Protokoll der Sitzung vom 18.09.2001

Wiederholungstäter dürfen keine Möglichkeit finden, für weitere Untaten Freiraum zu erhalten.

(Zustimmung von Frau Schliepack [CDU])

Dies würde eine erneute Entwürdigung der Opfer sowie eine erneute fahrlässige Gefährdung dersel

ben oder anderer Frauen bedeuten, die wir nicht zulassen dürfen.

Zur Verdeutlichung weise ich auf Folgendes hin: Unter den vergewaltigten oder sonstiger Brutalität ausgesetzten Frauen sind nicht wenige lange Zeit, manchmal ihr Leben lang körperlich und/oder seelisch verletzt bis zur dauerhaften Zerstörung ihrer Würde, ihres Lebensplanes und ihre Lebensfreude, sodass ihre Gefühlswelt in einem äußerlich noch funktionierenden Körper quasi erstickt, um nicht zu sagen, gemordet wurde.

Gerade als Mann bitte ich Sie, sehr geehrter Herr Justizminister, die Schwere des Handels juristisch entsprechend viel stärker zu gewichten, bitte ich Sie, sehr geehrte Frau Familienministerin, effektivere Hilfen für Familien vorzusehen, wo Erziehungsarbeit - aus welchen Gründen auch immer nicht hinreichend gelingt, bitte ich die Frau Kultusministerin, in den Schulen mehr Raum zu geben für die Vermittlung menschenwürdigen Lebens miteinander, fordere ich Sie, sehr geehrte Frau Dr. Trauernicht, als Frauenministerin auf: Kommen sie mit dem Aktionsplan des Landes Niedersachsen nicht weiter in Verzug. Verzichten Sie bei den einzurichtenden Interventionsstellen auf Modellvorhaben, da wir auf Erkenntnisse aus anderen Ländern zurückgreifen können und die Zeit drängt. Richten Sie vielmehr die Stellen, dem Erfordernis Rechnung tragend, landesweit deutlich zahlreicher ein als geplant. Sparen Sie gerade in diesem Fall Ballungsräume nicht aus. Schließlich bitte ich den Herrn Finanzminister, so sehr wir die vorgesehene Bereitstellung der Mittel in Höhe von 570 000 Euro würdigen, er möge für die erforderlichen Maßnahmen zur Errichtung bzw. für den Fortbestand von Männerbüros zur Minderung von Gefahren für bedrohte Frauen weitere Mittel zur Verfügung stellen.

(Beifall bei der CDU)

Dass diese Mittel, verehrte Frau Kollegin Pothmer, nicht aus dem Etat des Frauenministeriums zu bestreiten sind, brauche ich gewiss nicht weiter auszuführen. Da sind wir uns völlig einig. Aber ebenso sehr sind wir uns einig, dass diese Arbeit unbedingt getan werden können muss, und zwar im Interesse der Leidtragenden.

Die Bekämpfung der Männergewalt ist eine klassische umfassende Querschnittsaufgabe, die mit dieser Beschlussempfehlung hoffentlich und endlich aus der Nische stärker in den Mittelpunkt ge

rückt wird. Seien Sie versichert, um der Frauen und Familien willen, die viel zu lange gelitten haben und leiden, wird meine Fraktion daran mitarbeiten, das Menschenmögliche zu tun, um - sehr vorsichtig gesprochen - dieser völlig inakzeptablen Handlungsweise Einhalt zu gebieten. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Frau Ministerin Trauernicht!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist gut so, dass wir heute einen Antrag zum Thema „Männergewalt in Familien effektiv bekämpfen“ auf der Tagesordnung haben, der gemeinsam von allen Fraktionen des Landtages getragen wird. Das ist ein eindeutiges Signal, ein wichtiges Zeichen dafür, dass dieses Thema über parteipolitische Grenzen hinweg angegangen wird, dass gegen Männergewalt in der Familie, dass gegen Gewalt gegen Frauen und Kinder vorgegangen wird. Es ist ein Thema, das über 20 Jahre in der Frauenbewegung thematisiert wurde, inzwischen aber viele Institutionen erreicht hat, alle Parteien erreicht hat. Das Thema Gewalt in der Familie ist aus der privaten Tabuzone herausgeholt worden und ist ein politisches Thema geworden. Und das ist gut so.

Dass Männergewalt gegen Frauen und Kinder nicht mehr als privates Problem gesehen wird, zeigen etliche rechtliche Änderungen der letzten Jahre. Ich möchte beispielhaft darauf hinweisen, dass die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe zwar erst seit 1997 auch in Deutschland explizit staatsrechtlich erfasst ist, aber immerhin! Das sind deutliche Signale.

Das Gewaltschutzgesetz ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg der verbesserten rechtlichen Absicherung des durch die Frauenbewegung Erreichten.

In Niedersachsen haben wir - damit gehe ich auf den Entschließungsantrag ein - bereits jetzt eine Vielzahl von Vernetzungen der Professionen im Bereich der Männergewalt gegen Frauen, die sich auch an der Umsetzung des geplanten Gewaltschutzgesetzes beteiligen. Es ist nicht alleinige Aufgabe der Landesregierung, sondern gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Es müssen alle Kräfte

mobilisiert werden. Dies ist in Niedersachsen aufgrund der Vorarbeiten gut möglich.

Seit 1999 hat mein Ministerium mit verschiedenen Kooperationspartnern zum Thema Prävention und Intervention große Veranstaltungen durchgeführt. Mein Haus hat frühzeitig den Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt vorgestellt und im Vorgriff auf das zu erwartende zivilrechtliche Gewaltschutzgesetz die österreichischen Erfahrungen bekannt gemacht und diskutiert. Und dies gemeinsam mit dem Landespräventionsrat, der mit seinen über 100 örtlichen Präventionsräten Motor der Vernetzung aller im Gewaltbereich tätigen Akteurinnen und Akteure ist. Damit wurden landesweit vernetzt die Frauen- und Kinderschutzeinrichtungen, die im Bereich von Justiz und Polizei Tätigen mit den kommunalen Frauenbeauftragten und anderen kommunalen Ämtern, Schulen, Täterprojekte, Kirchen, auch Wohnungsbaugesellschaften, viele andere mehr. Die Vernetzung ist schon ein ganzes Stück voran gekommen. Zuletzt haben wir eine große Veranstaltung am 23. August gemacht.

Sie sehen, dass wir Ihrem Wunsch nach Vernetzung in vielfältiger Weise Rechnung tragen. Außerdem hat mein Haus in Kooperation mit den gerade genannten Akteurinnen und Akteuren eine Konzeption für Beratungs- und Interventionsstellen entwickelt und diese zur Zeit ausgeschrieben. Die Frist läuft bis zum 31. Oktober. Wir werden dann aus den hoffentlich vielfältigen Anträgen sechs auszuwählen haben. Sechs Interventionsstellen sind nicht deshalb möglich, weil es Druck gegeben hat von den Frauenbeauftragten, sondern weil sich der Ministerpräsident und ich im Rahmen der Haushaltsberatungen damit haben durchsetzen können, dass es zusätzliches Geld für den Bereich Gewalt gegen Frauen gibt. Ursprünglich hatte ich vorgesehen, durch Umschichtung in meinem eigenen Haushalt und durch den Einsatz von TotoLotto-Mitteln drei Stellen zu finanzieren. Jetzt haben wir zusätzliches Geld und können deshalb doppelt so viel machen.

(Zustimmung von Frau Elsner-Solar [SPD])

Seitens des Landes wird Folgendes vorausgesetzt: eine Kooperation zwischen den bestehenden Frauenhäusern und Gewaltberatungsstellen - es ist mir ganz wichtig, dass die Frauenhäuser mit ihrer bewährten Arbeit auf diesem Weg mitgenommen werden -, eine Beteiligung von mindestens zwei, möglichst drei Landkreisen, um eine große Flä

chendeckung zu erreichen, eine schon bestehende Kooperation zwischen Frauenhäusern, Gewaltberatungsstellen und Polizei, Justiz und Verwaltung, beispielsweise in Form von kommunalen Arbeitskreisen, Runden Tischen, kriminalpräventiven Räten und anderem mehr.

Ich beabsichtige, diese Projekte zu Beginn des Jahres 2002 einrichten zu lassen und wissenschaftlich begleiten zu lassen. Das heißt, wir sind keinesfalls im Zeitverzug, sondern werden zu Beginn des Jahres 2002 diese sechs Stellen haben.

Es geht aber, um dies ganz deutlich zu sagen, nicht nur um die Beratung der Frauen durch die Interventionsstellen, auch die anderen Bereiche - Justiz und Polizei - sind gleichermaßen gefordert, damit das Wegweisungsrecht auch tatsächlich Realität werden kann. Dieser Herausforderung stellt sich die Niedersächsische Landesregierung. Das im Antrag geforderte ressortübergreifende Konzept gegen Gewalt gegen Frauen wird zurzeit erarbeitet und in Kürze dem Kabinett zur Entscheidung vorgelegt. Inhalt dieses Aktionsplanes des Landes Niedersachsen zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen im häuslichen Bereich ist neben der Einrichtung der Interventionsstellen das Thema Fortbildung für Polizei und Justiz. Es werden Handreichungen im Bereich Polizei erarbeitet, um einen konkreten Handlungsrahmen für das Einschreiten im Bereich häuslicher Gewalt zu geben und damit auch verlässliche Qualität im Umgang mit diesem Gesetz.

Sie haben ein anderes Thema angesprochen, das in der Tat sehr wichtig ist, nämlich verlässliche Zahlen zum Umfang der häuslichen Gewalt. Diese liegen in der Tat aufgrund des fehlenden statistischen Merkmals bislang nicht vor. Es wird nicht möglich sein, dies als Landesregierung in die Statistiken aufzunehmen, weil es hier eine Bundesvorgabe gibt. Aber die Innenminister der Länder haben sich bereits für eine Änderung entschieden, sodass die Kategorie häusliche Gewalt zukünftig in die Kriminalstatistik aufgenommen wird. Dies wird allerdings aufgrund verschiedenster Hintergründe ganz offensichtlich noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Deswegen hat sich das Innenministerium in Niedersachsen bereit erklärt, schon jetzt interne Aufzeichnungen zu machen, damit wir bereits über das Ausmaß der häuslichen Gewalt hier in Niedersachsen statistische Informationen haben.

Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass der Landesaktionsplan ein gemeinsames Konzept meiner Kollegen Heiner Bartling und Professor Christian Pfeiffer sein wird, weil wir der Überzeugung sind, dass nur gemeinsame Maßnahmen zur Unterstützung von Frauen und Kindern und zur polizeilichen Krisenintervention der Strafjustiz und Ziviljustiz und auch der Prävention wirklich durchgreifend helfen werden. Deswegen geht es um Bündelung und Kooperation sowohl auf der kommunalen Ebene als auch auf der Ebene der Landesregierung, denn erst dieses wird den Schutz vor Gewalt effektiver verwirklichen helfen. - Meine Damen und Herren, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gleichberechtigung und Frauenfrauen in der Drucksache 2670 zustimmen will, den bitte ich um Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann haben Sie einstimmig so beschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 25: Zweite Beratung: Gemeinsame Verantwortung für eine gerechte Familienpolitik - Familienpolitik als Querschnittsaufgabe organisieren - Antrag der Fraktion der SPD – Drs. 14/2451 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gleichberechtigung und Frauenfragen - Drs. 14/2671 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/2698

Der Antrag wurde in der 78. Sitzung am 18. Mai 2001 an den Ausschuss für Gleichberechtigung und Frauenfragen zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Auch hier ist eine Berichterstattung nicht vorgesehen.

Ich erteile der Kollegin Frau Hemme das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor dem Terroranschlag in den USA war die Familie in den Medien eines der Hauptthemen, üblicherweise eingegrenzt auf das Thema Kinder als Armutsfalle oder als Armutsrisiko.

Nun haben wir erneut die Diskussion um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Haben wir das in der Vergangenheit aber hauptsächlich unter dem Aspekt Frauenpolitik diskutiert,

(Frau Pawelski [CDU]: Wir nicht!)

so diskutieren wir darüber jetzt unter der Überschrift „Familienpolitik“. Es geht nun um eine Erhöhung des Familieneinkommens, um der Familie - Familie ist immer dort, wo Kinder leben Teilhabe an den unterschiedlichen Aspekten des Lebens zu ermöglichen.

Ich meine, dass uns diese Änderung der Überschrift sehr wachsam machen muss. Es ist darauf zu achten, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht zur Falle für die Frauen wird - nach dem Motto: Jetzt habt ihr alles, nun macht mal und dass wieder alles an den Frauen hängen bleibt, während die Männer außen vor sind.

Wenn ich die Ergebnisse der Umfrage, die in der Zeitschrift Brigitte veröffentlicht worden sind, betrachte, so habe ich den Eindruck, dass die Menschheit zu den aussterbenden Spezies gehören würde und auf der Roten Liste stünde, würden wir die Gebärmöglichkeit auf das andere Geschlecht übertragen. Diese Umfrage hat nämlich ergeben, dass sich die Mehrheit der Männer von den Erwartungen, die in der Familie an sie gerichtet werden, und vom Beruf furchtbar gestresst fühlt nach dem Motto: Lieber Herr, lass Montag werden, damit ich den Stress in der Familie los bin. Dann dürfen wir uns natürlich nicht wundern, dass immer weniger Frauen bereit sind, Kinder in die Welt zu setzen.

Meine Damen und Herren, wir erfahren durch den Zuspruch, den die Verlässliche Grundschule von den Eltern erhält, wie nötig solch ein Angebot ist. Deshalb muss ein schrittweiser Ausbau des Ganztagsangebots erfolgen.

Die Forderung von Bündnis 90/Die Grünen, einen Rechtsanspruch auf ein Betreuungsangebot von Kindern im Alter von zwei bis zwölf Jahren zu

begründen, wird sich allerdings in den Haushaltsberatungen bewähren müssen.

Familie geht nicht nur den Staat - in diesem Fall in Gestalt der Landesregierung - etwas an. Wenn Niedersachsen ein familienfreundliches Land sein soll, so geht dieses Thema uns alle an. Kommunen müssen mit der Jugendhilfe, mit freien Trägern und anderen Stellen zusammenarbeiten, um ein nachschulisches Angebot zu entwickeln. Mit den beteiligten Verbänden, aber auch ganz individuell vor Ort müssen Modelle für eine familienfreundliche Arbeitsorganisation entwickelt werden.

Geht es um auffällige Kinder und Jugendliche, so wird immer sofort die Erziehungskompetenz von Eltern angezweifelt. Es gilt, Strategien zu entwickeln, mit denen Eltern auch erreicht werden, um ihnen Angebote machen zu können. Was nützen die schönsten Angebote, wenn diese die Eltern nicht erreichen bzw. wenn Eltern nicht bereit sind, diese Angebote anzunehmen? Außerdem, liebe Kolleginnen und Kollegen, dürfen wir nicht vergessen, dass Erziehung nicht nur in der Familie stattfindet.

Familienpolitik ist unserer Meinung nach mehr als die Gewährung von Kindergeld. Dennoch begrüßen wir ausdrücklich die Kindergelderhöhung durch die Bundesregierung. Genauso begrüßen wir die Veränderung in der Familienpolitik, die seit 1998 stattgefunden hat. Als Beispiele nenne ich die gewaltfreie Erziehung, Elternzeit und das Recht auf Teilzeit.

Bei der Teilzeit müssen wir den Wunsch von niedersächsischen Beamtinnen und Beamten aufnehmen, die eine Teilzeit unter 20 Stunden beanspruchen. Wir müssen diesen Wunsch aufnehmen, überprüfen und diskutieren.

(Zuruf von Frau Pothmer [GRÜNE])

- Frau Pothmer, gestern bei der Diskussion um das NGG äußerten Sie die Befürchtung, es würde sich überhaupt nichts ändern, weil unser Antrag viel zu allgemein sei.

(Frau Pawelski [CDU]: Ja, das stimmt doch!)

Durch die Erwiderung der Ministerin ist Ihnen sicherlich deutlich geworden, dass dieser aus Ihrer Sicht zu allgemein gehaltene Antrag durchaus im Ministerium angekommen ist und etwas bewirkt hat.

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Nein, dass er in der Schublade verschwunden ist!)