Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle wissen - Herr Dr. Biester hat es gerade betont -: Sehr viele jungen Menschen beginnen mit dem Jurastudium. Wir alle wissen aber auch: Viele dieser Menschen beenden das Studium nicht mit einer Prüfung. Wir wissen zudem, dass sich viele von denen, die sich zur Prüfung melden, diese nicht bestehen, zurzeit Jahr für Jahr etwa 25 % der Prüflinge.
Die Gründe für diese Werte sind bekannt. Nicht nur die Juristen in diesem Haus wissen, dass die Studierenden gerade im Jurastudium oft nicht rechtzeitig ihre eigenen Leistungen überprüfen können und an den Universitäten oft nicht das vermittelt bekommen - jedenfalls nicht in der Form, die sie benötigen -, was später im Staatsexamen an Wissen gefragt ist. Das wird u. a. an dem ständigen Erfolg der Repetitorien bestätigt, die wir selber aus dem Studium sicherlich kennen. Kurzum: Die Juristenausbildung ist reformbedürftig. Darüber sind wir uns alle einig, nach meinen bisherigen Eindrücken in den Ausschussberatungen fraktionsübergreifend.
Meine Damen und Herren, deshalb begrüßt meine Fraktion auch die Initiative zur Reform der Juristenausbildung, die derzeit im Rechtsausschuss des Bundesrates beraten wird. Diese Reform wird umfassend sein und auch dafür sorgen, dass Juristinnen und Juristen besser und gezielter auf die Anforderungen des juristischen Arbeitsmarktes vorbe
reitet werden. Die Umsetzung dieser Reform wird sicherlich auch noch Gelegenheit zum Austausch in diesem Haus geben - jedenfalls gehe ich davon aus.
Meine Damen und Herren, der heute vorliegende Regierungsentwurf zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausbildung der Juristinnen und Juristen sieht zwei Veränderungen vor: erstens die Einführung einer effizienten Zwischenprüfung bis spätestens nach Ablauf des vierten Semesters und zweitens die Einführung des Schwerpunktbereiches Europarecht.
Durch die Einführung einer Zwischenprüfung soll erreicht werden, dass die Studierenden der Rechtswissenschaften früher und intensiver über die Leistungsanforderungen, aber auch über die eigenen Fähigkeiten in Kenntnis gesetzt werden. Sie sollen früher als bisher nicht nur mit dem Stoff, sondern auch mit der Intensität des Geforderten und mit der Methodik vertraut gemacht werden, die sie später brauchen werden. Es ist nicht nur im Interesse einer Verringerung der Zahl der Studierenden, sondern auch im Interesse der Studierenden selbst, wenn sie nicht erst nach acht, zehn, zwölf oder manchmal sogar noch mehr Semestern die Erfahrung machen müssen, nach vielen Jahren Lebenszeit ohne Hochschulabschluss dazustehen. Von daher ist für meine Fraktion die Einführung der Zwischenprüfung nicht primär ein Schritt, um die Zahl der Studenten zu verringern. Vielmehr ist sie ein wichtiger Schritt dahin, vielen Studierenden der Rechtswissenschaften frühzeitig ein Bild über ihre individuellen Erfolgschancen im Studium zu geben und ihnen so eventuell eine große oder gar den ganzen Lebenslauf entscheidende Enttäuschung nach vielen Jahren zu ersparen.
Meine Damen und Herren, die Einführung des Schwerpunktbereiches Europarecht erklärt sich fast von allein. Die europarechtlichen Rechtskenntnisse gewinnen in Zeiten zunehmender Europäisierung des Rechtsraums immer mehr an Bedeutung. Viele Studierende der Rechtswissenschaft machen schon während der Ausbildung und vor allem auch während des Referendariats von der Möglichkeit Gebrauch, Stationen im europäischen Ausland zu verbringen. Mit der nunmehr eingeführten Änderung erhalten diese Referendarinnen und Referendare auch die Möglichkeit, Europarecht als Schwerpunktbereich der Zweiten Staatsprüfung zu wählen mit der Folge, dass sie z. B. aus diesem Bereich ihren Aktenvortrag halten können, der immerhin mit einem Anteil von 12 % in das Ge
samtergebnis des Staatsexamens eingeht. Hiermit wird der Tatsache begegnet, dass europarechtliche Qualifikation zwar überall begrüßt und gefördert wird, eine entsprechende Qualifizierungsphase während des Referendariats bisher aber nicht entsprechenden Niederschlag in den Examensnoten finden konnte.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion ist sich darüber im Klaren, dass diese beiden Schritte des Entwurfs im Vergleich zu den noch anstehenden Änderungen auf Bundesebene nur kleine Schritte sind. Wir halten es aber für so notwendig und wichtig, dass wir sie jetzt unternehmen. Wir als Landesgesetzgeber haben darüber hinaus die Verantwortung, bereits jetzt das umzusetzen, was heute schon möglich ist. In diesem Sinne befürwortet meine Fraktion den vorliegenden Vorschlag und bittet entsprechend den Beratungen im Rechtsausschuss auch die anderen Fraktionen - es ist ja schon signalisiert worden - um ihre Zustimmung. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf sieht kleine richtige Änderungen in der Juristenausbildung vor, die wir unterstützen. Es ist in der Tat schade, wenn jemand erst nach jahrelangem Studium feststellt, dass er das falsche Fach gewählt hat. Es ist nicht nur schade um die verlorene Lebens- und Ausbildungszeit des Betroffenen, sondern es ist auch schade um die vergebens aufgewendeten personellen und sächlichen Ressourcen der Hochschule. Eine Zwischenprüfung, mit der möglichst frühzeitig geklärt wird, ob sich das rechtswissenschaftliche Studium für den Studenten/die Studentin eignet, ist deshalb auch nach unserer Auffassung ein richtiger Schritt.
Leider - das ist ein kleiner Schönheitsfehler - ist im Entwurf versäumt worden, den juristischen Fakultäten verbindlich vorzuschreiben, dass ihre Zwischenprüfungen nach dem Credit-point-System zu geschehen haben. Die Gründe dafür sind eher zeitlicher Art. Das Gesetz soll ja schon zum kommenden Wintersemester in Kraft treten. Wir haben hier aber schon eine fehlende Kohärenz mit dem allge
meinen Hochschulrecht, das ja, soweit es bisher diskutiert worden ist, für den gesamten Hochschulbereich die Einführung von Credit-pointSystemen mit Wirkung ab 1. Januar 2005 vorsieht. Wir werden zunächst einmal die Entwicklung in den nächsten Monaten abwarten müssen. Wenn sich zeigen sollte, dass da noch Nachbesserungsbedarf besteht, wird es meiner Meinung nach noch genug Gelegenheit geben, eine Rechtseinheitlichkeit auch mit dem allgemeinen Hochschulrecht vorzusehen und notfalls auch den juristischen Fakultäten vorzuschreiben, dass die Zwischenprüfungen nach dem Credit-point-System zu geschehen haben.
Es ist schon mehrfach angesprochen worden: Was wir hier haben, ist nicht die große notwendige Reform, sondern es ist mehr ein kleines Reförmchen. An der Notwendigkeit einer grundlegenden, umfassenden Reform der Ausbildung künftiger Juristinnen und Juristen hat sich nichts geändert. Die wesentlichen Stichworte sind die fehlende Berufsvorbereitung für Berufe außerhalb der klassischen Justizberufe. Es ist generell die starke Orientierung auf die Justiz, obwohl eine Vielzahl - man sagt: 80 bis 90 % - der Absolventen niemals in der Justiz arbeiten werden. Es ist die fehlende Praxisorientierung. Das sind die Mängel in der Einbeziehung der Nachbarwissenschaften wie insbesondere der Sozialwissenschaften. Es sind das leidige Repetitorunwesen und vieles andere mehr. Ich kann mich entsinnen: Als ich vor einem Vierteljahrhundert das juristische Studium begonnen habe, gab es eine breite Reformdiskussion. Es gab auch Reformmodelle. Ich hoffe, dass es nicht noch ein Vierteljahrhundert dauern wird, bis Ergebnisse zu sehen sein werden. Warten wir es mal ab. - Schönen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die wesentlichen Argumente, die für die Annahme dieses Gesetzentwurfs sprechen, sind bereits vorgetragen worden. Ich möchte deshalb nur zwei ergänzende Aspekte nennen und im Übrigen ausdrücklich den skeptischen Anmerkungen zustimmen, die Sie, Herr Abgeordneter Biester, und Sie, Herr Abgeordneter Schröder, vorgetragen haben,
ob denn die Zwischenprüfung den angestrebten Effekt wird erzielen können, ohne dass wir sie an das Credit-point-System anbinden. Wir werden das mit Aufmerksamkeit verfolgen und gegebenenfalls nachbessern müssen. Zunächst einmal werden wir mit den Fakultäten im Wege des Dialogs darüber sprechen und ihnen verdeutlichen, wie ernst es uns mit diesem Gesetzentwurf bzw. dem Gesetz, das dann erlassen sein wird, ist. Wir hoffen, dass wir das in der Intention umsetzen, die wir hiermit verfolgen.
Der eine Gesichtspunkt, den ich ergänzend vortragen möchte, war bestimmt nicht handlungsleitend, aber auch für den Arbeitsmarkt kann man von dem Gesetz regulierende positive Effekte erwarten; denn der Anwaltsberuf ist in den letzten Jahren sprichwörtlich überlaufen. Längst nicht für alle Absolventinnen und Absolventen erfüllen sich die Hoffnungen - wenn sie Anwalt werden - auf eine gesicherte Existenz. Von daher könnte ja ein durchaus erfreulicher Nebeneffekt einer ernstgenommenen und gründlich durchgeführten Zwischenprüfung der sein, dass wir eine geringere Zahl von nachwachsenden Anwälten bekommen.
Ferner kommen wir durch die Einführung der Zwischenprüfung in der Zuständigkeit der Universitäten der allseits für gut befundenen Maxime „Wer lehrt, prüft“ einen entscheidenden Schritt näher; mit entsprechender Rückkoppelung. Ich gehe davon aus, dass die Lehrqualität und auch die Normwerte an den juristischen Fakultäten und Fachbereichen von einer Fokussierung auf die wirklich geeigneten und begabten Studenten profitieren werden.
Auch zum Europarecht sind die wesentlichen Argumente vorgetragen worden, dass das nun wirklich eine überfällige Reform ist. Auch insoweit kann ich nichts Neues vortragen.
Ich will lediglich noch sagen, dass wir abzuwägen hatten, ob wir nicht abwarten sollten, bis der Bund mit seiner eigenen Gesetzgebung so weit ist. Wir sind nach dem Motto verfahren: Als richtig und wichtig Erkanntes muss schnellstmöglich umgesetzt werden. - Wir haben deshalb sofort reagiert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf und danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren, ich schließe die allgemeine Beratung. - Wir kommen nun - dazu erbitte ich Ihre Aufmerksamkeit - zur Einzelberatung.
Zu Artikel 1 liegt eine Änderungsempfehlung des Ausschusses vor. Ich bitte Sie um Ihr Handzeichen, wenn Sie damit einverstanden sind. - Ich frage nach Gegenstimmen. - Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, dass das einstimmig so beschlossen ist.
Ich bitte all diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Schlussabstimmung ihre Zustimmung geben wollen, sich zu erheben. - Ich sehe, dass das einstimmig geschehen ist.
Tagesordnungspunkt 7: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes über die Unterbringung besonders rückfallgefährdeter Straftäter (Straftäterunterbringungsgesetz - StrUbG -) - Gesetzentwurf der Fraktion der CDU – Drs. 14/2655
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Stellen Sie sich folgenden Fall vor: Ein Sexualstraftäter wird zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Es wird eine Therapie angeordnet. Während des Gerichtsverfahrens ist nicht ersichtlich, dass er besonders rückfallgefährdet ist. Er kommt in Haft, ist zunächst völlig unauffällig, aber nach einiger Zeit verweigert er die Therapie, ist extrem aggressiv und droht sogar damit, dass er sich nach Verbüßen der Haftstrafe rächen will. Dies ist kein theoretischer Fall, sondern ein Fall, wie er in Deutschland leider schon einige Male eingetreten ist.
Der Anstaltsleiter hat die Behörden - die Staatsanwaltschaft und die Polizei - über diese Sachlage informiert, aber alle können nur eine Auskunft
geben: Die derzeitige Gesetzeslage lässt nichts anderes zu, als den Inhaftierten nach Haftverbüßung freizulassen. Dabei ist es leider aber auch passiert, dass er kurze Zeit nach seiner Entlassung rückfällig geworden ist und weitere Vergewaltigungen stattgefunden haben.
Meine Damen und Herren, auch in Niedersachsen ist in den Sommermonaten ein solcher Fall in den Zeitungen diskutiert worden. Der Name Radtke wird Ihnen noch in Erinnerung sei. Ein mehrfach verurteilter Sexualstraftäter ist in der Haft auffällig gewesen - zumindest wissen wir das aus den uns vorliegenden Veröffentlichungen -, musste freigelassen werden und hat wenige Tage nach seiner Freilassung eine Vergewaltigung versucht. Wir können froh sein, dass es die Polizei so schnell geschafft hat, diesen Täter wieder hinter Schloss und Riegel zu bringen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier gibt es eine Gesetzeslücke. Nach dem Strafgesetzbuch kann einem Sexualstraftäter, einem Schwerverbrecher, nur in dem Gerichtsverfahren im Rahmen des Urteils Sicherungsverwahrung auferlegt werden. Eine nachträgliche Sicherungsverwahrung sieht das Strafgesetzbuch nicht vor.
Diese Sicherheitslücke ist seit vielen Jahren bekannt. Ich finde es sehr bedenklich, dass es uns in den letzten Jahren nicht gelungen ist, sie zu schließen.
Das Land Baden-Württemberg hat 1998, nach einem aktuellen Fall, eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel gestartet, eine bundeseinheitliche Regelung zu finden. Das wäre genau der richtige Weg gewesen.
Aber was ist passiert? - Es sind Rechtsgutachten in Auftrag gegeben worden, verfassungsrechtliche Diskussionen haben stattgefunden. Drei Jahre nach der Einbringung hat die SPD-Mehrheit im Bundesrat eine solche bundeseinheitliche Regelung abgelehnt. Das können wir beim besten Willen nicht verstehen.
Meine Damen und Herren, ich bin seit vier Jahren im Innenausschuss. Wir mussten uns dort in nicht öffentlicher Sitzung schon zwei Fälle schildern lassen, in denen junge Mädchen vergewaltigt worden sind. Wenn man sich vorstellt, mit welcher Brutalität dort vorgegangen worden ist und was das insgesamt bedeutet, dann kann man nicht ver
Das Bundesjustizministerium hat die Auffassung vertreten, dass es sich hierbei nicht um eine Bundesangelegenheit handelt. Wenn ein Häftling nach der Verurteilung auffällig würde, hätte dies nichts mehr mit der Anlasstat zu tun, sondern es läge eine akute Gefährdung vor. Deshalb wären die Länder in der Pflicht, etwas zu tun, und zwar nach dem Gefahrenabwehrgesetz. Diese Auffassung ist in der rechtswissenschaftlichen Literatur, unter anderem von dem Richter Päglau, bestätigt worden.
Folgerichtig hat das Land Baden-Württemberg im Februar dieses Jahres ein Gesetz verabschiedet, nach dem die nachträgliche Sicherungsverwahrung möglich ist. Ich meine, dass wir aufgefordert sind, genau diese Regelung so schnell wie möglich auch in Niedersachsen Gesetz werden zu lassen, um wirklich eine Prävention und vor allen Dingen einen hundertprozentigen Opferschutz zu gewährleisten.
Worum geht es? Wie soll das Verfahren aussehen? - Meine Damen und Herren, Voraussetzung für die nachträgliche Sicherungsverwahrung ist, dass von dem Straftäter - ich zitiere aus unserem Gesetzentwurf - eine erhebliche gegenwärtige Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung anderer ausgeht. In diesem Fall soll der Leiter der Justizvollzugsanstalt die Möglichkeit haben, bei der Strafvollstreckungskammer einen Antrag auf nachträgliche Sicherungsverwahrung zu stellen.
Danach soll genau das stattfinden, was im normalen Gerichtsverfahren auch üblich ist: Zunächst einmal müssen zwei Gutachten erstellt werden, in denen genau nachgewiesen wird, dass auch tatsächlich eine akute Gefährdung vorliegt. Selbstverständlich ist dem Beschuldigten ein Verteidiger zur Seite zu stellen. Außerdem ist es sogar möglich, noch ein drittes Gutachten in Auftrag zu geben, um wirklich Sicherheit zu haben.
Auf diesem Weg soll das Gericht eine nachträgliche Sicherungsverwahrung anordnen können: befristet, aber auch - das will ich deutlich sagen unbefristet, wenn es denn tatsächlich notwendig ist.