Protokoll der Sitzung vom 17.09.2001

(Anhaltende Unruhe - Glocke des Präsidenten)

überhaupt nicht helfen, Strukturprobleme unseres Schulsystems zu lösen. Mit Ihren Vorschlägen kommt man nur in die 50er-Jahre zurück. Das war

auch einheitliche Meinung der Mehrheit der Experten in der Anhörung. Die Anhörung hat das bestätigt, was auch ich meine. Ihre so genannte Qualitätsoberstufe ist ein Zurück in die Vergangenheit. Bei Ihnen findet ein Abbau von Leistung und Qualität statt. Deswegen werden wir hier diesen Antrag genau so ablehnen wie im Kultusausschuss. Wir machen Zukunft mit den Vorstellungen möglich, die wir vorhaben. - Danke.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, im Gegensatz zu anderen wollte ich den Redner nicht unterbrechen. Aber ich bitte darum, dass wir etwas mehr Ruhe einkehren lassen, auch wenn das Haus jetzt besser besetzt ist als vorher. - Das Wort hat Frau Kultusministerin Jürgens-Pieper.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, Sie sind deshalb so aufgeregt, weil Ihnen längst selber deutlich geworden ist, dass Ihr Entschließungsantrag bei fast niemandem in der Anhörung und in der Diskussion, die wir erlebt haben, auf Zustimmung gestoßen ist. Selbst der Philologenverband hat an einigen Stellen Probleme. Es will schon etwas heißen, wenn Sie nicht einmal mit dem mehr Hand in Hand gehen. Von daher, so meine ich, haben wir es hier mit einer Entschließung zu tun, die jetzt abzuarbeiten ist.

Ich will ganz deutlich sagen: Wir haben in der Bildungsoffensive deutlich gemacht, dass wir künftig die Bildungswege der Schülerinnen und Schüler individualisieren wollen und dass wir ein Abitur in zwei Geschwindigkeiten haben wollen.

(Zuruf: Wer will das denn haben?)

Ich möchte dazu keine ideologische Diskussion führen. Es zeigt sich in den östlichen Bundesländern, dass man ein Abitur durchaus auch in zwölf Jahren machen kann. In den westlichen Bundesländern haben wir eine andere Tradition, und es zeigt sich dort, dass man das auch in 13 Jahren machen kann. Sie sollten sich einmal mit denen unterhalten, die davon betroffen sind, nämlich den Schülerinnen und Schülern. Die halten im Augenblick überhaupt nichts von dieser Diskussion über zwölf Jahre. Das ist mir in dieser Diskussion ganz deutlich geworden.

Wir sollten einen Weg gehen, der sinnvoll ist und der vor allem nicht dazu führt, dass wir die Abiturquote in Niedersachsen senken. Das wäre der Effekt, den wir dadurch erreichen, wenn wir jetzt in diesem Fall einen Schnellschuss machen.

(Beifall bei der SPD)

Mit den Entscheidungen zur Dauer der Schulzeit bis zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife soll vor allem gesichert werden, wie gesagt, dass wir nicht weniger,

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

sondern mehr Schülerinnen und Schüler zur Fachhochschulreife und zur Hochschulreife führen. Ziel der Landesregierung ist also nicht die Senkung der Abiturquote.

Darüber sollten auch Sie sich Gedanken machen. Nach Prognosen der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit wird sich der Qualifizierungsbedarf bis 2010 auf dem Arbeitsmarkt massiv verändern. Die einfachen Tätigkeiten - hören Sie bitte zu! - gehen von derzeit ca. 27 % auf rund 15 % zurück,

(Wulff [Osnabrück] (CDU): Wir wollen ja gar nicht weniger Abitur!)

die mittelqualifizierten Tätigkeiten bleiben etwa bei 43 % bis 45 %, und die höherqualifizierten Tätigkeiten nehmen von derzeit 28 % auf 40 % zu. Das muss uns umtreiben.

Die Landesregierung hat bereits Schritte unternommen, die Quote zur Berechtigung für ein Studium an einer Hochschule oder Fachhochschule zu steigern, lag sie doch 1985 bei 31 % und 1999 bei 36 % eines Altersjahrgangs. Davon erwerben in Niedersachsen etwa 26 % eines Jahrgangs die allgemeine Hochschulreife und 10 % die allgemeine Fachhochschulreife. Das heißt also, wir sind durchaus in der Studienberechtigtenquote mit 36 % auch im Ländervergleich ganz ordentlich. So liegen beispielsweise die Länder Baden-Württemberg, Berlin oder Thüringen ebenfalls bei dieser Quote. Die Länder Bayern, Sachsen oder SchleswigHolstein weisen eine niedrigere Quote auf.

Wenn man aber der Prognose der Bundesanstalt Glauben schenken will, besteht in Niedersachsen in Bezug auf die reine Abiturientenquote noch Nachholbedarf. Das habe ich in den bildungspolitischen Diskussionen immer deutlich gemacht.

Die Erhöhung der Abiturquote wird eines der wichtigsten Ziele der Schulstrukturreform sein. Wie Sie wissen, gibt es in Teilen des Landes bislang zu wenig Möglichkeiten für Schülerinnen und Schüler, ein gymnasiales Angebot zu erreichen. Ich gehe davon aus, dass uns die Untersuchung durch das Deutsche Institut für internationale pädagogische Forschung dies noch einmal vor Augen führen wird. Es gibt in Niedersachsen in der Fläche zu wenig Angebote an Gymnasien und auch zu wenig gymnasiale Angebote an Gesamtschulen.

Es geht nicht um ein Absenken der Qualitätsstandards, sondern es geht in der Tat um Bildungschancen in der Fläche. Darin müssten sich alle Fraktionen eigentlich einig sein.

Die Abiturquote in Niedersachsen wird jedoch sicherlich nicht dadurch gesteigert, dass die Oberstufe in der von Ihnen beabsichtigten Form verändert wird. Ich will nur zwei Ablehnungsgründe nennen; alles andere ist bereits gesagt worden.

Sie betreiben keinen Qualitätsaufbau, sondern –abbau, indem Sie Stundenansätze und Lernzeiten für alle Schülerinnen und Schüler schlichtweg streichen. Mit Ihrer Qualitätsoberstufe gefährden Sie die bundesweite Anerkennung des Abiturs.

In der bisherigen Diskussion sowie in der Anhörung ist deutlich geworden, dass es Ihnen nicht um eine vertiefte Allgemeinbildung und nicht um musisch-künstlerische, politische oder religiös-ethische Schwerpunkte geht, sondern dass Sie alle Schülerinnen und Schüler auf eine bestimmte Fächerkombination lenken wollen. Ich glaube nicht, dass das eine moderne Antwort auf das ist, was in der nächsten Zeit an Erfordernissen an den Universitäten bestehen wird.

Ich empfehle deshalb dringend, diesen Antrag abzulehnen.

(Vizepräsidentin Litfin übernimmt den Vorsitz)

Abschließend noch ein Wort zum Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wir sollten prüfen, ob in Bezug auf den Antrag Gemeinsamkeiten bestehen. Mit Versuchsschulen ist der Problematik sicherlich nicht beizukommen. Versuchsschulen haben den Nachteil, dass an wenigen Stellen etwas ausprobiert wird. Ich glaube, es besteht eine Diskussionsnotwendigkeit in Richtung Profilierung der Oberstufen zu mehr Verbindlichkeit und zu mehr inhaltlicher, fächerübergreifender

Arbeit, verbunden mit hohen Qualitätsstandards, die eingehalten werden sollten.

Wenn wir dem Vorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der derzeit vorliegenden Form folgten, hätte ich Sorgen, dass wir in der KMK keine Anerkennung für dieses Abitur erreichen könnten, weil es in der beabsichtigten Form qualitativ nicht haltbar ist. Deshalb empfehle ich, auch diesen Antrag abzulehnen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Körtner möchte noch einmal zu uns sprechen.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Kürze der Zeit werde ich nur drei Anmerkungen machen.

Um einer Legendenbildung vorzubeugen, weise ich darauf hin, dass der Philologenverband, der Realschullehrerverband, die Niedersächsische Direktorenvereinigung und der Landeselternrat - abgesehen von Marginalien und Kleinigkeiten, die im Rahmen der Diskussion durchaus noch verändert werden können - anlässlich der Anhörung im Kultusausschuss unserem Antrag und damit unserem Modell zugestimmt haben.

(Beifall bei der CDU)

Frau Ministerin, die Erhöhung der Abiturquote ohne gleichzeitige Verbesserung der Qualität bringt uns keinen einzigen Schritt weiter. Wie ich anfangs vorgetragen habe, müssen die Schülerinnen und Schüler damit etwas anfangen können. Ich hatte mich zudem bemüht, einige Punkte über das übliche Maß der Redebeiträge hinaus zu vertiefen. Ich bedaure außerordentlich, dass dies bei meinem Kollegen Wolfgang Wulf keinen Zugang gefunden hat.

(Beifall bei der CDU)

Ich weise weiter darauf hin, dass die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Baden-Württembergs Kultusministerin Frau Schavan, bundesweit eine grundlegende Reform der gymnasialen Oberstufe gefordert hat. Die Grundlagenfächer müssten gestärkt und die Spezialisierung müsste abgebaut werden. Statt der bisherigen Aufteilung in Grund

kurse und einige weitgehend frei gewählte Leistungskurse plädierte sie für einen verbindlichen Kanon von Fächern, die bis zum Abitur durchgängig belegt werden müssten.

80 % aller niedersächsischen Oberstudiendirektorinnen und -direktoren haben der Frau Ministerin Anfang Mai dieses Jahres ins Stammbuch geschrieben, dass der Zug zur Profil-Oberstufe, wie sie vom von der Frau Ministerin einberufenen Runden Tisch vorgeschlagen worden ist, zum Stehen gekommen sei. Dies liege auch daran, dass die Frage der Schulzeitdauer bis zum Abitur einer Entscheidung nicht näher gebracht worden sei.

Frau Ministerin, Sie sollten sich schleunigst aus Ihrer flexiblen Haltung gegenüber der Öffentlichkeit, der Sie heute hü und morgen hott erzählen, befreien und zum Wohle der Schülerinnen und Schüler in diesem Land endlich tätig werden.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Nr. 1 der Beschlussempfehlung des Kultusausschusses in der Drucksache 2574 zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 880 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenstimmen! - Das Erste war die Mehrheit.

Wer der Nr. 2 Beschlussempfehlung des Kultusausschusses in der Drucksache 2574 zustimmen und damit die in die Beratung einbezogene Eingabe der Landesregierung als Material überweisen sowie den Einsender über die Sach- und Rechtslage unterrichten will, den bitte ich ebenfalls um ein Handzeichen. - Die Gegenstimmen! - Auch bei dieser Abstimmung war das Erste die Mehrheit.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 9: Zweite Beratung: Gesunde Ernährung gezielt fördern - Mehr Milch in die Schulen - Antrag der Fraktion der CDU – Drs. 14/2289 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - Drs. 14/2575

(Unruhe)

- Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Aufmerksamkeit.

Der Antrag der Fraktion der CDU wurde in der 74. Sitzung am 15. März 2001 an den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Berichterstatterin ist die Abgeordnete Frau Hansen. Ich erteile ihr das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Mit der Beschlussempfehlung in der Drucksache 2575 empfiehlt Ihnen der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, den Entschließungsantrag abzulehnen.

Ich gebe den Bericht zu Protokoll.