht hinnehmen kann. Angesichts eines Anstiegs der Beihilfeausgaben innerhalb von zehn Jahren um rund 70 % halte ich die Einrichtung einer solchen Kontrollstelle, ein gemeinsames Vorgehen von Privatversicherungen und Land, wirklich für äußerst dringlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In unvertretbarem Maße verbessert worden ist in den letzten Jahren der Stellenkegel in der Staatskanzlei. Wir glauben, dass aufgrund dieser Entwicklung mit einer Kürzung des Beschäftigungsvolumens alle frei werdenden Stellen dort in den nächsten Jahren eingespart werden sollten, ebenso wie die Imagekampagne des Landes. Und ich glaube, dass auch Kürzungen bei der Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung möglich sind.

Im Unterschied zur Landesregierung sehen wir auch keinen Bedarf mehr für Bezirksregierungen in den Bereichen Hannover und Braunschweig, weil sich hier handlungsfähige Regionen herausbilden. Wir wollen das möglichst rasch auch für die Regierungsbezirke Weser-Ems und Lüneburg erreichen. Und wir wollen auch – das wissen Sie – eine Kabinettsverkleinerung durchsetzen, weil der Ministerpräsident hier im Wort steht und weil wir meinen, dass er bei Einsparungen mit gutem Beispiel vorangehen sollte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, um zusätzliche Bildungsausgaben zu finanzieren, sind auch die vom Land gehaltenen Unternehmensbeteiligungen nutzbar zu machen. Wir denken hier nicht an Veräußerungen, sondern wollen vielmehr erreichen, dass eine Zweckbindung eines Teils der aus Aktienpaketen und Genussscheinen resultierenden Erträge erfolgt. Wir wollen deswegen einen Teil des bisher in der HanBG gehaltenen Landesvermögens in eine öffentlich-rechtliche Stiftung zur Förderung der niedersächsischen Bildungslandschaft überführen. Wir wollen damit neue Schwerpunkte und Projekte in den niedersächsischen Schulen und Hochschulen unterstützen, und wir wollen gleichzeitig vermeiden, dass die HanBG in die Gewinnzone kommt und damit steuerpflichtig wird. Wir halten dieses Stiftungsmodell in jeder Hinsicht für die bessere Alternative als die von Ihnen vorgeschlagene Reduzierung des Stammkapitals der HanBG und der damit verbundenen Kreditaufnahme.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, um zusätzliche Stellen in der Bildungspolitik gegenfinanzieren zu können, braucht man so etwas wie eine akribische Aufgabenkritik. Leider ist diese Variante der Verwaltungsreform mit dem Ausscheiden Wolfgang Meyerdings als Staatsmodernisierer praktisch eingestellt worden. Wir sind ganz sicher, dass man die in den früheren StÄWAs, also den Staatlichen Ämtern für Wasser und Abfall, geführten Wasserbücher in dieser Form nicht mehr braucht. Wir sind ganz sicher, dass man zwei landeseigene oder mit Landesbeteiligung geführte Eisenbahngesellschaften wie die OHE und die EVB in dieser Form nicht weiterführen kann. Und wir sind auch ganz sicher, dass die Dienstpostenbewertung in der Ministerialverwaltung nicht angemessen ist, weil selbst geringste Leitungsspannen dort außerordentlich hoch dotiert sind.

Wie groß die Versäumnisse der Landesregierung auf diesem Gebiet sind, macht, glaube ich, das Beispiel der so genannten Assistenzdienste im Polizeivollzugsdienst deutlich. Niedersachsen hat die geringste Polizeidichte aller westdeutschen Flächenländer; das ist wahr. Wahr ist aber auch, dass die rot-grüne Landesregierung vor rund zehn Jahren im Einvernehmen mit der Gewerkschaft der Polizei beschlossen hatte, die zweigeteilte Laufbahn einzuführen. 1995 hat man – wiederum in

Abstimmung mit den Berufsverbänden – entschieden, dass aufgrund der Haushaltssituation an der zweigeteilten Laufbahn zwar festgehalten werden soll, dass aber gleichzeitig eine Gegenfinanzierung aus dem Polizeihaushalt durch Streichung von jährlich 78 Stellen erfolgen soll.

Ich habe Verständnis dafür, dass die GdP heute zusätzliches Personal fordert. Der Polizeidienst ist ganz sicher schwieriger geworden. Die Anforderungen an den einzelnen Beamten sind höher als vor zehn Jahren. Ich meine, man muss als Beleg dafür ausdrücklich nicht die Ereignisse der vergangenen Woche bemühen. Es ist das Versäumnis der Landesregierung, dass sie diesen Zeitraum, also diese zehn Jahre seit Beginn der Einführung der zweigeteilten Laufbahn, nicht genutzt hat, um die Wirtschaftlichkeit des Polizeibetriebs und seiner Assistenzdienste entscheidend zu verbessern. Es gibt im Land 314 Fahrer im Polizeidienst, die höhere Polizeibeamte durch das Land kutschieren. Es gibt 358 Mitarbeiter, die Polizeiwagen warten oder Funkgeräte reparieren. Es gibt allein 30 angestellte Tischler, die dem niedersächsischen Polizeiapparat zu Diensten stehen. Der Landesrechnungshof hat ja in Mark und Pfennig ausgerechnet, was das kostet. Er hat errechnet, dass ein Schwarzweißfotoabzug aus einem polizeieigenen Labor mit 30 DM und ein einfaches Mittagessen in einer niedersächsischen Polizeikantine mit 42 DM zu Buche schlagen.

Mehr als zehn Jahre lang hat es die Landesregierung, hat es das Innenministerium versäumt, hier zu wirklich durchgreifenden Einsparungen, zu Änderungen zu kommen. Stattdessen bewilligen Sie mitten im Kommunalwahlkampf 500 neue Stellen für den Polizeidienst. Damit offenbaren Sie Konzeptionslosigkeit. Denn entweder sind diese Stellen nicht notwendig - dann aber hätte man sie im Kommunalwahlkampf auch nicht bewilligen dürfen - oder aber sie sind notwendig, dann aber hätten sie nie gestrichen werden dürfen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Aller, Ihr Reden von der notwendigen Konsolidierung des Landeshaushalts ist unglaubwürdig, weil Ihnen gerade im Wahlkampf das Geld allzu locker sitzt. Es ist unglaubwürdig, weil Sie auf zusätzliche Stellenwünsche und auf zusätzliche Ausgabeforderungen der Ressorts eben nicht in ausreichendem Maße mit Einsparungen an anderer Stelle reagiert haben. Aus diesen Gründen ist Ihre Haushaltspolitik im Ergebnis unbezahlbar.

Das gilt umso mehr, als Sie auch die Steuerverwaltung und damit die Einnahmeverwaltung des Landes in sträflicher Weise vernachlässigen. Schon heute ist Niedersachsen bei den Betriebsprüfungen bei Mittel- und Großbetrieben im Ländervergleich nahezu Schlusslicht. Hiervon profitieren vor allem die finanzstarken Konzerne im Großraum Hannover; in dieser Region sind besonders viele Stellen von Betriebsprüfern vakant. Aus diesem Grund gilt Niedersachsen in der Szene mittlerweile als Steueroase; jedenfalls schöpft es seine Einnahmemöglichkeiten bei weitem nicht aus.

Das belegt auch das in den Finanzämtern aufgelaufene Vollstreckungsdefizit von immerhin noch 1,8 Milliarden DM. Der Innendienst der Steuerverwaltung ist überlastet. Das kostet das Land bares Geld. Nach Abzug nicht eintreibbarer Forderungen und unter Berücksichtigung des Länderfinanzausgleichs sind es immerhin noch 50 Millionen DM, die hier leichtfertig verschenkt werden und die an anderer Stelle im Landeshaushalt gekürzt werden müssen. Das ist für uns unter keinen Umständen akzeptabel.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Ministerpräsident Gabriel hat seine erste Regierungserklärung mit der Überschrift „Mehr Politik wagen“ versehen. Dieser Haushaltsplanentwurf hingegen mahnt zu größerer Bescheidenheit, vielleicht auch hinsichtlich der Vorbilder, derer man sich mit solchen sprachlichen Anleihen bedient. Mehr Politik zu wagen würde für diesen Haushalt bedeuten, sich weniger Neuverschuldung zuzutrauen. Gemessen an dieser Vorgabe ist Sigmar Gabriel von seinen eigenen Maßstäben noch weit entfernt.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Debatte.

Wir treten in die Mittagspause ein und sehen uns um 14.30 Uhr wieder.

Unterbrechung: 13.04 Uhr.

Wiederbeginn: 14.31 Uhr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir nehmen die Beratungen wieder auf.

Ich muss zunächst auf die Tagesordnungspunkte 1 und 2 zurückkommen, die wir heute morgen behandelt haben. Der Kollege Gansäuer hat verabsäumt, die Ausschussüberweisungen vornehmen zu lassen, sodass wir nicht in die Beratung des Haushaltsplanentwurfs eintreten können. Ich halte Sie für damit einverstanden, dass wir das jetzt nachholen.

Ich schlage vor, dass wir den Haushaltsplanentwurf 2002/2003 zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen und zur Mitberatung an alle Fachausschüsse überweisen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist so beschlossen.

Das Haushaltsbegleitgesetz soll zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen und zur Mitberatung an die Ausschüsse für Rechts- und Verfassungsfragen, für Sozial- und Gesundheitswesen, für Wissenschaft und Kultur, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, für innere Verwaltung, für Umweltfragen sowie - über die Empfehlung des Ältestenrates hinaus - für Verwaltungsreform und öffentliches Dienstrecht überwiesen werden. Wer dem so beitreten möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist ebenfalls so beschlossen.